Eiskalter Engel

Ein eisiger Wind fegte über den Friedhof. An einem Grab standen zwei Jungen und hielten jeweils eine rote Rose in den Händen. Beide sahen auf das Grab hinunter. Ein Grabstein in Form eines Engels stand auf diesem. Der Engel hatte seine Hände wie zu einem Gebet gefaltet. Unten auf dem Sockel, auf dem der Engel stand, waren folgende Worte eingraviert:

Hier ruht Kahne lange vermisst,
aber er hat endlich heimgefunden.
Schlaf gut mein Bruder den ich nie
Kennen lernen konnte

Die Jungen legten die Rosen langsam auf das Grab und gingen danach schweigend davon. Der eine Junge nahm die Hand des anderen und sie sahen sich dann lächelnd an. Dem einen Jungen liefen Tränen durch das Gesicht, die der andere mit der freien Hand versuchte wegzuwischen. Es fing an zu regnen und sie verschwanden in der anbrechenden Dunkelheit.

Bevor ihr die Geschichte lest, möchte ich noch etwas loswerden. Bei Pitstorie bin ich als Autor etwa ein gutes Jahr. Ich habe hier viele nette Menschen kennen lernen dürfen und ich möchte diese nicht mehr missen. Sie bilden gemeinsam eine Gemeinschaft die auf Respekt und Freundschaft aufgebaut ist. Ich möchte diesen Menschen danken und mein ganz besonderer Dank gilt Pit. Er hat diese Seite ins Leben gerufen und gab anderen die Möglichkeit hier ihre Geschichten zu veröffentlichen und neue Freunde kennen zu lernen. Ich für meinen Teil habe hier Freunde gefunden und dafür sage ich:

DANKE PIT dass es Dich gibt!!

*-*-*

Hallo mein Name ist Daniel und ich möchte euch erzählen wie ich und Tobias, Khane fanden. Es ist eine traurige Geschichte und für meine und Tobias seine Familie nicht einfach zu verarbeiten. Also ich fange einfach am Anfang an. Meine Familie lebt in einem kleinen Haus am Rande einer kleinen Stadt. Die Stadt heißt Stetten.

Unsere Familie ist nicht reich und wir wissen manchmal nicht, woher wir das Geld für die Rechnungen nehmen sollen. Zu meiner Familie gehören natürlich mein Vater, meine Mutter, meine Schwester Luisa und ich. In der Schule war ich nicht der Beste und träumte vielmehr von aufregenden Schlachten gegen Trolle und dergleichen. Meine Schwester Luisa, sie ist 18 Jahre alt und macht bald ihr Abitur, lacht immer über meine Geschichten die ich ihr erzähle.

Mein zweit liebstes Hobby ist malen und ich habe ein Buch in dem ich alle meine Gedanken reinzeichne. Freunde hatte ich keine in der Schule. Mit so einem Träumer wie mir wollte keiner zusammen sein.

Nun das wurde aber anders, als ein neuer Junge in der Schule erschien. Sein Name war Tobias. Er war ganz anders als die anderen Jungs in meiner Schule. Schon am ersten Tag setzte er sich in der Schule neben mich, dass war für mich schon ein seltsames Gefühl. Sonst ausgegrenzt und immer alleine, hatte ich bald einen ständigen Begleiter, Tobias.

Es war wie immer, meine Mutter weckte mich am Morgen und ich dampfte ab ins Bad. Danach wieder ab in mein Zimmer und Sachen angezogen und runter in die Küche. Dort wartete schon eine dampfende Tasse Kakao.

„Na und was steht heute auf dem Lehrplan?“ fragte meine Mutter.

„Upps gut das du fragst wir haben ja heute zeichnen und ich hätte beinahe meine Hausarbeit vergessen.“

Na wieder hoch in mein Zimmer und die Zeichnung einpacken die auf meinem Schreibtisch lag.

Tja wozu hat man Mütter! Dann musste ich auch schon los, da ich im Sommer immer gerne laufe und nicht mit dem Bus zur Schule fuhr.

„He warte doch mal.“

Nach der Stimme zu urteilen, konnte das nur der neue, Tobias sein. Ich drehte mich in die Richtung aus der die Stimme kam.

„He Tobias wo kommst du denn her?“

„Ich wohne doch hier!“ dabei zeigte er auf ein einzelnes Haus.

„Ach dann seid ihr das die dort eingezogen sind!“

„Richtig. Was machst du denn heute nach der Schule noch?“

„Lass mich überlegen, erst mal meiner Mutter im Haushalt helfen und danach meine Hausarbeiten machen!“

„Klasse, wir können ja danach was zusammen machen!“

„Warum nicht!“

Als die Schule in Sichtweite kam, sah ich zwei Gestalten vor dem Schultor stehen. Na super, dachte ich, als ich die beiden Gestalten erkannte. Vor der Schule erwarteten mich meine beiden größten Fans, Jan und Marco.

Die beiden gingen in meine Klasse und sie hatten irgendwie Freude daran gefunden, meine Person als VENTIL zu nutzen für ihren schulischen Frust. Jetzt standen, jedenfalls die beiden vor dem Eingang zur Schule und grinsten mir entgegen.

„Sag mal DANIEL, warum sehen die beiden dich so an?“

Bevor ich Tobias antworten konnte, kamen die beiden auf uns zu.

„Äh Tobias mit der Flachzange würde ich mich aber nicht in der Schule zeigen.“

Dabei traten sie neben mich und eh ich mich versah, hatten sie meine gesamte Schulmappe auf den Boden ausgeschüttet. Ich stand einfach nur da und konnte in dem Augenblick nichts sagen.

„Eh seid ihr nicht ganz dicht? Das räumt ihr sofort wieder ein und entschuldigt euch bei ihm!“

Die Stimme die das gerade gesagt hatte, hörte sich ganz nach Tobias seiner an.

„Was dann?“ kam es drohend von Jan.

„Das wirst du dann schon sehen!“

„Tobias lass es, die sind es nicht wert!“, kam es von mir und ich bückte mich nach unten und fing die Sachen in die Schulmappe einzuräumen.

„Nee das wirst du nicht! Das machen die beiden!“

Wie bitte? Wollte etwa Tobias auch auf der Liste von den Schwachmaten stehen?

„So ich würde empfehlen das ihr gleich anfängt, denn die Schule geht genau in zehn Minuten los.“

„Man halt das Maul. Marco komm wir gehen!“

Jan drehte sich um, um zu gehen. Aber was war das, ich konnte das gar nicht fassen. Tobias packte kurz Jan und dieser lag plötzlich auf dem Boden.

„Ich würde empfehlen gleich anzufangen, ansonsten kann ich gerne das noch einmal wiederholen.“

Oh shit wenn die mich alleine treffen, dann bin ich geliefert. Aber so wie Tobias aussah, hätte es keinen Sinn gehabt, an mein Überleben zu appellieren.

Jan fing an, meine Sachen in die Schultasche zu stopfen. Nachdem er fertig war, zischte er zu mir nur, ich wäre so was von geliefert. Au Backe, aber Tobias musste das wohl mitbekommen haben.

„Sollte dir einfallen, meinen Freund mal alleine abzufangen, unterhalten wir uns weiter! Hast Du mich verstanden?“ zischte Tobias Jan an.

Der nickte nur und rannte mit Marco los, in die Schule.

„So komm wir müssen, die Stunde fängt gleich an!“ dabei sah er mich an.

„He was ist denn das?“, dabei bückte er sich und nahm meinen Zeichenblock in die Hand, der noch auf dem Boden lag.

„Hast du das gezeichnet?“, fragte er mich, nachdem er den Zeichenblock aufgeblättert hatte.

„Ja! Warum?“

„Man kannst du gut zeichnen, der Kobold ist dir echt gelungen!“

Ich nickte und nahm ihm meinen Zeichenblock aus den Händen. Als ich den Zeichenblock auch verstaut hatte, rannten wir in die Schule und in unsere Klasse. Kaum saßen wir, fing auch schon der Unterricht an. Na gut, dadurch das Tobias immer an meiner Seite war, hatte ich auch vor Jan und Marco ruhe und so verlief der Schultag relativ ruhig.

Nach der Schule gingen wir gemeinsam nach Hause.

„Wann soll ich dich abholen?“ fragte Tobias mich.

„Es ist besser ich hole dich ab. Weiß noch nicht was ich zu Hause noch helfen muss.“

„OK ich warte dann auf dich!“

So trennten wir uns bei Tobias vorm Haus und ich lief noch ein Stück weiter zu uns nach Hause. Kaum hatte ich unser Haus betreten, kam meine Mutter auf mich zu.

„Junge du musst im Gewächshaus, die Pflanzen gießen. Danach hast du Freizeit!“

Ich brachte meine Schulmappe in mein Zimmer und ging wieder runter um die Pflanzen zu gießen. Nach getaner Arbeit machte ich mich auf den Weg zu Tobias. Als ob er schon auf mich gewartet hatte, saß er vor der Haustür auf der Veranda und grinste mich an.

„Na los, wir gehen in den Wald!“

„Nee da komm ich nicht mit!“

„Warum?“

„Er ist mir unheimlich, da ist mal ein Kind verschwunden. Jedenfalls erzählen die Leute das!“

„Gruselgeschichte stimmts?“

„So ähnlich, da gehen nicht mal die Erwachsenen rein, Pilze suchen oder so!“

„Na sind wir eben die ersten, die da wieder mal spazieren gehen!“

Tobias trabte los in Richtung Wald. Ich folgte ihm zögernd. Der Wald begann kurz hinter unseren Häusern. Meine Eltern hatten mir verboten dort zu spielen und jetzt lief ich Tobias hinterher, ohne ein Wort davon zu sagen.

Wir kamen dem Wald immer näher und mir war gar nicht so wohl dabei, diesen Wald zu betreten. Kurz darauf standen wir bei der ersten Baumgruppe und Tobias wartete dort auf mich. Als ich auf gleicher Höhe mit Tobias war, sah er mich an und grinste.

„Na der Wald sieht aus wie jeder andere, oder siehst du hier irgendwelche Gespenster?“

Ich schüttelte den Kopf, aber unheimlich war der Wald mir doch. Tobias ging am Waldrand entlang und suchte etwas.

„Was suchst du denn?“

„Einen Stock, damit wir das Gestrüpp zur Seite hauen können.“

Er bückte sich und hielt dann einen Ast in den Händen.

„Der müsste erstmal reichen! Na dann wackerer Ritter auf geht’s in den Wald, das Ungeheuer besiegen!“

Tobias lief los und ich hinterher. Kaum waren wir in den Wald eingedrungen, wurde es dämmrig. Die Bäume standen ziemlich dicht und ließen fast keinen Sonnenstrahl durch. Leise gingen wir immer weiter hinein. Seltsam außer dem knarren der Bäume war kein Laut zu hören.

„Tobias komm wir gehen wieder raus. Das ist mir hier zu unheimlich.“

„Nun hab dich nicht so. Wau sieh mal da vorne wird es heller!“

Er rannte plötzlich los.

Was sollte ich machen, also rannte ich ihm hinterher. Es wurde tatsächlich wieder heller und kurz darauf stürmten wir auf eine Wiese.

Tobias und ich blieben am Rand der Wiese stehen und sahen uns um. Mitten auf der Wiese stand eine riesige Eiche. Die musste mindestens zweihundert Jahre alt sein so dick wie der Stamm war.

„Das hier ist einfach wunderbar.“ sagte Tobias leise.

Irgendwie musste ich ihm zustimmen. Überall auf der Wiese blühten Blumen. Es sah einfach toll aus mit dieser riesigen Eiche in der Mitte. Tobias und ich gingen langsam auf die Eiche zu.

„Sieh mal da hängt ein Seil an einem Ast!“

Dabei zeigte ich auf dieses.

„Na da war wohl jemand vor uns schon hier! Komm das sehen wir uns vom nahen an.“

So schritten wir weiter und standen dann vor dem Seil. Ich sah nach oben und konnte einige Bretter erkennen, die auf ein paar Äste befestigt waren. Mit dem Seil konnte man wahrscheinlich dort hinaufklettern. Tobias hatte wohl den gleichen Gedanken wie ich, denn er hing schon an dem Seil und kletterte nach oben.

Ich sah ängstlich Tobias dabei zu.

„Sag mal ist das nicht gefährlich? Wenn nun das Seil reißt?“

„Scheint zu halten!“, kam es kurze Zeit später von oben und Tobias sah runter auf mich.

Tobias kletterte immer höher und dann verschwand er kurz zwischen den Ästen.

„Los komm rauf das musst du gesehen haben. Ist das irre. Komm schon.“

Nee danke, dachte ich aber wenn schon Tobias sich das traute da hoch zu klettern, dann müsste ich es ja auch schaffen. Also begann ich auch am Seil hochzuklettern. Kurze Zeit später war ich auch oben und sah mich nach Tobias um.

Tobias stand auf den Brettern und wie ich jetzt sah, hatte irgendjemand mit den Brettern eine richtige Plattform gebaut. Tobias reichte mir seine Hand und half mir auf diese rauf.

„Wau ist das stark.“

Ich konnte es nicht glauben, von hier oben hatte man einen tollen Blick über den Wald.

„Hier bauen wir uns ein Baumhaus und das ist unser Schloss!“ lachte Tobias.

„Ja ist eine Superidee, aber woher nehmen wir die Bretter?“

„Mein Vater hat hinterm Haus einen Riesenstapel Bretter zu liegen. Da können wir uns bestimmt welche von nehmen“, kam es von Tobias.

„Klasse und wann fangen wir an?“

„Morgen würde ich sagen, gleich nach der Schule!“

Tobias und ich sahen uns danach erstmal um. Derjenige der das hier gebaut hatte, hatte wirklich gute Arbeit geleistet. Die Bretter waren alle in Ordnung und dabei entdeckten wir auch ein Versteck in dem ein altes Buch versteckt war. Vorsichtig nahm ich es in die Hand und öffnete es.

Leider konnte ich kaum etwas entziffern, von dem was in diesem geschrieben worden war. Dafür waren wunderschöne Zeichnungen auf den Seiten vorhanden. Einige zeigten seltsame Wesen, die zum Teil wie Kobolde aussahen.

„Komm lass uns erst mal hier oben etwas Ordnung machen.“

Wir sammelten die trockenen Äste auf, die überall Rumlagen. Nachdem wir fertig waren, sahen wir der untergehenden Sonne zu, wie sie hinter den Bäumen langsam verschwand. Tobias sah mich an und meinte, dass es der schönste Ort auf der ganzen Welt wäre. Wir kletterten hinunter und verließen unser KÖNIGREICH.

Am nächsten Tag, nach der Schule machten wir uns mit Brettern bewaffnet auf, in den Wald. Wir hämmerten wie die verrückten und langsam nahm unser Baumhaus Formen an. Tobias lachte immer wieder über meine Tollpatschigkeit. Tja er hatte ja Recht, handwerklich hatte ich nicht so viel drauf wie er.

Irgendwann fragte er mich, ob ich mir das Buch schon genauer angesehen hätte.

„Ja gestern Abend habe ich mir es noch im Bett angesehen. Das einzige Wort was ich entziffern konnte war Warangeria.“

„Warangeria genial. Wir werden unser Königreich so nennen.“

Tobias sah mich strahlend an. Dieses leuchten in seinen Augen, hatte mich schon am ersten Tag fasziniert. Es zog mich magisch an und ich hatte dabei seltsame Gefühle im Bauch.

„He du sollst nicht träumen sondern mir sagen wie du den Namen findest!“

„Ja den finde ich toll!“

„Daniel du bist echt ein Tagträumer, aber das mag ich an dir.“

Erstaunt sah ich zu Tobias hoch.

„Wie meinst du das?“

„Na wie ich es gesagt habe. Ich mag dich!“

„Tobias ich mag dich auch.“

Wir bauten daraufhin schweigend weiter, jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen. Ich mochte Tobias, er war der erste der sich für mich interessierte und mein Freund sein wollte. Der Einzelgänger Daniel war nicht mehr alleine. Ich musste über meine Gedanken schmunzeln, als mich plötzlich etwas traf.

„Autsch…“

„Was hast du Daniel?“

„Ich weiß nicht irgendetwas hat mich an der Wange getroffen!“

Kaum hatte ich den Satz zu Ende gesprochen, als mich wieder etwas traf. Aber auch Tobias musste es so ergangen sein, denn auch er gab kurz einen Schmerzenslaut von sich. Ich sah nach unten auf den Boden, um das Ding zu finden das mich an der Wange getroffen hatte. Tatsächlich, da lagen zwei Eicheln auf dem Boden.

Kaum hatte ich die Eicheln entdeckt, wurde ich auch schon wieder von mehreren Eicheln getroffen, die vor mir auf den Boden fielen. Plötzlich fing Tobias an zu lachen. Ich sah vorsichtig zu ihm nach oben.

„Warum lachst Du?“

„Weißt Du woher die Eicheln kamen?“

Dabei schwenkte er mit etwas in seinen Händen.

„Woher denn?“

„Es ist ein Vorratsnest von einem Eichhörnchen, muss bei dem Gehämmer sich gelockert haben und runtergefallen sein.“

„Und ich dachte schon, wir würden von irgendjemanden beschmissen.“

Tobias grinste mich von oben an und ich grinste zurück. Plötzlich wurde sein Blick ernst und er starrte etwas hinter mir an.

„Was ist nun schon wieder?“

„Du Daniel, da hinter dir ist ein Erdhaufen. Der sieht aus wie ein Grab!“

Ich drehte mich um und sah in die Richtung in die Tobias sah. Tatsächlich, jetzt sah ich den Erdhügel auch. Ich ging langsam darauf zu. Ich hörte hinter mir Tobias schnaufen, der wohl vom Baumhaus kletterte.

„Warte Daniel!“

Ich blieb stehen und sah mich nach Tobias um. Gerade kam er unten an und lief auch gleich auf mich zu. Nachdem er neben mir stand, gingen wir gemeinsam weiter. Als wir davor standen, hockte ich mich hin und besah mir den Erdhaufen genauer.

Dann sah ich es. Am anderen Ende des kleinen Hügels, stand ein kleines Kreuz. Ich stand langsam auf und ging um den kleinen Hügel herum.

Tatsächlich, das war ein kleines Kreuz, dass aus zwei Ästen zusammengefügt war. Auf dem Kreuz war etwas eingeritzt. Es musste schon länger dort stehen, denn die Buchstaben sahen alt und verwittert aus. Ich bückte mich, um es besser lesen zu können.

KHANE entzifferte ich.

„Tobias da steht ein Name! KHANE!“

Mir wurde es unheimlich und ich dachte an das Kind das hier vor Jahren verschwunden sein sollte. Ich sah zu Tobias, ihm musste es genauso gehen, denn er sah verschreckt aus.

„Sag mal Daniel, das Kind, war es ein Junge oder ein Mädchen.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht. Es wurde immer nur von einem Kind gesprochen!“

„Komm lass uns gehen.“

Ich nickte und wir gingen zu unserem Baumhaus.

„Meinst du da liegt das Kind?“ fragend sah ich zu Tobias.

„Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausbekommen.“

Wir packten das Werkzeug ein und verließen den Ort. Plötzlich war er dunkel und düster, als ob ein großes Geheimnis auf diesem Ort liegen würde. Bedrückt schlichen wir durch den Wald. Nachdem wir bei Tobias waren, brachten wir das Werkzeug in die Garage.

„Komm wir gehen zu mir rauf und sehen mal im Internet nach. Vielleicht finden wir dort antworten.“

Wir gingen nach oben in Tobias sein Zimmer. Als wir in sein Zimmer traten, staunte ich Bauklötzer. Da stand doch tatsächlich ein Mac, auf seinem Schreibtisch. Der Schreibtisch stand vor einem Fenster und dann der Rest seines Zimmers.

Die Wände waren mit Postern von allen möglichen Musikgruppen beklebt. Ein Bett stand an der einen Wand und eine Schrankwand auf der gegenüberliegenden Seite. In dieser standen ein Fernseher und eine Musikanlage.

„Wau dein Zimmer ist echt der Hammer.“

„Danke nun komm her Daniel, wir wollen doch im Internet suchen.“

Ich ging zu seinem Schreibtisch, an dem Tobias saß und schon dabei war irgendetwas einzutippen. Er klickte mit der Maus mehrmals, irgendwelche Links an.

„Ich glaube ich habe etwas gefunden.“

„Na los schieß los, was hast Du gefunden…“

„Hier steht im Jahr Neunzehnhundertdreiundsechzig ist hier ein Junge verschwunden. Sein Name war Khane. Man hatte ihn mit einem anderen Jungen zuletzt zusammen gesehen, bevor er verschwand. Man hat ihn nie gefunden. Seitdem meidet jeder den Wald. Hier steht, der Wald soll verflucht sein. Hier sind auch Fotos von Khane.“

Ich ging näher um sie mir anzusehen. Als erstes sah ich auf einen der Bilder einen Jungen. Ich starrte auf das Bild.

„Der Junge sieht ja fast wie ich aus!“

Erst jetzt musste Tobias auch die Ähnlichkeit aufgefallen sein, denn er sah mich entsetzt an.

„DDDU… hast Recht.“

„Wie war der Nachname von dem Jungen.“

„Warte hier steht es. Mit vollem Namen hieß er Khane Winsten. So heißt du doch auch mit Nachnamen.“

Ich nickte. Aber das konnte nicht sein. Mein Vater hatte mir nie erzählt, dass er einen Bruder hatte. Aber dann die Ähnlichkeit mit mir und dem Foto von Khane.

„Warte hier steht noch mehr. Die Familie Winsten hat, nachdem man Khane nicht gefunden hatte, den Ort verlassen.“

„Mein Vater ist Neunzehnhundertfünfundsechzig geboren worden. Also war mein Vater noch gar nicht auf der Welt, als das passierte. Das Haus in dem wir wohnen, haben seine Eltern ihm vererbt. Sie sind beide kurz hintereinander gestorben. Ich war damals Fünf Jahre alt.“

„Sieh mal hier ist auch ein Klassenfoto. Da steht Khane und das kann doch nicht sein…“

„Was kann nicht sein?“

„Das da ist mein Onkel, der neben Khane steht.“

Tobias Finger zeigte auf einen Jungen. Auf dem Foto sah der Junge zu Khane und nicht in die Kamera. Irgendetwas stimmte nicht. Der Blick des Jungen zeigte nach unten und dann sah ich es, er hielt Khane seine Hand.

„Was hat das alles zu bedeuten?“

„Daniel ich weiß es nicht. Mein Vater hat mir nie erzählt, dass unsere Familie hier mal gelebt hatte.“

„Kannst Du das ausdrucken?“

„Klar warte.“

Kurz darauf spuckte der Drucker die Seite aus und ich nahm sie in die Hand.

„Warte ich drucke das Bild von Khane und das Klassenfoto noch aus.“

Als das Bild von Khane ausgedruckt war, sahen wir uns beide es noch einmal an. Er war mir wie aus dem Gesicht geschnitten.

„Darf ich das mitnehmen? Ich will es meinem Vater zeigen.“

„Klar ich speichere die Seiten noch ab. Ich werde meinen Vater auch mal ansprechen.“

„Wie alt war Khane eigentlich, als er verschwand?“

„Hier steht Fünfzehn Jahre!“

„Das kann stimmen denn meine Großeltern waren als sie starben weit über Achtzig Jahre alt.“

„Mein Onkel ist jetzt 58 Jahre alt. Ich werde meinen Vater heute Abend auch fragen.“

„Woher weißt du eigentlich, das dass dein Onkel auf dem Bild ist?“

„Wir haben ein Fotoalbum, da sind auch Fotos drin von meinem Onkel, als er noch jünger war.“

„Ach so, na dann Tobias ich gehe dann mal.“

„Warte ich bringe dich noch zur Tür.“

Unten an der Haustür sah mich Tobias traurig an.

„Ich hoffe nicht, das dort Khane liegt unter diesem Erdhügel!“

„Ich hoffe es auch nicht! Aber wenn doch, wer hat ihn dort begraben?“

Ich hielt die Blätter in meiner Hand als ich in die Küche kam, wo der Rest meiner Familie mich schon erwartete.

„Wo kommst du jetzt her?“

„Paps entschuldige, aber ich war noch bei Tobias. Ich habe etwas für dich.“

Ich legte das Foto von Khane auf den Tisch. Alle starrten es an.

„Das bist doch Du Daniel.“ sagte meine Schwester als erstes.

„Nein das bin ich nicht! Der Junge auf diesem Foto heißt Khane Winsten.“

Mein Vater starrte, nachdem ich den Namen genannt hatte, mich fassungslos an.

„Das kann nicht sein. Ich hatte nie einen Bruder.“

Stumm legte ich meinem Vater das nächste Blatt hin. Er nahm es in die Hände und begann zu lesen. Seine Hände begannen zu zittern und dann sah er mich an.

„Ich hatte einen Bruder…“

„So wie es aussieht, hattest du einen Bruder“, antwortete ich meinem Dad leise.

„Was?“, fragten meine Mutter und meine Schwester gleichzeitig.

Ich begann die ganze Geschichte zu erzählen, vom Baumhaus bis zu dem kleinen Erdhügel auf dem ein Kreuz stand mit dem Namen von Khane. Mein Vater wollte gleich los um sich den Erdhügel anzusehen.

„Dad es ist schon dunkel, wir können morgen auch noch dorthin!“

„Du hast Recht, wir werden morgen hingehen. Ich werde die Polizei informieren. Aber sag mal, wir hatten dir doch verboten, dort zu spielen.“

„Ja ich weiß, aber ich und Tobias wollten uns den Wald ansehen und dann haben wir das Baumhaus entdeckt. Entschuldigt bitte.“

Betreten schaute ich zu Boden.

„Na es ist ja nichts passiert. Ich rufe vorsichtshalber die Polizei an. Die sollen sich das mit uns gemeinsam ansehen.“

Mein Vater verschwand aus der Küche und ich hörte, dass er kurz darauf telefonierte und mit jemanden sprach. Meine Mutter sah mich ernst an.

„Nacht Ma ich bin müde.“

„Nacht mein Schatz.“

Als ich etwas später im Bett lag, kam mein Vater nochmals in mein Zimmer.

„Daniel ich wusste nichts von Khane. Meine Eltern haben mir nie irgendetwas über ihn erzählt.“

„Dad bist du mir böse?“

„Nein! Ich bin nur traurig, dass du trotzdem wir es Dir verboten haben, in diesen Wald gegangen bist. Zum anderen bin ich froh, dass du uns gleich davon erzählt hast, was ihr dort gefunden habt. Die Polizei holt uns morgen früh ab. Tobias kommt mit, ich habe seinen Vater angerufen. Er sagte mir, dass sein Bruder in die gleiche Klasse ging wie mein Bruder. Er hat ihn wohl schon angerufen. Er wird morgen auch da sein.“

Ich nickte.

„Nun versuch zu schlafen. Ich habe dich lieb.“

Kurz darauf schlief ich ein

Ich wurde mitten in der Nacht wach. Mir war entsetzlich kalt und ich machte langsam meine Augen auf. Das Fenster stand offen und der Mond schien in mein Zimmer. Ich stand auf und ging zum Fenster, um es zu schließen. Der Wind hatte die Gardine zur Seite geweht. Ich wollte gerade das Fenster schließen, als eine Stimme meinen Namen aussprach.

„Daniel…“

Es klang wie ein flüstern im Wind. Ich sah aus dem Fenster, aber konnte niemanden entdecken. Ich machte das Fenster zu, in dem Augenblick wo ich es geschlossen hatte, spiegelte sich in der Scheibe eine weiße Gestalt wieder. Ich wirbelte herum und stand der Gestalt gegenüber. Es schien als leuchtete die Gestalt von innen.

„Wer bist Du?“

„Sieh in mein Gesicht, dann weißt du es!“

Langsam hob ich meinen Blick und dann sah ich in sein Gesicht.

„Kh…ane?“

„Ja der bin ich. Ich möchte nach Hause, bitte hilf mir!“

„Wiiee ssssoll….ich das machen?“

„Du hast mich schon gefunden! Der Hügel!“

„Du liegst dort wirklich?“

„Ja! All die Jahre habe ich gehofft, dass irgendjemand mein Grab findet.“

„Was ist dort passiert?“

„ Ich kann mich nicht erinnern. Wenn ich es versuche, fühle ich nur Schmerz. Walter kann aber vielleicht sagen, was passiert ist.“

„Wer ist Walter?“

„Mein Freund…“ die Stimme flüsterte.

„Er hat mich allein gelassen… Er ist einfach weggerannt.“

Khane sah mich verzweifelt an. Von ihm ging eine nie gefühlte Traurigkeit aus, so intensiv als ob ich sie selbst in mir tragen würde.

„Er sagte er liebt mich und ich vertraute ihm…“

Als ich die Worte verstand, stahlen sich Tränen in meine Augen. Wenn Geister weinen konnten, dann tat das gerade Khane. Denn ich sah in seinem Gesicht Tränen die seine Wange hinunter liefen.

„Ich möchte nur wissen, warum er nicht da war…“

„Ich werde ihn fragen? Khane das verspreche ich dir!“

„Danke. Sag bitte Walter das ich ihn über alles Liebe und ihn nie vergessen habe.“

„Ich sag es ihm…“

„Ich muss gehen…“

Langsam löste sich die Gestalt auf und ich stand kurz darauf alleine in meinem Zimmer. Ich setzte mich auf mein Bett und sah zum Fenster. Was hatte Khane gesagt? Ich soll Walter sagen, dass er ihn liebt und ihn nie vergessen hat. Seltsam……

Ich musste dann eingeschlafen sein, denn mein Vater weckte mich.

„Junge komm frühstücken.“

„Ich komme gleich.“

Mein Vater verließ mein Zimmer und ich stand langsam auf. Nachdem ich aus dem Bad wieder zurück in mein Zimmer kam, zog ich mich an. Ich dachte kurz an Khane und an heute Nacht. War das doch nur ein Traum gewesen? Nein er war da gewesen, denn ich konnte mich noch genau erinnern, wie er aussah und was er gesagt hatte.

Langsam ging ich, nachdem ich angezogen war, hinunter in die Küche. Meine Eltern saßen am Küchentisch und tranken Kaffee.

„Die Polizei ist gleich da. Tobias und sein Vater kommen auch gleich.“

Ich nickte und füllte mir eine Tasse mit Milch und verrührte etwas Kakao darin, Danach setzte ich mich zu meinen Eltern und trank meinen Kakao. Keiner sprach ein Wort. Eine unheimliche Stille lag über uns.

Ich hatte das Gefühl das keiner von uns diese Stille, mit seiner Stimme unterbrechen wollte. Meine Mutter streichelte die Hand meines Vaters und sah ihn traurig an. Plötzlich wurde die Stille, durch das läuten unserer Haustürklingel unterbrochen. Mein Vater stand langsam auf und ging. Kurz darauf stürmte Tobias in die Küche.

„Daniel wie geht es dir?“

Er kam auf mich zu und kniete sich neben mich. Ich sah ihn an und sah die Sorgen in seinen Augen und noch etwas das ich nicht greifen konnte. Aber da lag etwas in seinen Augen, dass mein Herz berührte.

„Daniel…….. er war gestern bei mir!“

Ich fing an zu schluchzen.

„Wer war bei Dir?“

„Khane…“

„Aber Khane ist wahrscheinlich Tod.“

„Ich weiß und ich weiß auch, dass er dort unter dem Hügel liegt. Er hat gesagt ich soll einem Walter sagen das er ihn liebt und ihn nie vergessen hat.“

„Walter? So heißt mein Onkel. Den Namen habe ich dir gestern gar nicht gesagt.“

Nachdenklich runzelte er die Stirn.

„Komm wir müssen! Sie warten auf uns.“

Ich stand langsam auf und Tränen rannen mein Gesicht herunter. Daniel der ebenfalls wieder aufgestanden war, wischte sie mit einer seiner Hände vorsichtig aus meinem Gesicht.

„Komm ich helfe Dir. Wir stehen das gemeinsam durch.“

Ich wusste nicht woher ich plötzlich die Kraft nahm, aber ich machte mich mit Daniel Hand in Hand auf den Weg nach draußen, zu den anderen. Ich hatte heute Nacht Khane etwas versprochen und das wollte ich einhalten. Sie warteten alle auf uns, vor der Haustür.

Wir gingen schweigend in den Wald zu der Lichtung und dem kleinen Hügel. Dorthin wo Khane`s Grab war. Es war still im Wald kein Vogel war zu hören. Als wir vor dem Hügel standen, begann die Polizei alles abzusperren und die Kriminalbeamten, fingen an Spuren zu suchen.

Erst wurde das Holzkreuz vorsichtig aus dem Boden gezogen und dann begannen zwei Polizisten den Boden abzutragen. Ich konnte nicht hinsehen und ging mit Daniel einige Schritte weiter. Wir hörten in der Stille jeden Spatenstich, aber keiner sprach ein Wort dabei. Daniels Hände umfassten mich tröstend und für mich war es ein wunderbares Gefühle, so gehalten zu werden.

`Danke Daniel…` sagte ich in Gedanken zu ihm. Als ob er es gehört hatte drückte er mich noch etwas mehr. Es war auf einmal merkwürdig ruhig geworden. Jetzt erst realisierte ich das keine Spaten mehr zu hören waren, die sich in den Boden gruben. Ganz leise hörte ich jemanden weinen.

Ich drehte mich langsam um und sah zu meinem Vater, der immer noch vor dem jetzt nicht mehr vorhandenen Hügel stand. Mein Vater hielt seine Hände vor seinem Gesicht. Daniel nahm seine Hände von mir und nahm eine meiner Hände in seine und zog mich dorthin. Langsam wie in Zeitlupe gingen wir auf das Grab zu und dann als wir nah genug waren sah ich in dem jetzt entstandenen Loch, wo vorher der Hügel war, ein Skelett liegen.

Das Skelett lag in einer Art Embryohaltung, sein Schädel war an einer Stelle zertrümmert. Ich ließ Daniels Hand los und ging zu meinem Vater. Als ich vor ihm stand, schaute er mich an und nahm mich in den Arm.

Es fing an zu regnen, als ob der Himmel weinte.

STILLE……

Irgendwann ließ mein Vater mich wieder los.

„Wir gehen nach Hause Daniel.“

Mein Vater drehte sich zu Tobias seinem Vater: „ Komm wir gehen zu mir, dort hat meine Frau bestimmt schon heißen Kaffee gemacht.“

Tobias Vater nickte und folgte meinem Vater. Ich und Tobias gingen hinter den beiden hinterher.

„Daniel denkst du er ist umgebracht worden?“

„Wer ist umgebracht worden?“

„Na Khane! „

„Ich weiß es nicht! Er konnte sich daran nicht erinnern, was passiert ist.“

Den Rest des Weges zu meinem Elternhaus, schwiegen wir. Mein Vater unterhielt sich leise mit Tobias seinem Vater, ich verstand kein Wort von dem was sie besprachen. Als mein Elternhaus zu sehen war, sah ich schon weitem zwei Personen davor stehen.

„Wer ist der Mann der da bei meiner Mutter steht?“

„Das ist mein Onkel!“

Unsere beiden Väter gingen etwas schneller zum Haus. Da wir auch nichts versäumen wollten, liefen wir so schnell wie möglich hinterher. Mittlerweile war mein Vater bei Tobias Onkel und meiner Mutter angekommen und gab gerade diesem die Hand, danach gingen sie in unser Haus. Meine Mutter war die einzige die noch auf uns vor dem Haus wartete.

Nachdem wir das Haus erreicht hatten, nahm sie mich in den Arm.

„War es schlimm?“ fragte sie dann leise.

Ich nickte, zu mehr war ich nicht in der Lage. Wir gingen gemeinsam hinein. Ich hörte Stimmen aus dem Wohnzimmer, die sich sehr erregt unterhielten.

„Komm Daniel wir gehen da rein. Du hast ja schließlich noch etwas meinem Onkel zu sagen.“

Ich nickte. Meine Mutter war verschwunden und die Geräusche aus der Küche verrieten auch wohin. Wir traten gemeinsam in das Wohnzimmer wo sich unsere Väter und Walter ziemlich heftig unterhielten.

„Wussten Sie, dass mein Bruder dort lag?“ kam es gerade von meinem Vater.

Es wurde sehr still bevor Tobias Onkel mit gebrochener Stimme antwortete.

„Ja ich wusste es. Ich habe ihn dort begraben.“

„Warum und was ist geschehen, damals?“

Mein Vater war aufgestanden und wanderte ruhelos durch das Zimmer.

„Es war ein Unfall. Wir waren auf dem Baum und hatten gerade die letzten Bretter befestigt. Als wir damit fertig waren, strahlten .. wir uns an. Und dann…“

Walter saß zusammengekauert auf dem Sofa und fing an zu weinen.

„All die Jahre… Ich habe das ganze versucht zu vergessen. Aber ich ..ich kann es nicht. Ich sehe ihn immer noch vor mir…“

Der letzte Satz war kaum zu verstehen und dann sah ich Khane. Er stand plötzlich mitten im Zimmer und sah auf Walter.

„Tobias Khane ist hier im Zimmer.“ flüsterte ich.

„Wo ich sehe ihn nicht?“ kam es genauso leise von ihm zurück.

„Er steht bei deinem Onkel.“

„Ich kann ihn aber nicht sehen, Daniel.“

„Aber ich sehe ihn!“

Khane sah auf und dann sah er mir direkt in die Augen. Es war etwas Flehendes in seinem Blick. Ich ging langsam auf Walter und Khane zu. Als ich bei ihnen war, schaute Walter auf und sah mich an.

Er erstarrte kurz: „Du… siehst aus…wie Khane! Wie aus dem Gesicht geschnitten.“

„Ich weiß, ich habe die Fotos von Khane gesehen.“

„Khane! Ich hatte ihn so lieb, aber… ich… war damals noch nicht bereit.“

„Ich weiß!“

Langsam setzte ich mich neben Walter auf die Couch.

„Er hat es mir versucht zu sagen!“

Jetzt wurde für mich klar was Khane gestern sagen wollte. Khane hatte Walter geliebt, so einfach war die Wahrheit.

„Wie er hat es versucht zu sagen?“

Mein Vater hatte die Frage an mich gestellt.

„Ich bin heute Nacht wach geworden, weil es kalt in meinem Zimmer war und da stand Khane vor mir. Erst war ich ziemlich erschrocken. Aber dann fing Khane an zu mir zu sprechen und bat mich ihm zu helfen. Er sagte er könne sich nicht erinnern, als ich ihn fragte was passiert sei. Er sagte nur das sein Körper dort liegt.“

Ich legte eine kurze Pause ein und sprach dann weiter. Keiner unterbrach mich, alle lauschten meinen Worten.

„Ich soll Ihnen was von Khane sagen. Es war ihm sehr wichtig!“, sagte ich dann zu Walter gewandt.

„Ich soll ihnen sagen, dass er sie liebt und immer geliebt hat.“

Walter fing an zu weinen.

„Er hat mich damals auf dem Baum geküsst und ich habe ihn von mir gestoßen. Er ist nach unten gefallen und mit dem Kopf auf einen Stein aufgeschlagen. Ich wollte das nicht. Ich hatte mich nur so erschrocken und dachte nur daran was die in der Kirche sagen.

Das es abartig ist, dass ein Junge einen Jungen küsst. Oder ein Mädchen ein Mädchen… Ich habe ihn angehimmelt. Ich Liebe ihn noch immer… Oh wie habe ich dafür gebetet das er mir verzeiht….Wie oft gewünscht das es nie passiert wäre und ich aus diesen Alptraum aufwache…“

Walters Schultern zuckten. Neben mir saß ein gebrochener Mann. Seine eigene große Liebe war durch seine Hände umgekommen. Ich konnte förmlich seinen Schmerz und die Last seiner Schuld fühlen und spüren.

Ich hatte verstanden. Khane starb weil er den Mut hatte zu seinen Gefühlen zu stehen. Walter aber hatte Angst vor dem was die anderen sagen würden und anstatt die Liebe zu erwidern, hatte er Khane von sich gestoßen. Es war ein Unfall, aber Khane starb dabei.

Ich sah auf und sah Khane an. Er bückte sich langsam runter und streichelte zaghaft Walters Haar, dann sah er mich an und lächelte.

„Danke jetzt kann ich gehen. Daniel bevor ich gehe, möchte ich Dich um etwas bitten!“

Ich nickte und sah ihn weiterhin an.

„Tobias braucht dich und er liebt Dich!“

Ich sah Khane sprachlos an.

„Stoss ihn nicht zur Seite sondern stehe auch zu Deinen Gefühlen!“

Kaum war das letzte Wort von Khane ausgesprochen, löste er sich auf. Es war still im Zimmer. Die Stille wurde nur vom leisen Weinen Walters unterbrochen.

„Sie haben ihn dort begraben und meine Eltern im ungewissen gelassen. Sie haben ihn eiskalt getötet. Wie ein eiskalter Engel haben sie ihn da liegen gelassen.“

Mein Vater sah dabei anklagend auf Walter. Ich sah zu meinem Vater auf, solch eine Kälte in seinen Augen hatte ich noch nie gesehen. Walter weinte immer noch und ich stand langsam auf. Ich dachte an die letzten Worte von Khane und sah zu Tobias der immer noch an der Tür stand.

Langsam ging ich auf ihn zu und Tobias sah mich an.

„Komm Tobias wir gehen rauf in mein Zimmer. Ich habe dir noch etwas zu sagen und dich auch etwas zu fragen.“

Die Worte schwirrten mir immer noch im Kopf rum. Steh zu deinen Gefühlen, hatte er gesagt.

Aber was empfand ich für Tobias? Nachdem wir in meinem Zimmer waren, setzten wir uns auf mein Bett. Tobias sah mich vorsichtig von der Seite an.

„Mein Onkel tut mir leid. Er leidet….“

„MMHH… Khane hat ihm verziehen… Tobias ich muss dich etwas fragen…“

„Ja was denn?“

„Khane sagte noch etwas zu mir, bevor er verschwand.“

Ich schluckte und überlegte wie ich es sagen sollte und sah zu Tobias. Er sah mir direkt in die Augen. Seine Augen konnten nicht lügen, aus ihnen strahlte mir soviel Wärme entgegen. Khane hatte also Recht.

„Er sagte zu mir das du mich liebst…“

Danach war es still. Tobias der neben mir saß, gab keinen Ton von sich und es schien als ob er kurz den Atem angehalten hatte. Wir schwiegen eine ganze Weile und ich starrte dabei auf meine Füße.

„Daniel?“

„Ja“

„Er hat Recht! Ich liebe dich!“

Wau so etwas hatte mir bisher noch niemand gesagt und dann kamen in mir Bilder hoch. Tobias und ich wie wir in den Wald gingen. Tobias wie er mich anlachte. Tobias wie er meine Hand hielt. Mir wurde plötzlich etwas bewusst, ich liebte diesen Kerl genauso. Khane hatte Recht, Tobias war nicht nur mein Freund geworden. Er war für mich viel mehr in dieser kurzen Zeit geworden, als nur ein Freund.

„Daniel?“

„Ja?“

„Soll ich gehen?“

„Nein! Ich habe dir auch etwas zu sagen!“

„Ich glaube, das will ich nicht hören. Ich denke ich gehe besser….“

„Nein du gehst nirgendwo hin! Ich liebe Dich genauso“, unterbrach ich ihn, bevor er noch was dummes sagen konnte.

Das hatte gesessen. Denn Tobias der bereits aufgestanden war, fiel zurück auf mein Bett.

„Ist das wahr?“

„Ja Tobi es ist wahr!“

Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihm und ich blickte in Tobias leuchtende Augen. Ich sah in zwei blaue Seen und dann kamen sie immer näher und plötzlich spürte ich Tobias Lippen auf meine. Es war der wunderbarste Moment in meinem bisherigen Leben.

Der Kuss von Tobias war zärtlich und zugleich fordernd. Seine Zunge spielte an meiner Lippe und langsam öffnete ich sie. Nach einer langen Zeit lösten wir uns und sahen uns in die Augen.

„Daniel vom ersten Moment an, wollte ich dich.“

Ich lächelte ihn an und nahm seine Hand.

„Was wird aus deinem Onkel?“

„Ich weiß es nicht! Ich glaube ihm, dass es ein Unfall war. Nur das er so lange geschwiegen hat, dass kann ich nicht verstehen.“

Ich nickte und stand auf. Langsam ging ich auf das Fenster zu und sah nach draußen. Unten vor dem Haus stand ein Polizeiwagen und ich sah wie Tobias Onkel in diesem einstieg.

5 Wochen später

Walter wurde freigelassen, da er als die Sache passierte, erst 15 Jahre alt war und die ganze Geschichte schon viel zu lange her war. Die Schuld für Khane`s Tod, hatte er ein Leben lang zu tragen und diese sah man ihn an. Er war ein gebrochener Mann.

Mein Vater hatte Walter verziehen.

Ich selber hatte ein paar Tage später, Tobias Onkel das Buch das wir auf der Eiche gefunden hatten, gegeben. Er sagte mir, dass es Khane`s Buch war. Ich hatte ihn dann nach diesem Wort Warangeria gefragt, dass einzige Wort was ich in diesem Buch entziffern konnte. Er hatte daraufhin traurig gelacht und mir gesagt, dass Khane ihr kleines Reich so nannte.

In Gedanken hörte ich seine Worte.

„Khane hatte soviel Fantasie und zeichnen konnte er erst. Daniel nachdem ich dich gesehen hatte, dachte ich erst Khane wär wieder zurück. Du hast soviel Ähnlichkeit mit ihm. Wenn du lachst oder mit Tobias sprichst, sehe ich Khane vor mir. Er war ein wunderbarer Mensch.“

Unsere Väter halfen uns, unser Baumhaus zu Ende zu bauen. Von meinem und Tobias Gefühlen für einander hatten wir dann unseren Eltern erzählt. Sie sagten kein einziges Wort, sondern schlossen uns nur in ihre Arme.

Es war ein regnerischer Tag, an dem Khane auf dem Friedhof seine letzte Ruhestätte fand. Er lag jetzt neben seinen Eltern und mein Vater hatte einen Grabstein anfertigen lassen. Der Grabstein war ein betender Engel der auf einem Sockel stand. Auf diesen hatte mein Vater folgendes eingravieren lassen:

Hier ruht Kahne lange vermisst,
aber er hat endlich heimgefunden.
Schlaf gut mein Bruder den ich nie
kennen lernen konnte

Ich hielt Tobias Hand in meinen Händen, nie wieder wollte ich diese loslassen. Ich sah zu dem Sarg von Khane, der langsam herangetragen wurde und dann sah ich Khane. Khane stand nicht weit von seinem Grab entfernt, unter einem Baum und sah lächelnd zu uns.

Er war nicht alleine zwei andere Gestalten standen hinter ihm und ich erkannte meinen Opa und meine Oma. Alle drei winkten mir zu und dann erschien hinter ihnen ein helles weißes Licht. Alle drei drehten sich zu dem Licht und begannen in dieses hineinzugehen. Erst verschwanden meine Großeltern und bevor Khane in diesem weißen Licht verschwand drehte er sich nochmals zu mir um.

„Tobias ich wünsch euch alles gute und sag Walter das ich auf ihn warte!“

Eine Träne lief langsam mein Gesichter herunter als ich in seine Richtung stumm blickte.

Lebe wohl Khane! Khane drehte sich langsam um und verschwand in diesem Licht.

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1 Kommentar

    • Matthias Schmidt auf 3. Dezember 2024 bei 23:19
    • Antworten

    Wow, was für eine geniale Geschichte. Ich bin sehr dankbar, dass ich sie lesen durfte. Leider hat dieser Altherren-Verein im Vatikan durch seine verlogene mittelalterliche Lehre die Menschheit so verdorben, dass Viele nicht zu ihrer wahren Liebe stehen können.

    Rating: 5.00/5. From 1 vote.
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