Es ist Dienstag, der 04.03.2003 “Mardi Gras”
“Guten Morgen du Schlafmütze!”
Von Sonnenstrahlen geblendet konnte ich nur schemenhaft erkennen, wer da zu mir sprach.
“Guten Morgen Philipp!”
Vernahm ich da vielleicht den Duft von frischem Kaffee? Tatsächlich. Mein Blick in die Runde blieb am kleinen Tisch in der Mitte unseres Zimmers haften. Da stand tatsächlich ein umfangreiches Frühstück aufgebaut.
“Hey, hast Du das alles organisiert?”
“Yep!” kam es aus dem strahlenden Gesicht von Phil.
“Seit wann bist Du denn schon auf?” fragte ich neugierig, denn Phil war wohl auch schon komplett mit der Morgentoilette fertig und krümelte gerade mit einem Croissant herum.
“Willst Du mit mir nun ein Quiz starten, oder lieber frühstücken?” grinste diese Honigschnute.
Nun konnte ich mich auch nicht mehr zurückhalten und bewegte mich an den Tisch. Hm, er hatte sich wirklich Mühe gegeben. Sogar Rührei stand da auf einer Warmhalteplatte.
“Danke Phil, das ist wirklich ganz lieb von dir!”
Gemeinsam genossen wir ausgiebig den Dienstagmorgen. Ich konnte mich im Moment nicht erinnern, wann ich zuletzt so gemütlich gefrühstückt hatte. Auch kamen mir Erinnerungen der letzten Nacht wieder in die Gedanken. Es war ganz gewiss wunderschön.
Nur zögerlich räumten wir ab und verluden die Reste auf einen Buffetwagen.
“Du Phil – was machen wir denn heute? Ist ja schließlich unser letzter Tag hier.” wollte ich nun wissen.
“Sobald Du aus der Dusche zurück kommst werden wir unsere Verkleidungen anlegen und uns in den Karneval stürzen …”
“Verkleidung – welche Verkleidung?” Ich war wohl doch sichtlich irritiert.
“Sei nicht so ungeduldig und geh endlich duschen!”
Also tat ich, wie mir befohlen. Trotzdem hätte ich schon gern gewusst, was mir bevorstand.
Ich brauchte natürlich mal wieder etwas länger, aber schaffte es dann doch irgendwann frisch rasiert und wohlriechend in den Wohnraum.
“Na, du Schlafmütze, wir verkleiden uns jetzt als ‘Hänsel und Gretel’ – wie gefällt dir das?” fragte mich Phil mit einem total schelmischen Grinsen.
“Hm, – O.K. – und wer von uns wird Gretel sein?” Irgendwie beschlich mich so ein seltsames Gefühl, dass diese Entscheidung bereits gefallen war und mir wurde ein wenig unwohl in meiner Haut. Ja eigentlich nicht nur ein wenig.
“Hihi. Wir beide!” versuchte mich Philipp aufzumuntern.
Nun verstand ich gar nichts mehr. Philipp zog endlich seinen zweiten Koffer hervor.
Soviel zu dem Thema ‘der muss wohl noch im Kofferraum gelegen haben’ …
“Mam hat für uns zwei identische Kostüme genäht. Eines für Dich und das gleiche für mich!”
Nur ungläubig beobachtete ich das Öffnen des Koffers.
Tatsächlich hob Phil da zwei Verkleidungen heraus. Es handelte sich um jeweils eine vertikal geteilte, hellblaue und ziemlich alte Jeanslatzhose zusammen mit einem blauweiß karierten, kurzärmeligen Hemd und zur anderen Hälfte aus einem kurzen Sommerkleidchen für Mädchen, in rosa.
Im ersten Moment musste ich herzhaft loslachen, merkte aber schnell, dass es Phil wirklich ernst war. Wir sollten tatsächlich diese Teile anziehen.
Innerlich noch sehr sträubend begann ich also mich anzukleiden. War nicht ganz einfach, und Phil half mir ein wenig. Ich kam mir total blöd vor.
Als nun auch Phil das spiegelverkehrte Gegenstück anzog, konnte ich nicht mehr und mir liefen die Tränen vor lachen. Auch ich zog ihm den Reißverschluss auf dem Rücken zu, der nun alles zusammenhielt.
Ringelsöckchen und ein Mädchenschuh an dem einen, ein Sneaker am anderen Fuß rundeten das Bild ab.
“Komm, lass uns mal vor den großen Spiegel auf dem Flur gehen…”
Ich hatte ein absolut unsicheres Gefühl dabei und es kam wie es kommen musste. Genau in diesem Moment trat Jenni aus ihrem Zimmer.
“Hey Mädels, das sieht aber echt originell aus, habt ihr das selbst gemacht?”
Ich wäre am liebsten im Boden versunken, aber offensichtlich schien man hier anderer Meinung zu sein und unsere Verkleidung gefiel.
Tja, nun waren also Phil und ich ‘Hänsel und Gretel’ und das jeder in einer Person gleichzeitig!
Ich wusste jetzt nicht mehr genau, ob ich mich jemals in meinem Leben so gedemütigt gefühlt hatte.
Philipp dagegen fand das alles wohl total lustig und ich versuchte mich mehr und mehr von ihm anstecken zu lassen.
Schließlich wollten wir ja Spaß haben!
Als wir nach unten kamen, war es nun CC, der uns eingehend begutachtete und auch anerkennend meinte, dass wir uns sehr originell verkleidet hätten – es würde nur noch etwas Schminke in jeweils einer Gesichtshälfte fehlen.
Von ihm angespornt fiel nun Jenni über uns her. “Hast Recht CC, aber das haben wir gleich!”
Kaum 10 Minuten später kam nur noch etwas Gel in jeweils eine Haarhälfte, um dort die Haare struppig abstehen zu lassen und schon befand man uns als perfekt! Zum Glück kam keiner auf die Idee mit Nagellack, oder gar Lippenstift *graus*.
CC fuhr uns den schon bekannten Weg Richtung Stadion und alsbald trafen wir dort auch ein.
Hier kam ich mir nun nicht mehr so komisch vor. Hier wären wir heute eher ohne Verkleidung aufgefallen.
Flüchtig verpasste ich Philipp einen heimlichen Kuss auf die ungeschminkte Seite seiner Stirn und meinte “na dann mal los Schwesterchen!”
Er strahlte über das ganze Gesicht, oder besser zwei halbe Gesichter, und war glücklich, dass ich mich nun wohl offenbar meinem Schicksal ergeben hatte.
Zügig waren wir vom Karneval gefangen und ließen uns von dem bunten Treiben mitreißen.
Ich habe keine Ahnung, wie ich es euch beschreiben soll.
Das muss man einfach selbst erlebt haben. Dafür gibt es eben keine Worte. Zumindest fallen mir dazu keine ein.
Von überall her erklang der Samba.
Die Leute tanzten einfach an jeder Stelle.
Es war Ausgelassenheit pur und ich entdeckte rund um uns herum nur fröhliche Gesichter jeden Alters.
Auch das Wetter leistete seinen Beitrag.
Kein Wölkchen verunzierte den dunkelblauen Himmel.
Nur ein ganz leichter Wind zog über unsere Köpfe und machte so die schon kräftige Sonne etwas erträglicher.
Bei einem fliegenden Händler versorgten Phil und ich uns irgendwann mal mit einem Hotdog, um uns dann wieder ins Getümmel zu stürzen.
Ich war total ausgelassen und schließlich ganz froh, als lange nach Einbruch der Dunkelheit auch Phil meinte, dass es wohl genug sei und er sich langsam nach einem Bett sehne.
Meine Füße spürte ich schon gar nicht mehr (besonders den linken im Mädchenschuh) und ich stimmte spontan zu.
Wie schon gewohnt, sammelte CC uns am Superdome wieder auf.
Daheim sah ich zu, so schnell wie möglich unter die Dusche zu kommen.
Danach schlüpfte ich in einen betagten, dafür aber sehr bequemen Jogginganzug und wartete auf Phil. Auch er hatte nicht vor, noch einmal das Kostüm überzuziehen.
Gemeinsam gingen wir runter zum Personalaufenthaltsraum und kamen genau richtig zu einem Mitternachtsimbiss.
Jona stand mal wieder draußen am Grill und Jenni führte uns an das Salatbuffet.
Das kam mir gerade recht. War doch der Tag ziemlich anstrengend gewesen und viel gegessen hatten wir auch nicht.
Joanne kam nun total stolz mit einer ziemlich verstaubten Flasche Rotwein.
“Zur Feier des Tages…”
Eigentlich trinke ich keinen Alkohol, zu einem kleinen Gläschen Rotwein wollte ich aber nun doch nicht nein sagen, schon der Höflichkeit wegen.
Der Wein schmeckte mir sogar sehr gut und passte hervorragend zu dem Kängurusteak auf meinem Teller.
Breit grinsend schaute ich zu CC, der auch genüsslich an seinem Fleisch kaute. Ob die anderen wohl wussten, was sie das aßen?
Joanne erkannte das Fragezeichen in meinem Gesichtsausdruck und klärte mich schnell auf, dass es sich wohl doch herumgesprochen habe, was sie mit ihren Testessern veranstaltet hatte.
Ganz offensichtlich bekam aber keiner die angedrohten Grillwürste.
Es war schon weit nach Mitternacht, als Phil und ich den Weg in unser Zimmer fanden.
Ich glaube ich hatte dann wohl doch auch mehr als ein Glas Wein. Jedenfalls alberten wir noch ein wenig rum bevor uns Morpheus in die Arme nahm.
Ich war putzmunter, als ich die ersten Sonnenstrahlen verspürte. Wegen des Weines hatte ich eigentlich etwas anderes befürchtet.
Ganz im Gegensatz dazu verhielt sich Philipp.
Er sah überhaupt nicht zufrieden aus und maulte auch gleich los, dass ich die ganze Nacht so doll geschnarcht hätte, dass eigentlich in allen Südstaaten keine Palme mehr stehen dürfte.
Ich musste sofort loslachen und auch seine Mundwinkel zogen schon wieder etwas nach oben. Dieses Problem war mir bekannt. Wenn ich tatsächlich einmal Alkohol zu mir nahm, dann schnarchte ich.
Zum Glück kam dies jedoch so gut wie nie vor – außer gestern eben…
Auch Philipp räkelte sich nun aus den Federn und machte sich tageslichttauglich.
Ich begann derweil meinen Rucksack zu packen.
Tja, so schön die Zeit mit Phil hier auch war, aber wir mussten heute zurück nach Florida.
Eine Stunde später begann dann auch die herzzerreißende Prozedur des Abschieds.
Sogar Jona kullerten ein paar Tränen durchs Gesicht.
Kaum vorstellbar, aber in den wenigen Tagen unseres Besuchs hatten sich für mich ganz tolle Freundschaften entwickelt und für Phil weiter ausgebaut.
Allen fiel der Abschied recht schwer. Joanne drückte mich noch einmal ganz fest und hauchte mir ein “Danke” ins Ohr, dann zu Phil gewand flüsterte sie “lasse den Jungen nicht mehr von der Angel – hörst Du?” und ließ von uns ab.
Während Philipp sich hinters Lenkrad setzte verstaute ich noch schnell meinen Rucksack.
Ein letztes Winken und der Wagen setzte sich in Bewegung.
Wir hatten schon die Staatsgrenze zu Mississippi passiert, bevor wir das erste Wort wechselten.
Uns war langsam irgendwie klar geworden, dass nun auch mein Urlaub sich dem Ende neigte.
Am Freitag würde auch ich wieder nach Hause fliegen.
Kurz hinter Pensacola verließ Phil den Interstate und fuhr auf einem normalen Highway weiter um dann im nächsten Ort bei einer Filiale von Hardy´s anzuhalten.
Hatte ich schon erwähnt, dass deren Burger zigmal besser schmecken als die von der Kette mit dem schottisch klingenden Namen?
Wir orderten beiden jeder einen Viertelpfünder mit Käse und bedienten uns an der Salatbar.
Hm, könnt ihr euch einen Burger vorstellen, der richtig saftig und dennoch knusprig ist?
Einfach lecker.
Besonders gesprächig waren wir immer noch nicht. Beim Einsteigen ins Auto glaubte ich sogar ziemlich feuchte Augen gesehen zu haben.
Eine Stunde später setzte mich Philipp vor dem Trailer meiner Freunde ab.
“Sehen wir uns heute noch mal?” kam es dann ganz zaghaft von ihm.
“Klar, rufst Du mich an?”
Ein Nicken und er stieg wortlos in den Wagen seiner Mam.
…
Ich versuchte den Weg zurück in die Realität und bestückte die Waschmaschine mit meinen Klamotten.
Gedankenverloren strich ich dabei über den Latz meiner Hose.
Ja, eigentlich seiner Hose.
Ich hatte die Wäsche schon komplett fertig als Bob nach Hause kam und mich stürmisch begrüßte.
Allerdings vermisste ich das breite Grinsen in seinem Gesicht.
“Du Timo, ich muss mit dir reden.”
Was war denn nun los, so kannte ich ihn ja überhaupt nicht.
“Timo, es hat hier einiges Durcheinander gegeben.
Es gab hier eine Fernsehübertragung vom Mardi Gras.
Und da war auch eine Szene mit dir und Philipp – gerade als ihr euch geküsst habt.
Kaum 10 Minuten später stand Chris hier schon auf der Matte und hat ein wenig Theater veranstaltet!”
“Er machte uns zunächst dafür verantwortlich und meinte wir hätte euch verführt, oder so!”
Für mich brach eine Welt zusammen.
In diesem Moment klingelte das Telefon.
Nach dem kurzen Gespräch kam Bob wieder zu mir. “Timmy komm mit, zu Philipp.”
Nun begriff ich gar nichts mehr.
Schon 5 Minuten später lenkte Bob den Wagen in die Einfahrt meines Freundes.
Dort trafen wir auf der Veranda auf Chris.
Der kam sofort auf mich zu und ich bekam ehrlich etwas mit der Angst zu tun.
Doch gegen alle Erwartungen nahm er mich in den Arm und drückte mich ganz fest.
“Danke, dass ihr so schnell gekommen seid. Ich muss mich wohl auch noch wegen gestern entschuldigen, aber es kam alles so plötzlich und ich war in keinster Weise darauf vorbereitet.
Meine Frau und ich hatten gestern noch eine sehr lange Unterhaltung. Sie schien es schon längere Zeit vermutet zu haben.
Nun ist mir auch klar, dass ich eh nichts daran ändern kann.
Aber Timo, sag, was ist zwischen euch vorgefallen?
Seit Philipp zurück ist und wir kurz gesprochen haben, liegt er in seinem Zimmer und heult nur noch!”
“Äh – nichts. Aber ich glaube, es geht ihm wie mir. Ist wohl die Angst vor unserem Abschied? Kann ich zu ihm?”
Chris nickte schweigend.
“O.K. – bin schon oben!”
Nun scheint es mir sicher. Wir haben uns verliebt.
Schnell sprintete ich die Holzstufen nach oben. Seine Zimmertür war nur angelehnt.
Vorsichtig drückte ich sie auf und peilte die Lage.
Da lag der Junge auf seinem Bett und dicke Tränen glitzerten auf seinen Wangen.
Vorsichtig räusperte ich mich ein wenig.
Sofort begann er wieder schrecklich zu schluchzen und drehte mir den Rücken zu.
“Philipp, bitte …”
Nur zögerlich drehte er sich wieder in meine Richtung und fiel mir dann in die Arme.
Es dämmerte bereit der Morgen, als ich eng von ihm umschlungen aufwachte.
In meinem linken Arm kribbelte es wie tausend Ameisen. Er lag mit seinem Kopf auf meinem Oberarm.
Mühsam versuchte ich meinen Arm zu befreien um der Durchblutung wieder freien Lauf zu verschaffen.
Es schien, dass ich Philipp dabei geweckt hatte.
“Guten Morgen mein Schatz, schläfst du eigentlich immer in Latzhosen?”
“Guten Morgen Philipp!” grinste nun auch ich.
“Komm lass uns aufstehen und fertig machen. Ich glaube es gibt heute viel mit meiner Familie zu besprechen” überlegte Phil leise vor sich hin.
Eine halbe Stunde später saßen wir bei seiner Mam in der Küche und sie begann uns ein paar Eier zu braten.
“Wo ist Dad?”
“Der muss jeden Moment unten sein, wenn er nicht wieder eingeschlafen ist.”
“Guten Morgen, brummte es schon hinter mir”
“Morgen Dad”
“Guten Morgen, Sir” brachte dann auch ich artig hervor, worauf Chris symbolisch mit dem Arm dicht über meinen Kopf hinweg zog. “He, Du weißt genau wie ich mit Vornamen heiße! Lausebengel!”
“Dad?”
“Dad, ich möchte gerne mit Timo nach Europa. Also, genauer gesagt, nach Hamburg!”
“Hm?” kam es nur trocken.
“Also hat es dich wirklich voll erwischt – ja?”
Martha lächelte ein wenig, schien aber zu gleich auch etwas beunruhigt.
“Dad, es ist mir wirklich sehr ernst. Ich bin in Timmy bis über beide Ohren verliebt. Wenn wir getrennt werden, weiß ich nicht, was passieren wird. Jedenfalls will ich ohne ihn nicht mehr leben.”
“Timmy, was sagst denn Du dazu? Du bist ja ziemlich still.” fragte Chris nun an mich gewand.
“Tja, was soll ich sagen. Noch vor vier Wochen habe ich geglaubt, dass ich mich nie wieder verlieben könnte – aber nun. Mich hat es auch total erwischt und ich vermisse Philipp schon jetzt. Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, dass wir zusammenbleiben können, … Ich bin dabei!” nur zögerlich drückte ich dabei einen zaghaften Kuss auf die Wange meines Freundes.
Etwas schüchtern beobachtete ich dabei die Reaktion seiner Eltern.
Seine Mam schaute etwas verlegen zu Boden. Sein Dad hingegen schien sich tatsächlich ein wenig zu freuen.
“Hey Jungs, nun sabbert mir aber nicht das teure Parkett voll – ja!” schmunzelte er.
“Und wie habt ihr euch das vorgestellt? Wovon willst du leben?” fuhr Chris fort.
“Tja, also, Timo und ich haben uns in der Nacht lange darüber unterhalten. Ich würde dort gern eine Sprachenschule besuchen. Dabei kann ich dann mein deutsch soweit verbessern um anschließend zu studieren. Wie Ihr ja wisst wollte ich gerne Meteorologie und Hydrografie studieren!?!”
Sorgenfalten bildeten sich auf der Stirn von Chris.
“Dad, du weißt genau, dass ich hier noch zwei Jahre auf einen freien Studienplatz warten müsste…” Phils Blick wurde wieder traurig und nach unten gerichtet.
“Martha, nun sag Du doch auch mal was!” forderte Chris auf.
“Schatz, du weißt genau, da würde ich mich nie einmischen …” redete sie sich raus.
“Huch, das wäre ja ganz was Neues.” blickte Chris sichtlich erstaunt.
Die Augen von Martha wirkten jetzt doch etwas feucht. “Also wenn der Junge in Deutschland studieren will und außerdem unsterblich verliebt ist, – warum nicht?
Bedenke doch nur einmal, wie zurückgezogen Phil in den letzten Monaten war, bevor er Timo kennen gelernt hatte. Ich fürchte, da ist schon längst eine Entscheidung gefallen und wir werden nur der Höflichkeit wegen gefragt…” und nun kullerte tatsächlich eine Träne über ihre Wange.
“Ja, Martha, ich glaube Du hast Recht. Also Jungs, wie soll das denn finanziell funktionieren?” blickte der Herr des Hauses zu mir.
Jetzt fühlte ich mich direkt angesprochen. “Also ich habe eine große Wohnung. Die ist gut für uns beide und mein Einkommen reicht auch für Zwei noch mehr als genug. Es wird uns an nichts fehlen.” und das stimmte wirklich. Na ja, fast. Ich fürchtete schon, dass Phil hin und wieder Heimweh bekommen könnte, behielt das aber besser für mich. Wir würden es schon schaffen.
“Na gut! Für Studiengebühren, Bücher und so weiter werden selbstverständlich wir sorgen!” kam es nun überzeugend und auch ein wenig stolz von Chris.
“Ich darf also …?”
“Ja, du darfst mit Timo nach Hamburg, aber um alle Formalitäten musst du dich selber kümmern – klar?” kam es mit gespieltem Ernst von Chris.
Ich könnte Purzelbäume schlagen, doch ließ es Phil nicht dazukommen. Er hielt mich fest umklammert und schon wieder rannen Tränen über sein Gesicht. Ja, ich gebe es zu, meine Augen waren auch feuchter als sonst…
Unterbrochen wurden wir von dem entsetzlichen Geruch der angebrannten Rühreier auf dem Herd.
Jetzt war es Martha, die mir Leid tat. War ihr bestimmt ganz schön peinlich.
Na gut, gab es eben heute keine Eier zum Frühstück.
Nach dem Mahl rief ich dann schnell meine Freunde im Trailerpark an und berichtete von den Neuigkeiten.
Es tat echt gut auch deren ehrliche Freude zu verspüren.
Nun ging es also an die Schlacht. Phil telefonierte mit der deutschen Botschaft in Miami.
Hier erfuhr er, dass es wegen seiner in Deutschland lebenden Großeltern kein Problem sei, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Man versprach ihm die Formulare zuzuschicken.
Auch der Schulbesuch und das anschließende Studium sollten kein Problem sein.
Ich war stolz, mit welchem Elan er an die Sache ran ging.
Leider würde aus dem gemeinsamen Flug nach Hamburg nichts werden. Ich musste ja morgen wieder los, da mein Urlaub zu Ende ging und seine Papiere würden wohl erst in vier Wochen fertig sein.
Außerdem hätte Philipp eh nicht in der Frachtmaschine meiner Firma mitfliegen dürfen.
Wenigstens hatte ich ihm ein vergünstigtes Mitarbeiterticket meiner Firma besorgen können, allerdings nach Frankfurt.
Es ist Freitag, der 07. März 2003
Die Stunde war gekommen. Alle meine Freunde waren mitgefahren nach Dothan, Alabama um mich auf dem Flughafen zu verabschieden. Selbst Nick, der Bruder von Philipp nahm mich noch einmal in den Arm.
Der Abschied von Philipp jedoch war schon etwas ganz besonderes. Aber auch seine Mutter machte es mir nicht gerade leicht.
Es ist schon etwas tolles, solche Freunde zu haben, aber der Abschied …
Ganz ehrlich, nun konnte auch ich einige Tränen nicht mehr zurück halten.
Vom Flug bekam ich fast gar nichts mit. Ich kann mich nicht einmal erinnern, ob es etwas zu essen gab, geschweige denn was?
Zuviel war in den letzten Tagen geschehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer das Handy von Don in der Brustasche der Latzhose trug.
Na ja, gleich in Atlanta würde ich reichlich Zeit haben ein kleine Päckchen aufzugeben.
So fand ich dann auch noch die Quittung für die neue Lichtmaschine des Pickup, den ich geliehen hatte.
Die kann ich dann ja auch gleich beilegen. Ist ja schließlich Garantie drauf.
Junge, Junge, wo war ich denn eigentlich mit meinen Gedanken in den letzten Stunden. Hoffentlich habe ich nichts von mir vergessen. Ich ging noch mal alles durch. Nein, alles dabei – fast alles. Alles außer Philipp!
So etwas an Gegensätzlichkeit der Gefühle ist einfach unvorstellbar. Traurigkeit, weil Philipp jetzt nicht neben mir saß und andererseits, gleichzeitig ein Gefühl als flögen Schmetterlinge in meinem Bauch.
Die Anzeige zum Anschnallen erleuchtete, doch ich war eh noch angeschnallt.
Auch die Landung in Atlanta verlief unspektakulär.
Jetzt hatte ich reichlich Zeit. Der Weiterflug mit unserer Frachtmaschine würde erst um 15:00 Uhr losgehen.
Ein Paketdienst war schnell gefunden und ich konnte die unfreiwillige Habseligkeit nach Florida zurückschicken. Ich konnte es mir jedoch nicht verkneifen zuvor noch schnell eine SMS an Philipp zu schicken. Hihi, der wird sich bestimmt wundern …
So langsam verspürte ich Hunger. Anscheinend hatte ich wohl tatsächlich im Flieger vorhin nichts gegessen.
Welch ein Glück, auch hier gab es eine Filiale meiner geliebten Burgerkette.
Wer weiß, wann ich in naher Zukunft wieder einmal soll tolle Burger zu essen bekommen würde.
Für einen kurzen Moment spielte ich tatsächlich mit dem unsinnigen Gedanken mir welche zum Mitnehmen einzupacken. Die Vernunft siegte jedoch. Die schmecken nur frisch und heiß.
Amüsiert beobachtete ich einen kleinen Jungen, der den Mund nicht weit genug öffnen konnte, um von seinen Burger richtig abzubeißen.
Hihi, sein T-Shirt zeigte schon jetzt einige lustige Verfärbungen. Von meinem Grinsen angeregt, begann er jetzt auch noch zu allem Überfluss, mit seinem Essen zu spielen. Die arme Mutter.
Gut gestärkt machte ich mich zurück auf den Weg zum Schließfach und erlöste mein Gepäck aus seinem Gefängnis.
Zum Airporthotel war es nicht weit.
Wie verabredet setzte ich mich in die beeindruckende Empfangshalle und wartete auf ‘meine’ Crew.
Es dauerte noch gut eine Stunde bis sich die Kollegen gut ausgeschlafen bei mir versammelten.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich es hasse unter Zeitdruck zu stehen, oder zu spät dran zu sein. Deshalb bin ich überall lieber reichlich zu früh als auch nur eine Minute zu spät.
Ich kannte jeden von ihnen und so wurde es ein recht herzliches Wiedersehen.
Die üblichen Begrüßungsformeln wurden ausgetauscht und ich gebe zu, ich hatte sie auch ein wenig vermisst.
Ich glaube spätestens jetzt dürfte klar sein, wie gern ich in meinem Beruf bin.
Es gab noch einige Formalitäten mit dem Zoll wegen einiger Frachtstücke, aber der Start erfolgte pünktlich auf die Minute.
Auch heute ließ ich es mir nicht nehmen ‘meine’ Crew wieder etwas zu verwöhnen. Schließlich musste ich meinen Ruf verteidigen *g*.
Irgendwann in der Nacht habe ich dann ein wenig geschlafen und träumte von meinem Schatz.
So gegen halb Sechs Uhr weckte mich der Copilot und meinte, dass sie mit dem Landeanflug begännen.
Also gut, aufrechte Sitzposition und Anschnallen.
Es war ein total ruhiger Anflug. Keine Turbulenzen und eine butterweiche Landung.
“Danke Jungs, das war mal wieder toll mit euch. Ich werde euch der nächsten Fracht weiterempfehlen!” grinste ich bevor mir eine Checkliste entgegen flog.
Wie war das doch gleich: kleine Scherze erhalten die Freundschaft.
Allmählich hatte ich aber doch das Bedürfnis nach Hause zu kommen. So langsam machte sich der Zeitunterschied bemerkbar. Und irgendwie war ich wohl auch etwas zu leicht bekleidet. Hier war Frost und überall lag Schnee!
Am späten Nachmittag kam ich wieder zu mir. Draußen dämmerte es bereits.
Oh, so ein Mist. Habe ich doch glatt vergessen einzukaufen und der Kühlschrank ist so leer, dass man darin ein Echo hätte hören können.
Na gut, müsste ich mir also nachher eine Pizza bestellen.
Ich ging an den Schreibtisch und stellte mein Notebook wieder an seinen Stammplatz.
Oh Wunder, das alte Netzteil tat es wieder.
Ich schaltete das Notebook schon mal ein und nahm schnell ein kurzes Duschbad.
Ja wirklich. Für meine Verhältnisse sind 15 Minuten kurz!
Mit noch nassen Haaren und nackt wie von Gott geschaffen setzte ich mich an das Notebook und rief meine eMail ab.
Yippie, da war auch eine von Philipp.
“Hallo Timmy, …
…ich fand es außerdem unheimlich toll, wie Du meinen Eltern erklärt hast, für mich sorgen zu können und zu wollen. Dabei brauchst Du Dir diesbezüglich echt keine Sorgen zu machen. Du machst mit mir eine gute Partie. Ich habe vor zwei Jahren einiges von meiner Tante geerbt. Davon allein könnte ich schon einige Jahre recht gut leben. Ansonsten …”
Die Mail war ziemlich lang. Ich las sie noch ein zweites Mal, um sicher zu gehen, dass ich auch nichts übersehen und alles richtig verstanden hatte, bevor ich zu antworten begann.
Es war schon 19:00 Uhr durch als ich noch “ich habe dich auch lieb” hinzufügte und auf SENDEN klickte.
Man ich vermisse den Jungen jetzt schon – und ich habe nicht einmal ein Foto von ihm.
Wie soll ich die nächsten Wochen bloß überstehen.
Na zum Glück kann ich ja ab Montag wieder zu Arbeit. Das wird mich hoffentlich ablenken.
Über dies schlief ich am Schreibtisch ein.
Keine Ahnung wie spät es war. Ich wachte auf, weil ich fror und mir alles wehtat. Schnell hatte ich mein Bett gefunden und die Reise in die Traumwelt konnte weitergehen.
Die Sonne stand schon hoch und schien auf mein Bett.
Ich fühlte mich fit wie ein Turnschuh. Ich schlenderte in die Küche und setzte einen Tee auf. Aus dem Radio vernahm ich, dass den ganzen Tag die Sonne scheinen sollte und man eine Temperatur im Plusbereich vorhersagte. Wäre doch eigentlich der richtige Tag mal wieder was für den Körper zu tun.
Im Bad rasierte ich mich nur kurz und pflegte meine Zähne ein wenig.
Schon lief ich in einem warmen Jogginganzug auf die Straße und fand den Weg zu meiner Runde an der Alster.
Weit nach 14:00 Uhr hockte ich in meiner Badewanne und genoss das heiße Wasser. Man, tat das gut! (in Gedanken saß ich mit Philipp wieder in der Sauna). Während ich so da lag und meinen Körper verwöhnte hörte ich mit einem mal Schritte im Flur.
Ups – Gabi – an die hatte ich ja nun gar nicht gedacht!
“Hallo Timmy, wo steckst Du?”
“Ich sitze in der Wanne – war joggen!” antwortete ich schnell “und hast Du mich vermisst?” setzte ich vorsichtshalber noch nach.
“Hey du Blödmann, nur eine Mail von dir in 3 Wochen und du fragst, ob ich dich vermisst habe?”
Oh je, scheine ich da jemanden vernachlässigt zu haben? Glaube schon (rot werd).
“Sorry, mein Schatz – tut mir wirklich leid!”
“Schon gut, hast du dich denn wenigstens etwas erholt?”
“Du kannst ruhig reinkommen und meine Bräune beneiden, ich habe ein Schaumbad.”
“Ne, da ist es mir zu warm. Ich mache mal Tee. Brauchst du noch lange?”
“Bestimmt nicht, wenn Du da bist. Also bis gleich!” gesagt und schon den Stöpsel aus dem Abfluss gezogen.
Kaum 10 Minuten später hatte ich auch schon meine Haare getrocknet und huschte ins Schlafzimmer um mich frisch anzukleiden.
“Nanu, seit wann trägst du denn Latzhosen?”
“Äh, also, eigentlich mochte ich die schon immer gern, aber …, na ja, also diese ist etwas Besonderes!” stotterte ich mir da zusammen.
“?”
“Ja, also, ich habe da jemanden kennen gelernt – in Florida …”
“Hey Timmy, ein neuer Junge? Das finde ich toll. Das erklärt auch deine Schreibfaulheit! Man Timmy, ich freue mich ja so für dich!”
“Er heißt Philipp und ist ein totaler Schatz. Und, äh, – und wir lieben uns!” schmacht …
“Zeig mal, hast du ein Bild von ihm?”
Schon wieder erröten. “Ne, leider nicht, aber er kommt bald nach…”
“Er hat fast genau meine Größe, ist auch schlank und hat blaue Augen und strohblonde Haare und … ja, und er ist total süß!”
“Erzähl schon, wie habt ihr euch kennen gelernt…” Gabi ließ mir keine Ruhe, also machten wir es uns bequem, und ich erzählte all das, was mich wahrscheinlich heute Nacht nicht in den Schlaf kommen lassen wird…
Montag, 10. März 2003
Nach Wochen mein erster Arbeitstag. Ich war selbst erstaunt, wie leicht mir in der Früh das Aufstehen fiel.
Ich stand im hinteren Teil des Büros, das ich mir mit einer etwas älteren Kollegin teilte.
Noch die richtige Menge Kaffeepulver in den Filter dosiert und die Maschine begann zu blubbern.
Der angenehme Duft verteilte sich schon im Raum, als nun meine Kollegen etwas hektisch hereinstolperte.
Sie schien meinem Gesicht sofort die positive Veränderung abzulesen und begrüßte mich mit strahlendem Gesicht.
“Hallo Timo, schön, dass du wieder da bist. Du siehst gut erholt aus!”
Bis zur Frühstückspause hatte ich dann so ziemlich alles erzählt. Ein paar Sachen ließ ich allerdings aus *g*.
Nun wurde es jedoch höchste Zeit, den Dingen Tribut zu zollen, für die mich mein Arbeitgeber wirklich nicht schlecht bezahlte.
Die Tage vergingen wie im Fluge. Für das Wochenende hatte ich mir vorgenommen, daheim aufzuräumen.
Nein, ich bin kein unordentlicher Mensch. Ich wollte mich um die Hinterlassenschaften von Florian kümmern.
Am Samstag kam dann auch Gabi wie versprochen, um mir dabei zu helfen.
Ich wollte nur wirklich wichtige Dinge zur Erinnerung aufbewahren. Doch seine ganzen Bücher, all die Wäsche und noch eine ganze Menge anderen Kleinkrams würden zunächst im Keller landen. Schließlich braucht ja Philipp auch seinen Platz und Freiraum. Die Möbel ließ ich erstmal ausgeräumt so stehen.
Philipp sollte selbst entscheiden, was er davon übernehmen wollte.
Bevor wir alles in Kartons verpackten, machte Gabi eine Liste von gut erhaltenen Kostbarkeiten, wie Markenklamotten, oder sehr teuren Büchern. Sie machte sogar Fotos davon. Auf meine Frage hin erklärte sie, dass sie versuchen wollte, die noch wirklich guten Sachen im Internet zu versteigern. Ja, warum eigentlich nicht.
Nur nach und nach wurde mir bewusst, dass es nun der zweite Abschied von Florian war. Diesmal jedoch fiel er mir irgendwie nicht mehr so schwer. Die Dinge, die ich behalten wollte, würden ihm schon einem Ehrenplatz bei mir erhalten. Gerade all die Fotos würde ich nicht hergeben. Nur ein einzelnes schnorrte Gabi mir ab.
Zum Abschluss half mir Gabi noch dabei, dem Zimmer eine Grundreinigung zu verpassen.
Sie fragte dabei, ob ich dass Zimmer auch noch neu Streichen wollte.
Die Idee hatte ich auch schon, aber auch das wollte ich dann lieber mit Philipp gemeinsam machen.
Ich verspürte einen Hohlraum in der Region, wo eigentlich Verdauung stattfinden sollte.
Gabi war begeistert von meiner Idee, noch in ‘unser’ Chinarestaurant zu gehen.
Wir verabredeten, dass ich sie in einer Stunde abholen würde. So blieb noch genug Zeit für etwas Körperpflege.
Ich erinnere mich an einen wirklich gelungenen Abend.
Der Sonntag verlief, wie eigentlich all meine Freizeit in den folgenden Wochen.
Mail-Kontakt mit Philipp, viel Sport und einige Aktivitäten mit Gabi.
Bei den Versteigerungen hatten wir Glück. Etwa die Hälfte der angebotenen Artikel erzielten erstaunliche Preise. Nur wenige gingen unter € 100,00 weg. Verkauft haben wir aber alles.
Die noch brauchbaren Kleidungsstücke, und Bücher die wir nicht zum Verkauf vorgesehen hatten, überließen wir dem Kinderheim, in dem wir aufgewachsen waren. Dort nahm man die Sachen dankbar entgegen.
Freitag, 04. April 2003
Ich hatte mit meinem Chef vereinbart, heute etwas früher gehen zu können.
Ich wollte noch heute mit dem Zug nach Frankfurt fahren. Für Übernachtung war auch gesorgt.
Ich kenne Johannes zwar nicht persönlich, sondern nur aus dem Chat, aber ich vertraue ihm.
Er ist übrigens zwei Jahre älter als ich.
Als ich ihm neulich erzählte, dass ich Philipp von Frankfurt abholen wollte, hat er mich sofort eingeladen und gefragt, ob ich ihn nicht schon am Vortag besuchen wolle.
Die Zugfahrt begann etwas nervig. Ich hatte einen Platz in einem Großraumwagen ganz in der Mitte, wo man zwar einen Tisch hat aber auch viele Leute um sich rum.
Mir gegenüber hatte eine junge Mutter mit einem schätzungsweise 5 jährigem Mädchen Platz genommen. Die Kleine war wohl etwas müde und quengelte viel herum.
Meine Gedanken verliefen sich in alle Richtungen. Mal war es die Freude auf das Wiedersehen mit Philipp und schon wieder diese Schmetterlinge im Bauch. Dann war es das Farbenspiel, welches die untergehende Sonne neben einer mächtigen Gewitterwolke veranstaltete. Zwischendurch war es die Kleine mir gegenüber, welche gerade die ehemals weiße Bluse ihrer Mutter mit Schokolade voll schmierte.
Mit einem Mal fiel mir auf, dass Johannes und ich uns im Chat über alles Mögliche schon unterhalten hatten, aber nie zur Sprache kam, wie wir eigentlich aussahen. Eventuell ein Beweis dafür, dass Äußerlichkeiten zweitrangig sind, wenn man sich sonst gut versteht.
So in der Nähe von Osnabrück ist der kleine Quälgeist zum Glück eingeschlafen.
Erst jetzt konnte ich mich auf das Taschenbuch konzentrieren, welches ich gedankenverloren offen in Händen hielt, schon seit dem der Zug den Stadtrand von Hamburg verlassen hatte.
“Das Wunschspiel” von Patrick Redmond.
Nun bestimmt zum 10. Mal begann ich den Prolog von vorn zu lesen.
Immer schneller flogen jetzt meine Augen über den Text dahin und ich versank in eine andere, ja mysteriöse Welt. Ich stand nun total im Bann dieses Romans.
“Sehr verehrte Fahrgäste, in fünf Minuten erreichen wir Frankfurt Hauptbahnhof. Sie haben Anschluss an den ICE…” plärrte es aus dem Lautsprecher, doch ich hörte nicht weiter hin. Das wichtigste hatte ich verstanden.
Ich war wieder zurück in der Gegenwart. Ich suchte nach meinem Lesezeichen. Es lag mit Schokolade verschmiert auf dem Tischchen. Na gut, ich knickte oben links einfach die Seite etwas um und verstaute das Taschenbuch in meinem Rucksack.
Ein gespielt freundliches Nicken zu der Mutter der kleinen Nervensäge und ich drängelte mich mit meinem Gepäckstück zum Ende des Waggons an dem es nach kalten Rauch stank.
Der Bahnhof war endlich erreicht. Ich stürzte mich also in die Menschenmassen. Johannes hatte mir erklärt, dass es in der Haupthalle vor dem Ausgang zur Düsseldorfer Straße einen Informationstand der Bahn gäbe. Dort wollte er auf mich warten.
Und wie sollte ich ihn nun erkennen?
Na komm´ schon Timo, Kopf hoch, du bist kein kleines Kind mehr.
Das Drängeln löste sich nun schon etwas auf und ich fand zielstrebig den Weg in die Haupthalle. Verlaufen war eigentlich nicht möglich. Ich hatte Glück, denn ich lief quasi direkt
auf die Information zu.
Noch auf Distanz erkannte ich da schon zwei Männer. Der eine hielt einen Strauß Blumen am langen Arm. Ich nehme mal an, der scheidet aus. Dann Stand ein etwas kleineres Kerlchen. Schätze mal 1,70 groß, fast schwarze, wild abstehende kürzere Haare und eine Nickelbrille in einem ziemlich blassen Gesicht.
So etwa stellte ich mir Harry Potter vor…
Allerdings hatte diese Ausgabe hier wohl irgendwann mal einen Schokopudding zu viel gegessen. Will sagen, er wirkte ein kleines bisschen pummelig.
Ich stand nun direkt vor ihm und fragte doch etwas unsicher “Hallo, bist Du Johannes?”.
Sein Gesicht veränderte sich in offenes Strahlen.
“Ja genau, dann bist Du Timmy. Herzlich willkommen in der Metropole der Banken, Versicherungen und anderer Abzocker!”
Ich ließ mich von seinem Humor wieder anstecken. Ja, genau so kannte ich ihn vom Chat. Er war eine richtige Frohnatur.
Wir reichten uns nun zur Begrüßung die Hände. Er blieb mir auf Anhieb sympathisch.
“Komm, lass uns hier verschwinden, es ist nicht weit zu mir nach Hause. Sind nur 6 Haltestellen mit der Tram.”
“Mit der Was?” fragte ich etwas verdutzt.
“Tram, so sagen wir hier für Straßenbahn.”
Erst jetzt wurde mir sein landestypischer Dialekt bewusst. Ich verkniff es mir lieber, darüber etwas zu sagen. Vielleicht klang meine Aussprache für ihn ja auch recht lustig.
Zügigen Schrittes erreichten wir nach kurzer Zeit die passende Haltestelle. Wir konnten die nächste Bahn auch schon sehen. “Die nehmen wir” sprudelte Johannes.
“Du, ich habe doch gar keine Fahrkarte dafür” sorgte ich mich.
“Macht nichts, ich habe ein Carnet, das kann ich für dich mit stempeln”.
Schon wieder so ein Fremdwort. Ich fragte vorsichtshalber nicht. Wollte ja schließlich nicht als Provinztrottel abgestempelt werden.
Einen Sitzplatz bekamen wir nicht, aber die paar Haltestellen waren auch so schnell überstanden.
“So, Timmy hier geht’s lang.” forderte er mich auf und deutete in eine ruhigere Seitenstraße.
Nach etwa 500 Metern blieb er vor einem ziemlich modernen Haus stehen und zog ein Schlüsselbund hervor.
Drinnen führte er mich in den Fahrstuhl und wenig später befanden wir uns im 11. Stockwerk.
So wie der Flur aussah, gab es hier wohl vier Wohnungen. Zumindest zählte ich soviel Türen außer der großen Glastür zum Treppenhaus.
Nachdem ich zum Eintreten aufgefordert wurde, verschlug es mir die Sprache. Ich kam durch einen kleinen Flur, von dem nur seitlich eine schmale Tür abging, vermutlich das Bad, in einen riesigen, fast quadratischen Raum.
Ich ging auf eine Fensterfront zu, welche sich über die gesamte Länge von geschätzt 7 Metern der Stirnwand erstreckte.
Ein unendliches Lichtermeer der Metropole lag vor mir. Nur ein paar wenige große Kübelpflanzen vor dem Fenster behinderten die grenzenlose Aussicht.
Ich sah mich weiter um. Es war ganz offensichtlich eine Einzimmerwohnung. In einer Ecke gab es eine moderne Küchenzeile, die durch einen Tresen mit Barhockern vom Wohnbereich abgetrennt war. Dann stand rechts vor der Fensterfront ein französisches Bett. Zwischen Küche und Bett befand sich noch ein Schreibtisch mit einem Computerarbeitsplatz.
Der Rest der Wohnlandschaft bestand aus einer riesigen Sitzecke, die schon beim betrachten urgemütlich aussah. Hier und da ein paar Schränke, Unterhaltungselektronik, ja halt all das, was das wohnen gemütlich macht.
“Am besten legst Du Deinen Rucksack hier ab und wir gehen irgendwo was essen.
Weißt Du, mit Kochen habe ich es nicht so.”
Anfangs immer noch sprachlos, wurde ich wieder wach.
“Oh, da könnte ich Dir gerne helfen. Ich kann das ganz gut!”
“Schade” sagte Johannes, “hätte ich das geahnt, dann hätte ich auch entsprechend eingekauft. Jetzt habe ich nur das im Haus, was man für ein ordentliches Frühstück braucht” klagte er und zwinkerte mir zu.
Ich musste unweigerlich ein wenig grinsen.
Er ging derweil zu seinem Kleiderschrank und tauschte die ziemlich aufgetragene Lederjacke gegen einen flauschigen Norwegerpullover.
“Können wir?” fragte er und schob mich schon Richtung Wohnungstür.
“Ja, natürlich, worauf hast Du den Appetit?” fragte ich.
Die Fahrstuhltür schloss sich fast lautlos. Mir fiel auf wie modern und sauber hier alles war.
“Tja gute Frage, also eigentlich gibt es nichts, was ich nicht mag. Außer rohe Austern vielleicht. Die ekeln mich an” lachte er.
“Wie wäre es mit Asiatisch?” fragte ich hoffnungsvoll, darauf könnte ich jetzt gut ab.
“Super Idee, denn es gibt hier gleich zwei Straßen weiter ein erstklassiges koreanisches Restaurant. Da werden viele Gerichte erst am Tisch zubereitet. Wie wäre das? Außerdem können wir da zu Fuß hin.” strahlte er mich fragend an.
“Ist gebongt!”
Es begann ein richtig gemütlicher Abend. Johannes beriet mich bei der Auswahl aus der Speisekarte und wir führten eine nicht enden wollende Konversation.
Irgendwie ist er mir jetzt noch viel sympathischer als er es schon vorher vom Chat her war. Auch wenn ich ihn mir optisch ganz anders vorgestellt hatte.
Aber das spielt keine Rolle. Wenigstens habe ich nun künftig ein Bild vor Augen, wie er in dieser tollen Wohnung am PC sitzt, wenn wir uns das nächste Mal im Chat treffen.
Unser Essen wurde tatsächlich am Tisch gegrillt. Es war ein Bulgogi mit Rindfleisch und einem Hauch von Knoblauch. Wir bekamen beide das gleiche und es war ein Genuss.
Das muss ich mir unbedingt merken. Vielleicht finde ich im Internet ja auch ein Rezept dafür.
All zu kompliziert sah es nicht aus.
Zurück in der Wohnung beschlossen wir, uns gleich bettfertig zu machen. Nach der üblichen Körperpflege rollte ich meinen Schlafsack auf der Schlafcouch aus und Johannes verschwand dann in seinem Bett, bevor noch zweimal “gute Nacht” in dem Raum verhallte.
Souverän steuerte Johannes sein Auto durch den Stadtverkehr.
Nachdem er uns, entgegen meiner Erwartung, ein ganz tolles Frühstück zelebriert hatte,
fuhr er mich nun zum Flughafen. Ich fragte ihn, ob er noch bleiben könne um Philipp zu begrüßen. Er verneinte jedoch zögerlich, weil das Parken am Flughafen so umständlich sei und vor allem viel zu teuer.
Ich bat an, ihm das Geld dafür zu geben.
“Lass mal stecken, ich würde Euch beim Wiedersehen eh nur im Wege stehen. Sei bitte nun nicht enttäuscht von mir, aber ich werde schon mal etwas melancholisch, wenn sich zwei Jungs glücklich umarmen.”
Ja, ich konnte ihn verstehen. Er hatte mir schon gestern Abend erzählt, dass er noch nie einen Freund hatte.
Wenige Minuten später hielt er vor dem Ankunftsterminal an und wir verabschiedeten uns kurz, aber kameradschaftlich.
Armes Kerlchen, dachte ich noch so bei mir.
Zügig begannen sich jetzt aber meine Gedanken auf Philipp zu konzentrieren.
In der großen Halle war eine Tafel, an der alle Flüge angeschrieben standen, die für die nächsten drei Stunden avisiert waren.
Gleich beim ersten Blick stachen mir sehr viele Flüge ins Auge, die mit Hinweisen in roter Farbe gekennzeichnet waren. Überwiegend Streichungen, aber auch Verspätungen ohne Ende.
Beruhigt konnte ich schnell überschlagen, das es fast ausnahmslos Flüge waren, die von, oder über Frankreich kommen sollten.
Na, dann hatte ja mein Chef doch den richtigen Riecher, als er mich schon vor einer Woche anwies, erstmal keine Luftfracht mehr für Frankreich anzunehmen.
Also streikten dort mal wieder die Fluglotsen.
Jetzt war mir das egal. Wo steht also der Lufthansaflug aus Atlanta. Ah da ist er. Fast ganz oben und dahinter blinkt eine grüne Lampe unter dem Wort Gelandet.
Ups. Ah, da steht auch die Uhrzeit. Na, Gott sei dank, das war erst vor 5 Minuten. Also kein Problem. Vermutlich rollte die Maschine noch zum Terminal.
Ich merkte mit noch das Gate, durch welches Phil kommen sollte und suchte mir gemütlichen Schrittes den Weg dorthin.
Es waren nun schon keine Schmetterlinge mehr, die da in meinem Bauch kribbelt. Nein, das musste irgendetwas größeres sein.
Endlich war es soweit. Die Türen von dem überdachten Laufsteg, der nun das Flugzeug mit dem Terminal verband, wurden geöffnet und zügig füllte sich der Raum, in dem die Passagiere nun ungeduldig auf Ihr Gepäck warten mussten. Jede männliche Gestalt wurde von mir gescannt.
Dann endlich meldeten meine Sensoren einen Treffer. Den Treffer.
Braungebrannt, zumindest waren das Gesicht und die Arme dunkler als seine Haare, kam nun auch Philipp durch die Tür. Seite an Seite mit einem Jüngling, den ich nicht kannte, der aber auch verdammt gut aussah. Auch dieser sehr von der Sonne verwöhnt, jedoch mit ursprünglich wohl ziemlich dunklen Haaren, die aber ein wenig von der Sonne ausgeblichen zu sein schienen.
Beide alberten ganz schön rum und wirkten regelrecht ausgelassen.
Philipp schien dieses himmlische Geschöpf ganz offensichtlich gut zu kennen.
Für einen kurzen Augenblick hatten meine Schmetterlinge ihren Flügelschlag eingestellt.
Nur zu gern wäre ich jetzt zu meinem Engel gelaufen, um ihn endlich zu umarmen.
Leider trennte uns noch eine dicke Glaswand. Bevor die Ankömmlinge mit den Wartenden in Kontakt treten durften, stand noch Pass- und Zollkontrolle auf dem Stundenplan.
Ja und Stunden könnte das wohl auch dauern. Ich überflog mal so die Menschenmasse. Das mussten weit über 300 Passagiere sein.
Philipp konnte ich nun nicht mehr finden. Dafür kam Bewegung in die Reisenden.
Jetzt drängte alles zu dem Gepäckband. Offensichtlich war es gerade in Betrieb genommen worden.
Ich ging also ein Stück weiter von wo ich die Schalter der Zoll- und Passkontrolle beobachten konnte. Hey, das gefiel mir aber nun doch. Hatten die doch tatsächlich alle fünf Schalter besetzt. Und das Ganze war so organisiert, dass diese fünf Schalter aus nur einer Schlange bedient wurden. Also konnte es keine Benachteiligung geben, wenn es an einem Schalter mal etwas länger dauern sollte.
Nun entdeckte ich Philipp wieder. Er schien jetzt auch mich entdeckt zu haben, jedenfalls winkte er.
Man war ich aufgeregt. Die Schmetterlinge hatten ihren Dienst wieder aufgenommen.
Langsam wurde mir regelrecht flau im Magen.
Irgendwie kann ich das Gefühl nicht richtig beschreiben. Man muss es selbst einmal erlebt haben, um zu wissen, was ich meine.
Ziemlich genau konnte ich erkennen, dass Philipp schon wieder mit diesem Knaben herum alberte.
Ich dachte er wird mir einiges zu erklären haben. Diesmal bekam der Gedanke jedoch keinen Beigeschmack mehr. Es würde sicherlich eine einfache Erklärung geben.
Endlich standen die Jungs ganz vorn in der Schlange und der andere kam jetzt dran. Einen Moment später war auch schon Philipp an der Reihe an dem Parallelschalter.
Der dunkelhaarige Junge war fertig, schulterte seinen großen Rucksack und kam zielsicher direkt auf mich zu.
“Hallo, Du musst Timo sein, ich heiße Björn. Ich freue mich Dich kennen zulernen, nachdem Philipp so viel von Dir erzählt hat.”
Er strahlte mit einem betörenden Lächeln. Und diese Augen. Sie hatten einen absolut verführerischen Glanz. Aber sie verrieten auch sein Inneres. Ich glaube solche Augen können nicht lügen.
Sein Charme zeigte Erfolg. Der Junge war mir sympathisch.
Offenen Herzens reichte ich ihm die Hand.
“Hi Björn, die Freude ist ganz meinerseits. So, wie ich das sehe, scheinst Du ja mit Philipp eine ganze Menge Spaß gehabt zu haben.”
“Worauf Du einen lassen kannst …” weiter kam er nicht, da ich ihn nun einfach stehen ließ.
Meine Schritte wurden immer schneller und mein Ersehnter tat es mir gleich.
Auf halbem Wege trafen unsere Körper aufeinander und verschmolzen förmlich.
Alles um mich herum begann zu versinken. Die Geräusche um uns schienen wie von einer fremden Macht aufgesogen.
Hier waren nur noch Philipp und ich. Eine feste Einheit.
Ich spürte, wie seine Wärme meinen Körper durchflutete. Ich sog gierig allen Duft von ihm in mich ein. Eigentlich hätte ein Vakuum um uns entstehen müssen.
In einem unausgesprochenen Einverständnis verzichteten wir auf die Überprüfung des Geschmacks des anderen.
Nur schwach vernahmen wir die Rückkehr der Umwelt und das zaghafte Räuspern von Björn.
“Ruhig Brauner, ruhig – nicht so schnell!” wirkte Philipp auf ihn ein,
“Hallo mein Schatz, hast Du mich doll vermisst?” führte er fort.
“Ich glaube ich bin um zwei Generationen gealtert vor Sehnsucht.”
“Kann nicht sein, Du siehst noch genauso gut aus, wie der süße Knackarsch, in den ich mich so wahnsinnig verliebt habe!”
Ich wollte gerade die passende Erwiderung vom Stapel lassen, als sich Björn etwas verlegen zu Wort meldete.
“Würde es den beiden Turteltauben etwas ausmachen, wenn wir diesem Gedränge hier ein wenig entgehen und uns einen anderen Platz zum Kuscheln suchen?”
“Turteltauben? Na warte und wie soll ich das bitte verstehen mit dem Platz für UNS zum Kuscheln, hä?” brachte ich ein wenig entsetzt, zumindest gespielt ernst hervor.
Björn lief ziemlich rot an und Philipp kicherte, was das Zeug hält. Nun verstand ich gar nichts mehr.
Zumindest nahmen sie beide Ihr Gepäck auf und sahen mich fragend an, als sollte ich nun bestimmen, wo es langgeht.
“Philipp, ist diese Reisetasche wirklich dein ganzes Gepäck?” fragte ich ungläubig.
“Ja und nein. Ich habe noch vier Koffer aufgegeben als Luftfracht. Die sollen Morgen in Hamburg ankommen. Auch mit Deiner Firma.”
“He, das war clever!” freute ich mich. “Und wieso seid ihr so früh. Ihr solltet doch eigentlich erst in etwas mehr als einer Stunde ankommen?”
“Der Flugkapitän sagte was von Jetstream, also irgend so ein extrem starken Rückenwind, den er optimal ausnutzen konnte.”
Aha, davon haben mir meine Kollegen schon viel erzählt.
“Timo, wie viel Zeit haben wir denn noch bis der Zug geht? Ich könnte nämlich etwas zu Essen gebrauchen!” fragte mich Philipp.
“Super Idee!” steuerte nun Björn mit wieder normaler Gesichtfarbe bei. Na ja, sagen wir mal brauner Gesichtsfarbe. Ein wenig beneidete ich die beiden schon wegen der Bräune. Meine begann ja schon etwas zu verblassen.
“Also unser Zug fährt erst in 2 Stunden. Wann und wohin musst Du denn noch Björn?” fragte ich ein wenig neugierig.
“Och, ich hab’s nicht mehr weit. Nur noch ein wenig mit dem Zug nach Hamburg und ich bin zu Hause.” grinste er mich verschnitzt an.
Ganz schön frech dieser Grünschnabel.
“Verstehe, also steht einer gemeinsamen Futtersuche ja nichts mehr im Wege!”
Mein Vorschlag wurde ohne Gegenstimme angenommen.
Zunächst begaben wir uns zum Airportbahnhof und inhaftierten unser aller Gepäck in einem großen Schließfach.
Dann wieder nach oben diesmal jedoch in das Abflugterminal, wo die Auswahl an Futterstellen deutlich größer war. Die meisten jedoch waren maßlos überteuert. Vier Euro für ein belegtes Brötchen – eine Frechheit.
Etwas abseits hatten wir Glück.
Wir fanden einen Pizza-Stehimbiss. Die Preise waren akzeptabel, zumindest für die hiesigen Verhältnisse. Zwar gab es hier kein Besteck und man erhielt die Pizza im Karton portionsgerecht zerschnitten. Doch das war uns egal. Erst recht, als wir feststellen durften, dass sie sehr lecker schmeckte.
Ganz nebenbei kam ich nun in den Genuss, an den Erlebnissen der beiden während des langen Fluges Teil zu haben. Sie hatten sich also erst im Flugzeug kennen gelernt, weil sie zufällig nebeneinander saßen.
Björn hatte die Reise zum bestandenen Abitur letztes Jahr von seinen Eltern geschenkt bekommen.
Er hatte die Reise wegen eines Unfalls aber erst jetzt machen können.
Ich fragte lieber nicht weiter nach.
Krankengeschichten sind nicht so mein Ding und verderben oft auch ein wenig die Stimmung.
Letztere war im Moment allerdings auf Hochkurs.
So ausgehungert, wie die beiden Weltreisenden waren, beschlossen wir noch eine weitere Pizza zu bestellen, die wir uns dann alle teilen wollten.
Als endlich alle italienischen Sonnenbrandkekse den Weg ihrer Bestimmung gefunden hatten, beobachteten wir noch eine Weile das hektische Treiben in der gigantischen Abflughalle. Es war schon ein wenig Vorgeschmack auf die Osterreisewelle zu spüren.
Wieder im Bahnhof sammelten wir unser Gepäck ein und ich legte unsere Fahrkarten zurecht.
“Björn, hast Du auch eine Sitzplatzreservierung?”
“Nö, hatte vor 4 Wochen ja keine Ahnung wann ich ankommen würde…”
“Na dann wollen wir mal hoffen, dass bei uns was frei ist. Andernfalls müssen wir uns neue Plätze suchen.” Ehrlich gesagt war ich guter Hoffnung, dass heute – am Samstag – der Zug nicht so voll sein würde wie Gestern.
Auf der Herfahrt waren sehr viele Berufspendler unterwegs gewesen. Für die Heimfahrt hoffte ich, dass dieser Strom ausbleiben würde.
Apropos Heimfahrt. “Du Philipp, freust Du Dich schon auf die Heimfahrt?”
“Ja spinnst Du, bin doch mal gerade erst angekommen und hatte noch nicht mal einen einzigen Kuss von Dir!!!” vernahm ich vom meinem erzürnten Schatz.
Ich schaute mich kurz um. Keine gefährlichen Zuschauer in der Nähe.
Vorsichtig ergriff ich seinen Kopf mit meinen kalten Händen und zog sein Gesicht in meine Richtung.
“Dummerchen, Hamburg ist jetzt Dein zu Hause!” sprach ich aus und versiegelte sofort seine Lippen mit den meinen.
Ja, der Geschmack war auch noch der gleiche, vielleicht etwas zuviel Oregano, aber sonst stimmte alles.
Von der Seite sah ich wie Björn etwas verlegen wegschaute.
“Sag mal Timmy, an den Knoblauchgeschmack kann ich mich von New Orleans zwar noch erinnern, aber dass der so lange anhält?”
“Dafür kann ich mich an das Pizzaaroma nicht mehr so recht erinnern…” ich prustete los
und nun fiel auch Björn in unser ansteckendes Gelächter mit ein.
“Na Ihr seid mir ja vielleicht ein paar Typen. Philipp hatte mir ja schon im Flieger gesagt, dass er in Dich verliebt ist, aber irgendwie hatte ich von Schwulen eine ganz andere Vorstellung.”
“Oh mein Gott, wo hab ich denn nur wieder mein Handtäschchen gelassen. Dass ich auf das dumme Dingelchen auch nicht besser aufpassen kann. Nun kann ich mich gar nicht mehr pudern bevor der Zug kommt” tuckte ich nun, mit etwas in die Höhe verstellter Stimme, herum.
“Ne, bitte nicht. Anders bist Du mir lieber. Aber bis heute dachte ich wirklich, dass genau so alle Schwulen wären. Ganz schön blöd, oder?”
“Mach Dir nichts draus, bis vor etwa zwei Jahren, sah mein Weltbild auch noch so aus” mischte sich Philipp wieder in das Gespräch, wurde jedoch von einer Ansage unterbrochen, die zur Vorsicht am Bahnsteig ermahnte und die Einfahrt unseres Zuges ankündigte.
Wir stellten unser Gepäck bereit, um dann gleich zügig einsteigen zu können.
Den Wagenstandanzeiger hatten wir natürlich studiert und so kam dann der Einsteig zu unserem Waggon keine 5 Meter von uns entfernt zum Stehen.
Die Reservierung war wieder in Fahrtrichtung in der Mitte eines Großraumwagens wo man ein Tischchen hat, diesmal allerdings zwei Plätze.
Fortuna sei Dank, es war alles frei und somit fand Björn auch ausgiebig Platz bei uns.
Schnell war unser spärliches Gepäck verstaut. Nur der große Rucksack von Björn widerstrebte etwas, also stellte er ihn auf dem freien Platz neben sich.
“Du Phil, ich hatte Dir doch etwas von einer total romantischen Fahrt am Rheinufer entlang versprochen. Daraus wird leider nichts. Die habe eine neue Trasse gebaut für diese Hochgeschwindigkeitszüge. Tja, und diese führt nun ziemlich gradlinig durch unzählige Tunnel und mit schöner Aussicht wird es wohl erst mal nichts.”
“Was redest Du da. Ich habe doch eine ganz fantastische Aussicht!” plapperte er und schaute dabei auf Björn, der ihm ja direkt gegenüber saß und sich gerade mal wieder als Chamäleon versuchte und die Hautfarbe wechselte.
Phil dagegen handelte sich von mir einen nicht zu festen, aber dennoch herzlichen Knuff in die Seite ein und begann umgehend mit seinem Gnadengesuch.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass der Zug schon angefahren war. Erst als jetzt das Tageslicht durch das Fenster Einlass erhielt, war klar, dass der letzte Akt für die Reise von Philipp zu seinem neuen zu Hause begonnen hatte.
Hoffentlich ist er nicht enttäuscht, wenn er ankommt. Schließlich können weder Hamburg, noch meine Altbauwohnung mit den unendlichen Weiten und den unbegrenzten Möglichkeiten Amerikas mithalten.
Björn holte mich aus den Gedanken zurück und legte Skatkarten auf den Tisch.
“Jungs, wie wäre es mit einer Runde Mau-Mau, wo wir doch eh kaum was von der Landschaft haben werden.”
Man, wo nimmt der Junge bloß die Energie her? Ich war damals nach der Landung in Deutschland hundemüde. Aber auch Phil zeigte diesbezüglich keinerlei Anzeichen.
Ich nickte erfreut und wir begannen Philipp das Spiel zu erklären. Vermutlich zu gut, denn er gewann gleich die erste Runde.
Nach etwas mehr als einer Stunde machten wir dann mal eine Pause. Nicht nur deshalb, weil wir uns von dem vielen Lachen erholen wollten, sondern auch, weil Björn jetzt gerne mal eine Zigarette rauchen wollte und das ging in diesem Bereich nicht.
Er verabschiedete sich kurz und somit waren Phil und ich mal einen Moment für uns.
Ja, ganz allein für uns, denn der Wagen war nur dünn besetzt und somit waren wir vor unliebsamen Blicken sicher.
Wir begannen mit einer sehr zärtlichen Umarmung und beschlossen die Geschmacksprobe sicherheitshalber noch einmal durchzuführen …
Längst saßen wir wieder lammfromm nebeneinander als Björn mit drei Kaffeebechern zurückkam.
“He, das ist ja eine Superidee von Dir, Danke” freute ich mich wirklich.
“Ich hoffe Ihr trinkt ihn auch schwarz. Ansonsten sind hier noch ein paar Tütchen mit Süßstoff”.
Zum Glück nahm keiner der beiden von dem Süßstoff und ich konnte mir alle drei Tütchen
nehmen. Mir konnte ein guter Kaffee gar nicht süß genug sein.
“Sagt mal, hat Euch der Fahrtwind so zerzaust, oder wieso hat dieses Dreiwetterzeugs so dermaßen bei Euch versagt. NEIN, sagt es mir lieber nicht, ich kann es mir schon vorstellen!” grinste er wissend.
“Neidisch?” stichelte ich.
“Hm, ein wenig vielleicht, aber nicht so, wie Du vielleicht denkst. Kommt lasst und weiterspielen!” wechselte er schnell das Thema. Etwas verlegen erschien er mir aber schon …
Die Zeit verstrich wie im Zuge… (na ja, da waren wir ja auch *g*).
Es war später Nachmittag als wir endlich in Hamburg ankamen und erst jetzt auf die Idee kamen, Adressen und Telefonnummern auszutauschen. Zögerlich umarmten wir Björn zum Abschied und er machte sich langsam auf den Weg zu den Bushaltestellen.
Wir dagegen mussten zu den Gleisen der U-Bahn.
Nach noch etwa einer halben Stunde schloss ich meine Wohnungstür auf und freute mich, dass ich nun endlich Philipp in meine kleine Wohnung führen durfte.
Ich glaube, er hat das alles gar nicht mehr richtig mitbekommen.
Er schlief jedenfalls noch im Wohnzimmer auf der Couch ein, bevor ich den Kaffee fertig hatte.
Ich ließ ihn gewähren und legte eine Wolldecke über ihn, nachdem ich ihm die Sneaker ausgezogen hatte.
Es ist Sonntag, mitten in der Nacht.
Also genauso genommen so viertel vor Elf am Vormittag.
Jedenfalls steht Gabi vor mir in meinem Zimmer und schüttelt mich unablässig und will was von mir.
Nur wirklich langsam finde ich in mein Leben zurück.
“Guten Morgen Gabi, was machst Du denn hier schon so früh!”
“Hi Kleiner, wer ist der Junge da im Wohnzimmer?”
“Es freut mich auch dich wieder zu sehn!” konterte ich.
“Willst Du mir nicht verraten, was Dich schon um diese Zeit hierher treibt?”
“… nur wenn du mir endlich erzählst, was für ein Souvenir da auf deinem Sofa im Wohnzimmer liegt!!!”
“Psst. Bitte nenne ihn nicht so. DAS, mein Schatz, ist meine große Liebe. Das ist Philipp!”
“Wie denn, was denn, ich denke der kommt erst nächste Woche? Da habe ich wohl irgendwas durcheinander gebracht….” ließ sie etwas verwirrt den Satz unbeendet.
“Sag mal, würdest Du bitte in der Küche Kaffee aufsetzen, derweil könnte ich schnell ins Bad?”
“Den würde ich wohl auch gerne trinken. Guten Morgen Timmy! Wer ist denn die nette Dame?” fragte Philipp, der plötzlich in der Tür stand.
“Hallo Philipp, wir haben übrigens schon Mittag und darf ich dir meine beste Freundin vorstellen? Das ist Gabi!”
Zaghaft gaben sich beide die Hand. Ich glaube, Gabi war viel schüchterner als Philipp.
“Ihr solltet euch besser an einander gewöhnen, Philipp, denn Gabi gehört hier zur Einrichtung und kommt und geht wie es ihr gefällt!”
“Ups, du meinst, auch wenn wir mal – na du weißt schon …?”
“schon möglich” grinste ich frech “sie hat ihren eigenen Schlüssel!”.
“Hey, höre ich da etwa raus, dass Ihr richtig fest zusammen seid?” freute sich Gabi nun sichtlich.
“Yep – ich denke schon. Oder was meinst Du Philipp?”
“Ich wäre bestimmt nicht um die halbe Welt gereist, wenn dem nicht so wäre und freiwillig gebe ich Dich auch nie wieder her!!!”
Das war nun eine wirklich schöne Liebesbezeugung. So hatte ich sie noch nie gehört.
Der Kaffee war durchgelaufen und wir setzten uns auf die Barhocker am Hochtisch.
“Habt ihr heute schon was vor?” fragte nun Gabi neugierig.
“Du, wir sind ja gerade erst aufgestanden und Philipp leidet bestimmt noch am Zeitunterschied.”
“Du meinst also, dass ein Versuch euch ins Kino mitzunehmen nicht gerade die beste Idee ist?”
“Besser hätte ich es nicht ausdrücken können, mein Schatz!”
“Na gut, dann frage ich mal Ralfi, ob der Lust hat. Tschüß ihr zwei und schlaft euch aus, damit ich bald etwas mehr von euch habe.”
Das war typisch Gabi. Immer direkt heraus was sie dachte.
Nachdem auch Philipp seine Morgentoilette abgeschlossen hatte und sich ein wenig in meiner, oh, ich meine in unserer Wohnung umgesehen hatte, kam er wieder zu mir in die Küche.
“Komm ich zeige Dir mal Dein Zimmer”.
Philipp schaute sich auch dort um und nach einer ganzen Weile fragte er ganz leise. Sind das noch seine Möbel?
Ich nickte wortlos. Ich glaube, er plante im Stillen sich wohl lieber neu einzurichten. Ich kann das verstehen, ja eigentlich bin ich sogar ganz froh darüber. Schließlich soll er sich hier wohl fühlen!
“Wollen wir gleich noch einen Spaziergang machen? Ich kann dir dann ein wenig die Gegend zeigen, in der wir hier wohnen.”
“Ja, tolle Idee, ein wenig frische Luft wird mir gut tun. Die trockene Luft hier bei dir macht mir ganz schön zu schaffen.”
Stimmt, war mir schon beim Kaffee aufgefallen, das er ein wenig heiser klang.
Kein Wunder, schließlich lebte er seit Geburt an in einem Land, wo mehr als 90% Luftfeuchte üblich waren und jetzt hier in unserer Wohnung die trockene Heizungsluft…
Hoffentlich wird er mir nicht krank.
Genau das sollte aber doch passieren.
Am nächsten Morgen, ich sollte eigentlich wieder zur Arbeit, bekam Philipp keinen Ton mehr heraus.
Ich packte ihn ins Auto und fuhr mit ihm zu meinem Hausarzt. Erst von dort rief ich in meiner Firma an und versuchte zu erklären, dass und warum ich später kommen würde.
Zum Glück hatten wenigstens mein Chef und meine Kollegin Verständnis.
Anders beim Arzt.
Philipp war ja noch nicht krankenversichert.
Auch das noch.
Irgendwie habe ich dann die Kostenübernahme erklärt und Philipp wurde endlich untersucht.
Eine kräftige Kehlkopfentzündung hatte sich eingestellt.
Tatsächlich ausgelöst durch die trockene Luft.
Dreimal täglich sollte er nun über einem Kamilledampfbad inhalieren und bekam zu Vorsicht auch eine Antibiotika und ein Spray, welches er sich regelmäßig in den Rachen sprühen sollte. Ich sollte ein paar Luftbefeuchter aufstellen, oder zumindest an mehreren Stellen nasse Handtücher aufhängen.
Als ich spät abends heimkam, klang seine Stimme allerdings schon wieder etwas besser.
Offensichtlich war er brav und hatte gemacht, was der Arzt angewiesen hatte.
Stolz zeigte er mir auch einen Ausdruck aus dem Internet. Er hatte einen Kurs der Volkshochschule gefunden, in dem er sein Deutsch aufbessern wollte.
“Hey Philipp, das ist eine tolle Idee!” freute ich mich mit ihm.
“Ich habe übrigens morgen frei genommen, da können wir dann auch alles mit den Behörden und das mit deinem Bankkonto regeln.”
Gesagt, getan. Wir standen am Dienstag ganz früh auf und gingen erstmal zum Einwohnermeldeamt.
Seine Anmeldung dort verlief wesentlich unkomplizierter, als ich befürchtet hatte.
Der nächste Gang war nun zu meiner Sparkasse. Hier sollte nun der Transfer eines Teils seines Geldes zu einem deutschen Konto vollzogen werden, den er schon in Florida vorbereiten hatte.
Auch das ging relativ schnell, doch wurde es mir ein wenig schwindelig, als ich den Betrag sah, der da mit einem mal gutgeschrieben wurde.
So wie es aussah, hatte Philipp nicht nur ein bisschen geerbt. Er war definitiv vermögend!!!
Der letzte Weg für heute führte uns zu einer Krankenversicherung, wo sich Philipp als privat versichert aufnehmen ließ.
Die waren sogar so kulant und übernahmen rückwirkend die Kosten von meinem Hausarzt.
Alles in allem war das ein sehr erfolgreicher Tag.
Das alles ging uns noch einmal durch den Kopf als wir aneinandergekuschelt vorm Fernseher saßen und Gabi uns besuchte.
“Hallo Jungs – so gut gelaunt?”
Sie fand tatsächlich noch Platz auf dem Sofa zwischen uns.
“Hi Gabi, gibt es irgendeine Möglichkeit für Dich auf einem der Sessel Platz zu nehmen?”
erwiderte ich etwas bissig.
“Äh man, es ist saukalt draußen und ich habe Füße wie Eisklumpen. Warum kann ich mich nicht bei Euch ein wenig aufwärmen?”
Sagt mal Leute, warum haben eigentlich alle Frauen stets kalte Füße?
Das muss wohl gentechnisch bedingt sein.
Zumindest habe ich Gabi noch nie anders erlebt. Schon seit der Kindheit im Heim.
H E U T E
All diese Gedanken gingen mir durch den Kopf.
Zumeist sind es sehr schöne, aber auch einige wenige unangenehme Gedanken.
Ich konnte irgendwie nicht schlafen. Von Philipp hörte ich nur gleichmäßige, ruhige Atemzüge.
Irgendwann stand ich auf und machte mir einen Tee.
Weitere Erinnerungen durchliefen mein Hirn. Der Skiurlaub mit Bob, Don und natürlich Philipp und Gabi im Frühjahr 2004 in Tirol. Philipp kannte Schnee doch tatsächlich nur aus dem Fernsehen.
Gabi brach sich damals ein Bein und war ein gefundenes Fressen für unsere spitzen Zungen.
Dann der Sommerurlaub 2005 wieder in Florida. War aber wohl nicht so die gute Idee. Philipp hatte ganz schön zu kämpfen, da seine Mutter sehr krank geworden war.
Der Abschied fiel ihm dann extrem schwer.
Nick lebt seit einem Jahr auch in Deutschland. Er fand eine WG in Dortmund und hat angefangen zu studieren.
Philipp – ja der schläft noch.
Dachte ich zumindest.
“Moin mein Schatz, was machst du hier ganz allein in der Küche?”
Ich bin stolz auf ihn. Er macht gute Fortschritte mit seinem Studium und hat bislang hervorragende Klausuren geschrieben.
Sein Deutsch ist schon super gut geworden und er versucht sich sogar ab und an am Hamburger Platt.
“Hallo Liebling, ich konnte nicht schlafen und wollte dich nicht stören!”
“Was ist los, warum konntest du nicht schlafen?”
“Keine Ahnung, Hasi! Es ging mir halt alles noch mal durch den Kopf. Erst Florian dann Deine Mutter…”
“So schlimm?”
“Nein, eigentlich nicht. Nicht wo Du an meiner Seite bist!!!”
Ich greife langsam nach dem liebsten Jungen den ich mir überhaupt nur vorstellen kann.
Ganz langsam nur vermählen sich unsere Zungen in einem lang anhaltenden Kuss…
Unsere Arme halten uns eng umschlungen, wieder spüre ich die Wärme. Seine Wärme und wie sie langsam in mich eindringt.
Ich bin einfach nur glücklich, nein, wir sind einfach nur glücklich.
Mag kommen was da wolle, NICHTS wird jemals daran noch etwas ändern!
_____________
© 2006 by Timmy
Nachwort
He Leute, kennt ihr das nicht von einem schönen Spielfilm?
Immer wenn es am schönsten ist, kommt das Ende. So nun auch in dieser Story.
Doch man kann eine Story nicht ewig lang weiter schreiben. Irgendwann geht einem das Feuerholz aus. Dann mache ich lieber an dieser Stelle den letzten Punkt, bevor die Story langweilig wird.
Ihr habt jedoch nun die Gelegenheit für den freien Lauf Eurer Phantasie, wie das Leben meiner Hauptdarsteller wohl weitergehen wird …
Ich hoffe die Story hat Euch ein wenig gefallen. Über ein Feedback würde ich mich jedenfalls sehr freuen!
Danke, dass Ihr sie gelesen habt!
Und ebenfalls einen lieben Dank an all jene, die mir mit konstruktiver Kritik geholfen haben!