Solarplexus Manipura – Teil 1

Jetzt wo ich vor dem schon überfüllten Cafè stand, war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich da wirklich rein wollte.

Ich war in fünf Minuten mit meiner besten Freundin Tanja verabredet … sie hatte mich mit der Einladung mehr oder überrumpelt und bevor ich mich versah, hatte ich auch schon zugesagt.
Mein Freund Rolf war natürlich stinksauer gewesen, als ich ihm davon erzählt hatte. Er hatte es nicht gern, wenn ich alleine unterwegs war und wieder mal hatte er mir allerhand fiese Sachen an den Kopf geschmissen. Von wegen, ich wollte ja eh nur andere Typen aufreißen und meinen Spaß ohne ihn haben.
Gott sei Dank war das aber alles, was er diesmal dazu zu sagen hatte und so konnte ich mehr oder weniger glimpflich die Wohnung verlassen. Ich wusste natürlich, warum er es heute bei den paar Bemerkungen belassen hatte. Er war sich darüber zwar nicht im Klaren, aber ich wusste schon seit einiger Zeit, dass er heute Abend Besuch bekommen würde. Und dabei konnte er mich sicher nicht gebrauchen.

Und nun stand ich da und blickte missmutig auf die offene Tür, durch die stetig Leute aus- und eingingen … fast als gäbe es etwas umsonst, witzelte ich in Gedanken, aus denen ich jäh unterbrochen wurde. Jemand war hinter mich getreten und hielt mir die Augen zu. Eine tiefere Stimme raunte: „Sag mir wer ich bin und ich verrate dir, ob du recht hast.“

Mir war klar, das konnte nur Tanja sein, die sich sehr viel Mühe gab, ihre Stimme zu verstellen. Mit einem Grinsen spielte ich das Spiel mit und begann alle möglichen Namen zu raten, die mir in dem Moment einfielen. Erst nach einiger Zeit schien mir einzufallen: „Ach jaaaa, ich bin heute doch mit irgendsoeiner Tanja verabredet!“

Kichernd nahm sie ihre Hände von mir und ich drehte mich lachend zu ihr um, um sie erst einmal kräftig durchzuknuddeln.

„Na Schnuffel, wie geht’s dir heute?“, fragte sie mich dann auch gleich und ich antwortete mit einem Lächeln: „Alles klar soweit und bei dir?“

Ich erhielt nicht sofort eine Antwort, stattdessen blickte sie mich forschend an. Und obwohl ich weiterhin gelächelt hatte, meinte sie plötzlich: „Hat Rolf wieder Probleme gemacht?“

Das Lächeln erfror in meinem Gesicht und ich nickte nur traurig.

„Was hat er denn heute wieder von sich gelassen?“

Mit einem Schulterzucken sagte ich: „Ach, eigentlich nur das Übliche. Ich sei eine verkommene schwule Schlampe. Und ich würd mir ja eh nur nen anderen Kerl aufreißen wollen.“
Es versetzte mir einen Stich, als ich Rolfs Worte so scheinbar unbekümmert wiederholte. Es tat so weh, so über meinen Freund reden zu müssen. Ich fühlte eine plötzliche Einsamkeit in mir, als ich an die ersten Monate dachte … als ich ihn kennen gelernt hatte. Er war so unglaublich lieb zu mir gewesen, hatte sich sehr viel Mühe gegeben und mich ständig umworben. Stundenlang hatten wir reden können, ohne dass er auch nur den geringsten Versuch gestartet hatte, mich anzufassen. Es hatte sogar Wochen gedauert, bis wir über das Küssen hinaus waren und wir uns zumindest gegenseitig streichelten. Dabei aber sogar noch vollständig angezogen. Ich musste lächeln bei dem Gedanken. Rolf hatte wirklich sehr viel Geduld mit mir gehabt. Hatte mich nie zu irgendwas gedrängt.

Tanja wollte mir das natürlich nicht glauben. Ihrer Meinung nach war das alles nur Taktik gewesen, um mich für ihn gefügig zu machen. Das hatte sie mir von Anfang an gepredigt, doch ich konnte und wollte ihr nicht recht glauben. Wie sollte mir denn so ein lieber Mensch was Böses wollen?
Irgendwie hatte er es geschafft, dass ich ihn gegen alles und jeden verteidigte und ihn schon nahezu auf ein Podest erhob.

Ich versuchte die Gedanken daran abzuschütteln und meinte: „Lass uns heute nicht von ihm sprechen.“

Tanja nickte nur besorgt und wir gingen endlich ins Cafè, das erst vor wenigen Tagen eröffnet hatte. „Das Geschäft scheint bombenmäßig zu laufen“, dachte ich mir, als ich die vielen Gäste sah. Wir hatten uns an diesem Abend nicht nur für dieses Café entschieden weil es neu war, sondern weil ein alter Bekannter von Tanja dort arbeitete. Es war sozusagen in persönlichem Interesse von ihr und auch irgendwie Ehrensache, dass wir es gleich in den ersten Tagen besuchten.

Als wir durch die Tür traten, mussten sich meine Augen erst mal an das dämmrige Licht gewöhnen. Fast schon düster wirkte es, obwohl der gesamte Raum von vielen kleinen Lampen erhellt wurde. An den Wänden waren außerdem in unregelmäßigen Abständen künstliche Fackeln angebracht, die ein schummriges aber warmes Licht ausstrahlten. Die Tische und Stühle waren alle sehr niedrig und wirkten dadurch sehr orientalisch angehaucht. An manchen Stellen konnte man sich sogar direkt auf den Boden, beziehungsweise auf die am Boden liegenden Sitzkissen werfen.
In einem Eck des Raumes befand sich eine Bar, an der allerhand Getränke mit und ohne Alkohol ausgeschenkt wurden. Die Küche befand sich in der gegenüber liegenden Ecke und hier stromerten ständig die Angestellten hinein und kamen reich beladen wieder heraus. Alles in allem war es also nicht nur ein Café, sondern ein richtiges Lokal.

Tanja führte mich an den für uns reservierten Tisch, der zwar nahe der Bar stand, aber dennoch nicht direkt eingesehen werden konnte, sodass auch eine ungestörte Unterhaltung möglich war. Als wir uns gesetzt hatten, fiel mir auch die leise Musik auf, die den Raum erfüllte. Es waren orientalische Klänge und auch Songs auf Arabisch gesungen, soweit ich das beurteilen konnte.

„Und? Gefällt es dir hier?“

Ich fing sofort zu strahlen an und antwortete: „Ich glaube, das hier könnte unser neues Stammlokal werden.“

Tanja fing auch sofort mit leuchtenden Augen mit ihren Schwärmereien an. Sie hatte es ja schon am Eröffnungstag besichtigt und dabei ihren Bekannten besucht. Lächelnd erzählte sie mir dann auch, wie sie Kay, so hieß ihr Bekannter, kennengelernt hatte. Und warum sie sich in den letzten Jahren sehr aus den Augen verloren hatten. Kennen gelernt hatte sie ihn vor Jahren schon, als sie noch die Fachoberschule besucht hatte. Damals war sie auch schon mit ihrem jetzigen Mann befreundet gewesen und so hatten sie viel in der Gruppe unternommen. Als Kay beschlossen hatte, eine ungewisse Auszeit zu nehmen, wurde der Kontakt weniger. Sie wusste teilweise nicht einmal, in welchem Land er sich gerade aufhielt, nur hin und wieder erhielt sie eine Postkarte. Keine einzige davon war dabei aus dem gleichen Land gekommen wie die vorherige. Kay war tatsächlich ständig auf Achse gewesen und hatte sich seinen Traum die Welt kennen zu lernen dadurch erfüllt. Erst vor wenigen Wochen war er in seine Heimat zurückgekehrt und hatte das Angebot seines Onkels, in eben diesem Lokal mit zu arbeiten, gerne angenommen. Das sollte dann so aussehen, dass er in den Hauptstoßzeiten aushalf, um so auch noch seiner normalen Arbeit nachgehen zu können.

Als Tanja erzählte und erzählte, schweifte ich etwas in meinen Gedanken ab. Sie strahlte soviel Freude aus, als sie von ihrem früheren Schulkameraden sprach und mir wurde bewusst, dass ich kaum noch gute Worte für Rolf übrig hatte.

„Warum lässt du den Mistkerl nicht einfach sausen?“, fragte sie mich plötzlich, als sie merkte, dass ich mit meinen Gedanken weit weg war.

Traurig sah ich sie nur an und meinte schließlich: „Ich kann nicht.“

Und wieder begann dieses ewige Thema. Tanja konnte Rolf schon als sie ihn das erste Mal gesehen hatte nicht leiden. Und seit ich fest mit ihm zusammen war, hatte sich das regelrecht in eine Kriegsstimmung gewandelt. Und die hielt immerhin schon seit einem dreiviertel Jahr an. Sie hätte ihn am liebsten ohne Rückflugticket bis zur Milchstraße hoch geschossen.
Das Schlimme war, ich konnte ihr nicht einmal böse deswegen sein. Denn selbst ich war schon lange zu der Einsicht gekommen, dass sie vollkommen recht hatte. Rolf war wirklich nicht immer okay, genau genommen konnte er richtig fies sein. Ganz anders wie am Anfang.

Wir waren mittlerweile fast ständig am Streiten, im Bett lief kaum noch was und wenn er mich mal anfasste, dann meistens wenn ihm die Hand wieder ausrutschte. Er hatte mich bisher schon einige Male grün und blau geschlagen, aber er schaffte es trotzdem immer wieder, mich weichzukochen. Er redete dann einfach so lange auf mich ein, bis ich am Ende glaubte selbst daran schuld zu sein.
Einmal hatte er mich geschlagen, weil ich mich zu lange und vor allem zu gut mit einem anderen unterhalten hatte. Dabei war ich wirklich einfach nur gut drauf gewesen und konnte mich einfach gut mit dem Mann unterhalten. Mit Rolf waren solche Gespräche nicht möglich und so machte es mir einfach nur Freude. Am Ende war ich dann auf solche Gedanken gekommen wie ‘vielleicht hatte ich ja wirklich ein bisschen mit dem Typen geflirtet, ohne es selbst zu merken. Vielleicht hätte mein Lächeln, meine eigentlich fröhliche Art tatsächlich als Flirtversuch aufgefasst werden können’. Rolf war damals rasend vor Eifersucht gewesen und hatte auf dem Weg zu seiner Wohnung kein Wort mit mir geredet. Mir war die Situation sehr unangenehm gewesen und ich hatte die ganze Fahrt über versucht, ein Gespräch zu erwirken. Ohne Erfolg. Als wir bei ihm angekommen waren und er die Tür aufschlossen hatte, ließ er mir den Vortritt und als ich mich lächelnd zu ihm umdrehte, hatte er mir schon die erste verpasst. Ich hatte nicht damit gerechnet und starrte ihn schockiert an, doch es sollte nur der Anfang in dieser Nacht sein.

Tanja wusste von den Übergriffen, denn sie war es meistens, bei der ich mich ausheulte. Sie schaffte es jedes Mal, mich wieder aufzubauen. Vergaß dabei aber nie, besorgt auf mich einzureden. Ich sollte ihn endlich verlassen und mein eigenes Leben leben.

Wenn ich so zurück dachte konnte ich schon verstehen, dass sie ständig versuchte, mir Rolf auszureden. Wenn ich zu jammern begann, wie anders Rolf früher gewesen war, schaute sie mich meistens nur mitleidig an. Sie konnte und wollte nicht glauben, dass es auch noch eine andere Seite an ihm gab.
Dabei war mir selbst klar, dass er so auf Dauer nicht gut für mich war. Aber ich steigerte mich oft in die Hoffnung, dass er sich eines Tages wieder ändern würde. Dass es ihm leid tun würde.
Wenn ich mit Ausflüchten kam, wie zum Beispiel, was ich denn ohne ihn hätte tun sollen, meinte Tanja meist nur grinsend: „Auf Hasensuche gehen zum Beispiel.“

Und kaum hatte sie das an diesem Abend wiederholt, trat plötzlich ein Mann an unseren Tisch. Er schlich sich von hinten an Tanja heran und wuschelte ihr grinsend durch die Haare. Empört wollte sie schon einen verärgerten Spruch in seine Richtung ablassen, bis sie ihn erkannte und sofort freudig aufsprang um ihn zu umarmen. Nachdem sie sich lange und lachend in den Armen gelegen waren, setzten sich beide an den Tisch und Tanja stellte ihn mir als Kay, ihren früheren Schulfreund, vor. Ich gab ihm schüchtern die Hand und stellte auch mich vor. Als er mir ebenfalls die Hand reichte, begrüßte er mich leise und sah mir dabei lächelnd in die Augen. Ich spürte sofort, wie sich das Blut in meinem Gesicht sammelte und senkte verlegen meinen Blick.

„Also, ich für meinen Teil werd jetzt erst mal Pause machen“, meinte er dann grinsend und fragte, was wir essen wollten. Da wir uns die Karte aber noch gar nicht angesehen hatten, wählte er einfach für uns. „Jetzt müsst ihr mir vertrauen, ob ihr wollt oder nicht“.

Tanja und Kay hatten sich natürlich jede Menge zu erzählen und ich blieb dabei etwas außen vor. Allerdings störte mich das wenig, denn so konnte ich ihn besser beobachten, ohne dass es zu sehr auffiel. Als er vorhin an unseren Tisch kam, war ich fast der Ohnmacht nahe gewesen. Sein Aussehen, sein Auftreten, einfach seine gesamte Art … es war einfach traumhaft.
Er war etwas größer als ich und auch sehr schlank, wobei er aber nicht einfach nur dünn war, so wie ich, sondern eine sehr sportliche Figur hatte. Die blonden Haare trug er in einem kurzen Zopf und man konnte schneeweiße Strähnen darin erkennen. Seine Augen waren farblich nicht eindeutig zu definieren, sie waren grün-braun mit einer dunkelgrauen Umrandung und wurden von langen dunklen Wimpern umrahmt. Sie wirkten sehr fröhlich und schienen genauso zu lachen wie seine Lippen. Außerdem hatte er diesen gewissen Blick drauf, der einem durch und durch gehen konnte.

Als das Essen serviert wurde, verebbte das Gespräch etwas und jeder konzentrierte sich auf die Zusammensetzung seiner Mahlzeit. Das einzige, was man mit Sicherheit erkennen konnte war Reis, der Rest aber war irgendwie undefinierbar. Kay beobachtete mit einem Grinsen, wie ich etwas zaghaft darin herumstocherte und meinte: „Trau dich einfach, es schmeckt besser, als es aussieht.“

Mit rotem Kopf wurde mir bewusst, dass auch Tanja mich schon die ganze Zeit grinsend beobachtet hatte. Fast schon gequält lächelnd schob ich mir die Gabel endgültig, aber mit sichtbarer Überwindung in den Mund. Als ich dann ein paar Bissen davon gekaut hatte, wurde ich aber tatsächlich positiv überrascht. Ich konnte zwar noch immer nicht sagen, nach was genau es schmeckte, aber es schmeckte außergewöhnlich gut und das ließ ich auch zum Ausdruck kommen.
Nach dem ich die gesamte Portion restlos aufgegessen hatte, war ich so richtig satt und dachte, ich müsste eigentlich gleich platzen. Da wurde ohne Aufforderung zügig abgeräumt und jeder von uns bekam noch einen Riesenteller zum Dessert. Darauf verteilt lagen wunderschön dekorierte Obstscheiben, darunter Apfelstücke, Kiwischeiben, Orangenstücke, eine Scheibe Melone und in der Mitte war ein kleines Gläschen Likörwein platziert. Nachdem wir auch das noch verputzt hatten, war aber wirklich Ende.
Um dem Essen dann noch gebührend nachzuspülen, bestellte jeder für sich noch einen Caiphirinja, der am oberen Glasrand mit Salzkruste serviert wurde.

Während ich etwas nachdenklich im Eis rumstocherte, fragte mich Kay nun einige Dinge, wohl, um mich etwas mehr in das Gespräch mit ein zu beziehen. Ich fand das zwar sehr lieb von ihm, erzählte aber nicht wirklich viel über mich. Irgendwie war mir seine Fragerei fast peinlich und so antwortete ich nur einsilbig und schüchtern darauf.

Viel lieber hörte ich interessiert zu und erfuhr so ganz nebenbei, dass Kay 26 Jahre alt war, also ein Jahr älter als Tanja, und dass er vorhatte nun in seiner Heimatstadt sesshaft zu werden. Er erzählte auch von den vergangenen Jahren, in denen er einfach nur durch die Gegend gegondelt war, erzählte von den Orten, die er besucht hatte und welche Erfahrungen und Eindrücke er über die Welt gesammelt hatte. Dabei wurde auch klar, dass er im Moment keine Freundin hatte, was mich irritierenderweise sehr freute. Er erwähnte auch, dass er keine Kinder hatte und fügte mit einem breiten Grinsen und einem Zwinkern hinzu: „Soweit ich weiß natürlich.“

Auch Tanja erzählte, wie es ihr in den letzten Jahren ergangen war und stellte mich dabei so ganz nebenbei immer wieder in den Vordergrund. Wir kannten uns zu dem Zeitpunkt auch erst seit einem Jahr, also etwas länger als ich Rolf kannte, aber unsere Freundschaft hatte sich unglaublich schnell und tief entwickelt.

„Und seit der Kleine mit nem Typen zusammen ist, der nicht alle Tassen im Schrank hat, schleppe ich ihn ständig irgendwo hin. Damit er ein bisschen unter Leute kommt und nicht zu Hause versauert.“

Als ich diesen Satz hörte, verschluckte ich mich gehörig an meinem Getränk und versuchte hustenderweise ganz normal zu wirken. Dabei spürte ich, wie mir das Blut wieder in den Kopf stieg.

Kay sah mich etwas nachdenklich an und fragte ganz direkt: „Du bist mit nem Typen zusammen?“

Irgendwie war mir das total peinlich und unfähig etwas zu sagen, nickte ich nur leicht.

Kay ging aber glücklicherweise nicht weiter darauf ein, sondern lächelte nur und so lenkte sich das Gespräch wieder in andere Richtungen.
Es wurde sogar ein richtig schöner Abend und wir lachten viel … nach dem zweiten Caiphirinja fand ich sogar meine Stimme wieder und beteiligte mich rege am Gespräch.
Kay meinte dann nach fast zwei Stunden, dass er sich mal wieder an die Arbeit machen müsste und verabschiedete sich mit den Worten, er würde vielleicht später noch einmal zu uns schauen. Tanja und er tauschten aber noch zur Sicherheit ihre Handy-Nummern aus.

Kaum war Kay außer Sichtweite gewesen, musterte sie mich mit einem frechen Grinsen. Ich grinste wortlos zurück und hob fragend die Augenbrauen, da meinte sie nur: „Mir kannste nix vormachen, der wär was für dich.“

„Tanja, du weißt, dass ich einen Freund habe.“, entgegnete ich und fügte noch kleinlaut hinzu: „Außerdem hab ich mitgekriegt, dass er auf Frauen steht.“

Darauf meinte sie nur: „Was nicht ist, kann ja noch werden.“

Verwirrt starrte ich sie an, denn mir war nicht ganz klar, auf welches der beiden Argumente sie ihre Antwort bezogen hatte. Allerdings war auch kein weiteres Wort zu dem Thema aus ihr heraus zu bringen und so unterhielten uns noch lange über andere Themen. Als es beinahe Mitternacht wurde, begann ich langsam nervös zu werden. So spät war ich normalerweise nicht ohne Rolf weg und ich fühlte mich deswegen sehr unbehaglich. Ich hatte sogar ein schlechtes Gewissen deswegen.

Tanja meinte eindringlich: „Sebastian, du bist jetzt 20 Jahre alt, du wirst doch wohl von dem keine Erlaubnis brauchen, wie lange du weg darfst!“

Ich zuckte nur mit den Schultern und versuchte, Rolf in Schutz zu nehmen: „Nein, natürlich nicht. Ich werd nur langsam müde, weil ich das nicht mehr gewohnt bin.

Tanja seufzte und sagte in einem sarkastischen Ton: „Aber sicher doch! Klar bist du nur müde. Na, wenn du unbedingt meinst. Aber ich bleib auf jeden Fall noch ne Weile hier.“

„Sei mir bitte nicht böse, Tanja.“

Als Antwort nahm sie mich lächelnd in die Arme und flüsterte: „Meld dich, ja?“

Ich nickte erleichtert und verabschiedete mich von ihr.

Als ich an der frischen Luft war, entschloss ich mich spontan, nicht zu mir heim, sondern zu Rolf zu fahren. Vom Lokal aus brauchte man nur 15 Minuten mit dem Rad und die nahm ich gerne in Kauf. Ich mußte gestehen, nicht deswegen, weil ich meinen Freund sehen wollte, sondern weil ich wissen wollte, mit wem er diesen Abend verbrachte.

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Als ich mein Rad vor dem Wohnhaus abstellte, in dem Rolf wohnte, bemerkte ich im zweiten Stock Licht. Der Schein fiel aus dem Wohnzimmerfenster. ‘Immerhin noch nicht aus dem Schlafzimmer’, dachte ich bitter. Nun doch sehr nervös zog ich den Schlüssel aus meiner Jackentasche und betrat leise das Treppenhaus.

Seine Wohnung lag wie gesagt im zweiten Stock und ich schlich mich wie ein Einbrecher die Treppe hoch, sogar auf das Treppenlicht hatte ich verzichtet. Als ich im stockfinsteren Flur in die Nähe der Wohnungstür kam, hörte ich bereits Gelächter und Gläserklirren. Soweit ich erkennen konnte, waren sie nur zu zweit. Unsicher, ob ich wirklich hinein gehen sollte, stand ich noch einige Minuten vor der verschlossenen Tür. Immer wieder hörte ich die beiden ausgelassen lachen und angeregt plaudern. Ich weiß nicht, warum ich da so lange stand, denn meinen Freund so fröhlich zu hören, bereitete mir schon fast körperliche Schmerzen. Wenn wir beide zusammen waren, war er nie so locker. Mich schwieg er die meiste Zeit an und wenn ich schüchtern versuchte, mit ihm zu sprechen, reagierte er darauf meistens sehr genervt. Meinte immer, ich solle ihm doch einfach mal ein bisschen Ruhe gönnen, schließlich würde er hart arbeiten und hätte abends keine Lust mehr auf ‚sowas’.

Ich holte noch einmal tief Luft und schloss nun doch leise die Tür auf. Das Licht in der restlichen Wohnung war gelöscht, einzig das Wohnzimmer wurde erhellt und die Tür war geschlossen. Durch die milchige Glasscheibe in der Tür konnte ich zwei Gestalten sehen, die sehr nahe beieinander auf der Couch saßen. Was genau sie machten, erkannte ich jedoch nicht.

Zitternd und mit weichen Knien steuerte ich auf das Zimmer zu, immer noch unsicher, ob es richtig war, was ich tat. Als ich vor der Tür stand, wissend, dass sie mich von drinnen in dem dunklen Vorraum nicht sehen konnten, konnte ich auch einige Wortfetzen ausmachen. MEIN Freund erzählte dem anderen gerade, dass er eigentlich solo wäre und nur noch aus Mitleid mit seinem Partner zusammen wäre. Der andere meinte darauf: „Rolf, das interessiert mich ohnehin nicht. Du weißt, was ich suche und das ist garantiert nichts Festes.“

Bei diesen Worten keimte als erste Reaktion Wut in mir auf, doch recht schnell nur Schmerz. Wie konnte er nur so über unsere Beziehung reden? Entschlossen öffnete ich nun die Tür. So einfach wollte ich mich nicht hintergehen lassen. Der andere sollte sehen, wer der Freund von Rolf war. Jedoch als ich in dem gemütlichen Wohnzimmer, das überwiegend ich dekoriert hatte, stand, hätte ich am liebsten kehrt gemacht. Warum hatte ich nicht mehr Vertrauen zu ihm? Schließlich saßen die beiden einfach nur auf der Couch und redeten miteinander. Mehr nicht. Die Worte, dich kurz zuvor von Rolf gehört hatte, verdrängte ich komplett. Bestimmt hatte ich nicht richtig zugehört. Was also wollte ich hier eigentlich?

Genau das fragte mich auch Rolf, als er überrascht zu mir blickte. Ich versuchte zu lächeln, doch unter Rolfs kalten Blick gelang mir das nicht einmal ansatzweise. Um die Stimmung irgendwie zu lockern meinte ich gezwungen fröhlich: „Wow, mit soviel Begeisterung habe ich ja gar nicht gerechnet.“

Der Blick des mir unbekannten Mannes sprach Bände, ich sah, wie er mich abwertend anstarrte und ein schadenfrohes Grinsen in meine Richtung warf. Bestimmt wirkte ich maßlos lächerlich, wie ich unsicher in der Tür stand. Dabei hätte Rolf doch zu mir kommen müssen, um mich zu umarmen. Doch das tat er nicht. Er blieb bei dem anderen auf der Couch sitzen und starrte mich nur distanziert an.

Schließlich meinte er leise und in einem kalten Ton: „Verschwinde und lass dich hier nie wieder ungefragt sehen!“

Ich war nicht fähig zu reagieren. Hatte er das wirklich gesagt? Ich blinzelte unsicher und versuchte mich noch einmal an einem schüchternen Lächeln. Doch dann erhob sich Rolf und kam auf mich zu. Als er direkt vor mir stand, wich ich ängstlich einen Schritt zurück. Er beugte sich zu mir vor und roch übertrieben genau an mir: „Ach? Und zulaufen lässt du dich auch schon, wenn ich nicht dabei bin, oder was?“

„Aber Rolf, ich hab kaum was getrunken“, begann ich stockend, aber er unterbrach mich sofort: „Glaubst du, du kleine Schwuchtel könntest mich hinters Licht führen?! Glaubst du das im Ernst?“

„Aber…“

Sein Ton wurde drohend: „Warum bist du nicht bei diesem Blondie geblieben, der hätt dich heut bestimmt noch richtig rangenommen.“

Nun war ich vollkommen perplex. Woher wusste er von Kay? Meine Stimme schwankte, als ich jammernd versuchte, alles zu erklären: „Da war doch gar nichts … er ist ein Freund von Tanja.“

Rolf: „Hätt ich mir auch denken können, dass die Schlampe wieder was vorhat. Du verschwindest jetzt sofort aus meiner Wohnung oder ich vergesse mich, du kleine miese Schwuchtel!“

Warum war er so gemein zu mir? Ich fing an zu schluchzen, mein Kopf war leer. Was hatte ich denn nur falsch gemacht? Ich konnte nicht mehr klar denken, als er mir völlig überraschend eine schallende Ohrfeige gab. Schockiert ließ ich meine Hand zu der Stelle wandern und starrte ihn an. Noch nie hatte er mich vor einem anderen so gedemütigt oder gar geschlagen.

„Checkst du es immer noch nicht?“, schrie er mich außer sich vor Wut an … „Du sollst abhauen!“ Jedoch hatte er mich bei diesen Worten so fest am Arm gepackt, dass ich gar nicht hätte abhauen können.

Er schrie: „Du willst es anscheinend nicht anders, hast du’s etwa so dringend nötig, oder was!“ Am Arm schleifte er mich ins Schlafzimmer, wo er mich unsanft auf das Bett schubste. „Zieh deine Hose aus!“, befahl er, doch ich starrte ihn nur fassungslos an.

‘Er will doch nicht wirklich… Was soll das?’ Er wartete auch gar nicht, bis ich reagierte, sondern riss hektisch meine Hose auf und zerrte mich vom Bett hoch. Grob griff er sich meinen anderen Arm und verdrehte ihn rücksichtslos auf meinem Rücken, während er meine Hose nur hinten runterzog. Ich war vor Angst wie gelähmt und schluchzte und bettelte, er solle das nicht tun. „Bitte Rolf, ich liebe dich doch!“

Ihn interessierte das nicht. Ich spürte einen brennenden Schmerz, als er augenblicklich in mich eindrang und sich mit brutalen Stößen an mir vergnügte.

Der Schmerz raubte mir den Verstand, mir wurde schwarz vor Augen. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf, war viel zu geschockt, um mich zu wehren. Anfangs versuchte ich es noch, doch sein eiserner Griff ließ mir keinerlei Freiheit, jede Bewegung verstärkte den Schmerz nur noch. Irgendwann hielt ich einfach nur noch still und betete, dass es bald vorbei sein würde. Nach scheinbar einer Ewigkeit, die mich an Rande der Bewusstlosigkeit brachte, zog er sich mit einem plötzlichem Ruck zurück und ergoss sich auf meinen Po. Während er mit der einen Hand noch immer meinen Arm auf meinen Rücken drückte, verschmierte er mit der anderen den ekelerregenden Saft und gab mir noch einen harten Klaps mit der flachen Hand. Ich dachte, es könnte nichts noch schmerzhafter sein, doch dies ließ mich erneut aufschreien.

Er stieß nur ein gehässiges Lachen aus und schubste mich auf den Boden, als er meinen Arm los ließ.

„Und jetzt verschwinde von hier, ich habe Besuch!“, war alles, was er noch für mich übrig hatte. Ohne sich noch einmal nach mir umzudrehen verließ er das Schlafzimmer und ließ mich schluchzend dort liegen.

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