Wieder und wieder pustete ich meinen warmen Atem in die eiskalten Hände, die durch meine gehalten wurden.Er zitterte am ganzen Körper, was kein Wunder bei den eisigen Temperaturen draußen war.
„Geht es langsam?“, versuchte ich die Stimmung aufzulockern.
Ein zaghaftes Nicken kam von meinem Gegenüber und ich konnte durch die heruntergezogene Kapuze erkennen, wie er seine Lippen aufeinander presste.
„Wie schon gesagt, du kannst auch gerne hier übernachten“, wiederholte ich mein Versprechen, „Bei dem Nebel ist doch sicherlich nicht viel los, oder?“
Eigentlich erwartete ich darauf gar keine Antwort, es war eher eine Feststellung meinerseits.Nun wendete die zierliche Gestalt sich von mir ab und legte endlich seinen Kopf frei. Ein hübsches Gesicht und goldblonde Locken kamen zum Vorschein – beinahe wie ein Engel.
„Magst du was warmes Trinken?“, fragte ich und kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, bekam ich auch schon seine lieblich klingende Stimme zu hören.
„Gerne einen Tee“, kam es kaum hörbar von ihm.
„Mit Milch und Zucker?“, erwiderte ich eher aus Routine, als dass ich die Worte geplant hätte. Denn mein Blick hing immer noch an dem Bild fest, das der schüchterne Junge mir bot.
„Ja… Bitte“, wisperte er leise.
Immer noch ihn anstarrend ging ich in Richtung Tür, wobei ich beinahe über meinen Wäschekorb stolperte.
Man sollte eben hinschauen wohin man geht.
In der Küche angekommen, schlug ich erst einmal die Hände über den Kopf.
„Mensch Holger! Nun reiß dich aber mal zusammen“, sagte ich zu mir selbst.
„Du hast dir den Jungen mitgenommen, um was gegen deine Einsamkeit an Weihnachten zu machen. Es ist dein Weihnachtsgeschenk an dich selbst und da musst du nun durch. Der Junge hat das schon unzählige Male gemacht und sei es auch nur des Geldes wegen.“
Ich konnte ein Seufzen nicht unterdrücken, da mir die Worte sehr schwer über die Lippen kamen. Es fehlte nur noch, dass ich jetzt anfing zu heulen.
Schließlich war ich nah am Wasser gebaut und solche Schicksalsschläge nahmen mich immer sehr mit. Wer weiß was der Junge schon alles durchmachen musste und warum er auf der Straße gelandet war.
Als ich den Tee zubereitet hatte, ging ich wieder Richtung Schlafzimmer, wo mein Besuch immer noch in Jacke auf dem Bett saß. Mir kam es vor, als hätte er sich keinen Zentimeter bewegt.
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte ich meinen Gegenüber als ich ihn seine Tasse Tee reichte.
„Levaniel“, sagte er zaghaft.
„Ist das auch dein richtiger Name?“, wollte ich wissen und schaute ihn dabei tief in seine himmelblauen Augen. Sollte er doch wirklich wie der Engel der Liebe heißen?
Doch im nächsten Moment kam mir die Frage albern vor.
„Ich bin Holger, du darfst aber auch gerne Holli sagen. Das machen zumindest alle“, fügte ich schnell hinzu.
Jetzt lächelte er mich doch tatsächlich an und mir wurde ganz warm ums Herz. Ich nahm direkt neben ihm Platz und trank von meinem Tee, während ich meinen Blick nicht abwenden konnte von Levaniel.
„Du darfst auch gerne deine Jacke ausziehen. So langsam sollte dir doch warm sein, oder?“, sagte ich nach einer Weile zu ihm.
„Ja, der Tee hat wirklich geholfen“, bekam ich zur Antwort und ich hatte dabei das Gefühl, dass Levaniel langsam auftaute.
Er trank seine Tasse leer, stand auf und zog seine Jacke langsam aus, wobei er sich verführerisch nach mir umdrehte.
Sein intensiver Blick raubte mir die Sinne und ich schaffte es kaum einen klaren Gedanken zu finden.
Genüsslich leckte er sich über die Lippen, als die Jacke zu Boden fiel. Gekonnt zog er seine Füße aus den Schuhen, ohne sie zu öffnen, wobei er Schritt für Schritt auf mich zukam. Kurz bevor er bei mir war, steckte er seinen Zeigefinger in den Mund und saugte genüsslich daran herum.
Dann ließ er den Finger langsam über seinen Oberkörper gleiten. Rutschte dabei wie ausersehen in den viel zu weiten Ausschnitt, kam wieder heraus, glitt immer tiefer und landete auf seinen Hosenknopf, den er dann öffnete.
Anschließend hüpfte er mit einem kleinen Sprung nach vorne auf meinen Schoß.
„Na, Holli… Wollen wir ein bisschen spielen?“, raunte er mir ins Ohr.
Dabei presste er seinen Unterleib gegen meinen, was den kleinen Holli munter werden ließ. Klar wollte ich mit Levaniel spielen, deswegen hatte ich ihn ja mit nach Hause genommen. Um für eine Nacht meine Sehnsucht nach Liebe und Nähe zu vergessen.
„Ja“, antwortete ich heiser und wollte schon über den Kleinen herfallen, doch er hielt mich auf und legte seinen Zeigefinger auf meine Lippen.
„Langsam… immer langsam“, kam es zögerlich von ihm, „wir haben doch die ganze Nacht.“
Jetzt nickte ich, denn ich musste den Gedanken verdrängen, dass es für Levaniel reine Routine war, was er hier tat. Sanft drückte ich meine Nase in seine Halsbeuge – er roch unverschämt gut.
„Magst du mir verraten, wieso du so lebst?“, wollte ich von ihm wissen, weil mir die Gedanken einfach nicht aus dem Kopf gingen.
„Bitte“, klagte er, „ich mag solche Gespräche nicht. Es ist nun mal wie es ist.“
„Und du willst nichts daran ändern“, fragte ich besorgt.
„Schon…“, bekam ich nur zur Antwort, bevor er seine vollen, roten Lippen auf die meinen presste.
Nur zu gerne ließ ich dies geschehen. Erwiderte stürmisch diesen heißen Kuss, ließ meine Zunge die seine schmecken, seine Mundhöhle erkunden. Während auch unsere Körper nicht stillliegen konnten und sich auf den Bett aneinanderpressend, umher wälzten.
Erst als uns die Luft ausging, lösten wir uns voneinander. Aber immer noch aufeinanderliegend stellte Levaniel mir eine Gegenfrage mit der ich nicht gerechnet hatte: „Und du, warum nimmst du dir einen Straßenstricher mit nach Hause?“
Stille durchflutete den Raum, so dass nur das leise Klicken der Uhr zu hören war.
Was sollte ich darauf antworten?
Die Wahrheit?
„Schon gut“, unterbrach er meine Gedanken, „du brauchst nicht zu antworten. Dir ist die Frage genauso unangenehm, wie die vorige mir.“
„Nein, das stimmt nicht“, versuchte ich mich herauszureden.
„Gut, wenn es nicht stimmt, dann beantworte sie mir“, zischte Levaniel und rollte sich halb von mir runter.
„Okay“, brachte ich irgendwie heraus, „ich bin jetzt seit fast einem Jahr Single. Mein Freund hat letztes Jahr kurz nach Weihnachten mit mir Schluss gemacht. Er meinte, dass seine Familie mich nicht mochte und er deswegen sich einen anderen suchen wollte… Mittlerweile habe ich zwar damit abgeschlossen, doch da ich noch keinen neuen Partner habe und den Weihnachtstag nicht alleine sein wollte, habe ich gedacht, ich mache mir ein Geschenk.“
„Mich!“, kam es von Levaniel.
„Ja, genau dich!“, sagte ich.
Der Kleine fing doch tatsächlich an zu Lachen.
„Entschuldige“, kicherte er, „aber bekomme ich jetzt eine Schleife oder soll ich mir eine um den Schwanz oder Po binden?“
Jetzt musste auch ich Lachen, was die Stimmung sehr auflockerte. Schließlich hatte ich Levaniel etwas sehr persönliches anvertraut. Als wir uns beruhigt hatten, schmiegte ich mich wieder an ihn. „Jetzt du!“, forderte ich ihn auf.“
Levaniel zögerte. Gerade als ich ihm sagen wollte, dass er nicht sprechen brauchte, wenn er nicht wollte, fing er tatsächlich an zu erzählen.
„Es war auch vor einem Jahr… Doch war es schon sehr viel kälter um diese Zeit… Mein Stiefvater war wieder einmal betrunken nach Hause gekommen und zu allem Überfluss hatte er mich auch noch mit einem Porno erwischt… Nur nicht, dass da ein Mann mit einer Frau zugange war… sondern eben…“
Dann fing Levaniel an zu schluchzen und ich nahm ihn ganz automatisch in den Arm. Er weinte, wobei sein ganzer Körper zu zittern begann. Langsam sprach er weiter.
„Er schlug mich… das war nicht das schlimme… er hatte das schon öfters getan… doch dieses Mal nahm er seinen Ledergürtel.“
Wieder ein Schluchzen und ich konnte schmerzlich nachvollziehen was der Kleine bereits durchmachen musste.
„Ich konnte zwei Tage lang nicht aufstehen und als ich es endlich konnte, habe ich meine Sachen gepackt und bin weg.“
„Und deine Mutter?“, wollte ich wissen.
„Die, die hat nie was sehen wollen“, kam es schroff.
„Aber wieso bist du nicht zum Jugendamt oder zur Polizei?“, fragte ich entsetzt.
„Mein Stiefvater ist ein angesehener Mann, man hätte mir nicht geglaubt… ich habe es versucht und bin gescheitert… alle haben ihn gedeckt,“ antwortete Levaniel.
Ich war entsetzt. Dass es so etwas heute noch gab.
„So, zufrieden?“, brummte er, „jetzt weißt du es und die Stimmung ist hin.“
Da musste ich ihn rechtgeben, doch fand ich es nicht wirklich schlimm. Ich schlang beide Arme ganz fest um Levaniel, der mich etwas verwundert ansah.
„Ich finde, das ist okay. Weißt du, ich sagte doch, dass ich nicht alleine sein wollte und du bist sicherlich auch froh hier im warmen zu sein. So süß wie du bist, musste ich mich wirklich stark beherrschen, um nicht direkt über dich herzufallen. Aber jetzt bin ich ganz froh einfach nur mit dir hier liegen zu dürfen. Ganz eng beieinander.“
„Ja, da gebe ich dir Recht… ganz eng beieinander“, wiederholte Levaniel meine Worte leise.
Mein Blick wanderte Richtung Fenster, wo man Schneeflocken fliegen sehen konnte. Leise hörte man von draußen die Kirchenglocken läutend und während wir so aneinander gekuschelt dalagen, stellte ich folgendes fest.
„Weißt du was Levaniel? Du bist kein Geschenk… Du bist mein Weihnachtsengel!“
~Ende~
Ich wünsche mit dieser Geschichte allen schöne Weihnachtstage und hoffe sehr, dass ihr den Sinn der Geschichte verstanden habt. Außerdem möchte ich mich dafür entschuldigen, dass es so lange nichts von mir zu lesen gab. Aber mir ist ein Haus mit viel Renovierungsarbeiten dazwischen gekommen.