Fremder -Teil 1

Fremder

Im Wäschekeller wusch ich Wäsche.

Im Wäschekeller beobachteten mich zwei strahlend blaue Augen.

Im Wäschekeller flirtete ich zum ersten Mal mit einem Mann.

Im Wäschekeller spürte ich dieses Kribbeln im Bauch.

Im Wäschekeller kamen wir uns näher.

Im Wäschekeller…

Der Umzug

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie doof es war die Schule zu wechseln. Meine ganzen Freunde blieben dort und ich musste sie wegen eines Umzugs alle zurück lassen.

Mein Vater hatte nun endlich wieder eine Arbeit gefunden, worüber wir uns sehr freuten, oder wie meine Mutter es so schön ausdrückte, dieses Opfer mussten wir bringen.

Der Tag des Umzugs kam viel zu schnell. Es war ein schöner kalter Tag im Dezember kurz vor Weihnachten mit strahlend blauem Himmel, die Vögel sangen und es wäre bestimmt der perfekte Tag geworden. Aber es war ein sehr stressiger Tag, da meine Mutter alle wie wild herumkommandierte, obwohl alle Kartons bereits gepackt waren.

Die Möbelpacker hatten auch nichts zu lachen. Ständig kamen irgendwelche Sprüche, dass sie doch vorsichtiger sein sollten.

Mein Vater war die Ruhe selbst, es schien als würden die Sätze meiner Mutter bei ihm in einem Ohr rein und in den anderen wieder raus gehen.

 Und ICH war mittendrin!

Mit meinen gerade mal 16 Jahren, wurde ich aus meinem gewohnten Umfeld gerissen. Meine Freunde, die ich von Kindergartentagen her kannte und die mich liebevoll Tiger (ausgesprochen wie im englischen: Teiger) nannten, wären von nun an Kilometer weit entfernt von mir. In der neuen Schule müsste ich mir bestimmt wieder meinen normalen Namen, Timo anhören, obwohl ich den nun gar nicht leiden konnte. Selbst die Lehrer hatten sich den Spitznamen angeeignet und dass nur weil ich mit 13 den Versuch ausgeübt hatte, mir selber Strähnchen zu machen. Was missglückte und weshalb ich lange mit einem Tigermuster im Haar herumlaufen musste.

Nur meine Eltern spielten da nicht mit. Was ihnen ja auch nicht zu verdenken war. Schließlich hatten sie sich den Namen Timo für mich ausgesucht.

Ich fand den Namen Tiger jedenfalls mehr als passend für mich. Meine hellbraunen Augen und meine Mittellangen, gesträhnten Haare unterstrichen den Spitznamen. Er passte eben zu mir.

‚Timo‘, rief mich meine Mutter, ‚Hast du jetzt endlich deine letzten Sachen eingepackt? Ich will nicht wieder raufkommen müssen.‘

Am Liebsten hätte ich mich irgendwo verkrochen und wäre erst wieder rausgekommen, wenn alle weg gewesen wären. Dann müsste ich nicht die Schule wechseln.

‚Ich bin noch dabei‘, antwortete ich ihr, damit ich noch ein bisschen mehr Ruhe vor allem hatte. Oben konnte ich mich gut verkriechen, da die ganzen Möbel bereits unten waren.

Unsere neue Wohnung würde nur ein Stockwerk haben, was auch für mich eine Umstellung bedeutete. Sonst konnte ich mich so gut zurückziehen und meine Eltern hatten auch ihr Reich für sich.

Seufzend ließ ich mich aufs Fensterbrett fallen. Die Aussicht würde ich vermissen. Der Himmel war schön klar heute, man konnte richtig weit blicken. Ob es wohl bald schneien würde?

‚Jetzt machst du schon wieder Pause‘, kam es plötzlich von meiner Mutter, die auf einmal bei mir im Zimmer stand, ‚Nun aber mal hopp hopp! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Drüben müssen wir auch noch einen Teil einräumen und die Betten aufbauen.‘

‚Ja, Mama. Ich bin doch fast fertig.‘

‚Eben! Fast!‘

Dem konnte ich nichts entgegenbringen, weshalb ich wieder an die Arbeit ging und meine Sachen die ich zur Morgentoilette gebraucht hatte, einpackte.

Als ich damit fertig war und mit vollgepackten Taschen die Treppe runterging, wurde gerade das letzte Möbelstück rausgetragen.

‚Nun wird es aber auch Zeit!‘, schimpfte meine Mutter.

Mein Vater hatte auch alle Hände voll mit den letzten Sachen aus der Küche und warf mir nur ein Grinsen zu. Zum Glück bekam meine Mutter das nicht mit, da sie mit dem Rücken zu ihm stand.

‚So, marsch marsch ab zum Wagen! Haben wir auch wirklich alles?‘, kam es skeptisch von meiner Mutter.

‚Ich denke schon‘, antwortete ich.

‚Du denkst?‘, wurde ich empört angeschaut.

‚Ach Liebes‘, versuchte mein Vater die Situation zu schlichten, ‚Wir müssen doch am Nächsten Mittwoch nochmal her, wegen der Schlüsselabgabe, dann schauen wir vorher nochmal überall nach.‘

‚Gut… Nützt ja nichts… Wir müssen auch jetzt los. Dann machen wir es eben so‘, gab meine Mutter sich doch tatsächlich geschlagen.

Die Fahrt zur neuen Wohnung dauerte lange… viel zu lange.

Ich war so erschöpft von der ganzen Hektik, dass ich irgendwann einschlief und erst wieder wach wurde, als mein Vater mich weckte.

‚Hey Timo, wenn ich du wäre, würde ich wach werden, wir sind da und das Umzugsmonster ist bereits wieder voll in Fahrt!‘, kam es grinsend von ihm.

Ich musste lachen und schnallte mich los.

Als ich ausstieg, konnte ich kaum etwas erkennen, so dunkel war es bereits. Die Nächste Straßenlaterne war viel zu weit weg, als dass sie genügend Licht bieten würde. Hoffentlich waren ein paar Lampen in der Wohnung. Hatten meine Eltern daran überhaupt gedacht?

Für die Möbelpacker war es jedenfalls sehr gefährlich so die ganzen Sachen abzuladen.

Ich ging zum Kofferraum und holte meine Taschen raus, als ich meine Mutter schon wieder schreien hörte.

‚Liebling, wo sagte der Vermiete ist nochmal für Draußen das Licht?‘

‚Warte, Schatz, ich komme und zeige es dir‘, antwortete mein Vater, der neben dem Auto stand und eine Zigarette rauchte, die ich jetzt auch vertragen könnte.

‚Hier, hol alles raus und dann schließ den Wagen bitte ab‘, sagte mein Vater zu mir und gab mir dabei den Autoschlüssel.

‚Okido, kein Problem‘, antwortete ich ihm.

Ich sah meinen Vater noch kurz nach, bevor ich tat, was mir aufgetragen wurde.

Tatsächlich kam wenige Sekunden später plötzlich Licht vom Haus, so dass die Möbelpacker ihren restlichen Dienst tätigen konnten. Für mich war es die Gelegenheit schnell heimlich eine Zigarette zu rauchen, bevor ich dann auch meine Sachen in unsere neue Wohnung brachte.

Es war spät als alles hinein getragen war und die Helfer sich verabschiedet hatten.

Wir mussten noch die Betten aufbauen, bevor wir auch nur ans schlafen denken konnten.

Halb tot fiel ich aufs Bett, als es fertig war und meine Mutter auch endlich zur Ruhe kam.

Die Straßenlaterne ließ nur wenig Licht ins Zimmer scheinen. So musste ich das Chaos um mich herum nicht sehen. Dutzende Kartons warteten nur darauf ausgepackt zu werden, aber das wollte ich nicht mehr heute machen. Es dauerte nicht lange und mein Körper forderte seinen Schlaf ein.

Für meinen Geschmack weckte mich mein Vater viel zu früh am nächsten Morgen.

‚Hier‘, er drückte mir eine Scheibe Brot und einen Tee in die Hand, ‚Iss schnell und dann zieh dich an… deine Mutter ist schon am Wüten und wir müssen wohl mit anpacken.‘

Der Tag sollte wohl mindestens genauso nervig und anstrengend werden wie der vorige.

Bis zum Nachmittag schraubten wir alle Schränke wieder zusammen und rückten sie nach Anweisungen hin und her.

‚So Timo, unsere Waschmaschine steht ab jetzt im Waschkeller und auch wenn es dir nicht gefallen wird: Das ist ab heute deine Aufgabe!‘

Ich versuchte ein Seufzen so gut es ging zu unterdrücken.

Warum musste ausgerechnet ich die Wäsche waschen?

Wollte meine Mutter demnächst nur noch rosa und grau tragen?

‚Ich werde dir jetzt einmal ganz genau erklären, wie du die Wäsche  trennst, damit wir keine bösen Überraschungen erleben‘, erklärte meine Mutter mir, als könnte sie meine Gedanken lesen.

Langsam trottete ich ihr in den Waschraum nach und ließ mir geduldig alles zeigen.

‚Hier wäscht du alles und dort drüben die Leinen, das sind unsere. Da kannst du alles aufhängen. Außer die Handtücher und die Bettwäsche, die du ab jetzt alle zwei Wochen von dir aus wechseln wirst, können in den Trockner. Die Handtücher selbstverständlich öfters! Die Wäsche die so trocknet, sollte nach zwei Tagen trocken sein…‘, sagte meine Mutter.

Ihre Worte gingen an mir vorbei, weil sie mir unwichtig vorkamen. Sie meinte alles bis ins kleinste Detail erklären zu müssen.

Also blieb mir nichts anderes übrig als von nun an die Wäsche zu übernehmen.

Langsam ließ ich meinen Blick durch den Waschraum gleiten. Dort standen drei Waschmaschinen, wo an einer ein Schild mit der Aufschrift: Defekt, hing. In der anderen Ecke sah ich einen einsamen Trockner, der bestimmt schon älter war als ich. Außerdem gab es jede Menge Wäscheleinen, scheinbar für jeden Mieter genügend.

Etwas weiter hinten sah ich noch ein altes Sofa stehen, wo ich mich schon liegen sah, um mich vor meiner Mutter zu verkriechen, die nun endlich mit erklären fertig war und mich mit sich nach oben zog, damit ich gleich die erste Wäsche zusammensuchen konnte. Schließlich sollte zu Weihnachten ja alles sauber sein…

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