Traumschiff – Teil 55

Abschied……Heiler……….Perspektiven

Enrico

Zeitig am Montagmorgen geht der Wecker und neben mir wird jemand munter. Ich bin schon eine halbe Stunde wach und habe in betrachtet, meinen Freund, meinen neuen Schatz, der so süß aussieht, wenn er schläft.
Jetzt blinzelt er mich an, erkennt mich und ein Strahlen überzieht sein Gesicht und sein Mund kommt näher. Seine Lippen treffen auf meine und wie kleine Stromschläge kribbelt es mich am ganzen Körper.

„Guten Morgen mein Schatz“, nuschelt er an meine Lippen und seine Zunge dringt in meinen Mund und macht mir eine Antwort unmöglich.

Es ist neu und einfach fantastisch, neben dem Menschen auf zu wachen, in den man verliebt ist. Das ist für mich eine neue Erfahrung und es gefällt mir sehr gut. So sollte es jeden Morgen sein. Er lässt ab von mir, steht auf und geht nackt, wie wir nach dem Sex eingeschlafen sind, in Richtung Bad.
Ich pfeife durch die Zähne und er bleibt stehen und dreht sich um. Da steht er in seiner ganzen Schönheit und schaut mich an.

„Geh mit mir duschen“, sagt er und lächelt, „so viel Zeit haben wir noch. Ich stehe immer bei Zeiten auf morgens, ich brauche das einfach für mich, Ruhe und Entspannung. Komm ich wasche dich, mein Kleiner.“

Das lass ich mir nicht zweimal sagen und steh blitzschnell nackt neben ihm. Er umfängt mich und drückt mich an sich und wir wachsen beide gegen den anderen, sind ruck zuck hart und geil. Er schiebt mich ins Bad und direkt in die Dusche.
Nur zwei Sekunden kalt, dann wohlig warm rieselt es über uns hinab. Wir haben gegenseitig unsere Glieder genommen und reiben zärtlich, aber doch schnell, die Vorhaut runter und rauf, fangen an zu stöhnen und kommen dann auch schnell und fast gleichzeitig, er kurz vor mir. Schade, das er gleich zur Schule muss.
WOW, ein Quicki mit der Hand, früh am Morgen und nun auch noch gemeinsam einschäumen, so geht doch ein Tag gut los, das ist einfach Klasse. Das hatte ich noch nie und allein das gemeinsame wach werden in seinem Bett ist schon ein wunderbares Erlebnis für mich, das Lust auf mehr solcher Momente macht. Abspülen und abtrocknen, er beeilt sich.

„Gehst du mit mir runter, frühstücken?“, fragt er mich und ich nicke.

„Klar, wir werden uns heute über Tag wohl nicht mehr sehen, meine Schicht geht heute bis halb fünf Uhr. Paolo will ein Auto kaufen und mit einer roten Nummer am Auto darf er ja auch dann heute schon fahren. Wenn das klappt, dann holt er mich ab wenn nicht, muss ich zum Bahnhof, um nach Hause zu fahren“

„Ich hol dich ab“, sagt er, „dann fahren wir zu Jerome. Paolo soll dann dort hin kommen, wenn er fertig ist.“

Wir laufen runter. Seine Mutter hat schon Frühstück gemacht, das wohl jeden Morgen von allen Familienmitgliedern gemeinsam eingenommen wird. Es wird über alles geredet, was heute ansteht und wann wer nach Hause kommt.
Der Tisch ist reichlich gedeckt, sogar ein Frühstücksei gibt es für jeden. Auch für mich war ein Gedeck aufgelegt, neben Noah, was mich natürlich freut. Ich betrachte es als erstes Anzeichen der Akzeptanz seitens seiner Mutter mir gegenüber, will das so sehen, hoffe es zumindest.
Sie ist nach wie vor wohl nicht so glücklich mit der Tatsache, dass es jetzt wohl soweit ist, dass ihr Sohn sich in einen anderen Jungen verliebt hat und das wohl auch nicht verstecken will. Jetzt wird es wohl auch erst richtig bewusst, weil da plötzlich noch ein Junge da ist und beide auch keinen Hehl aus ihrer gegenseitigen Zuneigung machen.
Sexgeräusche und Küsse wären ihr mit einer Schwiegertochter wohl wesentlich lieber gewesen. Ich hoffe, dass sie es mit der Zeit so nimmt, wie ihr Mann, für den es eher selbstverständlich ist, das sein Sohn schwul ist und nun einen Freund hat.
Herr Schroer, ich soll Ulf zu ihm sagen, geht als erster und wünscht mir, nach dem er Frau und Sohn geküsst hat, einen erfolgreichen ersten Arbeitstag, bevor er geht. Ein netter Mann und im Gegensatz zu meinem Vater überhaupt kein Arschloch.
Noah muss nun auch los. Mit Rucksack und Helm geht er zur Garage, wo sein Roller steht. Wir küssen uns zum Abschied und werden später telefonieren. Ich winke ihm noch nach und geh dann wieder rein.

Schnell helfe ich beim Abdecken des Tisches und sage dann: „Ich geh mich dann auch mal fertig machen.“

„Du hast doch noch Zeit“, sagt sie, „komm, wir trinken noch einen Latte Macchiato zusammen. Die Gelegenheit, uns besser kennenzulernen, sollten wir nutzen, jetzt wo du quasi schon fast zur Familie gehörst.“

„Gerne“, sag ich und setze mich wieder an den Tisch.

Sie macht zwei Latte fertig und setzt sich mir gegenüber. Nach dem sie einen Schluck getrunken hat, schaut sie mich an und fängt an, zu reden.

„Enrico“, sagt sie, „wenn ich ab und zu den Eindruck erwecke, mit eurer Verbindung nicht glücklich zu sein, so ist das nicht persönlich, nicht gegen dich, das musst du mir glauben. Du bist ein netter junger Mann und ich mag dich leiden. Mein Problem liegt wohl mehr in der Tatsache begründet, das Noah jetzt verliebt ist und das auch nicht heimlich sein will, sondern so, wie andere Verliebte das gern auch nach außen darstellen will. Ich verstehe das schon, habe aber auch gleichzeitig Angst vor den Reaktionen der Menschen, die wohl noch, warum auch immer, keinerlei Verständnis gegenüber Homosexuellen und ihrer Liebe haben und offen dagegen sind.“

Sie trinkt einen weiteren Schluck und fährt dann fort.

„Mein Vater ist Pfarrer in einer Stadt nicht so weit von hier und ich kann nicht einschätzen, wie er mit Noahs Homosexualität umgehen wird. Mein Bruder, Noahs Pate, ist, soweit ich das weiß, in der Frage auch eher wenig tolerant. Da ich möchte, dass mein Sohn glücklich ist, werden Ulf und ich hinter ihm stehen, selbst dann, wenn meine Familie dann mit uns brechen wird.“

Sie rührt Gedanken verloren in ihrem Glas.

„Das Ringen zum Beispiel, ist Noahs große Leidenschaft, ich kann mir aber durchaus vorstellen, das andere Jungs oder Männer nun nicht mehr gegen ihn ringen wollen, weil sie in jedem Griff, den er anwendet, eine Form der Begrabschung sehen und Angst davor haben. Nach den Landesmeisterschaften in zwei Wochen wird er wohl, mit Ulf zusammen, mit dem Trainer reden müssen. Das alles und noch viele ähnliche Gedanken beschäftigen mich sehr und erwecken oft fälschlicherweise, den Eindruck, ich wäre gegen eure Verbindung. Lis, also Frau Remmers hat mir erzählt, welche Probleme du zu Hause hattest, bevor dein Bruder und du ausgezogen seid.“

„Ich weiß nicht genau, was sie erzählt hat“, sage ich, „aber mein Vater war schon übelst verletzend und manchmal auch Handgreiflich mir gegenüber und wenn man gesagt bekommt, wenn er gewusst hätte, das ich schwul würde, hätte er mich als Säugling im Tiber ersäuft, dann kann man nur noch weinen. Ich habe viel geweint nachts und ohne Paolo hätte ich mich wohl längst umgebracht.“

Ihre entsetzten Blicke sprechen für sich und sie steht auf und holt mich in den Arm.

Sie streicht durch meine Locken und sagt leise: „Du armer Junge, was hast du alles mit gemacht, das ist ja schrecklich. Es tut mir so leid für dich. Bei uns bist du gern gesehen und wenn es die Zeit erlaubt, setzen wir uns zusammen und reden über eure, oder besser unsere gemeinsame Zukunft hier als Familie und wie wir uns jetzt auch nach außen hin verhalten. Bis dahin bitte ich dich als den Älteren, in der Öffentlichkeit etwas Zurückhaltung zu wahren. Hier bei uns und wohl auch in eurer Wohnung könnt ihr ja dann all das tun, was draußen vorerst unklug wäre. So, jetzt mach dich fertig, ich fahre dich dann nach her zur Arbeit ins Hilton.“

WOW, jetzt habe ich das Gefühl, das sie mich so gut wie adoptiert hat und bin sehr froh, das wir darüber gesprochen haben.
Dr. Morbach
Jo und ich haben nach einer gemeinsamen Dusche damit begonnen, seine, jetzt unsere Wohnung Abwesenheits- tauglich zu machen. Die sechs Zimmerpflanzen hat er zum Nachbarn oben drüber gebracht, auch Sachen aus dem Kühlschrank, die noch übrig sind.
Das Auto kommt zu Ole, der dann auch damit fahren darf, wenn er den Lappen bestanden hat. Morgen Früh nehmen wir ein Taxi zum Bahnhof, um fünf Uhr vierzig fährt der Zug nach Bremen, von da geht es nach Hamburg und um elf Uhr dreißig geht der Flug nach Manila, wo wir, nach zweimal umsteigen gegen fünf Uhr morgens eintreffen werden.
Dort werden wir dann per Taxi zur Werft fahren, wo die MS Europa liegt. Ich bin etwas aufgeregt, wartet doch ein ganz neuer Lebensabschnitt auf mich, aber mit Jo an meiner Seite werden wir das schaffen, davon bin ich überzeugt. Einen Teil unseres Gepäcks ist schon ein paar Tage unterwegs, in zwei großen Alu-Behältern, das könnte sogar schon an Bord sein.
Heute Abend geht es noch auf ein Abschiedsbier zu Remmers, mein neuer, oberster Chef hat eingeladen und auch die Jungs und Mädels werden wohl alle kommen. Diese Verbindungen zu der Familie Remmers, die sich durch Ole und Frank, Sergej nicht zu vergessen, entwickelt haben, sind einfach nur positiv für alle, auch für Jo und mich und den Job als Schiffsarzt hat es zu mindestens positiv beeinflusst, wer weiß, ob ich den sonst so ohne weiteres bekommen hätte.
Jo und ich verleben zur Zeit so was ähnliches wie Flitterwochen, es knistert ständig zwischen uns so wenig Sex, wie ich die Jahre davor hatte, das gehört jetzt Geschichte an. Wir können nicht genug voneinander kriegen und holen die verlorenen Jahre langsam nach.
Das Sitzen am Schreibtisch habe ich mir in der Klinik schon ganz abgewöhnt, da der Po doch meistens, leicht gesalbt, Erholung braucht und die hat er beim Sitzen nicht unbedingt. Aber ich will mich nicht beschweren, es ist einfach so geworden, so genial, wie ich es mir erträumt habe, was will der Mensch denn mehr.
Auch Jo bekommt das gut, er sieht blendend aus und ist so gut wie immer bestens gelaunt und sehr schmusig. Man muss ihn einfach lieben, diesen gut aussehenden Mann, der mich nach Jahren der Einsamkeit jeden Tag einfach nur glücklich macht, auch wenn wir, was selten vor kommt , mal keinen Sex haben.
Ole

Der Wecker geht, nur kurz, dann hab ich ihn zum Schweigen gebracht. Mein Schatzi schläft noch und sieht so unschuldig aus, das ich schmunzeln muss. Diesem unschuldigen Gesicht würde niemand zutrauen, das er öfter auf meinem Steifen ein furioses Solo bläst, von den anderen Aktivitäten gar nicht zu reden, aber Gott sei Dank ist das so.
Ich steh leise auf und geh ins Bad, mich fertig machen. Mutsch ist bestimmt auch schon auf. Marie ist über Nacht bei Heiner geblieben und beide kommen heute Nachmittag auch raus zu Remmers.
Jo und Joachim bringen heute Abend Jo´s Golf mit, der jetzt fast sechs Jahre alt ist, aber wegen seiner langen Abwesenheit nicht so viele Kilometer hat.
Den kann ich holen, wenn ich den Führerschein habe, in etwa acht Wochen und jetzt kommt er erst mal zu Remmers, da ist Platz und außerdem sind ja da Leute mit Führerschein, die das Auto halt auch bewegen ab und zu, mal sehen, wie wir das regeln.
Wenn wir es brauchen, kann Frank fahren, wenn das geht mit der Schiene oder Sergej. Wolfi und Paolo haben ja auch schon einen Führerschein und können den Wagen benutzen. Wenn alle da sind, reichen Jerome´s zwei Skoda nicht aus und immer müssen dann Martin oder Kai ran, das kann man dann umgehen.
Paul soll ja jetzt auch zur Fahrschule gehen, er könnte ja mit Rico zusammen gehen und dann auch mit ihm zusammen lernen. Noah, der Furzknoten und auch der Rolf, die haben jetzt ja einen Roller und sind zu mindestens bei schönem Wetter mobil, Torsten ab morgen und der Rolf wohl am Freitag.
Ich bin mal gespannt, was das heute bei Dirk zu Hause wird mit unserem homophoben Dr. Werthmüller. In der Schule werde ich noch zum Direx gehen und dem sagen, was heute läuft.
Dirk kommt ja später auch zum Abschied von Onkel Jo und Joachim. Seine Mutter und der Mann von der Kripo werden wohl erst mal mit dem Lehrer wohl allein spreche und ob es noch ein Gespräch gibt, steht ja nicht fest.
Ich begrüße Mutsch mit einem Kuss und setze mich an den Tisch zum Frühstück. Wir reden über den Tag, Jo´s Abreise und ich erzähle ihr auch von Rolf und Paul, das sich da wohl was anbahnt. Das freut Mutsch sehr, denn sie kann Paul gut leiden und ist froh, dass er auch jemanden kennengelernt hat, der ihn wohl auch mag. Mutsch bleibt heute zu Jo und Joachim´s Abschiedsbier auch bei Remmers.
Es ist Zeit und ich muss los, heute wieder mit dem Rad und fünfzehn Minuten später bin ich auf dem Schulhof, als letzter unserer Gruppe, aber immer noch früh genug. Alle sind da und stehen zusammen, leider geht gerade die Klingel, so dass nur Zeit für eine kurze Begrüßung bleibt, bevor wir in die Klasse müssen.
Rolf

Um zwanzig vor sieben geht mein Wecker wie jeden Montag, eigentlich jeden Werktag, wenn ich zur Arbeit muss und öfter auch Samstag, wenn ich bei Opa helfe. Acht Uhr fangen wir in der Firma an, fünfzehn Minuten brauch ich mit dem Rad, ab Freitag, wenn ich mit dem Roller fahren darf, etwas weniger.
Wir schaffen täglich bis fünf Uhr, dann ist Feierabend. Manchmal, auf der Baustelle, wird es auch etwas später, wenn es gilt, etwas fertig zu machen, damit man am nächsten Tag nicht noch einmal für eine Stunde oder so hinfahren muss. Für Überstunden gibt es ja dann auch Geld vom Chef. Immer Punktum Feierabend, das ist auf Montage und auch manchmal im Betrieb nicht möglich.
Mama macht morgens immer Frühstück für uns drei und Brote und Kaffee für mich und meine Schwester Julia. Meist frühstücken wir zusammen und Mama fährt dann Julia zur Schule und dann in Opas Firma ins Büro. Julia fährt dann nach der Schule zu Opa in die Firma und kommt mit Mama heim.
Wir wohnen bei Opa und Oma im Haus, im ersten Stock und mein Zimmer ist darüber unter dem Dach, mit schrägen Wänden und einem Duschbad, mein Reich, in dem ich mich sehr wohl fühle. Decken und Wände sind mit hellem Holz vertäfelt und ein hölzerner Dielenboden aus Buchenholz strahlt Wärme aus und macht echt was daher. Die Möbel sind zum Teil von Opa gemacht und dem Raum angepasst.
Opas Firma ist in einem kleinen Industriegebiet, etwa fünf Kilometer von hier und es arbeiten mit Mama und Opa insgesamt neunzehn Leute dort, machen Innenausbau, Treppen und Möbel, meist für gut betuchte Kunden.
Heute Morgen werde ich es Mama sagen, ich habe es mir fest vorgenommen. Mal sehen, wie sie es aufnimmt. Ich bin schon aufgeregt und habe auch nicht so gut geschlafen, weil ihre Reaktion nicht ein schätzbar ist für mich. Wie gesagt, raus schmeißen wird sie mich wohl nicht, aber wie sie es aufnimmt, mich dann immer noch so lieb hat, weiß ich ja nicht.
Als ich runterkomme, ist Mama in der Küche und macht gerade den Kaffee fertig, Julia ist noch nicht da.

„Mama“, sag ich, mich neben sie stellend, „ich muss dir was sagen.“

„So?“, fragt sie, „was schlimmes?“

„Ich weiß nicht, ob es schlimm für dich ist“, sag ich, „für mich ist es jetzt nicht mehr schlimm. Mama, ich bin wohl schwul, aber ich hab es mir nicht so ausgesucht.“

Ich schau sie an, sehe einen amüsierten Zug um ihren Mund, kein Erschrecken, keine Abneigung, eher Verstehen.

„Nun, Rolf“, sagt sie, „ich habe jetzt seit fast zehn Monaten auf diese, deine Offenbarung gewartet, hab schon lange vermutet, dass es so ist. Als ich vorige Woche dieses fast durchsichtige, rote Etwas von einem Höschen, von einem gewissen Calvin Klein, in deinem Bett gesehen habe, war es fast schon Gewissheit, das mein Sohn eher auf Jungs als auf Mädchen steht. Die Sache mit Astrid war auch Wasser auf meine Mühle, vor allem, weil sie ja jetzt öfter hier ist, als zu der Zeit, wo du angeblich so verliebt warst in sie.“

Ich glaube, ich träume, als sie das ruhig und leicht amüsiert vorträgt. Sie weiß es oder besser vermutet es schon länger.

„Und jetzt?“, frag ich.

„Wie und jetzt“, sagt sie, schnappt mich und umarmt mich, „jetzt ist alles fast wie immer, oder hast du ernsthaft gemeint, ich würde dich davon jagen?“

„Nein, das nicht, Mama“, sag ich erleichtert.

„Also, es ändert sich nichts“, sagt sie, „und auch Opa und Oma werden damit leben können, nur sagen muss du es ihnen selber.“

Ich nicke, froh, dass sie so locker damit umgeht.

Julia kommt, stutzt, fragt: „Großes Kuscheln mit Mama, gibt es was neues?“ und ich sage zu ihr auch gerade, das ich schwul bin.

Zuerst guckt sie überrascht, doch dann meint sie kess: „Cool, mein großer Bruder ist schwul, na ja, aber wehe, du willst mir mal einen Freund ausspannen, dann bin ich sauer.“

Darüber lachen wir jetzt alle und alle Anspannung ist von mir abgefallen. Wir frühstücken zusammen und ich fühle mich freier, ja und richtig froh sogar, dass es so super abgelaufen ist. Das ist mehr, viel mehr, als ich erwartet habe und jetzt, jetzt müssen wir los.
Auf der Arbeit werde ich mich vorerst mal nicht outen, das ist jetzt auch nicht notwendig. Später, in der Mittagspause, werde ich mal versuchen, Paul zu erreichen, mal horchen, wie es ihm geht und was sein Bruder macht.
Heute muss ich mit auf Montage, wir gehen mit drei Leuten eine Treppe einbauen in einem Neubau. Das ist sehr interessant, aber gleichzeitig auch schwere körperliche Arbeit. Verladen müssen wir zuerst noch und um halb zehn fahren wir dann los. Wenn alles klappt, sind wir bis Feierabend zurück.
Heute gegen Abend bin ich da bei Jerome eingeladen, da wo Paul wohnt, da kommen wohl die Jungs und Mädels alle zusammen, um Leute zu verabschieden, die morgen fortfahren. Da werde ich wohl alle mal sehen und auch kennen lernen, die zu Pauls Freundeskreis gehören.
Am Sonntag habe ich ja kaum Zeit und Gelegenheit gehabt, mit allen zu sprechen und mich vor zu stellen. Ich habe Paul eine SMS geschickt, dass ich mich zu Hause geoutet habe und das alles OK ist.
Wir haben die Baustelle erreicht und das Abladen beginnt. Als alles in dem Bau abgestellt und abgelegt ist, beginnen die beiden Gesellen, die Treppe zusammen zu bauen. Ich mache verschiedene Handreichungen, halte Teile fest und passe auf, wie alles zusammen kommt.
Wie ein Puzzle setzt sich alles zusammen und in einem bestimmten Stadium wird das ganze Teil dann an den vorgesehenen Platz gestellt. Es Passt und wird nun befestigt. Jetzt ist erst mal Mittagspause und wir essen zusammen hinterm Haus, da, wo mal die Terrasse sein wird. Später werden dann die Geländer montiert.
Mein Handy zeigt eine Antwort von Paul an, der jetzt wohl in der Klinik ist. Er freut sich auf heute Abend und bietet mir an, bei ihm zu Übernachten. Will ich das schon, frage ich mich jetzt. „Ich frag Mama“, schreib ich zurück und das wir dann später drüber reden. Warum eigentlich nicht, denk ich, nachdem die Antwort raus ist.
Die Pause ist vorbei und es geht weiter.
Paolo

Um halb acht Uhr bin ich in der Firma, heute zum ersten Mal als Geselle. Der Chef und die Kollegen gratulieren mir zur bestandenen Prüfung und im Büro muss ich meinen neuen
Arbeitsvertrag unterschreiben, was ich natürlich gern tue. Dann gebe ich noch die neue Adresse an, danach geht es auf die Baustelle, heute zu Jerome, wo die letzten Arbeiten am Dach abgeschlossen werden sollen. Die Lichtkuppeln werden auch noch ans Stromnetz angeschlossen und in ihrer Funktion überprüft.
Der Chef fährt jetzt selber auch dorthin und ich soll bei ihm im Auto mitfahren. Er will wissen, warum ich nicht mehr zu Hause wohne und wieso wir nach Bremerhaven gezogen sind. Ich erzähle ihm Ricos Geschichte und wie es uns nach Bremerhaven gezogen hat, von unseren neuen Freunden und das der Bauherr, zu dem wir jetzt fahren, auch zu diesen Freunden gehört.
Er ist erstaunt, das uns die Familie Remmers so unterstützt hat und amüsiert sich über die Oma, die Papa so unter Druck gesetzt hat. Unser Chef ist schon OK, sonst würde ich ihm das alles nicht so erzählen, er hat sich immer gut um uns Lehrlinge gekümmert und uns auch ab und zu bei guten Leistungen in der Schule mal einen Zwanziger zugesteckt.
Meine sehr exakten Zeichnungen von Dachstuhlteilen und Gauben haben ihm sehr gefallen und Wilfried, ein Azubi, der jetzt ins zweite Jahr kommt, hat Probleme im Zeichnen. Wilfried ist der Sohn vom Chef seiner Schwester und der Boss möchte, dass ich dem Wilfried im Zeichnen ein bisschen unter die Arme greife.
So drei bis vier Stunden in der Woche, meint der Chef, sollten es schon sein, damit der Junge den Anschluss hält in der Schule. Zehn Euro die Stunde könnte ich mir dazu verdienen, wenn ich es mache.

„Wenn er sich von jetzt gerade mal einer Vier im Zeugnis bis zum Ende des zweiten Jahres auf eine Zwei hoch arbeitet, wirst du von mir Zweihundert Euro extra bekommen“, sagt er, „ und bist du für euch selber ein Auto gekauft hast, kannst du den blauen Daccia Logan benutzen, mit dem Herr Lang immer zum messen oder einkaufen fährt. Mit dem kannst du von Bremerhaven nach Bremen und zurück fahren und auch, um dem Wilfried die Nachhilfe bei ihm zu Hause zu geben. An den Wochenenden könnt ihr ihn auch benutzen, der wird ja hier nicht gebraucht, nur tanken musst du ab und zu.“

Das ist ja mal ein gutes Angebot, denke ich und sage meine Hilfe zu. Er meint, ich solle mit Wilfried heute zum Feierabend in sein Büro kommen, um alles mit ihm zu besprechen.
Jetzt fahren wir auf den großen Hof der Baustelle und nach dem Aussteigen gehe ich zu meinen Kollegen, die schon mit dem Abladen der Materialien und des Werkzeugs begonnen haben. Mit dem Aufzug wird das Zeug dann auf das Dach transportiert und wir steigen über das Gerüst nach oben und beginnen mit der Arbeit.
Ulli

Mein Schädel brummt und es riecht komisch, so nach Krankenhaus. Ich höre ein regelmäßiges Piepsen und Stimmengemurmel. Was geht denn hier ab, denke ich und versuche die Augen zu öffnen.

„Er wird wach, Herr Professor“, höre ich eine Männerstimme und dann kommt ein Gesicht in mein immer noch arg trübes Gesichtsfeld.

„Hallo, guten Morgen, Herr Gruber, können sie mich verstehen?“, fragt das Gesicht ruhiger Stimme. Ich will nicken… großer Fehler, aua, man tut mein Genick weh.

Was ist nur los hier, frage ich mich.

„Blinzeln sie mit den Augen“, sagt das Gesicht, „einmal für ja und zweimal für nein.“

Ich blinzele einmal und er nickt.

„Ich bin der Chefarzt, sie sind im Klinikum Bremerhaven seit Freitag und haben einige Kopfverletzungen, Prellungen und auch einen Rippenbruch“, sagt er weiter, „können sie sich erinnern, was mit ihnen geschehen ist?“

Ich blinzele zweimal, weil ich mich jetzt nicht erinnern kann.

„Offensichtlich hat ihr Vater sie so misshandelt, vielleicht hilft ihnen das, sich wieder zu erinnern“, sagt er. „Ihr Bruder Paul war wegen ähnlicher Verletzungen auch hier, ihr Vater hat auch ihn zusammen geschlagen, wohl weil er heraus gefunden hat, dass Paul homosexuell ist. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem hier und Paul?“

Ich überlege angestrengt, was mir diese Informationen sagen wollen und Pauls zerschlagenes Gesicht taucht vor meinen Augen auf.

„Paul?“, formen meine Lippen seinen Namen, ja, das sagt mir was und ich versuche mich zu erinnern.

„Paul ..soll …kommen“, krächze ich heiser.

„Paul kommt nach her, wenn seine Schule aus ist“, sagt er und verschwindet aus meinem Gesichtsfeld.

Ich versuche, ihm mit Blicken zu folgen, wieder ein Fehler. Mein Nacken schmerzt und ich halte ein.

„Ich spritze ein Schmerzmittel in die Infusionsflasche“, sagt er und dann höre ich ihn, wie er eine Verpackung auf reißt. Nach einer Weile lassen die Schmerzen langsam nach.

„Sie liegen hier auf der Intensiv Station seit Freitag, aber das werden wir heute Mittag ändern und sie auf eine normale Station verlegen. Dort können sie dann auch Besuch bekommen, hier darf nur Paul sie besuchen.“

Ich blinzele zum Zeichen, das ich alles verstanden habe.

„D..urs..t, bi..tte Wass…er“, stammele ich mühsam und unter Schmerzen.

„Sie sind im Mund operiert, Wasser geht jetzt noch nicht“, sagt er bedauernd, „vielleicht heute Abend etwas Tee. Ausreichend Flüssigkeit bekommen sie über die Infusionen.“

Scheiß Spiel, so langsam dämmert mir wieder, was da war, was passiert ist. Der Professor verabschiedet sich, der Pfleger bleibt bei mir, bringt ein Päckchen und reißt es auf. Mit einem Stecken, an dem ein nasser Bausch vorne ist, fährt er vorsichtig über meine Lippen, die trocken und rissig sind.
Es tut gut und kühlt etwas, angenehm ist das und bringt mir etwas Feuchtigkeit an meinen trockenen Mund. „Danke“, hauch ich und blinzele ihm zu. Er nickt mir zu und ich schließe meine Augen, döse vor mich hin. Wann Paul wohl kommt?
Sergej

Der Prüfungstag beginnt in der Industrie und Handelskammer mit dem ersten Teil der Prüfung in Theorie. Sieben und Zwanzig Leute sind wir, die hier heute beginnen, ihre Prüfung ab zu legen. Ein großer Teil, etwa die Hälfte, haben einen Migrationshintergrund, was aber der Klassengemeinschaft sehr gut bekommen ist. Viele kommen aus Ländern rund ums Mittelmeer, aus Touristenhochburgen und werden dort wohl auch, zumindest in der Sommersaison arbeiten.
Mit dem Bestehen der Prüfung hier und meiner mittleren Reife habe ich dann ein Fachabitur und kann mit Schatz nach Bremen studieren gehen.
Das ich eigentlich zum Beginn des August auf ein Schiff gehen wollte, das hat Jerome erfolgreich aus meinem Kopf verdrängt, hat sich dort dauerhaft eingenistet und setzt ständig positive Endorphine frei. Alles hat sich verändert, zum Besten, wie ich finde.
Zufrieden und sehr glücklich ist die Beschreibung meines Status im Moment, war nie vorher besser. Jetzt noch eine gute Prüfung, dann ist alles OK. Meine Familie steht zu mir, freut sich, dass ich es so gut getroffen habe und dass ich glücklich bin.
Am übernächsten Wochenende kommen Boris und Marianne aus Dresden hier her und fahren dann mit uns auf dem Schiff am zwölften Juli nach Dresden zu meiner Familie. Eigentlich sollen alle Freunde mitfahren, ob das klappt, ist noch offen.
Auf die Zeit mit meiner Familie freue ich mich jetzt schon. Manchmal, in einer stillen Stunde, fehlen sie mir schon, Mama, Papa und vor allem Vanessa, die mich immer sehr geliebt hat. Mama hat gesagt, dass jetzt Boris ihr Auserwählter ist und dem sie, wenn immer möglich, nicht von der Seite weicht.
Sie ist so emotional, wie fast alle Menschen mit Down Syndrom, fröhlich und munter und selten schlecht drauf.
Jetzt kommt der Prüfer und die ersten Unterlagen werden aus geteilt. Dann geht es los nach den üblichen Belehrungen über das Abschreiben und die Folgen. Ich fange an und auf den ersten Blick scheint es kein Problem zu sein für mich.
Das geht jetzt noch zweimal so ähnlich und dann ist es drei Uhr und der erste Tag ist geschafft. Vom Gefühl ist es gut gelaufen und ich gehe zufrieden zum Auto, um nach Hause, ja, das ist es wohl jetzt, mein zu Hause, zu fahren, zu meinem Schatz und seiner und in gewisser Weise wohl auch jetzt zu meiner Familie, die ich sehr mag und die mich wohl auch gern haben.
Das Restgeld, das ich noch aus meiner Tätigkeit im Krankenhaus zu kriegen hatte, ist übrigens gekommen und ein Brief der alten Chefin, in dem sie sich für ihr Verhalten entschuldigt und mir alles Gute wünscht, auch.
Das hat mich schon gewundert, dass sie sich für ihr peinliches Verhalten entschuldigt hat bei mir. Auch die Möglichkeit, dort wieder zu arbeiten, hat sie eingeräumt, allerdings hat Jerome mir diesen Gedanken abends im Bett schlicht weg gepoppt.
Einen Teil des Geldes habe ich investiert in drei Blumensträuße, einen für Mama und einen für Oma in Radebeul, so als kleines Danke für ihre Liebe und ihre Unterstützung und einen für Lis, bei der ich mich auch bedanke damit, für alles, was sie für mich schon getan hat.
Den stattlichen Rest habe ich in einen Kindle E-Book Reader investiert und den werde ich verstärkt nutzen, um meinem Hobby Lesen wieder etwas mehr Raum in meiner Freizeit ein zu räumen. Jerome, der auch so einen Reader hat, kennt gute Quellen im Internet, wo guter Lesestoff günstig oder sogar umsonst zu bekommen ist.
Natürlich werden wir auch Bücher kaufen und runter laden.
Ein anderer Mitprüfling, der auch aus Bremerhaven kommt, hat mich gefragt, ob ich ihn mit nehmen kann und selbstverständlich tue ich das. Wenn man drei Jahre zusammen in der Berufsschule war, ist das wohl keine Frage.
Ich biete ihm auch an, den Rest der Woche mit mir hin und zurück zu fahren, was er natürlich gern an nimmt. Nach dem ich ihn zu Hause bei ihm abgesetzt habe, fahre ich zu meinem Schatz, für den es ab morgen Ernst wird mit dem Abi.
Ich will ihm heute Abend ein bisschen Entspannung und Motivation schenken und vorbeugenden Stressabbau in Form einer Reittherapie betreiben. Das wird auch mir gut tun und uns für eine Weile gedanklich von den Prüfungen ablenken.
Die kleine Abschiedsbierparty steht ja auch noch an, die Carl August für Ole´s Onkel und den Doktor angesetzt hat. Ich bin gespannt, ob alle kommen gegen Abend. Pauls Bericht über den Zustand seines Bruders sehe ich auch mit einer gewissen Spannung entgegen, hoffentlich behält der Ulli nichts zurück.
Zu Hause gehe ich ums Haus, will über die Terrasse rein gehen. Martin, Kai und die zwei Jungs, Wolfi und Kevin, sind dabei, hier draußen alles für den Abend vor zu bereiten. Ich sage kurz Hallo und geh rein.
Frank sitzt mit Lis am Esszimmertisch und sie bereiten was für die Ausstellung vor. Ich begrüße sie und gehe dann direkt nach oben. Mein Schatzi sitzt mit Ole am Schreibtisch, noch einmal Mathe checken und letzte Fragen klären.
Jerome und ich umarmen und küssen uns, Ole bekommt die Hand und ein freundliches „Hallo.“

Jerome packt seine Sachen ein und Ole macht die Musikanlage an. Heute gegen Abend wird das Haus noch mal voll sein und alle Gästezimmer werden wohl heute Nacht auch noch mal belegt werden. Dirk und Mike werden hier nächtigen, Frank und Ole und mal sehen, wer noch. Wolfi wird bei Kevin bleiben.
Wolfi

Auf der Uni waren die Vorlesungen heute ziemlich trocken und langweilig. Volker und ich haben in der Pause zusammen gegessen und er hat noch mal von seiner Freundin berichtet, die bei Jehovas Zeugen ist.
Sie hat viel Stress mit der Sekte, das fing ja schon an, als sie zur Uni ging und jetzt noch mehr, auch wegen Volker, der es abgelehnt hat, der Sekte bei zu treten. Somit wird versucht, durch Familie und andere Sekten Fuzzis, die zwei mit Gewalt auseinander zu bringen.
Volker sucht dringend eine andere Wohnung, wo seine Freundin mit einziehen kann und wo sie dann nicht ständig von den Zeugen belästigt werden. Sie ist wohl schon in seine Studentenbude geflüchtet, aber da stehen dann pausenlos einige der Sektenmitglieder vor dem Haus und warten, das sie rauskommt und reden dann auf sie ein.
Volker fragt mich, ob nicht meine neuen reichen Freunde irgendwo eine bezahlbare Wohnung hätten, in die er ziehen kann, notfalls auch, oder besser noch, in Bremerhaven. Ich verspreche ihm, mit Jerome, aber auch mit der Oma und Natascha zu reden, ob man nicht irgendwo was hat für Volker und sein von der Sekte gestresstes Mädel.
Als erstes biete ich an, ihm vorübergehend mein Auto zu überlassen, damit sie nicht die öffentlichen Verkehrsmittel zur Uni und auch sonst nehmen müssen, weil die Spacken da immer mit einsteigen und den beiden keine Ruhe lassen. Ich kann ja auf Fahrgelegenheiten besser zurück greifen, weil Martin, Kai und Jerome und auch Sergej uns immer bis zum Bahnhof fahren und auch sonst wo hin, wo und wenn es sein muss.
Volker hat noch einen Bekannten, der im sechsten Semester Jura studiert, den will er jetzt fragen, was er rechtlich gegen die Sekte machen kann, damit der Psychoterror aufhört.
Ich schicke eine SMS an Jerome, er soll doch mal bei Hinnerk oder dessen Tochter wegen einer Wohnung, zwei oder drei Zimmer, Küche und Bad, nach fragen. Volker bedankt sich und ist froh, dass er morgen erst mal meinen Fiat bekommt und mobil ist, unabhängig von Bus und Bahn.
Nach der letzten Vorlesung gehe ich direkt zum Bahnhof, um einen frühen Zug zu kriegen. Ich muss zuerst nach Hause, muss ja den Wagen mit holen, sonst müsste ich Morgen früh extra zu Hause vorbei.
Kevin hat Frühschicht, kann sein, dass wir uns am Bahnhof treffen. Ich wähle seine Nummer, frage wo er ist und höre zu meiner Freude, dass er tatsächlich auch auf dem Weg zum Bahnhof ist. Dort treffen wir uns und ein Kuss gibt es, nach kurzem Umsehen, ob uns wer zuguckt, dann warten wir auf die Bahn, die zehn Minuten später pünktlich eintrifft.
Eine gute halbe Stunde später sitzen wir bei uns zu Hause mit Mama am Tisch und trinken Kaffee und essen Bienenstich, mein Lieblingskuchen. Kevin erzählt ein bisschen von der Arbeit und das Enrico jetzt zum Küchenteam gehört. Mama, die noch nicht allzu viel weiß über die Neuzugänge, hört aufmerksam zu und fragt immer wieder zwischendurch nach den Neuen.
Es ist bald fünf Uhr, als wir aufbrechen und zu Remmers fahren. Jerome öffnet uns, mit einem Blatt in der Hand, auf dem die Daten von insgesamt vier Wohnungen stehen, die frei sind oder zum Monatsende frei werden.
Hinnerk oder besser Dörte, hat schnell geantwortet und so kann ich Volker die Daten mailen, was ich von Jeromes Rechner aus auch gleich tue. Zwei der Wohnungen sind in Bremen, die anderen zwei in Bremerhaven.
Volker mailt zurück, bedankt sich und möchte morgen eine der Wohnungen in Bremerhaven, welche in Bahnhofsnähe liegt, anschauen, wenn das möglich ist. Jerome ruft bei Dörte an, die kann aber so kurzfristig nicht. Jerome schlägt ihr vor, das Ole morgen Vormittag bei ihr die Schlüssel holt und wir Volker und seiner Freundin die Wohnung zeigen.
Dörte ist einverstanden, notiert sich Oles Namen und Jerome beendet das Gespräch. Kevin und ich staunen wieder einmal, wie schnell und problemlos solche Dinge hier gehandhabt werden. Wir gehen dann erst mal runter in die Wohnung.
Kai und Martin sind noch unterwegs und so schmusen wir erst mal ein bisschen auf dem Bett. Musik läuft im Hintergrund und mein Hasi schläft doch tatsächlich beim Kraulen ein. Halb auf mir, den Kopf auf meiner Brust, kraule ich die Haare in seinem Nacken und schau ihm beim Schlafen zu.
Er sieht einfach so süß aus, wenn er schläft, mein Traumprinz. Ich denke an Volker und seine Freundin, die jetzt so einen Stress haben mit diesen religiösen Sektenmenschen. Religion, nie ein Thema bei uns zu Hause, mit vierzehn habe ich mich aus diesem Fach verabschiedet, in dem ich immer eine sechs wegen Verweigerung hatte und in Ethik habe ich jeden Hinweis auf religiöses ernsthaft und vehement kritisiert.
Das war damals, noch in Emden und ich war wohl bei Religionsanhänger nicht so beliebt. Bei dem ein oder anderen habe ich aber einen Denkprozess in Gang gesetzt und sie auf jeden Fall kritischer gemacht, was die Märchen von den Göttern angeht. Ich schließe auch für einen Moment die Augen und döse vor mich hin, meinen Schatz mit beiden Händen haltend.
Paul

Martin und Ole haben mich an der Klinik aussteigen lassen und fahren jetzt zur Baustelle. Ich gehe zur Intensiv Station, wo ich erfreulicher weise erfahre, das Ulli vor kurzem auf die normale chirurgische Station gekommen ist, dorthin, wo ich auch vor nicht allzu langer Zeit gewesen bin.
Ich mache mich auf den Weg, nehme die Treppe und frage dann im Stationszimmer nach Ulli.

„Ihr habt hier schon ein Familien und Freundeszimmer“, sagt Hugo lachend, „er liegt am selben Platz wie du, letztes Zimmer hinten links.“

Es ist schon irgendwie komisch, das wir sogar am selben Platz liegen, denk ich. Nach kurzem Anklopfen geh ich rein, nur ein Bett, das am Fenster, ist belegt und offensichtlich schläft Ulli ein wenig. Ich setze mich leise mit dem Stuhl ans Bett und schau mir sein Gesicht an.
So ähnlich habe ich auch ausgesehen, als ich da lag, geht es mir durch den Kopf und erst jetzt, in diesem Moment, wird mir die ganze Ungeheuerlichkeit bewusst, mit der dieser Mann seine Kinder zusammen geschlagen hat.
Hatte ich bisher immer noch Skrupel, ihn auf Schmerzensgeld zu verklagen, so bin ich hier und jetzt gewillt, das zu tun und ich werde es auch Ulli ans Herz legen, ihn zu verklagen. Herr Remmers wird uns bestimmt unterstützen dabei.
In der Zeit, in der er schläft, gehe ich vor zum Stationszimmer und frage, wie der Arzt Ullis Zustand bewertet. Hugo ist so freundlich und erzählt mir, das Ullis Zustand zufriedenstellend ist und er wohl voraussichtlich am Freitag die Fäden gezogen bekommt. Wenn alles gut verläuft, darf er am Montag nächster Woche die Klinik verlassen.
Wieder zurück im Zimmer, sehe ich, das Ulli die Augen offen hat. Ein etwas schiefes Grinsen und unverständliche Worte, von denen ich nur „Paul“ und „froh“ verstehe, begrüßen mich und er streckt eine Hand nach mir aus. Tränen hat er in den Augen und ich beuge mich zu ihm runter, küss in auf die verbundene Stirn.

„Hallo, Bruderherz, ich freue mich, das es dir besser geht.“

Ich setze mich so hin, dass ich seine Hand halten kann und er sieht mich dankbar an. Nun erzähle ich ihm, was in den letzten Tagen so alles geschehen ist und auch von Rolf erzähle ich und das er mir sehr gut gefällt und ich ihn mag.
Ulli drückt meine Hand und nuschelt etwas, das wie „schön“ klingt. Als ich dann sage, das Rolf mich wohl auch mag, drückt er erneut meine Hand und lächelt ganz leicht. Mittagessen bekommt Ulli in Form eine Cremesuppe, die ich ihm an Stelle des Zivi`s, mittels einer Schnabeltasse, Schluckweise zum trinken gebe.
Danach ist Ulli erschöpft und schließt die Augen. Ich sage ihm, das ich runter in die Cafeteria gehe, um ein Brötchen oder so was ähnliches zu essen und das ich dann später wieder hoch komme.
Später, ich war noch ein wenig draußen spazieren, damit er etwas ruhen kann und ich nach denken über alles, gehe ich wieder hoch. Es ist halb zwei und ewig wird es nicht mehr dauern, bis Martin und Ole zurück kommen.
Ich schreibe eine SMS an Ole, das er hoch in das Zimmer kommen soll, wo er auch gelegen hat nach seinem Unfall. Als ich ins Zimmer komme, sitzt eine etwa Zwanzig jährige, hübsche Frau mit südländischem Aussehen an Ullis Bett, der jetzt wieder wach ist.

Als ich rein komme, steht sie auf und dreht sich zu mir, hält mir ihre Hand hin und sagt: „Du musst Paul sein, Ullis jüngerer Bruder. Ich bin Rebecca Potsazidis, Ullis Freundin. Ich freue mich, dich endlich kennen zu lernen. Ulli hat mich immer vor seiner Familie versteckt, weil er wohl Angst hatte, das es seinem Vater nicht gefällt, das er eine Freundin hat, deren Eltern Griechen sind. Ich hoffe, du hast nichts gegen Griechinnen in der Familie.“

Ich nehme ihre Hand und drücke sie leicht.

„Nein, wo denkst du hin“, sag ich freundlich, „du bist wunderschön und das du Griechin bist, das ist schon OK. Ich habe gegen niemanden was, nur weil er aus einem anderen Land kommt.“

„Ich bin in Deutschland geboren“, sagt sie, „kenne Griechenland und meine Verwandten dort auch nur von Besuchen dort oder hier. Meine Eltern haben in Bremen ein Restaurant, in dem ich auch arbeite, zusammen mit einer Schwester und zwei Brüdern. Wenn das alles hier wieder gut ist mit Ulli, dann kommst du mal zu uns zum Essen, ich lade dich ein.“

Es klopft und nach Aufforderung kommt Ole rein mit Martin. Ich stelle alle gegenseitig vor und nach ein bisschen Smalltalk verabschieden wir uns von den beiden und fahren zu Remmers.
Natascha

Der Vormittag ging schnell vorbei. Unterricht ab halb Neun bis um ein Uhr, dann ein Imbiss, Hausaufgaben für morgen gemacht und eine halbe Stunde bei Oma und Frieda geklönt. Jetzt bin ich wieder auf meinem Zimmer und warte darauf, dass es Abend wird, denn Paolo kommt ja auch heute Abend und ich freue mich wahnsinnig darauf.
Das Haus wird voll sein, wenn alle Freunde kommen. Paolo und Rico haben ja heute als Gesellen angefangen, mal hören später, wie es denn so gelaufen ist für die beiden. Paolo, mein Paolo, wie ich hoffe und glaube, mein hübscher lockiger Italiener, in den ich mich so total verknallt habe, der in meinem Kopf und in meinem Herzen Einzug gehalten hat und dort immer präsent ist, von morgens bis abends und der selbst meine Träume bestimmt. So schnell ging das und wehren konnte ich mich nicht lange dagegen.
Ein Auto will er kaufen, hoffentlich kommt er dadurch nicht so spät, dann haben wir weniger Zeit miteinander. Mama und Papa können meinen Freund, so sag ich jetzt einfach mal, denn für mich ist er das, gut leiden, was mich natürlich sehr freut und Jerome mag ihn auch sehr gerne.
Damit sind alle Voraussetzungen gut, dass wir auch eine Zukunft haben, wenn aus Verliebtsein denn Liebe wird. Hoffentlich fühlt er dasselbe für mich, was ich für ihn fühle. Ich muss immer an ihn denken und die Lehrerin hat heute Morgen gefragt, ob ich mich verliebt hätte.
Sie sagte, ich hätte mit verträumten Augen aus dem Fenster geschaut, anstatt auf das Arbeitsblatt. So gucken nur Verliebte, hat sie gemeint und ich habe ihr von Paolo erzählt. Sie hat sich echt für mich gefreut.
Sigrid ist jetzt wohl auch ernsthaft an Torsten interessiert, den sie ja dann heute Abend auch trifft hier. Sigrid kommt so gegen fünf mit ihrer Mutter, die heute Morgen frei hatte und heute Abend ein bisschen Fingerfood macht mit Frau Jensen, die auch erst um fünf kommt heute.
Marie und Heiner kommen auch mit. Die Frauen kommen nicht nur zum arbeiten her, nein, die feiern auch mit Abschied von den beiden Seeleuten, die Morgen Abend schon in Manila, am anderen Ende der Welt sein werden.
Noah wird auch kommen und bringt bestimmt den Rolf mit, der offensichtlich Spaß an Paul hat und der an ihm. Sergej, Kevin und Wolfi sind ja schon da und Martin ist Paul in der Klinik holen und bringt Ole und Frank auch mit.
Wolfi hat sein cooles Auto mit gebracht, ich dachte eigentlich, dass er heute Nacht bei Kevin bleibt. Ich geh mal runter jetzt zu Mama, es ist ja bald siebzehn Uhr, dann werden ja die ersten Freunde kommen.
Vielleicht kann ich ja noch was helfen in der Küche. Papa muss auch jeden Augenblick kommen, heute ist er bestimmt pünktlich. Frau Jensen ist schon da, Frau Gut mit Sigrid müsste auch jeden Moment kommen. Ich geh Frau Jensen ein bisschen zur Hand, schneide Gewürzgurken in Scheiben. Wenn Sigrid Kommt, gehen wir hoch zu mir. Ich will hören, wie es mit Torsten läuft.
Paolo

Um siebzehn Uhr, wir sind schon eine halbe Stunde im Betrieb, geh ich ins Büro und treffe da den Chef und auch Wilfried, der jetzt ins zweite Lehrjahr kommt. Er ist etwas größer als ich, obwohl er noch siebzehn ist und auch breiter und kräftiger.
Er ist ganz umgänglich und auch handwerklich nicht ungeschickt, hat mittlere Reife gemacht, nur mit dem Zeichnen hapert es. Das sollen wir gemeinsam verbessern, möchte der Chef und nach dem er Wilfried gesagt hat, was er mir schon heute Morgen gesagt hat, lässt er uns allein.
Bevor er geht, gibt er mir noch Papiere und Schlüssel von dem blauen Daccia mit der Bitte, das Auto morgens immer auf seinen angestammten Platz zu stellen, so dass der Meister es benutzen kann, wenn er es braucht. Ich bedanke mich und geh mit Wilfried raus auf den Hof. „Schön, das du mir helfen willst, Paolo“, sagt er zu mir.

„Kein Thema“, sag ich, „der Boss bezahlt mich dafür und das Auto kann ich holen, um hin und her zu fahren. Außerdem mach ich das ganz gern und hoffe auch, dass es dir was bringt. Wie sollen wir es denn machen, zeitlich, mein ich? Willst du es abends in der Woche oder ist dir das Wochenende lieber, Wilfried?“

„Ich wohne ja nun hier in Bremen und du in Bremerhaven, das gibt ja einiges an Fahrerei und wenn wir erst um siebzehn Uhr Schluss haben, wird es spät“, sagt er, „wie sieht es denn mit dir an Samstagen aus?“

„Nun, bisher haben wir Lehrlinge ja mit dem jüngsten Gesellen am Samstag immer Firma und Hof aufgeräumt bis zwölf Uhr“, sag ich zu ihm.

„Der jüngste Geselle bin jetzt ich“ fahre ich fort, „und so werden wir wohl samstags bis zwölf hier sein. Wenn wir um zwölf losfahren zu mir, dann sind wir um viertel vor eins bereit, anzufangen und dein Onkel meinte, drei bis vier Stunden in der Woche, dann wären wir so gegen vier fertig bei drei Stunden und dann musst du ja auch noch nach Bremen zurück.“

„Wir können doch zu uns nach Hause fahren, Mama hat da bestimmt nichts dagegen und wenn drei Stunden rum sind, fährst du nach Hause. Das ist doch besser, finde ich“, sagt er und schaut mich erwartungsvoll an.

„Wir wohnen quasi am Weg nach Bremerhaven“, erklärt er mir, „von hier aus sind es zehn Minuten.“

„Gut“, sage ich, „dann probieren wir das mal so. Wann sollen wir denn anfangen?“

„Wenn die Schulferien beendet sind, wir fahren noch in den Urlaub drei Wochen im Juli“, sagt er, „danach können wir ja dann anfangen. Jetzt kannst du mich ja mitnehmen nach Hause und morgens könntest du mich auch dort auf nehmen, wenn du hier her fährst. Dann weißt du auch gleich, wo ich wohne.“

„OK“, sag ich, „dann lass uns mal los fahren“, und gehe zu dem blauen Kombi und sperre auf.

Wilfried schwingt sich in den Beifahrersitz und ich starte den Wagen. Morgen früh werde ich dem Chef von unserer Abmachung erzählen. Es dauert wirklich nur zehn Minuten, bis wir die Querstraße erreicht haben, in der Wilfried wohnt.

Ich biege dort ein und nach hundert fünfzig Meter sagt er: „Stopp, da vorn, wo das rote Auto steht, das gehört meiner Mutter. Da, in der Nummer sechs und dreißig, da wohnen wir, im Erdgeschoss, Mama und ich.“

„Papa?, frage ich neugierig,

„Der ist vor drei Jahren verstorben“, sagt er leise.

„Sorry“, sag ich, „das tut mir leid.“

„Schon OK“, sagt er, „es ist jetzt nicht mehr so schlimm, Mama und ich haben es mittlerweile akzeptiert. Mama ist Klasse, du wirst sie ja bald kennenlernen. Wann kommst du morgen hinten an der Straßenecke vorbei?“

„Zehn nach Sieben“, sag ich.

„OK, dann stehe ich vorne an der Straße“, sagt er und steigt dann aus.

„Bis morgen und Danke, das du es machst, Paolo.“

„Ciao“, sag ich.

Er schlägt die Türe zu und ich fahre, nach dem ich gedreht habe, zurück auf die Hauptstraße und dann Richtung Heimat. Enrico wird nicht vor viertel nach sechs da sein, die Schicht geht heute bis halb fünf und dann noch die Zugfahrt.
Duschen will Rico auf der Arbeit das geht dort, hat er gesagt. Zu Hause dusche ich auch und ziehe was Legeres an, bevor ich los fahre zum Bahnhof, um Rico dort ab zu holen. Ich freue mich sehr auf Natascha und kaufe am Bahnhof eine dunkel rote Rose, in Cellophan verpackt, für sie.
Damit will ich ausdrücken, wie viel sie mir jetzt schon bedeutet.

“Oha“, sagt Rico, als er die Rose sieht.

Ich erzähle Rico von Wilfried und wie ich zu dem Auto komme und das wir jetzt in Ruhe nach einem Wagen für uns schauen können, wenn er den Führerschein gemacht hat. Es ist achtzehn Uhr zwanzig, als wir ankommen und Noahs Roller steht schon neben der Garage.
Oben im ersten Stock hat sich die Gardine bewegt und nur kurz darauf geht die Haustüre auf und mein Sonnenschein kommt raus gelaufen. Ich bin gerade ausgestiegen, als sie bei mir ankommt.

„Hi, Süße“, sag ich und halte ihr die Rose hin.

Sie macht große Augen und strahlt dann, nimmt sie und umarmt mich, küsst mich verlangend und flüstert: „Hi, mein Schatz, schön das du da bist und Danke für diese wunderbare Rose.“

Ein erneuter Kuss belohnt mich für das Blümchen und dann erst guckt sie nach dem Auto.

„Hast du den echt heute gekauft?“, will sie wissen.

Ich erzähle, was es mit dem Auto auf sich hat und auch von der Nachhilfe, die nach den Ferien beginnt.

Zusammen gehen wir rein, Rico ist schon vor gelaufen. Im Wohnzimmer, wo nur Jeromes Mutter, Oma und die Tante und Herr Remmers versammelt sind, werden wir jetzt mit „Hallo“ begrüßt. Natascha zeigt ihre Rose und alle lächeln dazu und Tante Frieda sagt: „Nachtigall, ick hör dir trapsen, das ist ja dann wohl das nächste Liebespärchen, wo sich gefunden hat.“

„Eine rote Rose, wie romantisch“, seufzt die Oma und strahlt, als hätte sie eine bekommen und nicht ihre Enkelin.

„Die jungen Leute sind alle draußen auf der Terrasse“, sagt Nataschas Mutter und Natascha nimmt meine Hand und zieht mich mit nach draußen.

Dort finden wir unsere Freunde, Sigrid und Torsten, Jerome und Sergej, auch Dirk, Mike, Ole und Frank sind da und mein Bruder mit Noah und auch Rolf und bei ihm Paul. Rolf ist mit Noah gekommen und Sigrids Mutter hat Torsten abgeholt und dann mit her gebracht.
Der Doktor und Ole´s Onkel, um die sich ja alles dreht, die fehlen noch und Martin und Kai sind noch mal kurz in ihre Wohnung, um Kevin und Wolfi zu wecken, die wohl eingepennt sind, und um sich etwas legerer an zu ziehen.

Ole

Bis auf Jo und Jo sind jetzt alle da, auch Armin und Denise sind eben eingetroffen, Armin hat den Wagen von seinem Vater bekommen. Die Vier aus der Einliegerwohnung erscheinen jetzt auch und Kevin und Wolfi sieht man den Schlaf noch an.
Nun kommen die Erwachsenen raus mit Jo und Jo im Schlepptau und auch Mutsch kommt mit Frau Gut aus der Küche nach draußen, Oma und Frieda, mit Cremant bewaffnet, erscheinen ebenfalls und suchen sich einen Platz.
Frau Jensen und Frau Gut bringen je zwei Platten mit Fingerfood mit und Natascha geht mit Sigrid und Paolo rein und holt noch mehr zum Essen. Alles wird auf den Tischen verteilt. Wie beim letzten Grillen zapft Jerome Bier aus einem zehn Literfass und Sergej und Kevin, aber auch Rico verteilen die Getränke unter die Leute.
Drei große Tische mit je zwei Bänken und drei Stehtische bieten Platz zum sitzen oder stehen und bald sitzen alle in fröhlicher Runde zusammen. Onkel Jo berichtet vom Schiff, vom bevorstehenden Flug und wo das Schiff dann hinfährt.
Mir fällt ein, das Sergej auf der nächsten Reise der MS Europa wohl dabei wäre, wenn er nicht mit Jerome zusammen gekommen wäre. Ich bin mir sicher, das er es nicht bereut ,das dass Schiff jetzt weiterhin ohne ihn fährt.
Paul und Rolf stehen zusammen an einem der Stehtische .Paul haben Martin und ich an der Klinik abgesetzt und ihn am Nachmittag wieder dort abgeholt. Ulli geht es jetzt deutlich besser und er erinnert sich auch nach und nach an alles.
Am Freitag bekommt er die Fäden gezogen und Montag darf er dann nach Hause. Er will dann zu seiner Freundin ziehen, die Paul heute in der Klinik kennen gelernt hat. Die wohnt in Beverst, da wo auch unser Furzknoten wohnt. Vielleicht kennt Torsten sie ja, weil so groß ist der Ort nicht.
Paul weiß den Namen, der kann Torsten ja mal fragen, später. Jetzt sind die zwei wohl erst einmal mit sich beschäftigt und sie unterhalten sich rege. Paul hat Rolfs Hand ergriffen und hält sie fest und Rolf scheint auch nichts dagegen zu haben.
Als Rolf vorhin kam, hat er erzählt, dass er sich bei Mutter und Schwester geoutet hat und das alles gut gelaufen ist. Ich habe nicht alles genau mitbekommen, weil Frank mich ständig abgelenkt hat mit Details zu der geplanten Ausstellung, aber von einem roten Höschen, das wohl von Jerome stammt und über Noah in Rolfs Besitz gekommen ist, war die Rede und das seine Mutter durch den Höschenfund in Rolfs Bett wohl letztendlich schon sicher war, das ihr Sohn auf Jungs steht.
Alle haben herzlich gelacht, als Rolf dann gefragt hat, ob er dieses Höschen als Andenken an sein Coming Out behalten darf. Natürlich hat Jerome zugestimmt und Noah hat wohl selber welche gekauft.
Carl August ist jetzt mit dem Handy am Ohr aufgestanden und geht ins Zimmer. Lis und auch Jerome schauen skeptisch hinterher und als er nach zehn Minuten zurück kommt, schaut er etwas angespannt aus.
Er winkt Kai und Martin zu sich und geht wieder rein mit den Beiden. Was jetzt wohl los ist? Hoffentlich nichts Schlimmes. Aber da alle hier sind, die zu uns gehören, kann also auch keinem etwas Ernsthaftes zugestoßen sein.
Martin kommt jetzt raus und spricht mit Kevin und Wolfi und die beiden folgen mit fragender Miene Martin ins Zimmer. Lis steht auf und geht hinterher. Es ist plötzlich ziemlich ruhig geworden auf der Terrasse, die meisten haben das schon mit bekommen. Nach zehn Minuten kommen alle wieder heraus und Kevin hat feuchte Augen, aber die anderen sehen ziemlich normal aus.
Kevin

Als Martin und Kai mit Carl August rein gegangen sind, habe ich gedacht, es geht irgend wie ums Fahren, aber als Martin mich dann geholt hat, habe ich mein Wölfchen einfach mit gezogen, zu meinem Schutz, instinktiv.
Drinnen dann, im Wohnzimmer, Lis kam dann auch noch, hat Carl August gesagt, das die sterblichen Überreste meine Mutter am kommenden Dienstag nach Bremerhaven überführt und hier auf dem städtischen Friedhof beigesetzt werden sollen.
Über die Einzelheiten werden wir noch rechtzeitig informiert. Ein hier ortsansässiger Bestatter sei nach Rücksprache mit Onkel Rufus beauftragt worden, die Überführung und die Bestattung hier durch zu führen. Am Mittwoch will Onkel Rufus mit dem Bestatter hier her kommen und alles mit mir und meinen beiden Vätern besprechen.
Zuerst bin ich traurig geworden, das ich sie nie gekannt habe, aber letztendlich bin ich froh, das ich sie wenigstens auf dem städtischen Friedhof besuchen kann, dann liegt sie hier in meiner Nähe.
Wolfi hat Onkel Rufus Bilder bearbeitet und vergrößert, die sind so toll geworden. Ich habe jetzt ein großes Bild von Mama an meinem Bett hängen, eins, auf dem sie jung und schön ist und ganz toll lacht.
Das schau ich jeden Abend an und es stört uns auch nicht beim Sex. Sie hätte mich bestimmt auch lieb gehabt, obwohl ich schwul bin und Wolfi hätte sie auch gern gehabt, allein schon dafür, das er mich so glücklich macht, mich liebt von ganzem Herzen.
Ich drücke Wolfis Hand, er versteht mich immer gleich und wir gehen wieder hinaus zu den anderen. Jerome fragt, was los ist und als er es dann weiß, nimmt er mich einfach in den Arm und streicht mir durch die Haare, wie man es von einem großen Bruder erwartet.
Ich habe es schon gut getroffen hier in Bremerhaven und das macht mich einfach wieder froh. Jetzt möchte ich mit meinem Schatz ein Bier trinken und Jerome zapft zwei Stück fertig. Die nehmen wir und gehen zu einem der Stehtische und stoßen miteinander an. Fast ganz leer auf einen Zug trinke ich das Glas und Wolfi kriegt große Augen.

„Man, da hat aber einer Durst gehabt“, sagt er und grinst.

„Das habe ich“, sage ich und gebe ihm einen Schmatzer auf die Wange. Jetzt hat er Bierschaum an der Wange und ich lecke den Schaum weg. Wölfchen schnurrt richtig dabei, das scheint ihm zu gefallen. Mit dem Finger fährt er in sein Glas und macht erneut Schaum an seine Wange und hält sie mir dann hin.
Ich muss lachen, offenbar habe ich da eine sensible Stelle in seinem Gesicht entdeckt, jedenfalls gefällt ihm mein Lecken dort.

„Wir könnten ja mal Bierschaum auf deinen Schniedel machen“, sag ich, „das leckt sich bestimmt auch gut und Freude bringend ab.“

„Ich werde bei Gelegenheit gerne darauf zurück kommen“, sagt er grinsend, „aber hier und jetzt bleiben wir doch lieber bei „Schaum an der Wange“, oder?“

Wir lachen beide und ich trinke mein Glas leer.

„Trink aus, Schatz, wir nehmen noch eins“, sag ich und schaue zu Jerome, der gerade wieder Bier zapft. Ich halte zwei Finger hoch und er nickt, greift nach frischen Gläsern. Als das Bier fertig ist, holen wir es und setzen uns wieder zu den Anderen an einen der Tische.
Paolo und Natascha, aber auch Noah und Enrico sitzen eng bei einander und turteln wie die Tauben. Das sieht irgendwie süß aus und Lis beobachtet ihre Tochter und Paolo und ein Lächeln umspielt ihren Mund.
Auch Torsten und Sigrid sind miteinander beschäftigt und haben kaum Augen für andere. Torstens schon legendäre große Klappe hat wohl Urlaub, bis jetzt jeden Fall war kein böser Spruch zu hören. Sigrid scheint ihn positiv zu verändern.

Jerome

Die Unterhaltungen sind sehr angeregt, aber als Oma von früher, aus den sechziger und siebziger Jahren erzählt, als das mit der Werft und den Schiffen wieder so richtig lief und dann mit den Jahren die Kreuzfahrtschiffe moderner und größer wurden, hören alle zu.
Die Schiffe wurden immer luxuriöser und als damals, am fünfzehnten September neunzehn Hundert neunundneunzig die jetzige MS Europa in Dienst gestellt wurde, haben Oma und Frieda an der ersten Fahrt teilgenommen.
Die Jungfernfahrt, so heißt die erste Reise, begann am siebzehnten September, ging nach Malaga und dauerte nicht so lange. Später, im Jahr zweitausend vier sind die zwei nochmal auf einer Mittelmeer Kreuzfahrt mitgefahren.
Onkel Jo sagt, dass es in diesem Jahr noch auf eine Weltreise mit einhundert und sechzig Tagen Dauer geht und sie erst in Zweitausend Elf zurück kommen.
Ich muss später mal die der zusammen holen, die am acht und zwanzigsten hier zusammen Party machen. Ole hat mich daran erinnert, das seine Schwester Marie ja auch im Juni hatte, am neunten nämlich.
Somit feiern wir Marie, sie wird sechzehn, Torsten auch, Denise und Dirk, die volljährig werden. Paul hat erzählt, dass Rolf am Freitag, den achtzehnten Juni, auch Geburtstag hat und sechzehn wird. Den werde ich nach her mal fragen, ob er sich an der Party hier bei uns im Freien beteiligen will, ich geh mal davon aus.
Wir brauchen Zelte, Holz und alles, was für eine zünftige Fete im Freien notwendig ist. Wir machen einen Plan, was wir grillen und trinken wollen und wer was mitbringt oder besorgt. An dem Wochenende kommen auch Sergejs Geschwister Boris und Marianne, die dürfen wir bei der Planung nicht vergessen.
Wenn die Prüfungswoche jetzt rum ist, dann geht es an die Vorbereitung. Am Montag nach der Party kommt dann diese japanisch Delegation zu Papa in die Firma, das heißt, dann muss dienstags Wolfis Ausstellung stehen.
Also gibt es einiges an diesem Wochenende, was uns beschäftigt. Aus den Augenwinkeln sehe ich, das drüben an einem der Stehtische Rolf und Paul gerade einen Kuss austauschen, sehr vorsichtig wohl, denn als ich genau hinschaue, ist es wohl auch schon rum.
Beide haben scheinbar gemerkt, dass das gut tut, jemanden, den man gern hat zu küssen, denn es folgen neue und immer längere Versuche und auch der Abstand zwischen beiden ist jetzt so gut wie auf null geschrumpft.
Was jetzt noch zwischen ihnen „steht“ ist wohl der mir dem küssen auf kommenden hormonellen Erregung geschuldet….. niedlich, die beiden, ich freue mich für sie. Auch Oma hat es wohl bemerkt und flüstert mit Frieda, die dann auch aus den Augenwinkeln zu den beiden rüber schaut. Den Beiden scheint es auch zu gefallen, was sie da sehen.
Dirk

Mein Handy geht und Mama ist dran. Sie will mir erzählen, wie die Sache mit diesem doofen Lehrer abgelaufen ist. Der Mann von der Kripo hat ihn nach fünfundzwanzig Minuten Gelaber über die Seuche der Homosexualität und deren mögliche Heilung raus begleitet oder besser raus geworfen und ihm versprochen, ihn und seinen Heiler wegen Betrug anzuzeigen und im Fall Paul mit dem Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen, sowie der Beihilfe zur schweren Körperverletzung in zwei Fällen. Auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn will er durch die Schulbehörde in Gang setzen lassen.
Mama sagt, das der Beamte morgen in der Schule vorbei kommt und dem Direx offiziell unterrichtet über alles. Werthmüller ist abgehauen, nachdem er gemerkt hat, das man ihm eine Falle gestellt hat. Der Direx wird sich von ihm trennen wenn es geht, davon bin ich überzeugt.
Ich winke Ole und Paul und zusammen gehen wir an einen freien Stehtisch und ich berichte, was Mama erzählt hat. Wir sind zunächst mal zufrieden, wollen abwarten, was mit dem Vollpfosten von Lehrer passiert.
Ole meint, das ich alle hier, vor allem die Erwachsenen über den Sachstand unterrichten soll. Das leuchtet mir ein und ich nehme zwei Gläser und klopfe sie zart aneinander. Der Ton, der dabei entsteht, verschafft mir die nötige Aufmerksamkeit und dann berichte ich kurz, was heute Abend bei uns abgelaufen ist. Ein kurzer Applaus, ausgehend von der Oma, schließt meinen Vortrag ab und die normale Unterhaltung, von Hintergrundmusik begleitet setzt wieder ein.
Mike und ich überlegen gerade mal, ob wir bei ihm zu Hause übernachten oder bei mir. Hier wollen wir heute nicht bleiben wegen der Schule, wir haben nämlich keine Schulsachen dabei und müssten dann morgen früh erst mal nach Hause. Meine Sachen sind bei Mike, also denk ich, es wäre das beste, auch dort zu pennen. Armin kann uns mit holen, der wohnt ja in der Nähe.

Allen meinen Lesern wünsche ich einen guten Rutsch ins Jahr 2016. Vielen Dank für die Feeds, nächstes Jahr geht es weiter!

Liebe Grüße Niff

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9 Kommentare

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    • Andreas auf 31. Dezember 2015 bei 06:59
    • Antworten

    Hallo Niff,
    dies scheint der gleiche Teil zu sein, wie der vom 29.12. (Nr. 54) mit Ausnahme der
    lieben Grüße zum Jahreswechsel.
    Freue mich auf den eigenlichen Teil 55 (so wie ich mich auf die vielen Teile vorher gefreut habe)
    und wünsche DIr alles Gute für das kommende Jahr
    Andreas

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    • Hubert Müller auf 31. Dezember 2015 bei 10:03
    • Antworten

    Oh nochmal Kapitel 54 ich glaube da stimmt was nicht im alten Jahr
    Viele Gruesse und einen guten Rutsch H.M.

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    1. Hallo ihr lieben, das ist kein Fehler, aber ein Fehler meinerseits, da ich nicht wusste, dass der veröffentlichte Teil 1 eigentlich Teil 1 und 2 sind, ich habe sie getrennt, damit wir nicht mit den folgenteilen durcheinandergeraten liebe grüße pit

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    • Andi auf 31. Dezember 2015 bei 13:01
    • Antworten

    Öhm ist da nicht ein Fehler passiert? Der Teil 55 ist identisch mit Teil 54…

    Auch dir lieber Niff einen guten Rutsch ins neue Jahr und alles Gute.

    VlG Andi

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    1. Lieber AndI das ist mir bisher nicht aufgefallen, dass du nicht die Autorin Andy bist, Entschuldige bitte 🙂 Gruß Pit

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      1. Kein Thema, Pit.

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    • Walter auf 31. Dezember 2015 bei 13:29
    • Antworten

    Lieber Nyffnase,
    Leider hat sich die Pannenhexe bei Dir eingeschlichen!!!
    Kapital 55 ist das Gleiche wie Kapital 54!! Pech, aber ist ja
    noch im alten Jahr da kann ein solcher Lapsus passieren.
    Ich freue mich auf die Fortsetzung dieser Tollen Story und
    wünsche Dir alles Gute im 2016
    Walter

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    • Claus auf 31. Dezember 2015 bei 14:52
    • Antworten

    Hi Niff, ich wünsche Dir auch alles Gute für das neue Jahr. Ich freue mich immer auf die Fortsetzungen deiner Geschichten.

    Diesmal ist irgendwem wohl ein kleiner Fehler unterlaufen…dieses Kapitel hatten wir schon. Es wäre schön, wenn ihr das korrigiert bekämt. Bin doch so neugierig wie es weitergeht.
    Liebe Grüße Claus

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  1. Hallo Niffnase,

    das Gesprächmit dem Schwiegersohn, es freut mich zu lesen, dass Enrico doch auch gut aufgehoben ist.

    Freue mich auf neue Folgen und wünsche dir alles Gute für das Neue Jahr!
    Gesundheit, Zufriedenheit und viel Erfolg beim Schreiben.

    LG Claus

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