Traumschiff – Teil 92

Bonn…..Studium……Schule…..Herzbube…..Bauchweh…..Kreuzfahrtalltag
Vielen Dank an die Beta (Bussi) und an die alten und neuen Kommischreiber.

Ole, Mittwoch, 04.August, im Hilton in Bonn auf der Terrasse mit Rheinblick beim Frühstück mit Martin, Ralf und Alex um acht Uhr Dreißig.

Da der Besuch bei der Bonner Kripo bereits am frühen Dienstagvormittag, vor zehn, sein sollte, hat uns Carl August schon am Montagnachmittag los geschickt und im Hilton in Bonn Zimmer für drei Tage reserviert. Martin hat uns sicher wie immer dorthin gefahren und um neunzehn Uhr waren wir dort. Nach dem Einchecken und einem guten Abendessen waren wir noch an dem, in unmittelbarer Nähe fließenden, Rhein spazieren, bevor wir nach einem Besuch im hauseigenen Schwimm- und Fitnessbereich gegen zweiundzwanzig Uhr unsere Betten aufgesucht haben. Martin und ich und Ralf und Alex haben je ein Komfort-Doppelzimmer bezogen und haben uns für um acht Uhr fünfzehn zum Frühstück verabredet. Mit Martin ein Zimmer zu teilen, bereitet mir kein Problem, wir kennen uns nackt aus der Sauna und er ist halt für mich wie ein guter Onkel, den ich sehr mag und vor dem ich mich nicht geniere.
Im Anschluss an das Frühstück wollten wir dann Alex noch mal zur Kripo in die Bornheimer Straße begleiten, obwohl wir anderen, auch Ralf, dabei wohl eher draußen warten müssen. Von Herbert Rohleder hatten wir den Namen des Beamten bekommen, bei dem Alex gestern vorsprechen sollte. Da wurden erst mal alle seine Daten aufgenommen und dann musste er wohl erzählen, was ihn mit Uwe Buchmann verband und wie alles abgelaufen ist damals, als raus kam, was zwischen Uwe und ihm war.
Auch, wie die Familie reagiert hat und wie es ihm bis jetzt ergangen ist und auch, warum jetzt die Kripo aus Bremerhaven Interesse an dem Fall bekommen hat, wollten die Bonner wissen.
Das alles nahm man zu Protokoll und dann wurde er wieder zu uns raus geschickt mit der Bitte, heute am Mittwoch, um zehn noch mal vorbei zu kommen, dann will man ihm etwas zum Ermittlungsstand sagen und ihm auch sein weiteres Verhalten erklären, damit die Ermittlungen nicht gefährdet werden. Wir waren dann noch auf einen Sprung in der City, haben dort auch was gegessen und sind da durch die Straßen gelaufen, bevor wir ins Hotel zurück sind und dort im Wellnessbereich den Rest des Nachmittags verbracht haben.
In der Zeit, in der Alex drinnen war bei der Vernehmung, habe ich nach einander mit Frank, Mutsch und auch mit Jerome gesprochen und dann auch noch kurz mit Carl August und habe einen kurzen Lagebericht abgegeben, so dass alle auf dem neusten Stand waren.
Für elf Uhr heute, nach der Polizei, haben wir dann den Besuch auf dem Alten Friedhof geplant und um vierzehn Uhr hat Lex einen Termin bei Uwes Eltern ausgemacht, die sofort bereit waren, ihn zu sehen. Sie haben ihm auch die Lage des Grabes auf dem Friedhof beschrieben. Alles in allem wird das wohl ein schwerer Tag für Lex werden, denk ich, aber das muss wohl einfach sein.
Der Termin bei Uwes Eltern ist deshalb so spät, weil Uwes Vater dann erst vom Dienst kommt. Lex will auf jeden Fall allein dort hin, auch Ralf soll nicht mit gehen. Wir werden also irgendwo in der Nähe im Auto oder einem Café, wenn dort was in der Gegend ist, warten, bis der Besuch dort bei Buchmann vorbei ist.
Wann wir dann heute den Heimweg antreten, wird sich zeigen, auf jeden Fall müssen wir heute noch zurück, weil morgen das Studium für mich und für Lex die Schule in Bremerhaven beginnt.
Martin wird mich in Bremen an der WG absetzen, bevor er zu Remmers nach Hause fährt mit Lex und Ralf.
Wir haben beide, Lex und ich, unsere Sachen für den ersten Tag nach Ferienende schon Montag vor der Abfahrt nach Bonn fertig gepackt, es kann also nichts schief gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Achter uns ausgerechnet heute im Stich lassen wird.
Bis jetzt hat Lex noch nicht so viel und nichts Konkretes von allem erzählt, außer, dass sein Bruder sehr verdächtig ist, alles andere, Einzelheiten, will er auf der Rückfahrt berichten und da der Achter ja sehr leise ist, werden wir wohl auch alle seinen Ausführungen lauschen können.
Vielleicht sollten Ralf und ich ihn hinten in die Mitte nehmen, um ihm Halt zu geben und Mut zu machen, es ist bestimmt nicht leicht für den Jungen, uns alles um Uwe und seinen Tod zu erzählen.

Lex, Mittwoch, 03.08. Abends, halb sieben, im Achter, Autobahn 27, Richtung Bremen.

Es waren zwei sehr aufregende und mit Emotionen angefüllte Tage für mich und ich werde wohl auch noch ein paar Tage daran zu knabbern haben, bis ich alles, was über mich herein gebrochen ist in den letzten achtundvierzig Stunden, verdaut habe. Gut, das jetzt erst mal nur zwei Schultage folgen und dann wieder Wochenende ist, da bleibt mir wohl etwas Zeit, alles so anzunehmen, wie es sich jetzt darstellt.
Seit der Abfahrt in Bonn, nach dem Besuch bei Uwes Familie und noch einem kurzen gemeinsamen Besuch an seinem Grab sind wir dann um sechs auf der A1, ich sitze zwischen Ole und Ralf hinten und Martin lässt, wo immer es geht, die Pferde unter der breiten Haube so richtig los.
Ich habe versprochen, auf der Rückfahrt von allem zu berichten, was ich in den zwei Tagen erlebt und erfahren habe und das tue ich jetzt auch.
Ich beginne, von der ersten, ich sag jetzt mal, Vernehmung an, obwohl es mehr ein Gespräch war, bei dem meist nur ich zunächst erzählte. Beginnend in Munster, wie sich damals alles entwickelt hat, zwischen Uwe und mir und auch sehr ausführlich, was geschah, als es raus kam, mein Verhältnis zu Uwe und welcher Hass uns, vor allem aber mir entgegen schlug. Ich berichte von meiner schnellen Verbannung nach England und dass ich nur durch die seltenen Briefe meiner Mutter, von denen mein Vater und mein Bruder wohl nichts wissen durften, überhaupt etwas aus Deutschland erfuhr. Über die Versetzung meines Bruders nach Bonn, meines Vaters nach Koblenz und auch, dass mein Bruder ein anderes Auto gekauft hat, las ich mit wenig Interesse hin weg, waren sie mir doch alle egal.
Die Briefe, vier an der Zahl in dem einen Jahr, wollte ich ursprünglich gar nicht lesen, habe sie wochenlang im Schrank liegen lassen. Die letzten zwei habe ich erst auf der Rückfahrt von England mit Martin und Kai geöffnet und sie nach dem Lesen der ersten, immer gleichen, vorwurfsvollen Sätze, mein Schwulsein betreffend, gar nicht zu Ende gelesen.
Ich übergab dem Beamten die Briefe zwecks Auswertung. Ob sich darin Hinweise befinden, die was mit Uwe zu tun haben, kann ich mir nicht vorstellen, aber Aufschlüsse über meine Familie geben sie doch zum Teil, denk ich.
Am Dienstag erfuhr ich dann noch Einzelheiten über den Unfall und der Beamte sagte auch, das eine Zeugin ausgesagt hätte, es hätte wie Absicht ausgesehen, das Auto sei gezielt gegen Uwes Roller gefahren und hätte ihn in die Büsche und Bäume neben der Straße geschleudert, wo Uwe durch einen Genickbruch wohl sofort tot gewesen ist.
Hier sind mir die Tränen gekommen und wir haben eine Pause eingelegt. Der Beamte verließ kurz das Zimmer und kam mit einem Tablett und Kaffee zurück und versonnen trank ich eine Tasse, bevor er dann eine Frage an mich richtete, mit der ich bis zu diesem Zeitpunkt nie gerechnet habe.
„Könnten sie sich vorstellen, das ihr Bruder, mit seinem ausgeprägten Schwulenhass in der Lage gewesen ist, diesen feigen Anschlag auf das Leben des Herrn Buchmann auszuführen, er ihn absichtlich gerammt hat, um ihn zu töten?“, fragte er mich.
Eine eiskalte Hand schloss sich um mein Herz, mir wurde übel, Schweiß brach mir aus allen Poren und ich stöhnte auf. Dann, meinem Gefühl folgend sagte ich: „Ich würde es ihm zutrauen, auch mir hat er öfter den Tod gewünscht, geh sterben, war eine seiner häufigsten Aufforderungen mir gegenüber, bevor sie mich nach England verbannten.“
Als ich dann mehr wissen wollte, vertröstete er mich auf morgen, weil erst heute Morgen Post aus Belgien von Interpol gekommen ist und erst ausgewertet wird. Dann kann man sehen, ob die Verdachtsmomente ausreichen für einen dringenden Tatverdacht sind. Außerdem würden seit ein paar Tagen damalige Nachbarn meines Bruders vernommen und in seiner ehemaligen Dienststelle in Bonn, beim Wachbataillon, Recherchen über seine dienstlichen Aktivitäten durchgeführt. Innerhalb der Armee zu ermitteln, sei nicht immer leicht, weil dort Vorgesetzte oft meinen, man wolle irgendwas ausspionieren, das ihnen schaden könnte.
Zurzeit besteht zwar ein nicht unerheblicher Anfangsverdacht, der sich durch meine Angaben nun noch verdichtet hat. Sollte sich das ganze weiter zu einem dringenden Tatverdacht entwickeln, werde man ihn wohl fest zunehmen und dem Haftrichter vorführen, um ihn in Untersuchungshaft zu nehmen, damit er keine Spuren verwischen kann.
Mit dem dringenden Hinweis, mit keinem Familienmitglied in Kontakt zu treten, wurde ich für den Dienstag entlassen und für Mittwoch wieder einbestellt, dann wollte er mir auch mehr zum Ermittlungsstand sagen.
Wohl auch, um mich von meinen Gedanken abzulenken, sind meine drei Begleiter mit mir in die Bonner City gegangen und dort haben wir dann auch was gegessen. Ralf und Ole waren sehr darum bemüht, mich von meinen Gedanken etwas abzulenken, was aber verständlicher Weise nicht so einfach ging. Der Gedanke, mein eigener Bruder könnte direkt mit Uwes Tod zu tun haben, war so ungeheuerlich, aber eben nach den bisherigen Erkenntnissen auch nicht unwahrscheinlich, wollte ich dem Beamten glauben und das musste ich wohl. Warum sollte er mir auch was Falsches erzählen, hatte ich selbst doch oft genug gehört von meinem Bruder, dass ich verrecken solle als Schwuchtel.
Am nächsten Morgen, wieder bei der Kripo, war dann nach Auswertung der Post aus Belgien und der nachbarlichen Zeugenaussagen, verbunden mit meinen Angaben und Hinweisen aus den Briefen meiner Mutter ein ausreichend dringender Tatverdacht entstanden und im Laufe des Tages würde auch wohl eine Festnahme erfolgen.
Da mein Bruder zurzeit in Koblenz Dienst tut, fahren am Mittwochmittag zwei Beamte nach Koblenz und nehmen mit Unterstützung der Koblenzer Polizei meinen Bruder fest und bringen ihn nach Bonn in Untersuchungshaft.
Die Tatsache, dass er jetzt echt des Mordes an Uwe beschuldigt wurde, traf mich tief, rief aber auch eine furchtbare Wut in mir wach, Hass gegen ihn, der wohl, wenn alles stimmte, meinen ersten Freund kaltblütig getötet hat, obwohl wir ja eigentlich gar nicht mehr zusammen waren und Uwe ihm nie was böses getan oder gewollt hätte. So ein verdammtes Dreckschwein, ich könnte ihn kalt machen, diesen gemeinen Verbrecher.
Ein Hassverbrechen, so nennt man das wohl, vollkommen unsinnig. Ich kann nur hoffen, dass sie ihm für immer weg sperren, so dass er nie wieder rauskommt, das Schwein.
Ich bin total aufgewühlt, könnte schreien, toben, ja, ihn umbringen, wenn er jetzt hier wäre.
Ich zittere beim Erzählen und Ralf und auch Ole haben einen Arm um mich gelegt. Ich muss wieder weinen und lege meinen Kopf auf Ralfs Schulter. Der streicht mit der Rechten zart durch mein Gesicht, wischt die Tränen ab und beruhigt mich langsam.
Nach zehn Minuten bin ich bereit, weiter zu erzählen. Nach der Kripo waren wir vier dann auf dem Friedhof, an Uwes Grab, ein schlichtes Urnengrab mit einer Messingtafel auf einer kleinen Marmorplatte auf der sein Name, sein Geburtsdatum und der Todestag eingraviert sind. Ich muss weinen, sehe ihn vor mir mit seinen Locken, mit denen ich immer gespielt habe, wenn er nach unserem Liebesspiel auf meinem Bauch lag, den Kopf auf meiner Brust. Das hatte er gern, das kraulen danach und wir waren einfach glücklich in solchen Momenten, wenn alle Angst und alle Sorgen nicht existent waren, nur wir zwei.
Ich muss weinen, Ralf drückt mich an sich, Ole streicht über meinen Rücken, es dauert lang, bis ich mich beruhige. Da die drei ja da dabei waren, berichte ich jetzt vom Besuch bei Uwes Familie, der mir im Vorfeld ein wenig Bauchweh machte. Wie würden sie sich mir gegenüber verhalten, wie dachten Sie über mein und Uwes Schwul sein, was wussten sie von den Ermittlungen und durfte ich ihnen die neusten Erkenntnisse mit teilen?
Kurz nach dem Ertönen der Klingel öffnete mir Frau Buchmann die Tür, sah mich traurig an und bat mich dann, meine Hand ergreifend, hinein ins Haus. Es war ein Reihenhaus in einer typischen Bundeswehrsiedlung, die an allen Standorten fast immer gleich aussehen. Sie geleitete mich ins Wohnzimmer und sagte: „Mein Mann muss jeden Augenblick kommen, möchtest du einen Kaffee trinken oder vielleicht was anderes?“
„Kaffee ist gut, danke ja“, sagte ich und sie brachte ein Tablett aus der Küche und goss mir Kaffee ein. Dann ging die Haustür und Uwes Vater kam kurz darauf ins Zimmer, in Uniform, jetzt Oberstleutnant, wie ich an den Schulterstücken seiner Jacke sehen konnte. In Munster war er noch Major.
Auch er gab mir zum Gruß die Hand und setzte sich zu mir an den Tisch, ebenso auch Uwes Mutter.
„Alex, wie geht es dir, wir haben uns gewundert, das du dich nie bei Uwe gemeldet hast, nach allem, was wohl zwischen Euch war. Was ist passiert bei euch damals in Munster?“, fragt er mich.
„Das ist eine lange Geschichte“, sage ich. „Erzähl einfach, damit wir es verstehen, Uwe hat sehr darunter gelitten, das er nichts mehr von dir gehört hat“, sagt er und in der Stimme höre ich schon einen Vorwurf, also erzähle ich alles haarklein, und als ich beim Internat in England angekommen bin, wissen sie, warum Uwe nichts von mir hören konnte.
Ich erzähle vom Tod meiner Großeltern, zu deren Beisetzung ich mit nach Berlin reisen durfte, von der Demütigung vor der Verwandtschaft dort und von meiner Errettung durch Kevin, Wolfi und meine Tante aus Bremerhaven und ihren Mann, der auch meinen Besuch hier in Bonn ermöglicht hat.
Das mein Martyrium jetzt ein Ende hatte und das mein Onkel mit seinen vielfältigen Beziehungen, die Fährte der Polizei in die richtige Richtung gelenkt hat.
Beginnend mit Oles Suche im Internet, der Erkenntnis, das Uwe tot war, erzählte ich, wie es mir erging und wie mein Onkel unter Inanspruchnahme privater Ermittler und des mit ihm befreundeten Leiters der Bremer Mordkommission sich in die Ermittlungen um die Aufklärung der unklaren Todesumstände eingeschaltet hat.
Hier mache ich eine kurze Pause, trinke was aus dem Bordkühlschranks des Achters, ein Holsten Pils und auch Ole und Ralf bedienen sich. Ole gibt Martin eine Cola und nach dem das Bier leer ist, erzähle ich weiter.
Uwes Eltern haben wohl schon früher gewusst, dass er lieber Jungs mag und als er dann sehr häufig mit mir zusammen war, sahen sie sich in ihrer Meinung bestätigt. Als dann die Versetzung nach Bonn bekannt wurde, hat Uwe sich seinen Eltern anvertraut und dann hat er sich ja zwei Tage später bei uns zu Hause verplappert und alles kam raus.
Nach dem mein Vater ihn raus geschmissen hat, ist er verstört nach Hause und hat seinen Eltern erzählt, was bei uns ab gegangen ist.
Der Anruf meines Vaters machte es Herrn Buchmann endgültig klar, dass meine Familie überwiegend aus homophoben Arschlöchern bestand und da es sowieso eine Versetzung geben würde, legten sie Uwe nahe, sich mit dem Ende der Beziehung ab zu finden, was diesem wohl sehr schwer gefallen sein muss.
Im Gegensatz zu mir hatte er sein Handy noch und die darauf gespeicherten Bilder von uns, von mir auch einige Bilder ohne was an und erregt, die er beim Poppen von mir gemacht hatte. Ein Anruf bei uns zu Hause brachte ihm übelste Beschimpfungen ein und er solle sich nicht wagen, noch einmal zu versuchen, mit mir Kontakt auf zu nehmen.
Das alles, ohne die Bilder zu erwähnen, hat er seinen Eltern erzählt und sich dann auch mit der Zeit und wohl auch, weil ich mich nicht bei ihm gemeldet habe, mit dem Ende unserer Beziehung abgefunden.
Frau Buchmann meinte dann, das er zum Zeitpunkt des Unfalls offensichtlich dabei war, sich neu zu verlieben und das einer seiner Klassenkameraden bei der Beerdigung sehr geweint hat, mehr wohl, als es von einem Klassenkameraden zu erwarten gewesen wäre. Uwes Tagebuch, das sie in seinem Zimmer fanden, bestätigte ihnen ihre Beobachtung, gab aber auch viele Details unserer Beziehung preis und die Erwähnung ließ mich leicht erröten. Allerdings wurde kein böses Wort darüber verloren, das wir zusammen gewesen waren mit allem, was Verliebte so tun.
Nun war es wohl an der Zeit für mich, ihnen so schonend wie möglich die neuen Erkenntnisse in Sachen Ermittlung zum Unfallhergang mit zu teilen, was ich dann, beginnend mit der genauen Zeugenaussage jener Frau, die Autotyp und das absichtliche Fahrverhalten geschildert hatte, über die Suche nach dem Autotyp tat.
Das mein Bruder zur Unfallzeit in Bonn stationiert war und auch ein solches Auto besessen hat, ließ beide aufhorchen und als ich dann erzähle, was gestern und heute ans Tageslicht kam und das wohl mein Bruder der Todesfahrer ist und jetzt verhaftet wird, sehe ich Trauer und Entsetzen in ihren Gesichtern. Die Vermutung, dass er Uwe absichtlich getötet hat, löst bei Frau Buchmann einen Weinkrampf aus und ihr Mann nimmt sie in den Arm. Der Blick, den er mir dabei zuwirft, den werde ich so schnell nicht vergessen, Entsetzen ist es und danach tiefe Ratlosigkeit.
Es dauert eine Weile, bis sich Uwes Mutter beruhigt hat und Uwes Vater holt eine Flasche mit Kirschwasser aus dem Schrank und drei Gläser. Die schenkt er voll und stellt jedem ein Glas hin.
„Auf diese Nachricht muss ich jetzt einen Schnaps trinken, sonst werde ich verrückt“, sagt er und kippt das Glas in einem Zug runter. Seine Frau und auch ich tun es ihm nach, ein Hustenanfall ist bei mir die Folge. Schnaps gehört normal nicht zu meinen Vorlieben. Trotzdem füllt er die Gläser noch einmal nach und wir trinken ein zweites Mal von dem Feuerwasser.
Es wärmt den Bauch und schon bald merke ich den Alkohol in meinem Kopf, er vernebelt ein bisschen meine Sinne, hindert mich aber nicht daran, alles an Details, was ich weiß, an sie weiter zu geben. „Armer Junge“, sagt Frau Buchmann zu mir, „das du so einen Bruder hast und einen ebenso schlimmen Vater, das tut mir sehr leid. Ich hoffe, dass du dir keine Schuld am Tode meines Jungen gibst. Du kannst nicht gegen einen solchen Hass ausrichten, hast keinen Einfluss auf diese kranken Hirne, bist selber Opfer geworden. Es ist alles so sinnlos, nicht zu begreifen und jetzt tut es noch mal so richtig weh.“
Herr Buchmann ist ganz still geworden, aber in ihm arbeitet es, ist alles in Aufruhr, seit er jetzt weiß, dass es kein Unfall war, der ihm den Sohn genommen hat. „Mord ist es, heimtückischer Mord“, sagt er jetzt verbittert, „hinterhältig und aus niederen Beweggründen, das wird diesem Schwein hoffentlich Lebenslänglich einbringen und vielleicht noch eine daran anschließende Sicherungsverwahrung, so dass er nie mehr rauskommt.“ Er spricht mir aus der Seele, der Mann.
Ich sage, dass ich noch einmal mit ihnen zum Friedhof fahren möchte, mit den Leuten, die bei mir sind, sage auch, dass Ole mit zur Aufklärung beigetragen hat. Sie stimmen zu, rufen ihre Tochter, die wohl oben in ihrem Zimmer war, herunter. Silke ist sehr erstaunt, als sie mich sieht und dann werde ich auch zur Begrüßung heftig umarmt von ihr. Mit ihr habe ich mich gut verstanden, obwohl sie damals erst dreizehn war. Uwe und Silke hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Ob sie jemals geahnt hat, was zwischen Uwe und mir war?
Auf dem Friedhof fließen dann bei der Familie und mir nochmal die Tränen. Als das Schlimmste dann vorbei ist, gehen wir zum Ausgang, wo die Autos stehen. Dort verabschieden wir uns mit der Gewissheit von einander, dass wir uns spätestens zur Gerichtsverhandlung hier in Bonn wiedersehen werden. Wir umarmen uns zum Abschied, wollen in Kontakt bleiben. Meine Begleiter sitzen schon im Auto, und dann steig ich ein, setze mich zwischen Ralf und Ole und Martin fährt los.
Ich bin todtraurig aber auch etwas erleichtert, dass dieser schwere Tag für mich jetzt überstanden ist.
Ich bin regelrecht erschöpft, habe Durst, genieße nach all dem Stress Ralfs Hand, die zärtlich meinen Nacken krault. Ole bitte ich, mir aus dem Bordkühlschrank ein Bier zu geben, das ich relativ zügig leer trinke. Mit dem Kopf an Ralfs Schulter und seiner streichelnden Hand im Nacken fallen mir die Augen zu und ich döse vor mich hin. Als ich meine Augen wieder öffne, sagt Ole, dass wir gleich zur Ausfahrt Bremen kommen. Das wundert mich, dass ich nach allem heute trotzdem eingeschlafen bin.
Fünfzehn Minuten später halten wir vor der großen Treppe an der WG und Ole verabschiedet sich von uns. „Bis morgen“, sagt er, „wir kommen alle morgen nach dem ersten Unitag rüber zu euch nach Bremerhaven, das haben wir Lis und Carl August versprochen. Meine Mutter backt Schwarzwälder und wir werden zusammen Kaffee trinken. Tschüss, ihr Drei.“
Frank kommt die Treppe herunter und Ole umarmt seinen Schatz und sie küssen sich wild. Na, hoffentlich bekommt der ausreichend Schlaf heute Nacht, denk ich und grinse flüchtig und fühle ein bisschen Neid in mir. Ich könnte ja auch, wenn ich wollte, mit Ralf mein ich, alles in mir sehnt sich nach Liebe und auch nach Sex, etwas das mir zuletzt Uwe gegeben hat, von dem ich heute Abschied genommen habe.
Martin fährt vom Hof und nach etwa dreißig Minuten erreichen wir mein neues zu Hause, wo man uns freundlich willkommen heißt. Keine neugierigen Fragen, Tante Lis schaut mich an, dann nimmt sie mich in den Arm, streicht über meinen Rücken und sagt: „Es wird alles gut, mein Junge, geht erst mal schlafen, ich wecke dich morgen Früh so, das Ralf dich pünktlich in der Schule abliefern kann. Er holt dich dann auch später wieder ab.“
Wir wünschen uns eine gute Nacht, dann gehen Ralf und ich nach oben, Martin wird noch kurz über alles berichten, was wir erlebt haben, das wird der Onkel wollen, denk ich.
Als Ralf oben vor seinem Zimmer anhält, schiebe ich ihn weiter bis zu meiner Türe. „Ich will und kann nicht allein schlafen heute Nacht“, sag ich, „bitte bleib bei mir.“ „Gerne doch“, sag er und strahlt ein bisschen.
Im Zimmer ziehen wir uns aus, ich zuerst und nackt frage ich ihn, ob er noch duschen möchte. Als er nickt, sage ich: „Dann los, raus aus den Klamotten, wir gehen zusammen.“ Schnell ist auch er ausgezogen und folgt mir unter die Dusche, aus der es bereits warm und nass auf mich herunter rieselt. Seine Arme umfassen mich von hinten und ich lehne mich zurück, gegen ihn. Er ist steif, genau wie ich und ich greife nach seinem Glied, beginne es zärtlich zu reiben, schiebe die samtweiche Vorhaut hin und her und er stöhnt leise in mein Ohr.
„Fass mich an, wichs mich“, fordere ich ihn auf, aktiver zu werden und seine Linke krault meine Hoden, während die Rechte mich jetzt zärtlich reibt. „So schön“ flüstere ich und genieße die lang entbehrten Zärtlichkeiten, die bewusst nicht auf schnelles kommen ausgelegt sind. Eher bedächtig und liebevoll reibt jeder den Schwanz des anderen, darauf bedacht, ihm gut zu tun. Mit der Zeit wächst die Spannung und die Bewegungen verselbstständigen sich, werden schneller und das Stöhnen und Seufzen wir etwas lauter, bis uns, nach fast fünfzehn Minuten zärtlicher Spielerei, ein sehr intensiver Orgasmus schüttelt, fast gleichzeitig, bei dem wir uns nach unten sinken lassen auf den Boden der Dusche und uns dort küssend fest umschlungen halten.
„Danke“, flüstere ich, „danke, dass du bei mir bist. Das war sehr schön. Lass uns jetzt abtrocknen und dann ins Bett gehen, ich möchte an dich gekuschelt einschlafen. Vielleicht will ich ja Morgen mehr, mal sehen. Hab bitte etwas Geduld mit mir.“ Als Antwort bekomme ich einen Kuss und der sagt alles, was ich hören will. Er wird mich nicht drängen, möchte alles von und mit mir aber zu meinem Tempo, meinen Regeln. Ich fange an, ihn zu lieben, jedenfalls fühlt es sich so an und ich freue mich darüber.
Trocken und mit einer weiten Shorts bekleidet liegen wir kurz darauf im Bett, Po an Po und es braucht nicht lang, bis wir schlafen. Das die Tante ihn morgen hier in meinem Bett findet, wird sie, nach allem, was ich bis jetzt von ihr weiß, eher nicht stören und sie wird auch nicht lang brauchen, um sich daran zu gewöhnen, denk ich.

Martin, zur gleichen Zeit unten im Wohnzimmer

Auf einen Wink des Chefs bleibe ich noch sitzen, als Ralf und Alex nach oben gehen. Lis ist aufgestanden und hat in der Küche ein Bier für mich geholt und stellt die bereits geöffnete Flasche vor mich hin. „OK?“fragt sie, „oder lieber Wein?“ „Nee, Danke“, sag ich, „ist OK so“, und trinke einen großen Schluck, bevor ich über unsere Bonn-Tour berichte.
Das Alex Bruder dringend verdächtig ist und heute wohl auch verhaftet wurde, schockt den Chef und seine Frau doch, obwohl Carl August ja schon über die Vermutungen, den Täter betreffend, soweit das möglich war, informiert war.
Die jetzt schon fast hundert Prozent sichere Tatsache, dass der Bruder den Uwe absichtlich getötet hat, können die beiden nicht verstehen und das das dem Alex schwer zu schaffen macht, das kümmert Lis und sie sagt: „Wir werden mit ihm in eine Therapie gehen, dorthin, wo auch Kevin in Behandlung ist.“ Die Frau macht einen tollen Job und Kevin dürfte bald keinen Beistand mehr brauchen, für den ist sein Wolfi die beste Therapie und natürlich Du und Kai.“ Das Lob aus ihrem Mund freut mich jetzt.
„Ralf soll morgen den SUV nehmen und Lex zur Schule bringen“, sagt Carl August jetzt, „ die Anmeldung haben wir gemacht und ich habe mit dem Direktor gestern noch einmal persönlich gesprochen, damit Alex auch in die Klasse kommt, in die Armin, Denise und Dirk gehen. Auch für Torsten habe ich gefragt, ob der mit Sigrid und der Marie in eine Klasse gehen kann, was der Direktor mir dann auch versprochen hat.
Im Gegenzug hat der Direktor dann gefragt, ob unsere Firma bei der Anschaffung einer neuen Computerausstattung behilflich sein könne, da die jetzigen Rechner veraltet wären. Das Schulamt hätte maximal fünftausend Euro zugesagt. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm Rufus Weiden schicke, dem soll er sagen, was sie denn so alles brauchen.
Auf der Basis des Angebotes der Firma Weiden werde ich dann entscheiden, was unsere Firma dazu beisteuert. Rufus habe ich dann gestern noch angerufen und er hatte wohl heute Morgen schon einen Termin dort in der Schule.
Bei der Gelegenheit habe ich auch einen Rechner mit Drucker und Monitor für Alex und ein Notebook für in die Schule für ihn geordert, das Marvin morgen, wenn alle Leutchen zum Kaffee kommen, mitbringt und den Rechner dann mit Alex auch betriebsbereit machen kann.“
Lis grinst ein bisschen und sagt: „Wie ich dich kenne, wirst du alles, was über die Fünftausend hinaus geht, übernehmen.“ „Investitionen in Bildung sind immer gut und nützlich und wir setzen das als Sponsoring von der Steuer ab“, sagt Carl August, nun auch grinsend.
Ich erzähle noch ein wenig über die Familie Buchmann und das sie mit Alex im Einklang sind, ihm keine Vorwürfe irgendwelcher Art machen und das sie auch den Kontakt zu ihm halten wollen.
Mein Bier ist leer und ich steh auf, will mich verabschieden und runter, zu Kai und in mein Bett. Es waren anstrengende drei Tage und die Rückfahrt wegen der ganzen LKW ziemlich stressig. Ich sag: „Gute Nacht“, und gehe dann nach unten, wo mein zukünftiger Mann und auch der Fiffi sehnsüchtig auf mich warten.

Mike, Donnerstag, 05.09. um 16:30 auf der Terrasse bei Remmers

Nach Bekanntgabe unseres Entschlusses, das ich ein Fernstudium mache, kombiniert mit verschiedenen Kursen der Bremer Kunstschule und Dirks im nächsten Jahr in Bremen beginnendes Studium in BWL, haben wir dann am Montag nach dem Fest zusammen mit Jerome oben in unserem künftigen Bereich geplant. Das zweite Zimmer des dritten Zweizimmer-Appartements soll ein wenig in ein Studierzimmer geändert werden, so dass ich dort vernünftig arbeiten kann. Bei dieser Gelegenheit sagte Jerome, dass unten in der PC-Firma hinter dem Büro und dem Sozialraum noch ein weiterer Raum von sieben Meter über die ganze Breite des Gebäudes vorhanden sei, der nur sporadisch als Lagerfläche diene und für den er auch keine Miete erhebt.
Diesen Raum will er zur PC-Firma hin zu machen und vorn unter der großen Treppe nach oben einen Zugang zu der Fläche und noch zwei oder mehr Fenster brechen lassen. Wolfi könnte dann zwei der noch ab zuteilenden Räume für seine Firma nutzen und dann wäre noch Platz genug für einen Fitnessraum oder so was. Wolfi ist nicht abgeneigt und der Herr Knauer soll einen Plan machen, damit dass schnell gemacht werden kann.
Da in den Zimmern oben genug Platz ist, kann das Doppelbett ruhig dort stehen bleiben und immer noch als Gästebett für unsere Freunde dienen, wenn der ein oder andere nicht mehr nach Hause fahren will oder kann. Ein Zeichentisch, vielleicht eine Staffelei und ein paar Regale zusätzlich wären für meine Zwecke ausreichend und die Anschaffung würde mein Vater übernehmen. Natürlich ist Jerome damit voll einverstanden, weil er sich halt freut und die anderen auch, dass wir hier bei ihnen bleiben und dann später auch dauerhaft hier in der WG wohnen.
Im anderen Fall, wären Dirk und ich wohl zum Studium weg gezogen, was weder uns noch unseren Freunden und auch unseren Eltern gefallen hätte.
Oles Mutter hat Schwarzwälder gebacken, vier Stück mit Frau Guts Hilfe und Frau Remmers hat noch Kuchen und Teilchen bestellt gehabt, weil heute sind echt alle hier. Es fehlen nur die Wegmanns und Matze, mit denen wir nachher eine Skype-Sitzung machen wollen. Die Oma und die Tante sind auch nicht da, sie sind ja gleich am Montag zurück nach Borkum für zwei Wochen.
Rico hat diese Woche noch Urlaub bis kommenden Samstag und ist mit Noah mit dem Roller da. Rolf hat bis Sonntag noch einen Krankenschein, geht aber morgen in die Berufsschule und Tom und Micha werden gleich nach ihrem Feierabend mit dem Roller her kommen, so wie auch Torsten und Sigrid mit dem Roller da sind. Paolo ist vorhin mit dem Daccia gekommen, bleibt bestimmt hier über Nacht. Marie ist mit Marvin gekommen, der ja noch Alex PC installieren soll und deswegen früher gehen konnte.
Die WG Leute, auch Kevin hat Frühschicht, sind mit zwei Autos gekommen und Armin und Denise wurden von Ole und Frank abgeholt.
Schön, alle wieder zusammen zu sein und sich vom ersten Schul- oder Studientag zu erzählen. Das Essen in der Mensa ist Thema und Ralf und Alex berichten von Bonn, aber nur allgemein, zum Sachstand der Ermittlungen sollen sie wohl noch nichts erzählen.
Torsten ist schon am ersten Tag durch den ein oder anderen Spruch auf gefallen, aber nicht unbedingt negativ und Sigrid ist froh, dass sie jetzt mit ihm in einer Klasse ist und mit Marie. Für alle war es heute noch mal ein Schritt in den normalen Alltag, geprägt von den Zwängen wie Schule, Arbeit oder Studium und es freut sich wohl jeder hier, das übermorgen schon wieder Samstag und damit für die meisten Wochenende und frei ist.
Um halb sechs wollen wir noch runter in Sauna und Schwimmbad alle zusammen, bevor dann alle, bis auf die Hausbewohner ihren eigenen Wohnungen aufsuchen werden. Wir, Dirk und ich, schlafen heute bei uns und wenn ich ihn morgen in die Schule gefahren habe, werde ich mich, zumindest bis das die Post kommt, bei Papa in der Firma nützlich machen. Für Morgen rechne ich dann mit dem Eintreffen der ersten Studiumsunterlagen und ich habe mir fest vorgenommen, von Anfang an ernsthaft zu studieren und nichts auf die lange Bank zu schieben.
Später hole ich dann Dirk ab und dann wollen wir in die WG, einen konkreten Plan machen, den zur Verfügung stehenden Platz vermessen, um dann im Internet nach einem Zeichentisch und Regalen zu suchen.
Je eher alles fertig ist dort, umso besser und wir werden wohl auch die meisten Wochenenden hier bei den Jungs verbringen, nehme ich an. Seit ich jetzt Mamas Golf habe, ist das alles kein Problem mehr und in der WG können wir auch beim Poppen immer Gas geben, da sind solche Geräusche bestimmt des Öfteren zu hören und stören wird es niemanden, denk ich.
Schneiders, auch mein Schatz, haben sich in der neuen Wohnung gut eingelebt und sind mit den neuen Gegebenheiten sehr zufrieden. Die Wege zur Arbeit und zur Schule sind nicht wesentlich länger als vorher, die Verbindungen sind gut und auch die Einkaufsmöglichkeiten sind ganz OK. Alles in allem ein sehr guter Tausch und auch die Leute im Haus sind alle ziemlich nett.
Dirk, der wohl gerade von der Toilette kommt, sieht mich ganz komisch an und kommt auf mich zu.
„Schatz“, sagt er, „mir ist nicht gut und ich glaube, ich habe Fieber. Fühle bitte mal an meiner Stirn.“
„Boah“, sag ich fühlend, „du glühst ja, was ist denn jetzt los?“ Lis, Jeromes Mutter kommt zu uns, fragt, was los ist, fühlt an Dirks Kopf und schickt dann Natascha los, um einen Fieberthermometer zu holen. Die kommt schnell zurück mit einem Teil, mit dem man das Fieber im Ohr misst.
Das tut Jeromes Mutter jetzt und das Ergebnis ist neununddreißig Komma acht, verdammt hoch.
„Er muss zum Arzt, aber die haben wohl jetzt schon alle zu, denn es ist fast halb sechs“, sagt Lis und winkt Martin. „Dirk hat hohes Fieber und es ist ihm schlecht, fahr ihn in die Klinik“, sagt sie zu Martin, „Mike kann mitfahren. Hast du deine Versichertenkarte dabei, Dirk?“, „Ja, die ist im Geldbeutel“, sagt mein Schatz und hält sich den Bauch.
„Fahrt los“, sagt Lis, „und Martin, bleib bei den Jungs, bis klar ist, was er hat. Wenn er nicht dortbleiben muss, fahr ihn nach Haus, Mike wird wohl dann dort bleiben. Ruf mich an, wenn du etwas weißt.“ Martin nickt und wir gehen zum Achter, Dirk geht leicht nach vorn gebeugt und hält seinen Bauch. Kaum sitzen wir, ich hab in angeschnallt, fährt Martin los und fünfzehn Minuten später sind wir in der Ambulanz der Klinik. Ein junger Arzt kommt und nimmt Dirk mit in einen Untersuchungsraum, ich muss draußen bleiben und ich bin besorgt und sehr nervös.
„Ruf seine Eltern an“, sagt Martin zu mir, „ und deine auch.“
Ich fummele mein Handy raus und wähle Schneiders Nummer. Als seine Mutter ran geht, sag ich ihr, was los ist und das wir vorsichtshalber in die Klinik gefahren sind, um das untersuchen zu lassen. Sie verspricht, bald möglichst her zu kommen. „Bringen sie vorsichtshalber mal ein paar Sachen für ihn mit, es könnte ja der Blinddarm sein und dann muss er wohl bleiben“, sag ich.
„Gute Idee, Mike“, sagt sie, „wir sind bald da.“
Nach dem ich auch meine Eltern in Kenntnis gesetzt habe, sitzen wir hier in der Wartezone und hoffen, bald was Genaueres zu erfahren.
Nach zwanzig Minuten kommt der Arzt und fragt: „Wer von ihnen ist Mike?“ „Ich“, sag ich.
„Kommen sie bitte mal mit“, sagt er und geht mit mir ein paar Schritte zur Seite, „normal darf ich ihnen keine Auskunft geben, aber der Herr Schneider hat darauf bestanden, hat gesagt, wie sie zueinander stehen. Er hat eine akute Blinddarmentzündung und wird jetzt gerade zur OP vorbereitet.“ „Ich habe seine Eltern informiert“, sag ich, „die müssen gleich da sein. Soweit ich weiß, hat er im Krankenhaus so eine Zusatzversicherung, hat er was gesagt?“
„Ja, er hatte auch dafür ein Kärtchen dabei und das wird bei der Aufnahme und auch jetzt schon berücksichtigt“, sagt der Doktor.
Jetzt kommen Schatzis Eltern und nehmen, nach dem seine Mama mich gedrückt hat, den Doktor in Beschlag. Die Tasche mit den Sachen drückt sie vorerst mal mir in die Hand und der Doktor nimmt seine Eltern mit zu Dirk, den ich jetzt auch gern sehen würde.
Nach zehn Minuten kommen seine Eltern zurück, sagen dass er jetzt operiert wird, vom Oberarzt und das er dann hoch kommt auf die Chirurgie. „Das ist doch da, wo Ole, Frank und auch Paul gelegen hat“, sagt Martin und nimmt die Tasche. „Komm, wir bringen die Tasche hoch“, sagt er, „wir können oben auf ihn warten. Blinddarm, das geht schnell und da kommt er auch gleich hoch und nicht auf Intensiv.“
Ich sag Schneiders Bescheid und fahre mit Martin hoch auf die Station und wir gehen zum Stationszimmer. Dort sagen wir, das ein Dirk Schneider im OP ist, Blinddarm und das ich sein Freund bin und das wir seine Sachen haben, auch das seine Eltern nach unten sind und wohl auch gleich hoch kommen.
Dann sage ich, dass wir Freunde von Frank und Ole und auch von Torsten und Paul sind, die ja alle nicht vor allzu langer Zeit hier gelegen haben.
Ein Zivi, wohl Franks ehemaliger Zimmerkamerad fragt dann, wie es Frank geht und auch Ole und er sagt, das Dirk ins gleiche Zimmer kommt, in dem Ole und Torsten gelegen haben. Martin und ich setzen uns in den Wartebereich und warten auf meinen Schatz, der dann auch, nach zwanzig weiteren Minuten, noch schlafend in das Zimmer gerollt und dort fertig versorgt wird. Da Dirk schläft, macht es wenig Sinn, mit so vielen Leuten hier zu bleiben. Der Pfleger meint, dass er bestimmt die nächsten drei bis vier Stunden schlafen wird. Man wird alle zehn Minuten nach ihm schauen, sagt der Stationsarzt, der jetzt dazu gekommen ist.
„Es ist alles gut verlaufen, es war noch rechtzeitig genug, um Schlimmeres zu vermeiden und er hat es auch gut überstanden“, sagt der, „es wurde Endoskopisch operiert, also kein Bauchschnitt gemacht, so dass er Morgen im Laufe des Tages aufstehen und Sonntag, wenn es keine Komplikationen gibt, wieder nach Hause kann. Schule geht dann auch wieder, nur Sport nicht und schweres Heben eine Woche lang nicht. Es empfiehlt sich, ihn jetzt allein zu lassen, er wird hier gut versorgt heute Nacht. Morgen können sie dann schon ab neun Uhr kommen.“
Martin stupst mich an und sagt: „Komm, wir fahren zurück, hier wirst du jetzt nicht gebraucht.“
Ich geh zum Bett und hauche einen Kuss auf seine trockenen Lippen, bevor ich mich von Dirks Eltern verabschiede und folge Martin auf den Gang und zum Aufzug.
Zwanzig Minuten später sind wir bei Remmers. Es ist jetzt halb Acht und die meisten sind noch da, so dass wir dann allen mitteilen, was war und das alles gut gelaufen ist. Dass Dirk wahrscheinlich schon Sonntag wieder nach Hause und Montag in die Schule darf, freut alle, besonders Alex, der sich einen Tisch mit Dirk teilt in der Schule. So muss er jedenfalls nicht allein dort sitzen am Montag.
Jerome meint, wenn Dirk ja jetzt in der Klinik liegt, könnte ich auch mit in die WG fahren und dann Morgen nach dem Frühstück dort, wenn sie zur Uni fahren, nach Bremerhaven zu Dirk in die Klinik fahren. Die Idee gefällt mir und so werde ich nach her mitfahren, dann bin ich nicht allein heute Abend.
Frank hat dann, während wir im Wohnraum der WG Karten gespielt und ein Bier getrunken haben, in der Klinik angerufen und sich nach Dirk erkundigt. Hugo hat Nachtdienst, der kann Frank gut leiden und der hat gesagt, es wäre alles gut und Dirk würde gut schlafen. Das Fieber ist runter und alles ist im grünen Bereich. Auf diese Nachricht hin werde ich dann doch bestimmt gut schlafen mit dem Wissen, das es meinem Hasen schon wieder besser geht. Alle hier sind froh darüber und so gegen halb Elf verkrümeln wir uns in die Betten. Morgen geht es bei Zeiten los, die Uni fängt um acht Uhr an und auch Kevin muss früh um acht da sein, da gibt es Frühstück um sieben, gut, das Morgen Freitag ist und dann wieder Wochenende. Das das zum großen Teil in der Klinik stattfindet, ist mir egal und Hauptsache ist doch, das es meinem Schnuckel bald wieder richtig gut geht.

Robin, Freitag 06.08. um elf Uhr dreißig, nach den Reha Übungen in einem normalen Stationszimmer in der Klinik in New York

Seit Dienstagmorgen liege ich jetzt hier in einem normalen, sehr hellen und komfortablen Zweibettzimmer, allein wollte ich nicht in einem Zimmer bleiben, allerdings hätte ich das auf Grund der hohen Kosten sofort haben können. Ich bin nicht der Typ, um allein rum zu liegen und die Wände an zu starren. Mit mir im Zimmer liegt ein vierzehn jähriger Junge, mit Namen John Ephraim Perkins, er hat hellbraune Haut und dunkle, kurze Haare, ich denke, das einer der näheren Vorfahren dunkelhäutig war.
Er ist mit einer ähnlichen OP am selben Tag wie ich hier operiert worden und er ist aus Atlanta, der Hauptstadt des Bundesstaates Georgia, der in den ehemaligen Südstaaten liegt. Wir haben uns von Beginn an, er kam zwei Stunden nach mir in das Zimmer, gut verstanden und obwohl mein Englisch nicht so elegant ist, wie das von Matze oder Chris, können wir uns gut unterhalten.
Dienstagmittag, als Matze und Chris gekommen sind, haben sie meinen Laptop mitgebracht und auch John hat ein gutes Tablett dabei, so dass wir beiden Verbindungen nach draußen haben.
Seine Mutter ist mit ihm hier, wohnt in einem Hotel in der Nähe und kommt täglich etwa zwei bis drei Stunden am Nachmittag und ich habe Chris und Matze gesagt, das sie dann auch in dieser Zeit herkommen sollen, damit wir, John und ich, den Rest des Tages für uns haben. Die zwei sollen ihre Zeit hauptsächlich miteinander verbringen, sich besser kennenlernen, damit etwas Dauerhaftes aus ihrer Beziehung wird. Ich habe den Eindruck, dass sie auf dem besten Weg sind, glücklich zu werden und das freut niemanden mehr, als mich.
Morgens gehen wir beide von halb neun bis elf Uhr mit einem Rollator zusammen zu den Reha-Übungen in eine Spezialabteilung und danach, um halb zwölf, sind wir schon ganz schön platt und ruhen bis halb eins, dann kommt das Essen.
Nach dem Essen heißt es liegen und wir bekommen die zweite Infusion mit Aufbaustoffen und auch Hormonen, die erste gibt es schon gleich nach dem Frühstück und gegen Abend dann Nummer drei.
Alle zwei Tage ist wiegen und messen angesagt und wir haben beide schon etwas zugenommen.
Bis es mit dem Wachsen anfängt, dauert es immer etwa zehn bis zwölf Tage, hat Alex gesagt, der öfter am Tag mal reinschaut. Er kommt jeden Morgen in die Klinik, ist vorübergehend in Jasons Team und lernt quasi hier, wie sie arbeiten und operieren und lernt auch die Geräte kennen. Ich bin so froh, dass er da ist, das gibt mir Kraft und Gelassenheit, ihn immer in der Nähe zu wissen.
Ob er seinen Markus, das ist der ja jetzt wohl, sehr vermisst? Ich wünsche mir so, dass die beiden glücklich werden, sie passen einfach gut zusammen und haben auch beide verdient, glücklich zu werden.
Am Nachmittag, wenn der Besuch wieder weg ist, gehe ich, John auch, ins Internet, ich schreibe und skype mit den Leuten in Deutschland, mit Boris, Jerome und Ole, mit Mama und Frau Remmers und auch mit Kevin und erzähle, was hier so läuft und erfahre, was drüben in der Heimat abgeht.
Dort hat ja jetzt die Schule wieder angefangen und auch das Studium. Vom Fest in der WG hat Wolfi Bilder geschickt, war wohl ganz schön was los, aber das ist es ja fast immer bei Remmers.
schade, dass wir da nicht dabei waren, aber Jerome hat geschrieben, dass wir alle ein ganz großes Fest feiern, wenn ich gesund zurück komme. Das wird bestimmt geil und Boris soll dann auch kommen, hat er gesagt. Mit Boris skype ich fast täglich, wenn in Deutschland Abend ist, oft, wenn er schon im Bett liegt. Wir erzählen uns alles, was wir über Tag gemacht und erlebt haben und er hat mir erzählt, dass er im Schwimmbad neulich ein nettes Mädchen kennengelernt hat. Das hat mir, zu meiner eigenen Überraschung, einen kleinen Stich versetzt, dass mein Boris wohl jetzt eine Freundin hat. Bedeutet das vielleicht, dass ich mehr empfinde für ihn als nur Freundschaft? Ich weiß es nicht und will mir jetzt auch nicht mit Gewalt den Kopf darüber zerbrechen.
Mein Leben ist im Umbruch, mal abwarten, was da für ein neuer Robin dabei rauskommt. Es wird schon werden und wie ich dann lebe und liebe, das ergibt sich wohl.
Ab Montag darf ich dann zu Chris und Matze nach Hause bis kurz vor dem nächsten OP Termin, John geht dann tagsüber zu seiner Mutter ins Hotel und kommt abends wieder in die Klinik, dann braucht er kein extra Hotelzimmer. Das wir in einem Haus wohnen, findet er geil und hat gefragt, ob er denn wohl mal bei mir übernachten darf. Ich habe gesagt, dass ich erst mit Chris und Alex sprechen muss, für mich wäre das kein Problem. In meinem Zimmer steht ein großes Doppelbett und nachts ist ja Alex da, wenn also was wäre, mit einem von uns, mein ich. Er muss auch erst mal seine Mutter fragen, ob sie einverstanden ist damit.
Zu den Reha-Übungen müssen wir dann immer in die Klinik, anschließend dort auch die Mittagsinfusion, die Infusionen morgens und abends kann ich zu Hause bekommen, wie das bei John ist, weiß ich nicht.
Na, wenn er bei mir schläft, kann Alex das ja machen, aber sonst……ich weiß nicht, ob das jemand von der Klinik macht im Hotel.
Winston will kommen, am Dienstagnachmittag um drei, sein Vater hat was in der Stadt zu erledigen und setzt in auf dem Hinweg bei unserem Haus ab und holt ihn abends wieder ab. Ich freue mich wie blöd, endlich lerne ich ihn kennen, meinem Internetfreund, mit dem ich schon so lange befreundet bin und der immer an meine Genesung geglaubt hat. Ich habe John von Winston erzählt, von unserer langen Freundschaft und das wir zusammen ein Spiel basteln, ein Computerspiel. Das findet er interessant und fragt, ob ich ihm das bei Gelegenheit mal zeigen möchte. „Da es nicht mir allein gehört“, sag ich, „muss ich erst Winston fragen, aber der hat bestimmt nichts dagegen.“
Ich habe John auch von meinen vielen tollen Freunden erzählt und er hat wohl ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich vorher, als ich diese Freunde noch nicht hatte und auch immer nur Chris und Mama und sonst niemand. Er hat noch seinen Dad und eine Schwester von achtzehn, beide kümmern sich sehr um ihn, sein Dad nimmt in mit zum Baseball und auch zu anderen Veranstaltungen und geht mit ihm zum Angeln. Freunde hat er kaum und meist weiter weg, welche die mit ihm in die Sonderschule gehen, auch behindert sind. Ein Junge aus der Nachbarschaft, der so alt ist, wie er, der kommt öfter zu ihm und er nimmt ihn auch mit zu sich nach Hause, ist schon ein Freund, der aber an manchen Tagen auch mit seinen nichtbehinderten Freunden skaten, Rad fahren oder rum toben geht.
Auch John hat lange auf die OP gewartet, auch, weil sie so viel Geld kostet, aber der örtliche Baseballclub hat über ein Jahr gesammelt bei jeder Gelegenheit und so das Geld für die OP zusammen gebracht. Ich erzähle ihm auch, wie es mit dem Geld für meine OP gelaufen ist und das ich durch diese Aktion jetzt so viele tolle Freunde habe.
Er will, wenn er ganz gesund ist, in dem Baseballverein spielen und viele Homeruns machen zum Dank für das Sponsoring. Ich mag den Jungen und wir werden wohl auch eine längere Zeit zusammen hier verbringen, von OP zu OP und hoffentlich beide gesund nach Hause gehen. Sein Dad und seine Schwester kommen nächstes Wochenende zu Besuch, darauf freut er sich schon sehr.
Das ich meinen Vater nie kennenlernen konnte, weil er schon vor meiner Geburt gestorben ist tut ihm leid, das Chris mir quasi den Dad ersetzt hat, findet er toll und das Chris einen Jungen, sprich Matze liebt, stört ihn gar nicht, was ihn mir noch sympathischer macht.
Jetzt kommt das Essen, das eine sehr hübsche und nette Schwester so um die Zwanzig bringt, die Jennifer heißt und die eine tolle Figur hat. Torsten würde sagen: „Boah, tolle Möpse“ und das ist echt so, das regt schon ein wenig an und verleitet zum Starren, was sie aber offensichtlich gewohnt ist. Sie übersieht das einfach und ich denke, sie sieht in uns nur kranke Kinder, keine Jungs in der Adoleszenz, rein äußerlich ist das ja auch noch so.
Um Eins, wir sind fertig mit Essen, kommt Alex und schließt die Infusionen an, nach dem er die Zugänge auf unseren Handrücken kontrolliert hat. Ich bin immer ganz froh, wenn er kommt und er gibt mir immer einen Kuss auf die Stirn, bevor er den Schlauch anschließt. Danach ist John an der Reihe, der zwar keinen Kuss aber immer ein paar nette Worte von Alex bekommt. Mein Verhältnis zu Alex habe ich John schon erklärt. Das Alex mich schon über zehn Jahre behandelt und extra mit mir in die Staaten gekommen ist, um bei mir zu sein aber auch, um hier dazu zu lernen für seine Arbeit in Deutschland.
Wir haben uns sehr genau erzählt, wie es da ist, wo wir her kommen. Er würde lieber, weil er einen farbigen Hintergrund hat, nicht in Georgia leben, wo unterschwellig und manchmal offen die Abneigung gegen Farbige spürbar ist.
Da sein Dad für ein kanadisches Unternehmen tätig ist, bemüht er sich schon länger, nach Kanada versetzt zu werden. Die Chancen, das es klappt, sind ganz gut und vielleicht schon zum Jahresende hin machen sie nach Vancouver, wo das Hauptwerk der Firma „Husky“ liegt, die Maschinen zur Herstellung von Plastikflaschen aller Art herstellen und weltweit vertreiben und auch aufbauen.
Da der eventuelle Umzug mit der Genesung von der Krankheit einher geht, kann er als weitgehend normaler Junge in Kanada anfangen, zur Schule gehen, Sport machen, praktisch neu anfangen mit allem. Das er dann nicht bei den Atlanta Braves spielen kann, das ist der einzige Wermutstropfen für John bei der Umzugsgeschichte.
Ich habe ihm erzählt, dass ich mal Kapitän werden will und auch von der tollen Schiffsreise, bei der ich oft das Ruder führen durfte. John ist noch nie mit einem größeren Schiff gefahren, nur mit dem Boot beim Angeln. So hat halt jeder seine Erfahrungen und der Gesprächsstoff geht uns nicht aus, bis dann der Besuch kommt.

Onkel Jo, MS Europa,Freitag 06.08.2010, vierzehn Uhr, auf der Fahrt von Rhodos nach Zypern

Die Sonne brennt heiß an Deck, im Pool herrscht Hochbetrieb und die Stewarts sind unterwegs ohne Ende, um die Passagiere mit kühlen Getränken zu versehen. Joachim hat alle Hände voll zu tun mit Sonnenbrand, aber richtig heftig und drei Leute mit Sonnenstich und einem Armbruch nach einem Poolunfall. Zwei ausgeschlagene Zähne und ein ausgeprägtes Brillenhämatom nach einer Schlägerei zwischen zwei Betrunkenen gehören auch zu seinen Patienten, ohne die Damen und auch Herren, die sich von dem hübschen Schiffsarzt gerne mal Titten oder den Arsch abtasten lassen wollen, in der Hoffnung auf mehr.
Er wird ganz schön gefordert, nicht aus medizinischer Sicht, sondern nervlich, durch die vielen, die kommen, nicht weil sie krank sind, sondern weil ihnen was fehlt. Leider müssen die Leute dann schnell begreifen, dass der Doktor immun ist gegen all die Versuche, ein Stück von ihm zu bekommen, weil der genau weiß, was und wen er will, nämlich mich.
Es läuft so fantastisch mit uns beiden, so und noch schöner, als ich mir es vor vielen Jahren gewünscht habe. Jetzt ist es einfach perfekt mit uns.
Der Kontakt mit den Jungs und Mädels um Ole reißt nicht ab und Joachim und ich haben ihm und den Anderen Studienanfängern alles Gute zum Start in den neuen Lebensabschnitt gewünscht.
Die Fahrt verlief bisher ohne große Probleme, von der kleinen Hauerei mal abgesehen.
Wir haben Genua am neunundzwanzigsten Juli um elf Uhr verlassen, waren in Palermo auf Sizilien, von da nach La Valetta auf Malta. Von dort ging es nach Piräus in Griechenland, dann rüber nach Rhodos und von dort nach Zypern.
Das nächste Ziel wird nach Zypern Alexandria in Ägypten sein, von wo es nach Heraklion auf Kreta geht. Von dort aus geht es nach Catania und dann nach Neapel, bevor wir wieder Genua anlaufen. Diverse Landgänge mit Programm, ein halber Tag Badeaufenthalt in einer Bucht auf Rhodos und ein gutes Unterhaltungsprogramm an Bord habe die meisten Passagiere begeistert und es gab nur wenig Nörgler. Größere Wehwechen, die eine Klinik oder einen Rücktransport per Flieger benötigt hätten, gab es nicht und Joachim hat bisher alles gut gemeistert. Der Kapitän ist sehr zufrieden mit seinem neuen Schiffsarzt und ich, ich bin es natürlich auch. Mein Glück ist mit ihm hier an Bord vollkommen und ich bin froh, dass er den Mut hatte, mich zu kontaktieren und ich den Mut hatte, einen neuen Versuch mit ihm zu wagen. Es passt alles bestens, einfach WOW.

Noah. Freitag, 06.08. um zwölf Uhr, im Hermann Böse Gymnasium Bremen

Noch eine Stunde, dann ist wieder Wochenende und zwei Tage Ruhe und viel Zeit mit Schatzi, der heute noch frei und morgen Mittagsschicht ab elf Uhr hat. Heute Abend ist wieder Fahrschule und wir sind jetzt zu fünft im Unterricht, Ole und Kevin, die ja jetzt in Bremen wohnen, gehen jetzt auch mit in die Bremer Filiale der Fahrschule.
Nach dem Unterricht heute Abend wollen wir alle mit in die WG und auch dort schlafen. Da es immer noch sehr warm ist und das Gelände ja abgesperrt ist nachts, wollen wir, wenn es dunkel wird, nackt in den Pool und da noch vom Fest einiges an Getränken da ist und keiner mehr fahren muss in der Nacht, wird das bestimmt lustig.
schade, dass Dirk krank ist, jetzt schauen sie wieder öfter auf meinen Pimmel, wenn Dirk da ist, verteilen sich die Blicke aber es ist nicht mehr wirklich schlimm. Ralf und Alex werden bestimmt auch kommen und dort bleiben, während die gemischten Pärchen wohl nach Hause fahren werden. Paolo mit Natascha bestimmt zu sich in die Wohnung und Torsten und Sigrid werden zu Torsten fahren, das ist ja nicht so weit. Armin und Denise, so sie denn auch kommen, werden, da Armin nichts trinkt und Denise gerne lange schläft, zu ihm nach Hause fahren. Autos sind ja genug da und ich denke, Jerome gibt ihm den kleinen Skoda oder Ole ihm den Golf.
Unser Urlaub war einfach toll und das, obwohl ja Papa, Mama und Oma dabei waren, aber es hat alles gepasst. Wir haben sehr viel Spaß gehabt und sind uns noch viel näher gekommen, mein Schatz und ich. Rico kann jetzt gut surfen, besser als ich, er hat einfach Talent dafür. Na ja, mein Bein ist nach dem Unfall immer noch nicht richtig gut und Rolf und ich werden noch mal einige Einheiten KG und Reha-Sport machen, das will Papa so und das wird uns auch gut tun.
Dieses Hotel war echt gut und das Essen, einfach toll und das mein Schatz die Kunst, italienisches Essen zu zubereiten mehr als perfekt beherrscht, das freut mich und macht ihn für mich noch einmal wertvoller, obwohl das fast gar nicht mehr möglich ist.
Jetzt wollen er und Paolo ihre Mama und die Schwestern einladen, in ihre Wohnung mit Natascha und mir, zum Kennenlernen und damit die Mama weiß, dass es ihren Jungs gut geht, auch ohne den Papa und das Ristorante. Ich freue mich darauf, seine Mama mal zu sehen, Papa kennt sie ja schon aus dem Ristorante. Ob sein Vater mal irgendwann vernünftig wird, ist nicht gut ein zu schätzen. Es wurmt die Zwillinge schon, dass der Alte so ist, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen, wäre ihnen ein harmonisches Familienleben doch lieber. Dafür haben beide jetzt ja uns, Natascha und mich mit unseren Familien, in denen sie herzlich auf genommen wurden.
Die Stunde ist gleich rum und dann geht es mit dem Roller heim, was essen und zu Rico. Dann werden wir bestimmt erst mal etwas chillen und dann Klamotten packen, Kleider und Wäsche bis Sonntag und ein paar Kondome und Gel, weil wir ja in der WG bleiben und zwei Tage ohne Liebe, das geht gar nicht. Rico ist bestimmt schon spitz, wenn ich nach her zu Hause vom Roller steige. Lange überreden muss er mich dann auch nicht, wenn er Lust zum Poppen hat, mein Schätzchen.
Es läutet und das große Stühle rücken beginnt. Alle stellen die Stühle hoch auf die Tische und dann strömt alles in den Gang, dem Ausgang zu und ab ins erste Wochenende nach den Ferien.

Boris, Samstag, 07.08., in Radebeul, bei der Oma um 13:30, beim Essen.

Samstag haben die Azubis alle zwei Wochen frei, ich auch aber heute war ich dran mit arbeiten, von halb acht bis dreizehn Uhr. Opa war natürlich auch da, er geht jeden Samstag, Ausnahmen sind selten. Eben erst sind wir heim gekommen, Opa und ich und nun essen wir zu Mittag, was Oma gekocht hat. Oma kocht echt gut, meist Hausmannskost, deftig und lecker, sie kann aber auch fein.
Die erste volle Woche ist schnell rum gegangen, ich habe auch schon das ein oder andere gelernt.
Berufsschule gibt es als Blockunterricht, zwei Wochen im Quartal, in Dresden, ich bin aber erst zum Quartalsende dran, also zunächst Werkstatt die ganze Woche.
Nach her gehe ich mit Flipp spazieren, der liegt schon mit der Leine im Maul unter dem Tisch und wartet. Heute Abend bin ich zu einer Geburtstagsparty eingeladen bei Jakob, das ist der rechte Innenverteidiger in unserer Mannschaft und er ist ein netter Typ. Die Kleine, die ich im Schwimmbad kennengelernt habe, Anke heißt sie, die kommt auch.
Anke Strobel, sechzehn und eins siebenundsechzig groß, rotblonde Haare, schlank aber nicht dürr, lustig und ich glaube, sie mag mich. Sie hat blaue Augen, eine sehr helle Haut und einige sehr süße Sommersprossen, ich mag sie auch und sie gefällt mir sehr. Sie geht nach Dresden aufs Gymnasium in die jetzt begonnene elfte Klasse, also noch zwei Jahre. Ihre Eltern bauen Wein an und sind selbstständig. Anke ist das einzige Kind, sie hatte noch einen älteren Bruder, der ist aber im Weinberg mit dem Traktor vor vier Jahren tödlich verunglückt, hat sie mir im Schwimmbad neulich erzählt. Der Junge war erst sechzehn, als es passiert ist, der Traktor ist wohl am Hang umgekippt und er ist von dem Teil überrollt worden.
Ich würde gern fest mit ihr gehen und werde sie heute Abend fragen, ob sie das auch möchte. Ich kann mir schon vorstellen, fest mit ihr zusammen zu sein und es kribbelt auch, wenn ich an sie denke und das tue ich sehr oft.
So, ich bin fertig mit dem Essen. „Es war lecker, Oma“, sag ich, „ich geh dann mal mit Flipp.“
Opa sagt: „Schau mal beim Garten vorbei, ob dort alles OK ist. Vor ein paar Tagen haben sie versucht. In der Gartenreihe vorne dran, zwei Häuschen auf zu brechen. Es hat aber nicht geklappt.“
Also ist mein Weg mit Flipp schon klar und ich leine ihn an und ziehe los, das heißt, eigentlich zieht ja Flipp.
Morgen spiele ich das erste Mal in der neuen Mannschaft, nicht von Anfang an, aber der Trainer hat gesagt, dass ich auf jeden Fall zum Einsatz komme. Ich spiele wie Jakob auch am liebsten Innenverteidiger, mit drang zum Tore schießen und heute ist das zweit Spiel der Saison, das erste hat die Mannschaft auswärts Unentschieden gespielt. Morgen, zu Hause, soll auf jeden Fall ein Sieg her. Das Spiel beginnt um zehn Uhr dreißig, also heute nicht so spät und ohne Alkohol ins Bett. Mal sehen, wie spät es wird. Ich werde mit dem Roller hinfahren und einen zweiten Helm mit nehmen. Dann kann ich Anke nach Hause fahren, wenn sie das will.
Die Arbeit macht mir Spaß bei Opa und man hat mich auch gut aufgenommen. Das Jahr bei der Bahn als Azubi bei der Bahn als Elektriker ist nicht unbedingt verloren, ein Teil des Grundwissens aus der Zeit kommt in ähnlicher Form auch bei Autos und Landmaschinen zum Tragen.
Ich bin zurzeit bei der Landmaschinenreparatur eingesetzt und das Team ist ganz OK. Da ich Schaltpläne lesen kann, konnte ich einen Fehler in der Elektrik eines Mähdreschers schnell finden und der Geselle hat dann den Fehler beseitigt. Es klappt also ganz gut und es gefällt mir auch und der Gedanke, dass alles vielleicht mal mir gehört, ist mir nicht unsympathisch.
Heute werde ich versuchen, schon vor acht mit Robin zu skypen, weil ich ja später auf der Party bin.
Ich freue mich sehr für ihn, dass die erste OP so gut verlaufen ist, das macht Mut und Hoffnung für all das, was noch auf ihn zukommt. Jetzt sind Flipp und ich am Garten angekommen und ich gehe zum Häuschen, schauen ob alles in Ordnung ist. Ich kann nichts feststellen, alles ist OK, also machen wir uns auf den Weg, noch ein Stück weiter bis zum Wald und dann auf einem anderen Weg zurück zum Haus. Flipp trinkt Wasser und legt sich dann in den Schatten, ich sage Opa, das alles OK da draußen ist, dann geh ich hoch auf mein Zimmer und lege mich auch ein bisschen hin.
Ankes Bild taucht vor mir auf, ich glaube, ich bin ein wenig verknallt in sie.

So, das war 92, ich hoffe, es hat gefallen. Bis bald

Hermann

 

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4 Kommentare

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    • SvenGVM auf 9. September 2016 bei 22:45
    • Antworten

    Danke für einen weiteren Teil der Story.

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    • Andi auf 10. September 2016 bei 11:10
    • Antworten

    Huhu Hermann,

    wow tolle Fortsetzung, recht heftig teilweise. Wirklich klasse. Freu mich auf die nächsten Folgen.

    VlG Andi

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    • Chris auf 12. September 2016 bei 07:08
    • Antworten

    Hallo Niffnase,

    vielen Dank für die neuen Folgen, aufgrund meines Urlaubs könnte ich nicht früher schreiben. Vielleicht ist das ja auch ein Grund für die geringe Anzahl der Kommentare.

    Mir habe die deutlicheren Kapitelüberschriften besser gefallen.

    LG Chris

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      • Andi auf 14. September 2016 bei 23:35
      • Antworten

      Hallo Chris, hm Kommentare kann man nachreichen,werden auch hochgeladen. Kann also nicht der Grund für wenig Resonanz sein…
      Deutlichere Überschriften jaa, doch, da hat man schon eine Ahnung, was da kommt.

      LG Andi

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