Die zweite Chance – Teil 13 [letzter Teil]

Mit zwei Schritten war Sven im Haus und drückte Florian mal wieder gegen die Wand. Auch der Kuss folgte wie eine halbe Stunde vorher schon einmal.

„Haben wir Zeit noch ein bisschen zu kuscheln?“, nuschelte Sven ohne den Kuss wirklich zu unterbrechen.

„Ähm… ich weiß nicht…“

„Es ist schon einen Tag her, dass ich dich richtig in den Armen halten durfte.“

„Aber… meine Mutter ist hier irgendwo…“

„Ist sie nicht!“, freute sich Sven, „ich hab sie grade wieder bei den Garagen gesehen.“

„Wie ist sie denn dahin gekommen? Die hätte mir doch entgegen kommen müssen.“

„Lenk jetzt nicht ab!“

Florian konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und irgendwie hatte er den Eindruck es würde immer breiter werden.

„Okay, komm mit.“

Florian zog Sven an der Hand in sein Zimmer hoch.

„Das Zimmer ist wirklich…“, meinte Sven als er von Florian durch das Zimmer gezogen wurde.

„Was?“

„Das sieht irgendwie nach dir aus…“, erwiderte Sven als sie am Bett angekommen waren.

„Da hab ich auch schon was anderen gehört.“

Florian lies sich auf sein Bett fallen und sah Sven von unten an.

„Was hast du denn vor?“

„Äh… ich dachte… du wolltest doch… kuscheln?“

„Ja, aber ich dachte dabei eher an das Sofa“, grinste ihm Sven entgegen.

Florian wurde rot und wollte schon wieder aufstehen, als Sven sich zu ihm legte und mit seiner Hand wieder auf das Bett drückte.

„Nach der Aktion in der Turnhalle hätte ich echt gedacht, dass du, was so was angeht, selbstbewusster bist.“

„Was so was angeht bin ich es garantiert nicht.“

„Du hast verdammt schlecht Erfahrungen gemacht, oder?“

„Ja…“, irgendwie gab Florians Stimme nach.

Er nickte nur noch leicht und drückte sich an Sven. Er fühlte die Tränen sie sich mal wieder in seinen Augen sammelten. Eigentlich hatte er gedacht, dies hinter sich gelassen zu haben. Doch es kam ihm Mal wieder vor wie ein neues Leben, ein Traum. Und sein bisheriges wie ein Alptraum. Beides kam ihm so extrem vor, dass er Angst hatte er könnte sich auch jetzt in einem Traum befinden und aufwachen.

„Ganz ruhig… ich bin bei dir… ich bleib bei dir“, flüsterte Sven als hätte er seine Gedanken gelesen.

„Erzählst du mir was vor eurem Umzug passiert ist?“

„Zu sagen es war vor unserem Umzug trifft es nicht wirklich… es war der Grund für unseren Umzug.“

Eigentlich wollte er nicht wieder alles erzählen müssen. Sondern nur alles hinter sich lassen. Aber Sven sollte es wissen, er sollte erfahren wer Florian wirklich war.
Und Florian fing wieder an zu erzählen. Während der gesamten Zeit drückte er sich an seinen Freund, als sei er sein Anker.
Nach einer gefühlten Ewigkeit beendete er seine Erzählung.

„Und willst du jetzt noch immer mit mir zusammen sein?“

„Warum sollte ich das nicht wollen?“, Sven sah ihn verständnislos an.

„Naja… weil ich doch bestimmt immer wieder Probleme mit meiner Vergangenheit haben werde… und du damit dann irgendwie ja auch.“

„Erzähl nie wieder so einen Schwachsinn! Du bist Florian mit allem was dazu gehört!“

Sven zog ihn wieder näher zu sich und gab ihm einen Kuss.

„Und ich will das volle Programm! Mit allen Höhen und Tiefen!“

Erneut fanden ihn Svens Lippen.
Langsam suchte Florian mit seiner Hand den Saum von Svens T-Shirt. Als er ihn gefunden hatte fuhr er mit seiner Hand darunter und berührte mit seinen Fingern Svens weiche Haut. Sven zuckte zusammen und Florian konnte sein zittern spüren als er seine Hand weiter nach oben gleiten ließ.

„Was machst du denn mit mir? Ich weiß nicht ob ich mich so zurückhalten kann…“

„Wer sagt denn dass du dich zurückhalten sollst“, hauchte Florian ihm entgegen.

Er ließ seine Hände weiter wandern, über die Seite und dann zu Svens Brust. Dieser stöhnte auf und sein Kuss wurde energischer. Sven griff nun ebenfalls nach Florians T-Shirt und schob es hoch. Nur kurz lösten sich Svens Lippen von seinen um ihm sein Shirt ganz über den Kopf zu ziehen.
Sofort waren seine Lippen jedoch wieder da. Sven biss ihm noch einmal leicht in die Unterlippe.
Florian sah Sven kurz an. Dieser grinste jedoch nur und rückte etwas weiter nach unten. Als nächstes spürte er Svens Zunge an seinem Hals. Leicht ließ dieser sie kreisen und bewegte sich dabei immer tiefer.
Florian keuchte auf als er seine Brustwarze erreichte und diese nun ebenfalls mit der Zunge verwöhnte.
Sven Hände schienen überall auf seinem Körper zu sein als er auf Florians Haut seine Zunge weiter wandern lies und dabei immer tiefer kam.
Florian schloss seine Augen und gab sich ganz den auf ihn einströmenden Gefühlen hin.

Einige Zeit später, Florian konnte nicht einmal schätzen wie viel später, lag er eng an seinen Freund gekuscht. Er war verschwitzt und klebte förmlich an ihm. Halb lag er auf Sven drauf. Seine Hand spürte er auf seinem Rücken wie sie langsam auf und ab fuhr.

Es gab so viel was er Sven jetzt gerne gesagt hätte, aber er hatte das Gefühl, als würde Sven sowieso schon alles wissen was er jetzt sagen wollte.
Ein leichtes lächeln lag auf Svens Lippen.
Florian lehnte sich wieder an ihn und genoss die Wärme die von ihm ausging.

„Florian!? Wo bist du denn?“

Die Stimme seiner Mutter hallte durch das Haus. Florian konnte es gar nicht glauben wie schnell Sven aus dem Bett springen konnte um nach seinen Sachen zu suchen.

„Was machst du denn?“

„Mich anziehen! Deine Mutter kann doch jeden Augenblick reinkommen.“

„Macht die bestimmt nicht…“, entgegnete Florian leicht verschlafen.

„Weshalb bist du dir da so sicher?“

„Weil sie weiß, dass wir zusammen sind und sich bestimmt denken kann das wir nicht gestört werden wollen.“

„Oh…“, war alles, was Sven erwiderte während er seine Jeans wieder anzog.

„Laura hat uns gesehen und verpetzt.“

„Und deine Eltern haben da nichts gegen. Ich mein die waren so wie immer zu mir.“

„Das ist der Vorteil wenn man fast von einer Brücke gesprungen ist.“

„Sag nicht so was!“

Auch Florian verließ nun sein Bett da Sven auch schon fast ganz angezogen war.

„Willst du nicht noch duschen?“

„Das mach ich nachher zuhause, da hab ich dann auch direkt frische Sachen.“

„Okay.“

Gemeinsam gingen sie ins Erdgeschoss.

„Ich muss noch mal rüber zu meinen Eltern. Wir sehen uns ja heut Abend.“

Sven gab ihm noch einen Kuss zum Abschied und verließ dann erstaunlich schnell das Haus. Florian ging in die Küche wo er seine Mutter vermutete. Sie stand mit dem Rücken zu ihm an der Arbeitsplatte.

„Eigentlich dachte ich ja das ganze Essen wäre fertig, aber ihr hattet scheinbar etwas Wichtigeres zu tun.“

Florian konnte sie förmlich grinsen hören.

*-*-*

Am frühen Abend gingen Florian und seine Mutter zusammen zum Festplatz. Beide beladen mit dem Essen das sie auf dem schon reichlich gefüllten Buffet verteilten.
Florian sah sich kurz um und sah seine Vermutungen bestätigt. Die Grundlange des Nachbarschaftsfests war das Essen und jede Menge zu trinken.
Nur die Kinder schienen noch mehr zu unternehmen und tobten die Straße rauf und runter. Laura nicht weniger leise als die Anderen immer in der Mitte.
Florian hielt sich lieber an das Erwachsenenprogramm. Er drängelte sich zum Tresen durch, der schon von etlichen, sich unterhaltenden Gruppen umstellt war. Am Tresen selbst fand er auch seinen Vater.

„Hallo Papa, ist Sven schon da?“

„Ich habe noch keinen der Richters gesehen. Willst du auch ein Bier?“

„Gerne.“

Florian nahm das Bier entgegen und sah sich wieder in der Menge um. Sein Vater unterhielt sich mit einigen Leuten die Florian nicht näher kannte.
Nach einer Minute fand er seinen Bruder zusammen mit Marion.

„Warum muss ich das machen?“, hörte er Tom argumentieren.

„Oh bitte, du musst mir als Freund doch was zu trinken holen.“

„Hi. Stress?“, fragte Florian.

„Dein Bruder meint ich soll mir selbst was zu trinken holen.“

„Klar, du sagst doch immer du seist emanzipiert“, rechtfertigte sich Tom weiter.

Mariona Augen funkelten ihn an, ihre Lippen zeigten aber ein leichtes Lächeln. Scheinbar ärgerte es sie nur, jetzt mit ihren Waffen geschlagen zu werden.

„Bin ich froh, dass ich dieses Problem nicht habe“, mischte sich Florian grinsend wieder ein.

„Warte es nur ab, so wie ich gehört habe bist du doch auch vergeben.“

„Aber da gibt es bestimmt nicht solche Emanzipationsdiskussionen.“

Tom lies seine Freundin und seinen Bruder alleine um doch etwas zu trinken zu hohlen. Beziehungsbonuspunkte sammeln wie er noch meinte.

„Und mit wem bist du zusammen?“

„Ich weiß nicht ob ich das sagen darf…“, sagte Florian zerknirscht.

„Es weiß also niemand von ihm.“

„Zumindest nicht seine Familie.“

„Und wenn du so ein Geheimnis darum machst sind die wohl heute Abend auch da.“

Marion musterte ihn während sie auf eine Antwort wartete. Nur um dann breit grinsend fortzufahren: „Na gut, dann werd ich nicht mehr fragen und dich einfach im Auge behalten um meine Neugierde zu stillen.“

Tom kam wieder zu ihnen und drückte Marion ein Bier in die Hand.

„Hier. Worauf bist du denn wieder neugierig?“

„Mit wem Florian zusammen ist. Aber das wird ich wohl heute nicht mehr erfahren.“

„Er ist nicht geoutet?“, wurde Florian wieder gefragt, diesmal von Tom.

„Schon, aber nicht bei seiner Familie, und ich weiß nicht ob es ihm recht ist.“

„Du weißt wer es ist?“ wurde Marion wieder neugierig.

„Sicher, ich werd doch meinen Schwager kennen.“

Tom umarmte seine Freundin, was Florian nur noch mehr resignieren ließ.

“Ich werd zu ihm heute wohl immer einen halbem Meter Abstand halten müssen.“

„Wenn du dich da mal nicht täuschst…“, kam es nur vage von Tom.

„Wie meinst du dass denn?“, fragte Florian direkt.

Dass Tom ihn gar nicht ansah, sondern über seine Schulter hinter ihn, bekam er gar nicht mit.
Bis ihn kurz darauf zwei Arme von hintern umschlangen.

„Dann muss ich wohl den halben Meter alleine überbrücken.“

Sven zog ihn zu sich heran. Florian spürte seinen Atem auf der Wange bevor er ihn zu seiner Überraschung auf Küsste.
Florian drehte sich zu ihm um ohne sich aus der Umarmung zu lösen.

„Aber was ist denn mit deinen Eltern?“

„Ich habe den ganzen Nachmittag mit ihnen geredet. Deshalb sind wir auch so spät.“

„Und so wie du dich grade benimmst haben sie wohl keine größeren Probleme damit.“

„Mein Vater ist nicht grade glücklich darüber. Aber ich konnte ihm klar machen, dass es keine Phase ist, dass du nicht schuld daran bist und vor allem, dass ich mit achtzehn meine Sachen packen werde wenn er mir nicht endlich mal zuhört.“

Florian sah sich auf dem Platz um. In einiger Entfernung sah er Svens Eltern. Sie gingen auf seine eigenen Eltern zu um sie zu begrüßen. Wahrscheinlich gab es bei ihnen viel zu bereden.
Sie wirkten etwas unsicher.
Einige der umstehenden Nachbarn sahen neugierig von Svens Eltern zu seinen Eltern und wieder zu ihnen wie sie unter den Leuten standen und sich umarmten.

„Alles in Ordnung bei dir?“

„Klar. Warum?“

„Du wirkst grad auch etwas unsicher.“

„Es ist alles in Ordnung. Ich bin einfach nur glücklich.“

Florian sah zu Sven hoch und küsste ihn kurz danach.

Und Florian war es völlig egal, dass es alle mitbekamen.

*-*-*

Epilog

Ein paar Monate später saß Florian am Küchentisch und schlang noch schnell ein Marmeladenbrötchen herunter.
Seine Mutter saß ihm gegenüber und musterte ihn verstimmt.

„Und du bist dir wirklich sicher, dass du das mach willst?“

„Das haben wir doch schon besprochen Mama. Mach dir keine Sorgen.“

„Du weißt wie ich darüber denke.“

„Ja weiß ich“, sagte Florian leicht genervt. „Aber die Anderen sind doch alle dabei. Was soll denn schon passieren. Und außerdem hält Sarah das auch für eine Gute Idee.“

Ein Klingeln an der Haustüre beendete die Diskussion, die sie schon seit zwei Wochen führten.

„Das ist Sven ich muss los. Ich bin heut Abend wieder da, kann aber spät werden.“

Florian wickelte sich seinen Schal um den Hals und nahm seine Jacke vom Haken.
Vor der Türe traf er wie erwartet auf seinen Freund.

„Hallo Sven.“

„Morgen mein Kleiner.“

Sven stand eine Stufe tiefer auf der Eingangstreppe. Florian musste ausnahmsweise sogar ein weinig runter sehen um ihn in seine braunen Augen gucken.
Allerdings konnte er den Anblick nicht lange genießen. Sven zog ihn mit seinen Armen zu sich heran und drückte seine Lippen auf Florians. Florian schloss die Augen und genoss den leider viel zu kurzen Kuss.

„Das war es schon?“

„Klar, sonst kommen wir zu spät.“

Sven zog ihn an der Hand zur Straße.

„Immerhin war das ganze deine Idee.“

„Willst du mir das jetzt auch noch ausreden?“

„Das nicht, aber so wie du immer trödelst kommen wir noch zu spät zum Bahnhof.“

Sven nahm seine Hand und ging mit ihm die Straße entlang. Schon eine ganze Weile hatten es fast alle in der Nachbarschaft akzeptiert, dass sie zusammen waren. Erstaunte Blicke ernteten sie eigentlich keine mehr.

Etwas mehr als eine viertel Stunde gingen sie so zum Bahnhof. Gemeinsam kauften sie eine Gruppenfahrkarte bevor sie in die S-Bahn stiegen. Am nächsten Bahnhof stieg dann Marcus zu, der sie jedoch erst fand als sie auch schon am Hauptbahnhof aussteigen mussten.
Ihre anderen Freunde trafen sie am Aufgang zum Gleis 4.
Obwohl es in dem Gang keinen Wind gab sahen alle schon ziemlich unterkühlt aus.
Dementsprechend lautstark beschwerten sich Kathrin und Sabine als sie über die Treppe zum Gleis kamen, wo ihnen der Wind um die Ohren pfiff.

„Warum muss das ausgerechnet heute so kalt sein“, meckerten sie noch immer als sie sich im Zug eine große Sitzgruppe gesucht hatten.
Sie hatten es sich grade bequem gemacht als Marcus mit verstellter, hoher Stimme durch den Wagon rief.

„Wann sind wir da?“

Arne der ihm gegenüber saß vergrub seinen Kopf in den Händen und nuschelte vor sich hin.

„Worauf hab ich mich da eingelassen.“

Die gesamte Zugfahrt waren sie ziemlich ausgelassen. Besonders Florian war nervös und versuchte dies zu überspielen. Das schien sich wohl auch auf die Anderen zu übertragen. Immer wieder sahen die anderen Fahrgäste zu ihnen herüber wenn sie mal wieder alle laut lachten.

Nach knapp zwei Stunden war es dann so weit.

„Okay, an der nächsten Station müssen wir raus“, kündigte Florian an.

Sie folgten ihm zur Türe und verließen nach ihm den Zug. Obwohl er nicht alleine war kam er sich auf dem Bahnsteig verloren vor.
Er war nervös.
Ein dreiviertel Jahr war er jetzt nicht mehr hier gewesen.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Kathrin hinter ihm.

„Wir wollten doch auf den Weihnachtsmarkt. Das war doch klar oder?“

„Ja, aber es ging eher darum wo wir jetzt lang müssen. Du bist der einzige, der sich hier auskennt.“

„Oh… na gut. Folgt mir einfach.“

Florian ging wieder voraus während die anderen ihm folgten. Durch eine kleine Bahnhofshalle betraten sie den Vorplatz.
Obwohl sie sich eigentlich im Zentrum befanden waren auch hier viele Bäume zu sehen. Jetzt jedoch nur mit ihren kahlen und eingeschneiten Ästen.

„Alles ganz schön klein hier“, war es dann auch von Marcus zu hören.

„Das ist mir früher nie so aufgefallen. Aber irgendwie hast du Recht. Das hier kommt mir vor wie aus einem Anderen Leben. Dabei bin ich hier aufgewachsen und hab fast mein ganzen Leben hier verbracht.“

„Alles in Ordnung?“, fragte Sven als er Florian von hinten umarmte.

„Ja ich denk schon, du weißt doch warum ich her wollte.“

„Und du weißt, dass du auf uns zählen kannst!“

Von weitem sahen sie Sascha auf sie zulaufen. Immer wieder schlug er einige Haken um die Schneehaufen die die Anwohner zusammengeschoben hatten. Bei ihnen angekommen umarmte er als erstes Kathrin zur Begrüßung. Der obligatorische Kuss blieb natürlich auch nicht aus.
Erst nachdem er sich von ihr befreit hatte fiel Sascha zur Begrüßung Florian um den Hals.

„Ich hätte echt nicht gedacht dich hier noch einmal zu treffen.“

„Ich auch nicht. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich noch einmal herkommen musste um abzuschleißen.“

Sascha lächelte ihn an. Ihm war anzusehen, dass er froh war dabei sein zu können.
Mit der ganzen Gruppe machten sie sich auf den Weg zur Kirche. Auf dem davor liegenden Kirchplatz und in einigen umliegenden Straßen war immer der Weihnachtsmarkt aufgebaut.
Der Weg dort hin war für Florian an jeder Stelle mit Erinnerungen verbunden.
An einer etwas größeren Grünfläche blieb er stehen und starrte auf das dahinterliegende Gebäude. Er konnte ein leichtes zittern nicht unterdrücken.

„Alles klar?“

Sven hatte sich die ganze Zeit nicht von der Seite gewichen.
Florian nickte nur leicht zur antwort.

„Was ist das?“

„Das Gymnasium“, wurde die Frage von Sascha beantwortet.

Wie auf Kommando verstummten auch die Gespräche der Anderen. Wusste doch jeder von ihnen was Florian dort durchgemacht hatte.

„Wann haben die es denn neu gestrichen“, fragte Florian nachdem er seine Stimme wiedergefunden hatte.

„In den Sommerferien. Es wurde zwar nie offiziell gesagt, aber ich glaube das hat auch mit deinem Erlebten zu tun. Die Schule hat einen Haufen Geld zur Modernisierung und alle möglichen Tolleranzprogramme oder so was bekommen.“

„Und bringt das was?“

„Bei einigen nicht, die werden wohl immer engstirnige Idioten bleiben. Aber zumindest bei denen die einfach nur Mitläufer waren.“

„Oder die, die einfach weggesehen haben“, ergänzte Sascha leise und wurde rot dabei.

Florian sah weiter zur Schule. Alles was er dort durchgemacht hatte kam ihm vor wie ein Traum. Und jetzt wo die Schule auch noch völlig anderes aussah war es noch weiter weg.

„Lasst uns weiter.“

Florian drehte sich wieder weg. Sven legte seinen Arm um ihn und gemeinsam gingen sie weiter.
Ein paar Menschen die ihnen entgegen kamen sahen sie zwar etwas merkwürdig an. Aber das störte keinen von ihnen mehr. Florian wusste auch nicht, ob sie ihn wirklich erkannten. Es war wohl einfach nur ungewöhnlich zwei Jungen in einer Kleinstadt so eng zusammen zu sehen.

Nur eine Minute später hatten sie den Weihnachtsmarkt erreicht. Verschiedene Holzbuden standen um die Kirche herum. Die meisten noch zusätzlich mit Tannen zweigen geschmückt. Direkt vor der Kirche stand ein großer Weihnachtsbaum. Wie jedes Jahr war er auch diesmal mit Selbstgebasteltem der Grundschule geschmückt.

Ein Großteil der Stände verkauften verschiedene Weihnachtsdekorationen. Aber auch viele Süßigkeiten- und Getränkestände waren dabei. An einem kaufte sich Florian eine Tüte mit gebrannten Mandeln die sie gemeinsam leerten als sie an den Buden vorbei schlenderten.

„Ich hab Lust auf einen Glühwein.“

„Du glaubst doch nicht, dass wir hier Alkohol bekommen.“

„Warum denn nicht? Arne und Lars sehen doch auf jeden Fall älter als achtzehn aus.“

„Ein Glück, dass die so groß sind.“

„Ich meinte eigentlich ihre Falten“, flüsterte er Marcus zu. Allerdings schien zumindest Lars ihn gehört zu haben.

„Florian möchte also keinen Glühwein“, kam es grinsen von ihm.

Beide machten sich auf dem Weg zum nächsten Getränkestandstand während sich die Anderen im Hintergrund hielten. Wenig später balancierten sie neun Becher in ihren Händen, die sie in der Runde verteilten.
Florian wärmte sich erst einmal die Hände an dem heißen Becher bevor er den ersten Schluck nahm. Süß und fruchtig breitete er sich in seinem Mund aus und sorgte so auch in seinem Innerem wieder für etwas mehr wärme. Nur irgendetwas irritierte ihn an dem Getränk. Vorsichtig roch er an dem heißen Dampf.

„Das ist Punsch oder?“

„Klar, glaubst du wir verteilen Alkohol an Kinder.“

Die ganze Gruppe brach in Gelächter aus als sie Florian betretenes Gesicht sahen.

„Keine Sorge, wir haben alle nichts anderes“, beschwichtigte ihn Sven jedoch gleich wieder.

Langsam schlenderten sie wieder an den verschiedenen Ständen vorbei. Besonders Kathrin und Sabine blieben häufiger stehen wenn sie etwas Interessantes sahen.

Mit einem Mal blieb jedoch Florian stehen und starrte über den Platz. Erst als seine Freunde ein paar Schritte weiter waren bemerkten sie sein zurückbleiben. Verwundert sahen sie ihn an, wie er völlig erstarrt dastand.
Sven ging direkt besorgt auf ihn zu, als Florian auch schon seinen Becher fallen ließ. Er zerplatzte auf dem Boden und brachte einige Leute dazu zur Seite zu springen um nicht von dem Punsch getroffen zu werden.
Ohne auf ihr fluchen zu achten rannte er los. Er rempelte einige Leute an bevor er wieder langsamer wurde und einem etwas älteren Mann um den Hals fiel.
Irritiert sahen ihm seine Freunde nach.

Niemand von ihnen wusste wer dies war.

Die Frau, die ihn begleitete sah genauso verunsichert zu dem Bild das sich ihnen bot.
Als sie langsam näher kamen konnten sie Florian hören.

„Danke…danke…danke…“

Ständig wiederholte Florian das gleiche Wort.

„Danke…danke…“

Erst sah der Mann genauso verunsichert aus. Wer erwartet auch schon von einem fremden Teenager so stürmisch umarmt zu werden. Er sah unsicher zu seiner Frau und schien nicht zu wissen wohin mit seinen Armen.
Erst kurz darauf kam ihm wohl die Erkenntnis wen er da vor sich hatte. Er riss seine Augen auf und sah Florian, soweit das grade möglich war, an. Mit einem Lächeln schloss er wieder seine Augen. Mit seinem linken Arm drückte er Florian an sich und strich mit der Hand des andern Arms durch Florians Haare.

„Danke…“

Sven sah auf das skurrile Bild das sich ihnen bot.

„Florian? Wer ist das?“

Nur langsam löste sich Florian von dem Anderen und drehte sich zu seinen Freunden. Er hatte Tränen in den Augen stehen. Genauso wie der Mann, der nun ebenfalls zu Florians Freunden sah.
Trotz der Tränen sahen beide glücklich aus.

„Das… das ist…“

Florian holte tief Luft bevor er den Satz vernünftig vollenden konnte.

„Das ist Rolf.“

*ENDE*

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