… and thanks for all the fish

P R O L O G

Es war dunkel in dieser Nacht … natürlich, denn tagsüber hätte er sich niemals so nah an die Oberfläche getraut und außerdem hatte sein Vater ihm das strengstens verboten.

Aber er war immer so furchtbar neugierig und dass er sich dabei in Gefahr bringen könnte, daran dachte er keine Sekunde.

Er schwamm bis fast an die Oberfläche, verweilte  dort noch eine Weile und betrachtete das Licht des Mondes, das sich glitzernd in den Wellen brach. Es war ein wunderschöner Anblick, so unwirklich und geheimnisvoll. Mit einem Lächeln tauchte er endgültig auf und ließ seinen Blick über die unheimliche Weite schweifen. Fasziniert drehte er sich im Kreis, hier oben über dem Wasser wirkte die Umgebung noch um ein Vieles schöner. Es herrschte schwarze Nacht und absolute Stille. Nur das stetige Rauschen des Meeres war zu hören. Der Mond erhellte trotz der vollen Phase nur wenig, doch glitzerte der Bereich um ihn herum stetig. Die Luft war angenehm kühl und roch nach frischer Seeluft.

So sehr anders war diese Welt nicht als die, die er seine Heimat nannte. Bis auf dieses wunderschöne weiße Licht, das der Mond abstrahlte, das kannte er so nicht. Auch bei ihm gab es natürlich einen Mond, doch hatte dieser eine andere, wärmere Farbe.

Aus seiner typischen Neugier heraus überlegte er kurz ans Land zu schwimmen. Sicher würde es dort noch vieles zu sehen geben, was ihm fremd oder vielleicht sogar vertraut sein würde.

Doch er entschied sich dagegen. Er würde noch viele Male an die Oberfläche schwimmen. Es würde noch viele Möglichkeiten geben, all das fremde Land zu erforschen.

Ein letztes Mal blickte er zu dem weißen Mond auf, drehte sich noch einmal im Kreis, um die wunderschöne See zu betrachten und tauchte schweren Herzens wieder ab.

„JETZT! …schlagt zu, bevor es wieder entkommt.“

Bei diesen Worten ging ein riesiges mit Bleikugeln beschwertes Drahtnetz auf den Meeresgrund hinab und wurde, als es den Widerstand erreichte, flink wieder an Bord gezogen. Mit einem kalten Lächeln auf den Lippen stellte der Kapitän fest, dass sie tatsächlich etwas eingefangen hatten.

Als das Netz zugezogen endgültig auf das Schiff gehievt wurde, zappelte etwas sehr heftig darin.

Die Männer hatten Probleme, das wackelnde Bündel sicher an Deck zu schaffen, mussten dabei sogar die Schiffswinde mit Muskelkraft verstärken. Vier gestandene Seemannsleute klammerten und stützten das kranartige Metallgerüst.

Endlich an Bord ließen sie das zappelnde Drahtnetz auf Deck nieder und bauten sich zu sechst um das Bündel herum auf … sie alle waren bewaffnet mit Harpunen, Knüppeln, teilweise sogar mit Gewehren. In den Augen der meisten war eine Vorfreude zu sehen, eine kalte Freude darüber, dass sie ES gefangen hatten. Doch konnte diese Freude nicht über die Angst hinweg täuschen, konnte doch keiner von ihnen wissen, welch mächtiges Ungeheuer sie womöglich an Deck geschafft hatten. Konnten nicht wissen, auf welch grausame Weise sich das Ungeheuer für den Frevel rächen würde.

Sicherheitshalber wartete die Gruppe darauf, dass das Bündel ruhiger wurde und sich schließlich nicht mehr bewegte. Erst dann gingen die ersten Männer darauf zu und öffneten den Seilhaken, während die anderen angriffsbereit mit gezückten Waffen drum herum standen.

Da wurde die Tür zum unteren Deck mit einem Knall aufgestoßen und der Verantwortliche für die Aktion erschien. Mit fast schon kindlicher Vorfreude und Nervosität lief er auf das Bündel zu, in der einen Hand ein Stromgerät zur Verteidigung, in der anderen einen Arztkoffer.

Als er bei dem regungsloses Netzbündel angelangt war, lockerten es die Männer und öffneten es dann endgültig. Ihre Neugier ließ sich keiner von ihnen anmerken. Sie hatten sich nicht darum zu kümmern, was sie da eingefangen hatten. Es war ein Job wie jeder andere, bei dem sie keine Fragen zu stellen hatten. Jedoch ungewöhnlich für diesen Job war die immens gute Bezahlung dafür.

Sie beobachteten teilnahmslos und schweigend, wie der Auftraggeber langsam den Elektrostab anhob, jedoch bei dem Anblick des Wesens, das in dem Netz gefangen war, stockte dem einen oder anderen der Atem. Es starrte mit vor Panik geweiteten Augen auf den Mann mit dem Stab.

Dieser stand sekundenlang einfach nur da und betrachtete das fremde Wesen. Er verlor sich in dessen wunderschönen Augen, sah das Glänzen des Mondlichts in ihnen. Alles um ihn herum wurde unwichtig, er bemerkte die anderen Männer nicht mehr. Er sah noch nicht einmal mehr das Netz, in dem sich das Wesen verfangen hatte. Wärme durchflutete ihn, als ihn diese wunderbaren Augen musterten … dann, ohne jegliche Vorwarnung, rammte er dem Wesen den Elektrostab in die Bauchgegend und flüsterte: „Mit mir nicht, du Ungeheuer. Das Wesen zuckte zusammen und brüllte vor Schmerz, ein unmenschlicher Schrei durchzog die Nacht.

17.11.1991 – 07:00

„Ein neuer Fang also … hatten Sie schon eine Möglichkeit, es zu untersuchen?“

„Nein, noch nicht, es steht derzeit unter Quarantäne … außerdem ist es sehr beißwütig. Sobald jemand den Raum betritt, greift es an.“

„Haben Sie etwas anderes erwartet? Das ist ein wildes Tier in Gefangenschaft … natürlich wehrt es sich.“

„Nun, für heute Nachmittag sind die ersten Untersuchungen angesetzt … Blutuntersuchung, Testen der motorischen Eigenschaften und so weiter. Dann werden wir vielleicht mehr wissen.“

Der Mitarbeiter, mit dem der Arzt gesprochen hatte, wollte sich gerade zum Gehen wenden, als ihm noch eine Frage einfiel: „Ach … Doktor … einen Augenblick noch … kann es denn sprechen?“

Der Arzt lachte auf diese Frage herzhaft: „Mein lieber Herr Rosenfeld, das einzige Mitteilungsverhalten, das es an den Tag legt seit es hier ist, ist Gefauche, Geknurre und Wimmern. Ich wüsste nicht, dass man dies neuerdings als sprechen bezeichnen könnte.“

Zu dieser Antwort nickte er nur noch und wandte sich dann endgültig ab, um ins Labor zu gehen.

Herr Rosenfeld, mit komplettem Namen Gabriel Rosenfeld, war einer der Mitarbeiter des geheimen Labors, in dem außergewöhnliche Entdeckungen untersucht, seziert oder nachgebaut wurden. Finanziert wurde das Labor von staatlicher Seite oder vielmehr vom Militär.

Auf das neueste Objekt war er schon mehr als gespannt. Vor ein paar Tagen schon war es auf dem offenen Meer eingefangen worden und befand sich nun im Hochsicherheitstrakt des Labors. Nur Gabriel und einige weitere ausgewählte Wissenschaftler hatten Zutritt zu dem Bereich.

Gabriel zog seine Karte durch den Leser, tippte seinen siebenstelligen persönlichen Code ein und blickte starr in die Kamera, die seine Netzhaut scannen würde.

Erst dann öffnete sich die Tür und er konnte das Labor nun durch eine weitere versiegelte Tür mit dem gleichen Prozedere, jedoch mit anderer Codenummer betreten.

Hier herrschte schon reger Betrieb, obwohl es noch früh am Morgen war. Das war immer so. Immer wenn etwas Neues angeliefert wurde, schoben die Wissenschaftler freiwillig Überstunden, um das Geheimnis zu lüften.

Als Gabriel Rosenfeld entdeckte wurde, kam einer der Wissenschaftler auf ihn zugelaufen. Er sah aus wie der typische Professor und Informatiker, wie sie oft in Spielfilmen dargestellt wurden … etwas längeres strähniges Haar und eine riesige Brille auf der Nase. Sein buntes Hemd war aus der Hose gerutscht, der weißte Kittel dazu stand offen und er wirkte eher wie ein übriggebliebener Hippie.

„Herr Rosenfeld … welch ein Glück, dass Sie eintreffen!“, begann er dann auch gleich mit seinem Roman.

„Sie können sich gar nicht vorstellen, was wir hier entdeckt haben … es ist wie im Märchen und einfach unglaublich.“

„Schon gut, schon gut, Herr Stein … ich habe keine Ahnung, was hier diesmal geliefert wurde … würden Sie mich freundlicherweise erst einmal aufklären?“

Während diesen Worten waren die beiden Männer an eine Monitorreihe heran getreten, an der sich übereinander und nebeneinander gereiht sechs mal drei Monitore befanden. Sie setzten sich nieder und Gabriel betrachtete wortlos einen Bildschirm nach dem anderen. Einige waren leer, das heißt, es war nur der weiß geflieste Raum zu sehen. Allein auf einem war etwas … „etwas?“ … nein, jemand zu sehen.

Überrascht blickte Gabriel in das grinsende Gesicht des Wissenschaftlers.

„Herr Stein … wenn Sie hier auch nur den Versuch starten sollten, mich auf den Arm nehmen zu wollen …“

„Aber nein … nein … Herr Rosenfeld … sie sehen richtig … DAS ist unsere Entdeckung.“

Verwirrt starrte Gabriel wieder auf den Monitor. In dem Raum war, in die Ecke gekauert, ein junger Mann zu sehen. Er war nackt, soweit Gabriel das beurteilen konnte. Lange, sehr sehr helle Haare hingen über sein Gesicht, sodass er selbiges nicht erkennen konnte.

„Wir haben bereits versucht, es zu rasieren, um eine Haarprobe machen zu können … aber … nun ja, es ist äußerst aggressiv. Wir haben beschlossen, auf Sie zu warten, um ein weiteres Vorgehen mit Ihnen absprechen zu können.“

„Was ist so besonderes an diesem Mann? Er sieht ganz normal aus … und so ungewöhnlich sind lange Haare für einen Mann heutzutage auch nicht mehr.“

„Sie irren, Herr Rosenfeld … dieses Wesen ist kein Mann und ich bezweifle, dass es überhaupt ein Mensch ist.“ Auf den fragenden Blick von Gabriel Rosenfeld blickte er nur geheimnisvoll drein und winkte, statt eine Antwort zu geben, einem der anderen Wissenschaftler … „macht es nass“

„Sehen Sie auf den Monitor, Herr Rosenfeld.“

Verwirrt wandte sich Gabriel wieder dem Bildschirm zu. In dem Raum, in dem das Wesen gefangen gehalten wurde, setzte nun der automatische Regen, der eigentlich zur Feuerbekämpfung gedacht war, ein.

Das Wesen zuckte zusammen und verkroch sich noch weiter in der Ecke, aber sonst blieb alles normal.

„Herr Stein …“, begann Gabriel, aber als er diesen ansah, blieb ihm das Wort im Hals stecken. Der Wissenschaftler hatte einen fast panisch wirkenden Ausdruck in den Augen … voller Unverständnis stammelte er: „Aber … aber das ist doch nicht möglich …“

Er sprang auf und lief wirr im Raum umher: „Das kann nicht möglich sein … das gibt es einfach nicht.“

Jetzt noch verwirrter blickte Gabriel zwischen dem Wissenschaftler und dem Monitor hin und her. Der Regen war abgestellt worden, der junge Mann saß noch immer in derselben Ecke.

Plötzlich, wie vom Blitz getroffen, blieb der Wissenschaftler stehen: „Aber ja! … natürlich …!“ und schüttelte den Kopf.

„Die haben es im Meer eingefangen … natürlich!“

Eilig griff er nach seinem Betriebstelefon, gab gestresst einige Anweisungen und kam sichtlich beruhigt wieder zu Gabriel zurück.

„Also Herr Rosenfeld … bitte verzeihen Sie mir dieses Ungeschick … wir werden Ihnen in einer halben Stunde vorführen, was an diesem Objekt so Besonderes ist.“

Gabriel nickte nur und sagte gar nichts dazu … er konnte es ohnehin nicht leiden, wenn diese Wissenschaftler von „ihren Objekten“ sprachen. Auch wenn dieser junge Mann, den er auf dem Bildschirm beobachtete, wider Erwarten nicht das sein sollte, wonach er aussieht … er war dennoch ein Lebewesen. Es widerstrebte Gabriel, hier von einem „Objekt“ zu sprechen.

 

Er blieb die versprochene halbe Stunde und dann noch weitere eineinhalb Stunden vor dem Monitor sitzen … der Junge bewegte sich in der Zeit keinen Millimeter. Er hockte immer noch in der Ecke, hatte die Beine angezogen und den Kopf unter den verschränkten Armen versteckt.

Als Gabriel gerade den fünften Kaffee geleert hatte, kam Leben auf den Bildschirm.

Vier der Wissenschaftler hatten den Raum betreten und gingen auf den jungen Mann zu. Dieser schreckte hoch und drängte sich eng an die Wand, während er die „weißen Kittel“ panisch beobachtete.

Einem der Männer wurde nun ein dicker Schlauch gereicht, der ähnlich wie ein Feuerlösch-Schlauch eines Feuerwehrwagens aussah.

Doktor Stein war wieder an Gabriel herangetreten und entschuldigte sich gerade ausgiebig für die Verspätung. „Es war beinahe unmöglich, solche Mengen an Meerwasser herzuschaffen … wir haben ein ganzes Becken auffüllen müssen. Aber sehen Sie selbst…“ und deutete auf den Bildschirm.

Gabriel hatte ihn sowieso keine Sekunden aus den Augen gelassen und sah nun, wie Wasser aus dem Schlauch gepumpt wurde.

Den Strahl richteten die Wissenschaftler direkt auf den jungen Mann, der nun anfing laut zu kreischen. Er schlug um sich und trat nach den drei Männern, die versuchten, ihn festzuhalten.

Seine Schreie waren markerschütternd … und sie hatten nichts Menschliches an sich … zu schrill klangen sie, fast so … fast wie …

(Kennt ihr die schrillen Töne, die Wale unter Wasser von sich geben?)

Gabriel war nicht fähig, den Gedanken weiterzudenken, denn auf dem Bildschirm geschah Unvorstellbares.

Der junge Mann … das WESEN? … war auf den Boden zusammengebrochen … sein Schreien war verstummt … er lag zitternd und wimmernd auf dem Boden und hatte sich verändert.

„Mein Gott … WAS IST DAS?“, hörte sich Gabriel flüstern und etwas lauter: „Ich will da sofort rein!“

„Nein, nein, Herr Rosenfeld … das können wir nicht zulassen … wir wissen nicht, ob es gefährlich ist!“

Benommen starrte Gabriel wieder auf den Bildschirm … das war ja tatsächlich wie im Märchen. Der junge Mann lag ausgestreckt auf dem Boden und schien nach Luft zu schnappen. Seine Beine waren … sie waren … nicht mehr vorhanden … aus den beiden Beinen war ein langer … Fischschwanz??? … eine Flosse geworden.

17.11.1991 – 09:48

Das Wesen lag nach Luft japsend auf dem Boden und wedelte mit seiner Flosse panikartig hin und her. In diesem Moment packten ihn – es? – vier Männer gleichzeitig und hievten es – ihn? – aus dem Raum hinaus.

„Wohin bringen sie ihn?“, fragte Gabriel abwesend, als er das beobachtete.

Doktor Stein antwortete mit einem fasziniertem Ton in der Stimme: „Wir haben ein Becken mit Meerwasser füllen lassen …“

„Wo ist das Becken?“

Doktor Stein führte Gabriel in einen anderen Raum, der ein Stockwerk tiefer lag und über eine Wendeltreppe aus dem Überwachungsraum bequem erreichbar war. In der Mitte des Raumes stand ein etwa drei Meter hoher und vier mal vier Meter großer Glaskasten, gefüllt mit Wasser.

Gabriel sah gerade noch, wie sie das Wesen hineingleiten ließen.

„Da kann er sich doch kaum bewegen!“, rief Gabriel dem Wissenschaftler empört zu, der sich gerade an dem Kasten zu schaffen machte, um passende Temperaturwerte einzustellen. Als dieser sich umwandte, bedachte er Gabriel in seiner ersten Reaktion nur mit einem geringschätzigen Blick.

„Ah … Herr Rosenfeld, ich habe Sie schon erwartet“, meinte er dann in einem arroganten Ton, ohne auf das Argument zu achten.

Bevor Gabriel an den Kasten treten konnte, fing ihn Professor Hanauer, so hieß der Mann, ab und führte ihn ein paar Meter abseits.

Genervt und in bestimmendem Ton herrschte er Gabriel an: „Hören Sie zu … HERR Rosenfeld … ich weiß bisher immer noch nicht, warum man Sie überhaupt hier arbeiten lässt… Sie haben ja noch nicht einmal einen Doktor. Aber seien Sie sich einer Tatsache bewusst… sollte dieses Projekt nicht mit dem gewünschten Erfolg abgeschlossen werden, dann mache ich SIE höchstpersönlich dafür verantwortlich!“

Gabriel erwiderte auf diese Anfeindung kein Wort, sondern blickte dem Professor nur kalt in die Augen. Solch ein Angriff geschah bestimmt nicht das erste Mal und auch genauso bestimmt würde es nicht der letzte gewesen sein. Professor Hanauer konnte Gabriel noch nie leiden … schließlich hatte man ihn damals bei den Bewerbungen dem Sohn des Professors vorgezogen, obwohl er bei weitem nicht solch eine berufliche und akademische Ausbildung vorweisen konnte. Damals war er 26 gewesen und in den letzten fünf Jahren hatte sich an der abweisenden Haltung des Professors nichts geändert. Ganz im Gegenteil, je länger sie zusammenarbeiten mussten, desto aggressiver wurde er. Gabriel sei zu emotional für diesen Job … er habe nicht das nötige Fachwissen … er sei nicht stringent genug dazu. Egal zu welcher Sache, er fand immer ein Argument, um Gabriel gegenüber den Vorgesetzten anzuschwärzen.

Und das obwohl Gabriel es meist war, dem der Durchbruch in so manchen Untersuchungen und Forschungen zu verdanken war.

Anfangs waren solche Anfeindungen noch auf rein fachlicher Ebene gewesen, ob berechtigt oder nicht interessierte den überheblichen Wissenschaftler nicht im Geringsten.

Doch seit er Gabriel vor etwa zwei Jahren mit seinem damaligen Freund auf der Straße erwischt hatte, wie sie sich küssten, durfte sich Gabriel auch noch privaten Angriffen des Professors erwehren.

So auch dieses Mal wieder: „Und wenn sie diesem Etwas, das aber nur rein zufällig männlich wirkt, auch nur ein einziges Mal zu nahe kommen sollten … ich warne Sie.“

Gabriel war bis dato eigentlich die Ruhe in Person gewesen… aber dieser Spruch brachte ihn auf die Palme und er schrie den seinen Gegenüber an: „PROFESSOR Hanauer … ich werde diesem Wesen so nahe kommen, wie ich es für nötig halte, um dieses Projekt erfolgreich abzuschließen … und wenn es meines Erachtens nötig sein sollte, zu ihm ins Becken zu steigen, dann werde ich auch dies tun … Haben wir uns verstanden?“

Bisher war es noch nie vorgekommen, dass Gabriel derart die Beherrschung verlor, um den Professor anzuschreien und so nickte dieser mehr als überrascht mit einem ungläubigen Ausdruck in den Augen.

Auf dieses Gespräch hin verließ er fast fluchtartig den Raum.

Gabriel drehte sich fast erschöpft von diesem Gefühlsausbruch zu dem Glaskasten um … und blickte geradewegs in die wunderschönsten Augen, die er bis dahin gesehen hatte.

*-*-*

Gabriel stand etwa drei Meter von dem Kasten entfernt und starrte noch immer in eben diese Richtung.

Das Wesen war an die Glasscheibe gekommen und blickte nun unverhohlen zu Gabriel hinüber.

Langsam trat Gabriel näher, bis er direkt vor dem Wasserbecken stand. Dabei wurde jeder seiner Schritte von dem Wesen beobachtet.

Auch als Gabriel sich nicht weiter bewegte, starrte das Wesen einfach nur in seine Augen, ansonsten keine Reaktion.

Gabriel seinerseits konnte den Blick einfach nicht mehr von diesen wunderschönen Augen abwenden. Sie hatten ihn vollkommen gefangen genommen.

Sie waren von einer seltsamen ungewöhnlichen Farbe … eine Mischung aus blau und lila. Die Pupillen glichen denen einer Katze im Dunkeln, sie waren schon fast riesig. Eingerahmt wurden diese Augen von einem Kranz dichter und langer schwarzer Wimpern, was in starkem Kontrast zu dem schon fast silbernen langem Haar stand.

Sie schienen ihm bis direkt in die Seele blicken zu können und der Ausdruck in ihnen schien aus purer Sehnsucht zu bestehen. Ein warmer Blick, aber ängstlich und fragend.

Zögernd bewegte Gabriel seine Hand an das Glas und legte sie darauf. Das Wesen reagierte erst nicht, aber dann blickte es abwechselnd auf Gabriel’s Augen und dann auf seine Hand, schließlich bewegte es ebenfalls die eigene Hand an das Glas … es schien, als ob sie sich durch die Barriere hindurch berühren könnten.

„Ah … Herr Rosenfeld, da sind sie ja noch!“, rief Doc Stein erfreut und Gabriel schrak von dem Behälter zurück. Auch das Wesen war blitzschnell an der anderen Seite und drängte sich fest an die gegenüberliegende Wand.

„Ich habe hier für Sie den ersten Bericht über die Untersuchung … allzu viel konnten wir leider noch nicht herausbekommen, aber es scheint tatsächlich so zu sein, dass … dieses … hmm … Wesen, nur bei Berührung mit Salzwasser derart mutiert. Bleibt es auf dem Trockenen, so sieht es aus wie ein Mensch … mit allem Drum und Dran.“, konnte er sich mit einem anzüglichen Grinsen nicht verkneifen.

Doc Stein wusste, wie jeder andere Mitarbeiter in dem Labor auch, dass Gabriel dem eigenen Geschlecht zugetan war und hin und wieder versuchte er sich mit einem kleinen Scherz in dieser Richtung.

Richtig übel nahm Gabriel ihm das aber nicht. Doc Stein war einfach ein Mensch, dem man nicht böse sein konnte. Sollte ihm, was äußerst selten der Fall war, mal ein derartiger Scherz über die Lippen huschen, so meinte er das nie böse oder gar aggressiv. Es war einfach vollkommen in Ordnung.  

Gabriel beantwortete diesen Witz mit einem süffisanten Grinsen und bedankte sich für den Bericht. Er drehte sich noch einmal zu dem Glasbassier um, um noch einmal einen Blick auf diese wunderschönen Augen zu erhaschen, aber das Wesen hatte sich abgewandt. Es lag zusammengekauert auf dem Boden des Kastens.

Gabriel begab sich in sein Einzelbüro und machte sich über den Bericht her … sehr viel stand da ja noch nicht drin. Eigentlich gar nichts wirklich Aufschlussreiches … weder, was das für ein Wesen war, noch wo es hergekommen war.

17.11.1991 – 19:23

Ein paar Stunden später wollte er nach Hause fahren und irgendetwas veranlasste ihn, noch einmal nach unten in das Forschungslabor zu gehen. Hier war um die Uhrzeit kaum noch jemand und so ging er direkt zu dem Wasserbecken.

Das Wesen hatte ihn sehr schnell bemerkt und war wieder an die Glaswand geschwommen. Wobei es sich dazu fast nur umzudrehen brauchte, denn das Becken war wahrhaftig nicht sehr groß.

Jetzt, wo keiner mehr da war, erlaubte sich Gabriel auch es genauer zu betrachten. Wunderschön … das war beinahe der einzige Gedanke, den er fassen konnte.

Diese wunderschönen Augen, die ihn auch jetzt wieder mit diesem sehnsuchtsvollen Blick anstarrten.

Es … nein, ER … hatte einen zierlichen aber trainierten Oberkörper, ohne Behaarung. Seine Haare waren beinah weiß und gingen je nach Lichteinstrahlung sogar leicht in silberfarben über, dabei aber mit einem seltsamen grünlichem Schimmer darin. Und seine … Flosse? … schimmerte in allen möglichen Farben. Von leicht grün, bis lila und teilweise kupferfarben. Die Spitzen der Flosse luden weit aus, so wie es bei einem dieser Zierfische oft der Fall war.

<Gott, verglich er diesen jungen Mann etwa schon mit einem Zierfisch?>

Gabriel schüttelte leicht den Kopf und trat nun vollends an das Glasbecken.

So wie er es heute schon einmal getan hatte, legte er seine Hand leicht auf das Glas und auch diesmal tat es ihm das Wesen gleich … es legte seine Hand von innen genau auf Gabriel’s Handfläche und sah ihm dabei hilfesuchend in die Augen.

Gabriel fiel auf, dass das Wesen zwischen jedem seiner Finger eine Art Schwimmhaut hatte, die aber nur bis zu dem ersten Glied reichte.

Er sah ihm noch ein letztes Mal in die Augen und wandte sich dann ab. Ohne sich noch einmal umzudrehen verließ er fast fluchtartig das Labor und machte sich gedankenverloren auf den Heimweg.

17.11.1991 – 20:04

In seiner kleinen Wohnung angekommen trat er als erstes in die Küche. Eigentlich hatte er etwas essen wollen, doch der Appetit fehlte ihm voll und ganz. Seine Gedanken waren bei diesem Wesen im Labor.

Er hatte noch sie solch wunderschöne Augen gesehen, sie schienen denjenigen, der sich zu lange anblickte, gefangen zu nehmen. Dabei wirkte es aber so zerbrechlich, man wollte es einfach nur in den Arm nehmen und halten.

Gabriel fühlte sich so hilflos und schlecht. Er wusste, was die Wissenschaftler in den nächsten Wochen alles mit dem Wesen anstellen wollten. Und er wusste auch, dass es dabei nicht überleben würde. Entweder würde es vor Schwäche sterben oder sie töteten es einfach, um es zu sezieren. Bei dem Gedanken daran spürte Gabriel Übelkeit in sich aufsteigen und schaffte es gerade noch bis zur Toilette, wo er die ohnehin nicht in seinem Magen vorhandene Nahrung erbrach. Erschöpft ließ er sich neben der Klobrille auf den kalten Boden sinken und zitterte unkontrolliert. Erst liefen nur ein paar Tränen über seine Wangen, doch dann brach alles mit einem Schluchzen aus ihm heraus.

Lange saß er zusammen gekauert auf dem Fliesenboden, sein Gesicht hinter seinen Händen versteckt und weinte vor sich hin.

Was sollte er nur machen?

Im Endeffekt war er in dieser Sache genauso hilflos wie die arme Kreatur in dem Becken, die einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen war. Selbst wenn er dazu befähigt gewesen wäre, das Projekt abzubrechen, so hätte er das Wesen niemals zurück ins Meer schaffen können. Projektabbruch würde heißen, sämtliche Forschungsobjekte und deren Spuren zu beseitigen.

18.11.1991 – 06:03

Gabriel war am folgenden Tag ungewöhnlich früh am Morgen wieder in der Anlage. Er hatte die ganze Nacht nicht richtig schlafen können, immer wieder hatte er dieses Wesen vor Augen, wie es … verdammt! wie ER … ihn angesehen hatte. Der Fremde konnte nicht verstehen, warum er in diesem Labor gefangen gehalten wurde, was die ganzen Menschen von ihm wollten.

Als Gabriel den unteren Laborbereich, in dem das Wasserbecken aufgestellt war, betrat, war selbiges leer … das heißt, das Wasser war schon noch drin, nur das Wesen, das eigentlich auch hätte drin sein sollen, war verschwunden.

Sofort machte sich dumpfes Gefühl in seiner Magengegend breit und er suchte in panischer Eile nach Doc Stein. Als er ihn endlich gefunden hatte, konnte er kaum sprechen, weil er so außer Atem war.

Doktor Stein blickte ihm erst erfreut, dann aber fragend entgegen und meinte in seinem typischen trockenem Ton: „Herr Rosenfeld? Ist alles in Ordnung?“

Natürlich sah er, dass nichts in Ordnung war und so sah er Gabriel unsicher dabei zu, wie der endlich einen Ton hervorbrachte: „Wo ist er?“

„Wer?“

„Doc Stein!“

„Ja ja, ist ja schon gut … der Kleine hat es Ihnen ja mächtig angetan, was?“, das anzügliche Grinsen wurde sofort wieder ernst … „Sie haben ihn ins Zimmer 36 verfrachtet und wollten verschiedene Tests mit ihm durchführen.“

Gabriel riss alarmiert die Augen auf … „Zimmer 36!!! Sind die denn wahnsinnig?!“

Ohne ein weiteres Wort machte er kehrt und beeilte sich, das besagte Zimmer zu erreichen.

Das Zimmer 36, das eigentlich einen weiteren eigenen Laborbereich darstellte, lag in einem langen Flur, in dem links und rechts jeweils acht weitere Büroräume abzweigten. Der Testraum, in dem Untersuchungen an lebenden Objekten durchgeführt wurden, lag an der Stirnseite des Flures und konnte nur durch eine weitere gesicherte Glastür erreicht werden.

Schon als Gabriel die Glastür passiert hatte, konnte er die panischen Schreie hören … <Mein Gott, was stellen die da bloß mit ihm an?!>

Schon wollte er in das Zimmer stürmen, besann sich aber mit der Hand an der Klinke und versuchte sich noch einigermaßen zu sammeln.

Er holte noch einmal tief Luft und betrat ohne zu Klopfen den Raum, wobei er lautstark die Tür an die Wand pfefferte.

Als er das Treiben sah, kochte eine Wut in ihm auf, die er kaum kontrollieren konnte.

Sie hatten den Jungen auf dem Untersuchungstisch festgeschnallt und sechs der Wissenschaftler wuselten geschäftig um ihn herum. Professor Hanauer betrachtete gerade das Wesen angestrengt und als er Gabriel bemerkte, kam er sofort auf ihn zu gerannt.

Hanauer packte ihn am Arm und zog ihn einfach an den Tisch heran, wo er übermütig drauflos plapperte.

„Wir haben eine Entdeckung gemacht! … Diese Kreatur ist nicht auf das Wasser angewiesen, um leben zu können … Sehen Sie nur!“

Mit diesen Worten nahm er eins der Skalpelle und schob es knapp unter die Rippen des Wesens. Es sog dabei nur scharf die Luft ein, gab aber keinen Laut von sich.

Mit einem fast irren Kichern bewegte der Professor das Skalpell nach oben, wobei auch ein ganzes Stück der Haut oder besser gesagt des Fleisches angehoben wurde. In dem Moment fing das Wesen panisch an zu schreien und zu zappeln.

Es versuchte, sich von den Fesseln zu befreien, was aber aussichtslos war.

„Hören Sie sofort auf damit!“, schrie Gabriel den Professor an. Doch dieser starrte ihn erst nur schockiert an und zog dann das Skalpell langsam aus dem Körper des Jungen hervor.

„Ich habe es nicht verletzt, falls Sie das denken … was Sie hier sehen, könnte man als Kiemen bezeichnen. Es atmet sowohl an der Luft als auch unter Wasser. Wobei diese Kiemen nur hervortreten, wenn es … ahm … wenn er mutiert.“

„Bringen Sie ihn sofort in das Becken zurück!“, ohne auf die Bemerkung einzugehen giftete Gabriel den eben noch über seine Entdeckung stolzen Professor an.

Ruhig und überheblich meinte er nur: „Das können Sie gar nicht bestimmen, mein lieber Herr Rosenfeld!“

„Und Sie können ihn ohne meine Zustimmung nicht einfach hier untersuchen! … Lassen Sie ihn sofort zurückbringen!“ Den letzten Satz hatte Gabriel gefährlich leise gesagt und der Professor ordnete ärgerlich die Verlegung „der Kreatur“ an.

Zu Gabriel meinte er noch leise: „Das wird ein Nachspiel für Sie haben!“

Gabriel war es egal … er hatte erreicht, was er wollte, nämlich dass dem Jungen zumindest für heute kein weiteres Leid zugefügt werden würde.

Um sicher zu gehen, dass sein Befehl auch ausgeführt wurde, ging er den gesamten Weg neben dem fahrbaren Untersuchungstisch, auf dem das Wesen festgebunden war, her und beobachtete, wie der Tisch neben dem Weg in die Höhe gefahren wurde. Die Fesseln wurden gelöst, der Tisch wurde gekippt und das Wesen rutschte in das Wasser zurück. Absolut regungslos ließ es sich an den Beckenboden gleiten und als es diesen berührt hatte, zuckte es zusammen und rollte sich soweit wie möglich ein. Das Gesicht hatte es unter seinen Armen versteckt.

18.11.1991 – 07:16

Als sich die kleine Gruppe an Wissenschaftlern entfernt hatte, suchte sich Gabriel Doc Stein … er war wohl hier der einzige Mensch, der noch halbwegs normal war. Er entdeckte ihn auf der Empore, auf der es zu dem Überwachungsraum ging. „Ah, Doc Stein, Sie habe ich gesucht.“

„Ja bitte, Herr Rosenfeld? Womit kann ich Ihnen zu Diensten sein?“, fragte er unschuldig mit einer leichten Verbeugung.

„Oooch, Sie könnten mein Auto waschen, innen und außen natürlich … meine Wohnung könnte auch mal wieder nen Großputz vertragen und …“, versuchte Gabriel ein wenig mitzuscherzen, aber seine Miene wurde sofort wieder ernst.

„Doc Stein, sie hatten gestern diese Idee mit dem Salzwasser … wie kann man die Mutation wieder rückgängig machen? … ich mein, dass er wieder menschlich wird.“

„Nun, ganz einfach, schaffen Sie ihn ins Trockene … nach einiger Zeit verwandelt er sich dann zurück.“

„Wie schnell geht das denn?“

„Hach, Herr Rosenfeld … jetzt überschätzen Sie mich doch etwas … Sie erinnern sich, ich habe dieses Wesen gestern auch zum ersten Mal gesehen. Die Idee mit dem Salzwasser war reiner Zufall, wissen Sie?“ Nach einer kurzen Pause meinte er dann: „Warum probieren wir es nicht einfach aus?“

Gabriel blickte erschrocken drein und meinte: „Ich will  ihn nicht komplett verstören. Wie sollen wir ihm denn klar machen, was wir von ihm wollen?“

Doc Stein schaute sich erschrocken um und flüsterte: „Sagen Sie das lieber nicht zu laut, der Hanauer hat Sie ohnehin schon auf dem Kicker. Wenn der solche Töne von Ihnen zu hören kriegt, lässt er Sie sofort aus dem Projekt ausschließen.“

Traurig und gleichzeitig verstimmt nickte Gabriel: „Sie haben ja recht.“

Doc Stein lag natürlich absolut richtig und Gabriel fragte sich, inwieweit er dem Doc vertrauen konnte.

 Er musste dafür sorgen, dass das Wesen seine menschliche Gestalt annehmen konnte, doch wie sollte er das begründen? Es war ja Sinn des Projektes, zu erforschen, wie so eine Mutation überhaupt möglich war und welche Auswirkungen sie auf den Körper hatte.

Nachdenklich beobachtete Gabriel Doc Stein, der ihn seinerseits abwartend entgegen blickte.

Wie sollte Gabriel ihm seine Pläne mitteilen? War er zu direkt und täuschte sich womöglich in Stein, so konnte dies ebenfalls seinen Ausschluss aus dem Projekt bedeuten. Und dann würde er dem Wesen auf keinen Fall mehr helfen können.

Allerdings musste er irgendetwas tun und dabei brauchte er unbedingt Unterstützung. Er mußte einfach sehr vorsichtig sein und alles, was er zu tun gedachte, so aussehen lassen als ob es Teil des Projektes wäre.

Schließlich kam ihm eine Idee.

Er hatte sich ein Argument zurecht gelegt, das absolut stichfest und einleuchtend war. Natürlich sollten sie die körperlichen Veränderungen erforschen, doch ebenso wichtig war es, herauszufinden,  ob das Wesen eine Art menschliche Intelligenz besaß. Mussten herausfinden, ob es sich verständigen konnte, damit sie mehr erfahren konnten. Es war ja auch nicht unwichtig zu wissen, woher es überhaupt aufgetaucht war und ob noch mehrere seiner Rasse gab.

Und das alles konnten sie nun mal nicht herausfinden, solange sich das Wesen unter Wasser aufhielt.

Doc Stein grinste ihn schon fast diabolisch an und meinte: „Ja, so müsste es gehen … da kann noch nicht einmal ein Doktor Hanauer dagegen halten.“

Nun grinste auch Gabriel und eilte sofort in das untere Stockwerk, um zu dem Glaskasten zu gelangen. Doc Stein wollte derweil alles in die Wege leiten.

18.11.1991 – 07:59

Gabriel stellte sich nahe an das Glas und legte seine Hand darauf, in der Hoffnung, dass das Wesen von selbst an seine Seite kam.

Und tatsächlich, es … er … kam und legte auch diesmal seine Hand von innen auf das Glas.

Gabriel lächelte und blickte dem Jungen tief in die Augen. Er wusste dabei nicht, wie er sich mit ihm verständigen sollte und überlegte fieberhaft. Gerade als Doc Stein die Treppe herunterstieg kam ihm die Idee.

Er winkte den Doc zu sich heran und fragte: „Haben Sie alles vorbereitet? Auch Decken, Handtücher, Kleidung?“

„Wird alles in den nächsten Minuten geliefert.“

„Gut“, sagte er und nickte. Langsam wandte er sich wieder dem Becken zu und blickte dem Jungen noch einmal in die Augen. Dieser starrte einfach nur zurück … mit seinem warmen, sehnsuchtserfüllten Blick.

Dann stieg Gabriel die kleine Leiter hoch, über die man ebenfalls in das Becken gelangen konnte und hoffte dabei, dass er sich in dem Wesen nicht getäuscht hatte. Es bestand immerhin auch noch die Möglichkeit, dass es ihn in das Becken zog, um ihn dort zu ertränken.

Aber als er oben angekommen war, geschah erst mal gar nichts. Er setzte sich halb auf den Rahmen des Beckens und hielt sich mit nur einer Hand an der Leiter fest. Die andere Hand ließ er sacht im Wasser hin und her gleiten.

Da er das von oben nicht erkennen konnte, fragte er Doc Stein, was der Junge tat.

 Seine Antwort war ernüchternd: „Nichts! Er guckt einfach nur nach oben … mehr nicht!“

„Oh … jetzt … er kommt zu Ihnen hoch … wow … wunderschön!“

Gabriel grinste noch einen Moment über diese unbedachte Äußerung des Doc Stein und erschrak dann doch ein bisschen, als das Wesen direkt vor ihm auftauchte.

Es ergriff jedoch nicht seine Hand wie er sich erhofft hatte, sondern ließ sich einfach nur vom Wasser tragen. Dabei blickten sich die beiden in die Augen.

Als ihn das Wesen weiterhin nur regungslos beobachtete, wurde Gabriel langsam nervös. Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht, was er denn tun sollte, wenn es sich ihm tatsächlich nähern sollte. Hatte keine Ahnung, ob sie sich überhaupt irgendwie miteinander verständigen konnten.

Um seine Ahnungslosigkeit zu überspielen, versuchte er aufmunternd zu lächeln, wusste aber weiterhin nichts über die Reaktion des Wesens zu vermuten. Es legte nur den Kopf etwas schief und schien angestrengt nachzudenken.

Dann umspielte auch seine Lippen ein kleines Lächeln und seine Augen blickten fast verlegen auf das Wasser.

Dann plötzlich ließ es sich unter die Wasseroberfläche gleiten und war zumindest für Gabriel einen Moment nicht mehr sichtbar, da der Boden des Beckens abgedunkelt war und das Licht nicht ausreichte, um etwas zu erkennen.

Gerade als Gabriel ansetzte den Doc zu fragen, was das Wesen machte, tauchte es wieder auf … diesmal aber ebenfalls am Rand, direkt neben Gabriel. Beinahe hätte er sich in das Wasser fallen lassen, weil er im ersten Moment so erschrocken war, konnte sich aber doch noch rechtzeitig an der Leiter festhalten.

Sie waren sich plötzlich so nahe, dass Gabriel ihn hätte berühren können, hätte er die Hand nach ihm ausgestreckt.

Erwartete der Fremde das vielleicht sogar? Er selbst tat einfach nichts dergleichen, aber als sich ihre Blicke trafen, versuchte Gabriel es einfach und fragte leise: „Kommst du?“

Dabei hielt er ihm auffordernd die Hand hin und stieg an der Leiter eine Stufe abwärts.

Der Junge senkte für Sekunden leicht den Kopf und als er wieder aufblickte ergriff aber nicht Gabriel’s Hand sondern zog sich mit leichtem Schwung auf den Beckenrand. Dort blieb er sitzen und Gabriel stieg eine weitere Stufe hinab, nicht sicher, ob das Wesen überhaupt verstand, was er von ihm wollte. Auch nach einer weiteren Stufe tat es nichts dergleichen.

 

Da fiel Gabriel siedendheiß ein: „Er kann die Treppe ja gar nicht herunter klettern … wie denn auch mit der Flosse.“ In diesem Moment lächelte das Wesen wissend, als hätte es den Gedanken hören können.

Gabriel wurde sensationell rot und überlegte fieberhaft, wie sie dieses Problem bewältigen könnten. Jedoch schien jemand schneller auf die Lösung gekommen zu sein, denn Doc Stein kam schon mit einem der kleinen Laborkräne angesaust, die man fälschlicherweise auch manchmal für Gabelstapler halten mochte. Die Ähnlichkeit war tatsächlich nicht ganz abzustreiten, nur dass an der Vorderseite des Gefährts statt einer Hebevorrichtung eine Steigfläche angebracht war. Und eben diese kurbelte der Doktor in dem Moment hoch.

So weit, bis sich das Wesen auf die Fläche gleiten lassen konnte.

Als es das getan hatte, ließ er die Fläche von einem anderen wieder hinab kurbeln und grinste Gabriel spöttisch an.

Unten angekommen lagen schon die Handtücher bereit und der Fremde begann von alleine seine Flosse abzutrocknen.

Die Verwandlung dauerte dann sogar mehrere Minuten und obwohl alles relativ langsam von Statten ging, so konnte man die Verwandlung an sich nicht sehen. Man sah weder, wie sich die Kiemen unterhalb der Rippen schlossen, noch wie aus einer Flosse zwei Beine entstehen konnten. Irgendwie ging alles nahtlos ineinander über und auf einmal lag da ein ganz normaler junger Mann.

Ok, liegen tat er nicht lange, denn schon nach einem kurzen Moment erhob er sich langsam. Gabriel konnte dabei nicht mit Sicherheit sagen, ob das Wesen in dieser körperlichen Form erst Gewöhnung brauchte oder ob es so berechnend war, dass es niemanden mit zu schnellen Bewegungen provozieren wollte.

Gabriel war inzwischen vom Becken geklettert und trat vorsichtig an das Wesen heran, das ihn freundlich anblickte.

Er schaffte es nun erst recht nicht mehr, seinen Blick von dem Wesen … von dem jungen Mann … abzuwenden. Dieser stand nun vor ihm, wie er von Gott oder von wem auch immer erschaffen wurde.

In seinen Augen war dies das perfekte … das perfekteste Bild, das je ein Mann hätte sein können.

Seine Haare, sein Gesicht und vor allem seine Augen hatten sich nicht verändert. Ebenso wenig sein Oberkörper.

Jedoch weiter unten sah nun alles menschlich aus. Er hatte kräftige, trainierte Schenkel ebenfalls ganz ohne Behaarung und auch zwischen den Schenkeln,  also im Intimbereich, war nur blanke Haut zu sehen. Und was da sonst noch alles zu finden war … „Wow!“, rutschte es Gabriel heraus und er blickte dem jungen Mann schockiert wieder in die Augen. Es war ihm furchtbar peinlich, nicht vor den wenigen Wissenschaftlern, die momentan anwesend waren und auch nicht vor Doc Stein. Es war ihm peinlich vor diesem Wesen, das ihn nun unverwandt anstarrte und … und lächelte?

Konnte er ihn womöglich doch verstehen? Wusste er die ganze Zeit, was in diesen Räumen geredet worden war?

Der Mann trat einen kleinen Schritt auf Gabriel zu und streckte ihm seine Hand, die jetzt wieder frei von Schwimmhäuten war, entgegen.

Total verdattert ergriff Gabriel die Hand, unfähig einen Ton zu sagen, geschweige denn auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

„Ahm … Jungs … vielleicht sollte sich unser Gast etwas überziehen … wir wissen nicht, welche Temperaturen er sonst gewohnt ist.“

Gabriel’s Gesicht nahm eine dunkelrote Farbe an und er nickte schnell „ja natürlich … Sie haben selbstverständlich Recht.“

Mit diesen Worten griff er nach einer Stoffhose und einem Shirt und reichte sie dem Fremden. Doch dieser betrachtete die beiden Teile nur verständnislos.

Gabriel lächelte verständnisvoll und begab sich vor ihm auf die Knie. Er hob erst das den einen Fuß in das Hosenbein, dann den anderen und zog ihm schließlich die Hose auf die Hüften. Dabei konnte er es allerdings nicht vermeiden, dass er dabei das Geschlechtsteil des Fremden musterte. Es sah sehr menschlich aus, überhaupt kein Unterschied soweit er das in der Schnelle beurteilen konnte, aber es war, zumindest für seine Begriffe ziemlich groß. Gut, das konnte sozusagen „rassebedingt“, also normal bei solchen Wesen sein. Und es gab ja auch menschliche Männer, die in der Art bestückt waren. Gabriel gehörte jedenfalls nicht dazu.

Als er sich wieder erhob, hoffte er nur, dass der fremde Mann das nicht mitbekommen hatte, aber als Gabriel ihm das Shirt überstreifte, war der belustigte Ausdruck in dessen Augen nicht mehr zu übersehen.

Gabriel’s Gesichtfarbe begann sich wieder der eines Krebses anzugleichen, aber er hatte dennoch nicht den Eindruck, als ob sich der Fremde über ihn lustig machen wollte. Im Gegenteil … es schien, als hätte der seine Blicke genossen.

Sie standen sich noch sekundenlang sehr nahe gegenüber, bevor sich Gabriel verlegen abwandte und meinte: „Lasst uns in Raum 17 gehen.“

Das war mit Abstand der entspannendste Raum dieser Ebene und eigentlich nicht für „die Arbeit“ gedacht, sondern eher für die Mitarbeiter, wenn diese sich erholen mussten.

Ausgestattet war der Raum mit einem kostenfreien Getränkeautomaten, sowie einem modernen Kaffeeautomaten von der Sorte, an denen man sich alle möglichen Arten von Kaffee oder Espresso zubereiten konnte.

Wenn man Glück hatte, so lagen in der Selbstbedienungstheke außerdem einige Snacks bereit.

Die Mitte des Raumes nahm ein großer Tisch ein, an dem man bequem essen und trinken konnte, dazu etwa neun gepolsterte Stühle, die regelrecht zum Ausruhen einluden.

An der der Tür gegenüberliegenden Wand befand sich sogar eine Couch für das obligatorische Mittagsschläfchen. Gabriel hatte dort zwar noch nie jemanden liegen sehen, aber es wirkte zumindest gemütlich.

Nacheinander betraten sie den Raum, angeführt von Gabriel gefolgt von dem Fremden und von Doc Stein. Außerdem hatten sich noch zwei weitere Mitarbeiter angeschlossen, denen Doc Stein uneingeschränktes Vertrauen schenkte.

Sie versammelten sich alle um den Tisch und Gabriel verteilte zusammen mit dem Doc Getränke und Snacks.

Er traute sich nicht recht, den Fremden etwas zu fragen, denn es war unwahrscheinlich, dass dieser seine Sprache beherrschen würde und er wollte ein peinliches Rumstammeln verhindern. So zog er ihn einfach mit sich und deutete auf die Snacks.

Der Fremde blickte ihn nur verständnislos fragend an und Gabriel zeigte erneut auf die Snacks. Diesmal nahm er aber noch eines der einzeln verpackten Sandwiches in die Hand und hielt es dem Fremden unter die Nase.

Er schien nun verstanden zu haben, denn er betrachtete das Sandwich eingehend, schüttelte dann aber den Kopf und zeigte seinerseits auf das Bild des Schweines, das für Schinkensandwich stand.

So nahm Gabriel ein weiteres Sandwich, das nur mit Salat und Tomaten belegt war, und hob fragend die Augenbrauen.  Als Antwort nickte der Fremde dankbar und griff danach.

 Nach einem schüchternen Lächeln wandte sich Gabriel dem Getränkeautomaten zu und öffnete die Tür des selbigen. Der Fremde besah sich still den Inhalt und griff dann nach einer Flasche gefüllt mit Wasser. Nachdem sich auch Gabriel Getränk herausgenommen hatte, gesellten sie sich an den Tisch zu den anderen.

Man hatte sich so um den Tisch herum gesetzt, dass zwischen ihnen zwei Stühle frei geblieben waren, damit Gabriel neben dem Fremden sitzen konnte.

Als sich beide gesetzt hatten, blickte Gabriel fragend in die Runde und musste feststellen, dass ihn alle mit einem wissenden Grinsen beobachteten.

Sein Gesicht glühte sofort wieder, aber er bemühte sich zumindest, einen professionellen Eindruck zu vermitteln. Sehr erfolgreich war er darin allerdings nicht.

Verlegen packte Gabriel sein Sandwich aus und versuchte, die Blicke der anderen so gut wie möglich zu ignorieren. Was hatte er denn auch getan? Er hatte doch nur dafür gesorgt, dass sich der Fremde etwas stärken konnte.

Als sie nun so da saßen, blickte der Fremde Gabriel eindringlich an und fragte plötzlich: „Was wollt ihr von mir?“

Gabriel verschluckte sich an seinem Brötchen und starrte den Fremden erschrocken an. „Du sprichst unsere Sprache?“

18.11.1991 – 09:23

„Du sprichst tatsächlich unsere Sprache?“, wiederholte Gabriel ungläubig.

„Ich bin seit gestern hier und lerne schnell“, antwortete dieser.

„Das ist ja außergewöhnlich“, schwärmte Doc Stein, „Phantastisch“ und klatschte vor Begeisterung sogar einmal in die Hände.

Gabriel hatte derweil noch immer keine Worte gefunden und blickte dem Fremden schockiert entgegen. Moment mal, das würde ja auch heißen, dass er die Streitereien, die seit gestern mit Hanauer stattfanden und die alle mit IHM zu tun hatten, hatte verstehen können.

Gerade als Gabriel zu dieser Einsicht fand, schenkte ihm der Fremde ein wissendes Lächeln. Leise sprach er: „Das hätte ich auch verstanden, könnte ich Deine Sprache nicht sprechen.“

Um seine Verlegenheit zu überspielen fragte Gabriel dann schnell: „Hast du denn auch einen Namen?“

„Natürlich. Man nennt mich Aureel“

Mit der neuen Erkenntnis, dass sie sich untereinander verständigen konnten, wurde das Gespräch in dem kleinen Raum um etliches vielseitiger. Aureel war irgendwann aufgestanden und hatte Gabriel wie selbstverständlich hochgezogen und ihn zu der Couch geführt. Dort saßen sie dann, dem anderen jeweils äußerst nahe und Aureel flüsterte: „Du musst mich von hier wegbringen, bitte versprich mir das. Ich weiß, was die mit mir vorhaben, aber ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalten kann.“

Gabriel traten bei diesen Worten die Tränen in die Augen. Wie sollte er es denn schaffen, den Fremden aus einem Hochsicherheitstrakt eines Forschungslabors rauszubekommen?

„Bitte Gabriel, du musst es einfach schaffen, ich werde hier sterben!“ Nach einer kurzen Pause fügte er noch leiser hinzu: „Das weißt du.“

Aureel sah ihm so eindringlich in die Augen, dass Gabriel diesem Blick nicht stand halten konnte.

„Ich weiß es…“, zu mehr als diesen drei Worten war er in diesem Moment nicht fähig.

„Ich weiß, dass du anders bist und ich vertraue dir.“, flüsterte Aureel und zog Gabriel sanft in seine Arme.

Es wirkte, als wären sie seit Ewigkeiten schon zwei Gefährten, die sich nach langer Zeit wieder gefunden hatten, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass sie sich in den Armen lagen. Seltsamerweise sagte auch keiner in dem Raum etwas dagegen, sie alle beobachteten schweigend das Bild, das sich ihnen bot.

Immer wieder zerbrach sich Gabriel den Kopf darüber, wie er Aureel in Sicherheit bringen konnte. Doch es wollte einfach keine Lösung auftauchen. Egal, wie er es drehte und wendete, es grenzte an ein Ding der Unmöglichkeit. Über dem offiziellen Weg gab es keine Chance. Seine Vorgesetzten würden ihn allerhöchstens mitleidig auslachen, würde er um Aureel’s Freilassung bitten. Versuchte er ihn heimlich aus dem Labor zu schaffen, kämen sie keine zehn Meter. Nämlich genau bis zur gesicherten Glastür, die das Labor vom Rest des Gebäudes trennte. Selbst wenn Gabriel versuchen wollte, an die Öffentlichkeit zu gehen. Er hätte nichts gegen die militärische Einrichtung in der Hand. Ja, er arbeitete seit Jahren dort, von daher wusste er um die Verbindungen des Labors nach außen. Der Staatspräsident mag vielleicht ahnungslos sein, doch Polizei und Presse waren es nicht. Die Existenz des Labors war ein offenes Geheimnis. Auch wenn er einen freien Journalisten finden würde, der ihm die Geschichte überhaupt glauben würde, so würde Aureel das nicht viel bringen. Sollte auch nur einer der Mitarbeiter Wind davon kriegen, würden sie Aureel entweder kurzerhand umquartieren und in einer Nacht und Nebel Aktion das gesamte Labor umlagern. Oder aber sie würden Aureel sofort töten. Schadensbegrenzung würde es dann heißen.

Gabriel war verzweifelt und fühlte sich schrecklich hilflos. Wut stieg in ihm auf, Wut über die Ungerechtigkeit, die in seinem Leben herrschte.

Er war nur ein einzelner Mensch und würde gegen die großflächige Organisation nicht bestehen können.

Aureel hatte ihn die ganze Zeit mit einem besorgten Blick beobachtet und als er sah, wie Gabriel die ersten Tränen über seine Wangen liefen, streckte er seine Hand nach ihm aus. Zärtlich strich er mit dem Daumen die Tränen weg und lächelte. Dann zog er Gabriel noch näher an sich  heran und hauchte einen leichten Kuss auf dessen Stirn. Sofort fühlte sich Gabriel besser und ließ es zu, dass Aureel ihn sanft in eine liegende Position drückte. Seinen Kopf auf Aureel’s Schoss liegend genoss er mit geschlossenen Augen dessen Streicheleinheiten. Genoss wie Aureel zärtlich über seine Stirn streichelte, seine Wangen berührte und mit leichtem Druck die Konturen seiner Augenbrauen nachfuhr. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er Aureel’s Finger auf seinem Mund fühlte und auch hier leicht die Linien nachstrich.

18.11.1991 – 12:38

Doc Stein riss ihn schließlich aus seinen Träumereien. „Herr Rosenfeld … wir haben einiges besprochen, während Sie geschlafen haben.“

Verwirrt und völlig verwundert dachte Gabriel noch <WAS. … ich soll geschlafen haben?>, aber ein Blick in Aureel’s Augen bestätigte es ihm.

Verlegen setzte er sich auf und meinte verschlafen: „Tut mir leid Leute … das war keine Absicht.“

Kaum saß er wieder aufrecht neben Aureel, zog ihn dieser ganz nahe an sich heran und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Stirn, bevor sich beider erhoben und Hand in Hand an den Tisch herantraten.

„Nun, was habt ihr denn besprochen und wie sieht das Ergebnis aus?“

„Nun, wie Sie ja selbst wissen werden, ist das Sicherheitssystem dieses Labors absolut unüberwindbar, sowohl für Ein-, als auch für Ausbrecher.

Mit einem Seufzen antworte Gabriel: „Ja, das ist mir leider bewusst.“

Nun grinste der Doc und fügte hinzu: „Was aber für uns kein Problem darstellen dürfte, wir wollen schließlich auch gar nicht ausbrechen.“

Gabriel hob verwundert die Augenbrauen: „Ach, das wollen wir nicht?“

„Nein, das wollen wir nicht“, grinste Stein weiter.

Nach einer fast dramatischen Kunstpause und einem stolzen Blick in die kleine Gruppe, kostete Doc Stein den absolut verständnislosen Blick von Gabriel Rosenfeld aus, bevor er mit einem nun breiten Grinsen fortfuhr:

„Lassen Sie es mich so ausdrücken. Ausbrechen? Ich wüsste nicht, wie wir das schaffen sollten, es ist einfach absolut unmöglich … aber …“

Wieder legte er eine Pause ein und blickte freudig in die Gesichter der anderen: „Aber wer sagt denn, dass wir Aureel nicht in ein anderes Labor verlegen können? Das ist meiner Meinung nach absolut notwendig und nicht abwendbar.“

Nun grinste der Doc wirklich von einem Ohr zum anderen und redete in einem übertrieben sachlichen und teilweise ironischen Ton weiter:

„Wenn wir jemanden oder wie es hier offiziell heißt „etwas“ verlegen, bedarf es keiner weiteren Sicherheitsprüfung mehr! Das „Objekt“ wird nach der Freigabe einfach verladen und in ein anderes Labor verfrachtet!“

„Aha“, war Gabriel’s einziger Kommentar und man konnte ihm die Enttäuschung ansehen.

DAS soll der Plan sein? Was brachte es denn, wenn sie Aureel in ein anderes Labor schafften? Auch dort würde er weiteren Test und Proben unterzogen werden und auch dort würde er früher oder später den Tod erleiden. Egal wie er es drehte, eine wirkliche Lösung stellte das für ihn nicht dar. Deprimiert bemühte er sich, die Tränen zurückzuhalten.

Doch da meinte Stein total aufgeregt, seine Stimme überschlug sich fast: „Ja, verstehen Sie denn nicht? Wir lassen Aureel ganz offiziell und mit Erlaubnis von höchster Stelle verlegen und dabei kommt er uns sozusagen abhanden!“

Gabriel’s Augen wurden groß, die Erkenntnis stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Mein Gott, ihr seid fantastisch!“

Auch Aureel, der sich bis dahin sehr zurück gehalten hatte, lächelte.

18.11.1991 – 13:11

Sie hatten sich sofort und einstimmig für den Plan, der ja eigentlich ihre einzige Chance war, entschieden. Jeder der Anwesenden wollte dafür sorgen, dass Aureel wieder in Freiheit leben konnte und so wurde noch an diesem Tag eifrig geplant und abgesprochen. Jeder hatte seinen Part zu erledigen und alles war bis ins kleinste Detail aufeinander abgestimmt.

Es war machbar, zwar riskant, aber machbar. Was noch hinzukam war, dass keiner der Beteiligten irgendwie dafür belangt werden könnte geschweige denn überhaupt damit in Verbindung gebracht werden konnte.

Sie würden es so aussehen lassen, dass während dem Transport ein Unfall passieren würde und in dem ganzen Wirrwarr und Getümmel würde ihnen das Objekt ‚leider’ entwischen.

Gegen Abend stand die Planung, sie wollten die Befreiung so schnell wie möglich über die Bühne bringen. Man konnte schlecht voraus sehen, was Doktor Hanauer noch alles einfallen würde und konnten es nicht riskieren, auch nur einen Tag länger als unbedingt nötig zu waren.

Wie gut, dass ihr Labor nicht den allgemeinen Bestimmungen oder behördlichen Wegen unterstand, denn wäre es so, hätten sie eindeutig schon verloren.

19.11.1991 – 08:17

Am folgenden Tag ließ sich keiner der Eingeweihten auch nur die kleinste Veränderung anmerken. Sie alle wussten Bescheid, doch wussten sie dieses Wissen auch perfekt zu verbergen.

Gabriel hatte dafür gesorgt, dass Aureel den gesamten Tag unter seiner alleinigen Beobachtung stand, was Professor Hanauer absolut nicht genehm war.

„Herr Rosenfeld! Sie haben keinerlei Recht oder Befugnis so etwas zu entscheiden!“

Gabriel lächelte dazu nur kalt und zog provozierend langsam den Bescheid aus seiner Tasche, der ihm am Morgen per Eilboten zugestellt worden war. Darauf wurde ihm gezeichnet und beglaubigt von höchster Stelle bestätigt, dass er sehr wohl das Recht dazu hatte.

„Rosenfeld, das werden Sie noch bereuen. Ich schwöre Ihnen, von nun an mache ich Ihnen das Leben zur Hölle und Sie werden sich wünschen, niemals einen Fuß in dieses Labor gesetzt zu haben.“

Gabriel zuckte nur gelangweilt mit den Schultern und meinte: „Tun Sie, was Sie nicht lassen können.“ Gelassen wandte sich ab und schritt zur Wendeltreppe, die in den Überwachungsraum führte.

Doc Stein erwartete ihn dort bereits und es war klar, dass er das eben geführte Gespräch auf den Bildschirmen mitverfolgt hatte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.

Gabriel lächelte müde und nickte: „Ja, es war abzusehen, dass Hanauer auf die Barrikaden gehen würde. Er wird nur nichts damit erreichen, aber das weiß er glücklicherweise noch nicht. Haben Sie bereits Nachricht vom Hauptbüro?“

„Leider noch nicht, aber nachdem ich in der letzten halben Stunde ungefähr fünfhundert Mal dort angerufen habe, sicherte man mir schnellste Bearbeitung zu“, antwortete Stein grinsend.

„Danke.“

Irritiert fragte der Doc: „Aber wofür denn?“

Gabriel lächelte und meinte: „Dafür, dass Sie dieses Risiko auf sich nehmen. Wenn etwas dabei schief gehen sollte, dann war es das. Das wissen Sie so gut wie ich auch.“

Stein lächelte und meinte in einem persönlichen Ton: „Herr Rosenfeld, jeder der Beteiligten ist sich darüber im Klaren, dass dieses Vorhaben durchaus das Ende der Karriere bedeuten könnte.“ Als Gabriel ihn unterbrechen wollte, winkte er sofort ab und fuhr fort: „Herr Rosenfeld … Gabriel … es ist mir bewusst, dass Sie überwiegend aus dem Gefühl heraus handeln, das Sie für diesen jungen Mann empfinden. Aber auch ich handle aus einem persönlichen Interesse heraus. Ich kann es nicht verantworten, dass hier ein Lebewesen, ob Mensch oder nicht, zu Tode gebracht werden soll. Und das im Namen der Wissenschaft!!“

Er seufzte kurz und meinte: „Das steht in keinem Zusammenhang mit meiner Auffassung von Ehre und Forschung. Als ich damals diesen Berufsweg eingeschlagen habe, war es mein Ziel, den Menschen zu helfen. Ich habe all die Jahre nicht so hart gearbeitet, nur um militärische Vorteile zu schaffen.“

Gabriel standen nach diesen Worten die Tränen in den Augen, die er kaum zurückhalten konnte. Sie beide hatten sich schon immer gut verstanden, aber in den letzten fünf Jahren war es trotzdem nie zu solch persönlichen Worten zwischen ihnen gekommen.

Stein lächelte und bedachte Gabriel mit einem warmen Blick, meinte dann aber: „Herr Rosenfeld, vergessen Sie nicht, wo wir uns befinden. Für private Regungen bleibt später noch genügend Zeit, hier aber darf nichts schief gehen.“

Gabriel holte noch einmal tief Luft, versuchte zu lächeln und flüsterte noch einmal leise „Danke“, bevor er sich wieder in die Rolle des unbeteiligten Forschers vertiefte.

19.11.1991 – 15:42

Den ganzen Tag über gab es nichts Ungewöhnliches, jeder ging wie gewohnt seiner Arbeit nach und Gabriel trat hin und wieder an das wassergefüllte Glasgefängnis heran, um nach Aureel zu sehen. Dabei bemühte er sich, keinerlei emotionale Regung zu zeigen, sollte ihn jemand dabei beobachten. Gerade als er wieder bei ihm stand, vernahm er einen lautstarken Streit aus dem Überwachungsraum klingend.

Er erkannte Hanauers und Steins Stimmen, konnte aber nicht verstehen, was gesprochen wurde. Schließlich stürmte Hanauer die Treppe herab und kam direkt auf Gabriel zu.

„Herr Rosenfeld, glauben Sie ja nicht, dass Sie DAMIT durchkommen werden!“ Dabei wedelte er mit einem Dokument in seiner Hand.

Ruhig wartete Gabriel, bis Hanauer ihn erreicht hatte und nahm das Dokument an sich. Seine Freude konnte er kaum unterdrücken, als er den Text darauf las:

„Um einen weiterführenden Erfolg des Projektes zu gewährleisten, unterstützt das Hauptkommando Ihren Antrag zur sofortigen Verlegung des Objektes TXI4307. Alle hierfür notwendigen Mittel werden zur Verfügung gestellt und die gesamte Entscheidungsgewalt zugeteilt.“

Somit war es offiziell, die Verlegung war genehmigt. Und es gab nichts, absolut gar nichts, was Hanauer hätte dagegen unternehmen können. Jedoch war er durchaus dazu berechtigt, Maßnahmen zur Sicherheit des Transportes durchzuführen, was er dann auch tat.

Er setzte durch, dass das Objekt TXI4307, so die offizielle Bezeichnung, in seinem mutierten Zustand transportiert werden sollte, um ein Fluchtrisiko so gering wie möglich zu halten. Hanauer konnte ja nicht wissen, wie schnell Aureel eine menschliche Gestalt annehmen konnte.

19.11.1991 – 16:03

Nun kam Aufregung ins Labor, als die Vorbereitungen getroffen wurden. Hanauer hatte für den Transport einen Glasbehälter, bestehend aus dreiwandigem Sicherheitsglas verlangt, in dem das Objekt TXI4307 eingeschlossen werden sollte. Um eine ausreichende Sauerstoffzufuhr zu gewährleisten, wurde eine Wasserpumpe befestigt, die das Wasser stetig mit Sauerstoff anreichern sollte.

Der Glaskasten war gerade mal so groß, dass Aureel darin liegen konnte, jegliche Bewegungsfreiheit wurde ihm aber genommen. Nie und nimmer hätte er sich daraus selbst befreien können.

Gabriel tat es in der Seele weh, den jungen Mann, der im Moment mutiert war, so sehen zu müssen. In einem unbeobachteten Moment strich er mit der Hand sanft über den Glasdeckel und konnte ein Lächeln von Aureel erhaschen. Er hätte ihm solch eine Demütigung mehr als gerne erspart, doch konnte er sich schlecht gegen die Anweisungen von Hanauer stellen. Auch wenn er die alleinige Entscheidungsgewalt besaß, so musste er doch den Sicherungswünschen des Professors entsprechen. Alles andere hätte zuviel Aufmerksamkeit geweckt und das galt es unter allen Umständen zu vermeiden.

Zumindest hatte er ohne Probleme erwirken können, dass er die Fahrt zusammen mit Aureel auf der Ladefläche des gepanzerten Transportwagens verbringen konnte. Natürlich nur, um die Vitalfunktionen des „Objektes“ zu überprüfen. Hanauer hatte diesbezüglich zwar heftigen Widerspruch eingelegt, doch kein wirklich haltbares Argument dagegen finden können.

Das Forschungsobjekt war unter absolut höchster Priorität zu behandeln und selbst das geringste Risiko auszuschließen.

Hanauer wusste ebenso gut wie Gabriel, dass er dem nichts gegenhalten konnte und so startete der Transport einige Stunden später. Sie würden die Fahrt ohne Begleitschutz durchführen, um ein öffentliches Interesse zu vermeiden. Der Transporter selbst wirkte unscheinbar, niemand hätte auf die Idee kommen können, welch wertvolle Fracht er beherbergte.

Auch die Gruppe der Beteiligten wurde klein gehalten, um auch hier keine Aufmerksamkeit zu erregen. Als einer der Projektbeteiligten übernahm Doc Stein die Position des Fahrers, neben ihm im Führerhaus waren noch die zwei Kollegen, die am Tag zuvor maßgeblich an dem Rettungsplan mitgewirkt hatten, vertreten.

19.11.1991 – 17:26

Gabriel saß wie vereinbart auf der Ladefläche des Transporters bei Aureel. Leider konnte er ihn aber während der Fahrt nicht aus seinem Glasgefängnis befreien, denn es bestand immerhin noch das Risiko, dass sie unterwegs in eine Verkehrskontrolle gerieten oder von anderen Kollegen aufgehalten werden könnten. Risikovermeidung bis ins kleinste Detail war die Devise. So musste er sich darauf beschränken, seinen Schützling nur beobachten zu können und zumindest Blickkontakt mit ihm zu halten.

Offiziell würden sie bis zum nächsten Labor etwa fünf Stunden benötigen. Bis zu dem passenden Meereszugang jedoch nur maximal drei Stunden. So blieben ihnen noch zwei Stunden Zeit, in denen ihre selbst entschiedene Planänderung nicht auffallen würde.

Die Fahrt verlief anfangs zwar sehr ruhig, doch immer wieder kontrollierte Gabriel nervös die Sauerstoffanzeige auf dem Monitor. Er konnte es kaum erwarten, bis sie ihr Ziel endlich erreicht hatten, denn noch hatten sie nicht gewonnen. Anspannung bis zum letzten Moment.

Durch die Werte aber beruhigt setzte er sich neben den Glasbehälter und beobachtete Aureel, der die Augen gerade geschlossen hatte. Wieder mußte sich Gabriel eingestehen, wie sehr ihn die Schönheit des Wesens faszinierte.

 Wie würde es wohl weitergehen? Was würde aus Aureel werden? Natürlich, sie würden ihm die Freiheit schenken und er würde in seine eigene Welt zurückkehren. So sah der Plan aus.

Und doch erfüllte ihn dieser Gedanke mit Wehmut, obwohl er dafür ein sehr schlechtes Gewissen hatte.

Er sollte doch glücklich und froh darüber sein, dass er dem Mann zur Flucht verhelfen konnte.

Aber so richtig glücklich darüber sein konnte er trotzdem nicht, bedeutete dies doch auch, dass er dieses Wesen nie mehr wieder sehen würde.

 

Gabriel mußte sich traurig eingestehen, dass er Aureel in der kurzen Zeit, die er ihn kannte, total verfallen war. Gerade mal zwei Tage hatten ausgereicht, um sich seiner Liebe zu dem Wesen bewusst zu werden.

Dabei hätte er selbst das nie für möglich gehalten, nicht nach so einer kurzen Zeit und schon gar nicht unter solchen Umständen. Es kam ja noch hinzu, dass sie sich in den zwei Tagen noch nicht mal richtig kennen lernen konnten.  Aber dennoch fühlte er eine Verbindung zu dem Fremden, die er so noch nie zuvor zu jemandem gespürt hatte. Als ob sie ein unsichtbares Band aneinander gekettet hätte.

Er hatte das Gefühl, als ob zwischen ihnen alles klar wäre, keine Fragen oder Zweifel darüber, ob der Gegenüber genauso empfand. Es schien, als ob es nie ein Leben vorher gegeben hätte, so als sei es bestimmt gewesen, dass sie sich finden würden.

Über sich selbst grinsend schüttelte Gabriel den Kopf. Wie ein Teenager hatte er sich in ein fremdes Wesen verknallt und bildete sich auch noch ein, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhen könnte.

Er kam sich kindisch vor und schämte sich beinah für diesen Anflug von Größenwahn. Denn nichts anderes war es doch. Ein Blick auf Aureel und man konnte sich getrost fragen: <Was, bitteschön, sollte so ein perfektes Wesen von einem Menschen … noch dazu von einem Mann … und noch dazu von Gabriel wollen?>

19.11.1991 – 19:37

Kurz vor dem Ziel, etwa nach zwei Stunden Fahrzeit fiel Gabriel auf, dass mit den Geräten etwas nicht stimmte. Das Lämpchen, das die Betriebsbereitschaft der Wasserpumpe signalisierte, flackerte in unregelmäßigen Abständen auf, doch ein Blick auf die Digitalanzeige verunsicherte ihn. Demnach schien noch immer die gleiche Menge an Sauerstoff in gleichmäßigen Abständen in das Wasser gepumpt zu werden.

Gerade wollte er sich wieder setzen, als das Licht wieder flackerte, diesmal sogar länger … was sollte das?

Er wurde mehr als nervös, doch die Anzeige behauptete immer noch, dass alles in bester Ordnung sei.

Er überprüfte wiederholt die restlichen Einstellungen, als er spürte, dass auch Aureel unruhig wurde. Das Risiko doch noch entdeckt zu werden missachtend, versuchte Gabriel den Glaskasten zu öffnen, doch der erste Versuch war nicht erfolgreich. Verwundert versuchte er erneut den Deckel anzuheben, doch nichts tat sich. Er bewegte sich keinen Millimeter, egal wie kräftig er ihn hochzustemmen versuchte.

Aureel konnte man die Angst nun ansehen, er zappelte in dem Kasten herum und hatte einen panischen Ausdruck in den Augen.

Verdammt noch mal … was war denn hier los?

Gabriel sah ein, dass er auf diesem Weg keinen Erfolg haben würde und beeilte sich, die Abdeckung an der Stirnseite des Kastens abzumontieren. Ein Blick und er wusste, was los war.

Egal wie sehr er es noch versucht hätte, er hätte den Deckel nicht anheben können. Denn dieser war mittels Sicherheitsschloss mit dem Kasten selbst verbunden. Er hätte einen Zahlencode eingeben müssen, um das Schloss zu öffnen, doch dieser war ihm natürlich nicht bekannt.

„Verdammt! Hanauer!!“, begann Gabriel wütend zu fluchen, doch im nächsten Moment stockte ihm der Atem. Angst und Panik schnürte seinen Hals zu, als er die Wasserpumpe anstarrte.

Sie bewegte sich nicht.

Mit einem Aufschluchzen schloss er kurz die Augen und blickte dann wieder auf die Pumpe. Keine Veränderung, sie bewegte sich tatsächlich nicht.

„Oh mein Gott“, flüsterte Gabriel schockiert.

An Aureel’s Verhalten erkannte er, dass die Sauerstoffmenge in dem Wasser bereits auf dem untersten Level angekommen war. Würde Gabriel es nicht schaffen, ihn da rauszuholen, würde er binnen Minuten ersticken.

19.11.1991 – 19:48

„Dieser Mistkerl von Hanauer … das war geplant!“, fluchte Gabriel vor sich hin.

Er mochte gar nicht daran denken, was passiert wäre, hätte er dem Professor nachgegeben, als dieser verhindern wollte, dass Gabriel auf der Ladefläche mitfuhr. Aureel wäre schon tot gewesen, wenn sie ihr Ziel erreicht hätten. Um das Überleben des Objektes zu verhindern, hatte Hanauer auch soviel Radau veranstaltet. Er wusste ganz genau, dass Gabriel das Wesen niemals würde umkommen lassen.

Gabriel geriet beinah in Panik, wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte die Wasserpumpe nicht neu aktivieren und den Zahlencode des Schlosses durch Zufall rauszufinden grenzte an lächerlichen Optimismus.

„Verdammt, der hat wirklich an alles gedacht.“

Da fiel sein Blick auf den roten Hammer, der bei Gefahr dazu benutzt werden konnte, das einzige kleine Fenster einzuschlagen und aus dem sonst ausbruchsicheren Transportwagen zu entkommen.

Die Gefahr, dass Aureel dabei verletzt werden konnte, war hoch. Aber wenn er es andererseits gar nicht erst versuchte, würde er ersticken und das war gewiss.

Aureel war den Blicken von Gabriel gefolgt und hatte mit einem leichten Nicken zu verstehen geben, dass Gabriel versuchen sollte, den Kasten aufzuschlagen.

Gabriel nickte ebenfalls kurz und stellte sich konzentriert an das untere Ende des Kastens, so war zumindest einigermaßen sichergestellt, dass Aureel keinen Splitter am Kopf oder in der Brust abbekommen konnte.

Er begann an der Stelle, wo die Flosse am schmalsten war und somit am meisten Leerraum zwischen Aureel und dem Glaskasten zur Verfügung stand.

Nach einem ersten kräftigen Schlag, sah der Kasten allerdings genauso aus wie zuvor. Auch nach einem weiteren Schlag war keine Veränderung zu erkennen.

Verdammt! Die Zeit drängt!

Erst als er mehrere Male auf das Sicherheitsglas eingeschlagen hatte, zeichneten sich langsam die ersten Risse ab.

An der Computeranzeige konnte Gabriel erkennen, dass Aureel kurz vor einem Kollaps stand. Die Zeit wurde knapp und so schlug er nun ohne auf das Ergebnis zu warten immer wieder auf das Sicherheitsglas ein.

Plötzlich wanderten die Risse in rasender Geschwindigkeit über den gesamten Deckel und das Glas gab komplett nach. Es zerbarst in einer unglaublichen Geschwindigkeit von unten nach oben …

Eigentlich wurde das Hochsicherheitsglas als unkaputtbar gehandelt, doch wenn man wusste wie, konnte man es dennoch zerstören.

Gabriel hatte immer und wieder auf genau denselben Punkt geschlagen und durch die immerwiederkehrende Vibration hatte das Glas endgültig nachgegeben. Dann ging alles sehr schnell … einmal angeschlagen, zerbarst die komplette Fläche in sekundenschnelle.

Aureel konnte gerade noch die Arme hochreißen, um zumindest sein Gesicht und seine Augen vor den Splittern schützen zu können. Er schnellte hoch und sog erleichtert die Luft ein.

Gabriel warf den Hammer einfach achtlos zur Seite und nahm Aureel, der unkontrolliert zitterte, in seine Arme. Er schluchzte auf und er drängte sich eng an Gabriel heran.

„Jetzt ist alles gut“, wiederholte er immer wieder flüsternd und ließ seine Hand auf Aureel’s Rücken sanft auf und ab streichen. Er wiegte ihn sanft, strich durch sein Haar und gab ihm einen Kuss auf den Haaransatz.

Erst da sah Aureel zum ersten Mal auf und Gabriel wischte leicht lächelnd die Tränen von seiner Wange.

Aureel senkte den Blick kurz, dann sah er Gabriel wieder unverwandt in die Augen und … lächelte ebenfalls. Für Gabriel war es ein Gefühl, als ob nach einer jahrelangen Nacht die Sonne aufgehen würde, so wunderschön war dieses Lächeln.

„Alles in Ordnung?“, fragte er, nur um sicher zu gehen.

Aureel nickte und fragte seinerseits: „Gibt es hier etwas zum Abtrocknen?“

Schnell suchte Gabriel aus den eingebauten Schränken einige Tücher heraus und reichte sie Aureel, der sofort begann, die schimmernde Flosse damit abzureiben.

Mit einiger Überwindung fragte er leise: „Darf ich Dir helfen?“

Aureel starrte ihn nur erschrocken an und antwortete nicht. Nach einem eingehenden Blick aber reichte er Gabriel eines der Tücher.

Gabriel lächelte und kniete sich neben ihn, dann begann er sacht über das schuppige Gewebe zu reiben. Er konnte es sich nicht verkneifen, einmal mit der bloßen Hand darüber zu streichen. Rau fühlte sich die Haut, oder vielmehr die Schuppen an, überhaupt nicht glitschig, wie man es vielleicht vermuten möchte. Gleichzeitig war das Gewebe an manchen Stellen richtig weich.

Die Verwandlung ging auch diesmal wieder relativ schnell und obwohl Gabriel direkt mitgeholfen hatte, konnte er erneut nicht sagen, wann genau sie stattgefunden hatte. Plötzlich waren da halt Beine, wo vorher der Fisch-Schwanz gewesen war.

Verträumt ließ er nun seinen Blick über Aureel’s Körper schweifen, er war einfach makellos und perfekt. Sein Blick blieb kurz an den Schenkeln haften, dann zwang er sich, langsam nach oben zu wandern. Über den Bauch, über seine Brust und schließlich in Aureel’s Gesicht.

Dort angekommen bemerkte er das schelmische Lächeln von Aureel und ihm wurde schlagartig bewusst, dass dieser seine Entdeckungstour sehr wohl mitbekommen hatte. Gabriel fühlte, wie ihm wohl so ziemlich jeder in seinem Körper befindliche Tropfen Blut mit einer heftigen Wucht ins Gesicht strömte.

Als er anfing, eine Entschuldigung stottern zu wollen, legte Aureel einfach nur                                                                                                                                    einen Finger auf Gabriel’s Lippen: „Entschuldige dich nicht für etwas, was keiner Entschuldigung bedarf“, flüsterte er und verwirrte blickte ihm Gabriel in die Augen.

Was dann passierte, hätte er sich noch nicht einmal in seinen Träumen zu wünschen gewagt. Langsam setzte sich Aureel auf, griff mit der Hand in Gabriel’s Nacken und zog ihn sanft zu sich. Kurz bevor sie sich berührten, blickte er ihm noch einmal fest in die Augen, als ob er eine Bestätigung oder auch Ablehnung darin finden wollte.

Als Gabriel sich ein schüchternes Lächeln auf die Lippen zwang, lächelte auch Aureel und nun legte er seine Lippen vollends auf die Gabriel’s.

Aureel schien dabei darauf gefasst zu sein, jeden Moment abzubrechen, sofern Gabriel das wollte. Dass er das aber keinesfalls wollte, wurde schon nach Sekunden klar.

Er hatte seine Augen geschlossen, genoss wie Aureel zärtlich mit seiner Zunge Gabriel’s Lippen streichelte … nach einer kleinen Ewigkeit stupste er mit der Zunge zart an und Gabriel öffnete sie leicht. Absolut vertraut und trotzdem mit einem Wahnsinnskribbeln versanken sie in einen langen Kuss.

Als sie sich voneinander lösten, wurde Gabriel wieder mit diesem forschenden Blick gemustert, schließlich fragte er leise: „Du möchtest nicht, dass ich gehe, habe ich recht?“

 Unsicher schüttelte Gabriel den Kopf. Aber war es gut, auf so eine Frage zu antworten? Aureel freute sich darauf, dass er endlich wieder in seine Heimat konnte und wenn ihm nun Gabriel von seinen Gefühlen erzählte, würde er dadurch nicht ein schlechtes Gefühl auslösen?

Wäre es überhaupt wichtig für Aureel? Wenn ja, dann konnte die Trennung wirklich eine Tragödie bedeuten, denn es wäre zu gefährlich für ihn, noch einmal in Gabriel’s Welt aufzutauchen.

Andererseits, wenn es nicht wichtig für Aureel wäre, warum hätte er ihn dann so küssen sollen? War das nichts Besonderes? Küsste er jeden Fremden so, wenn ihm gerade danach war?

Fragen über Fragen und Gabriel fand auf keine einzige eine zufriedenstellende Antwort. Mit Aureel wollte er darüber aber auch nicht sprechen, sei es aus Angst vor den Antworten oder aus Scham, weil er sich so viele Gedanken machte.

Als er Aureel vorhin im Arm gehalten hatte, schien ihm alles so klar. Er hatte keine Zweifel mehr gehabt, verrannte sich sogar in dem Gedanken, Aureel könnte auch ihn lieben.

Doch jetzt war alles weg. Er fand auch gar keinen logischen Ausweg, wusste nicht, wie er auf die lächerliche Idee gekommen war, mit Aureel zusammen zu sein.

Er würde in nicht einmal einer Stunde aus seinem Leben verschwunden sein und sie würden sich niemals wieder sehen.

Obwohl Gabriel fast schon mit Trotz versuchte sich einzureden, dass es ohnehin keinen Sinn hätte, wusste er: Die Einsamkeit würde danach schlimmer werden als jemals zuvor. Die letzten 31 Jahre schienen ihm wie ein Kinderspiel verglichen mit dem Chaos, das nun in seinen Gedanken herrschte.

So saßen sie eine Weile schweigend da und Gabriel überlegte fieberhaft, was er sagen sollte? Er konnte einerseits die Frage schlecht einfach unbeantwortet lassen, andererseits wollte er Aureel auch kein schlechtes Gefühl deswegen vermitteln.

So schüttelte er leicht den Kopf und fing stockend an: „Nein, ich möchte in der Tat nicht, dass du gehst.“ Die Worte fielen ihm schwerer, als er es eigentlich gedacht hatte und so schwankte er leicht, als er fortfuhr: „… aber ich weiß auch, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Sobald dich die anderen finden würden, würde alles von vorne losgehen. Und wir wissen beide, sie würden dich dabei töten.“

Noch leiser fügte er hinzu: „Du musst zurück in deine Heimat!“

Gabriel hatte sich bei diesen Worten immens darauf konzentriert, seine Tränen zurück zu halten und hoffte inständig, dass Aureel es nicht bemerken würde.

 

Diese Hoffnung erfüllte sich natürlich nicht. Er hatte ihn sehr genau beobachtet und als Gabriel schwieg, hob Aureel lächelnd seine Hand, um Gabriel’s Wange zu streicheln. Leise erwiderte er: „Was hältst du davon, wenn…“

Der Satz blieb gezwungenermaßen unvollendet, denn in diesem Moment kam der Transportwagen holprig zum stehen und die Türen wurden aufgerissen…

19.11.1991 – 20:11

„Verdammt! Die haben den Braten gerochen … ihr müsst sofort verschwinden … SCHNELL!“

Doc Stein hatte völlig außer sich vor Panik die Türen des Transportwagens aufgerissen und schrie um sich.

„Was ist denn los?“

„Keine Ahnung … gerade ist ein Hubschrauber über uns hinweg in Richtung Meer … erst hab ich mir nichts dabei gedacht, aber dann düsten dem ersten noch zwei weitere nach… In den Nachrichten hab ich gehört, dass die den Hafen gesperrt haben … wegen nem Leck in nem Öldampfer … pah … wer’s glaubt!“

„Mist … wir müssen uns was anderes überlegen … Irgendwie müssen wir ans Meer kommen.“

„Ja, sicher. Aber mit dem Transporter kommen wir nicht durch … der ist zu auffällig.“

„Wie weit ist es zu Fuß?“

Doc Stein überlegte angestrengt: „Etwa eine Stunde.“

Gabriel sah nachdenklich zu Aureel und meinte dann: „Ok, dann haben wir nen weiten Fußmarsch vor uns … es muss sein.“

Aureel nickte leicht ängstlich und Gabriel warf dem Doc einen kurzen Blick zu. Dieser verstand und meinte: „Ich geb den anderen beiden Bescheid.“

Als sie wieder alleine waren, trat Gabriel an seinen Schützling heran. Lächelnd strich er ihm über die Haare und hauchte einen sanften Kuss auf dessen Nasenspitze. 

„Mach dir keine Sorgen Aureel, wir schaffen das. Es gibt noch einige andere Wege, um ans offene Meer heran zu kommen. Ich lass nicht zu, dass die dich schnappen.“

Aureel versuchte zu lächeln und nickte leicht. Dann kletterten sie beide aus dem Wagen, um mit den anderen dreien den Weg anzutreten.

19.11.1991 – 21:16

Nach einer dreiviertel Stunde, die sie überwiegend schweigend verbracht hatten, waren sie in der Nähe des Hafens angekommen. Eigentlich wären sie sogar schneller gewesen als ursprünglich angenommen, doch hatten sie zur Sicherheit einen Umweg in Kauf genommen. Auf diese Weise konnten sie sich dem Hafengelände von der Seite her nähern, anstatt den direkten Weg zu gehen. Dadurch konnten sie zwar nahezu das gesamte Geländer überblicken, konnten aber selbst nicht so leicht entdeckt werden.

Dass dies eine weise Entscheidung gewesen war, bestätigte ein Blick Richtung Meer: Das Hafengebiet war komplett abgeriegelt, mehrere Militärfahrzeuge sowie Polizeiwagen waren zu sehen. Überall wuselten Menschen in Uniformen herum, befragten teilweise Hafenarbeiter oder standen in Gruppen beisammen. Die Schiffe, die für die Nacht geankert hatten, waren allesamt hell erleuchtet … von denen würde sie also keines ungesehen aufs Meer hinausbringen können.

„Mist! Was machen wir jetzt?“, entfuhr es Doc Stein, der bei dem Anblick fast den Mut zu verlieren schien.

Als Antwort meldete sich einer der beiden Wissenschaftler zu Wort, der während der ganzen Aktion noch nicht wirklich viel gesagt hatte.

„Etwa einen halben Kilometer weiter östlich gibt’s noch einen kleinen Privathafen und mein Bruder hat dort ein kleines Boot … wenn wir Glück haben und er geankert hat, bringt er uns sicher von hier weg.“

Fragend blickte er in die Runde und alle waren sich einig. Sie würden es einfach versuchen, denn eine andere Möglichkeit hatten sie ohnehin nicht.

Gabriel lächelte seinen Schützling aufmunternd an und sie setzten zusammen den Fußmarsch um ein weiteres kleines Stück fort.

19.11.1991 – 21:27

Als sie dann den Privathafen erreicht hatten, war ihnen klar, warum der andere von einem ‚kleinen’ Hafen gesprochen hatte. Das Wort Hafen passte eigentlich auch nicht wirklich. Doch egal, das was sie gesucht hatten, war vorhanden. Nämlich das Boot des Bruders, das einsam in den Wellen auf und ab schaukelte.

Kein anderes Boot war zu sehen, keine Festbeleuchtung und kein Militär. Allerdings auch kein Bruder.

Doch irgendwie schien das demjenigen, der den Vorschlag gemacht hatte, nicht zu stören, denn er ging zielstrebig auf das Boot oder vielmehr Hausboot zu. Dort angekommen winkte er auch die anderen heran: „Nur keine Scheu, mein Bruder hat mir nen Schlüssel nachmachen lassen.“

„Das ist ja schön zu hören, Petri, aber was hilft uns der Schlüssel, wenn keiner mit dem Boot umgehen kann?“, fragte Doc Stein amüsiert.

„Keine Sorge, mein Bruder hat mir da einiges beigebracht.“, antwortete der Wissenschaftler mit einem frechen Grinsen und sie kletterten nacheinander auf das Boot. Kaum waren sie vollzählig an Bord, startete er auch schon die Motoren.

Während diese warm liefen, löste Petri bereits die Leinen von den am Steg angebrachten Eisenringen, wodurch sich das Boot schon ohne Antrieb langsam vom Ufer wegzubewegen begann.

„Jetzt bloß keinen Fehler … ich hoffe, die da oben kriegen nichts mit“, meinte Gabriel mit einem besorgten Blick gen Himmel, wo noch immer Hubschrauber die Gegend umkreisten.

Nur weil sie es bis zum Hafen geschafft hatten, hieß das noch lange nicht, dass sie auch gewonnen hatten. Noch immer konnten sie entdeckt werden, selbst auf offener See hätte man sie noch abfangen können.

Die Flucht aus dem Labor war nur der erste große Gefahrenteil, nun aber mussten sie noch ungesehen weit genug auf die See kommen, damit Aureel unbeschadet seinen Heimweg antreten konnte.

Den Fehler, sich zu früh zu freuen und sicher zu fühlen, machte keiner von ihnen und so ließen sie auch auf dem letzten Schritt zum Ziel noch äußerste Vorsicht walten. Ohne Licht und unter nervenzerreissender Anspannung manövrierte Petri das Boot Richtung offene See, ständig die Gegend nach eventuellen Beobachtern absuchend.

Als sie etwa 500m vom Ufer entfernt waren, konnten sie auch den Haupthafen überblicken und dort schien die Hölle los zu sein. Der Bereich war taghell beleuchtet, der äußere Bereich wurde mittels riesiger Scheinwerfer abwechselnd erhellt. Die Suche nach ihnen schien in vollem Gang zu sein.

Gabriel’s Nerven lagen blank und auch die anderen waren mehr als beunruhigt. Sollte nur einer der Sucher in ihre Richtung blicken, würde er sie unweigerlich entdecken müssen, selbst ohne Licht. Keiner von ihnen wagte es diese Gedanken auszusprechen und so standen sie alle schweigend an Bord und beobachteten das aufgeregte Treiben an Land. Gabriel hatte sich schützend an Aureel’s Rücken gestellt und beide Arme um dessen Bauch gelegt. Sein Kinn stützte er an dessen Schulter. Aureel schien es zu genießen, seine Nähe zu spüren, denn er hatte sich leicht angelehnt und streichelte Gabriel’s Hände.

19.11.1991 – 21:48

Nach nicht ganz einer halben Stunde hatten sie die Stelle erreicht, an der Aureel vor ein paar Tagen erst aufgegriffen worden war.

Betreten und auch verlegen standen sie sich alle gegenüber, keiner wusste so recht, wie er sich verhalten sollte. Schließlich machte Aureel den ersten Schritt und verabschiedete sich nacheinander von jedem einzelnen. Dabei bedankte er sich aber nicht für die Rettung. Warum auch? Gäbe es das Labor nicht, so wäre er niemals gefangen worden.

Allerdings erwartete auch keiner von ihnen Aureel’s Dank und hatten auch Verständnis dafür.

Zuletzt wandte er sich Gabriel zu. Lange standen sie einfach nur da und blickten sich einfach nur in die Augen.

Als Aureel schließlich zurückhaltend lächelte, konnte Gabriel seinen Schmerz nicht mehr verbergen. Eine einzelne Träne stahl sich ihren Weg über seine Wange, die Aureel liebevoll wegwischte. Dann küsste er ihn zärtlich erst ganz kurz auf die Lippen, dann etwas länger auf die Stirn.

„Aaaaaahm … Leute, ich will ja nicht drängeln … aber ich glaub, am Hafen geht langsam der Trubel los“, machte Doc Stein auf sich aufmerksam.

Erschrocken wanderten sämtliche Augenpaare in Richtung Ufer, um zu sehen, was da los war. Tatsächlich, es waren zwei der Militärdampfer ausgelaufen und hielten nun Kurs auf ihr Schiff.

„Es wird Zeit“, flüsterte Gabriel und blickte Aureel wieder an, wobei er seine eigene Traurigkeit nicht verstecken konnte,

Warum konnte das Leben nur so dermaßen unfair sein?

Da hatte er nach über drei Jahrzehnten auf dieser Welt endlich seine große Liebe gefunden, nur um ihn dann wieder ziehen lassen zu müssen. Wo lag denn da die Gerechtigkeit?

Aureel nickte nur und wandte sich, gefolgt von Gabriel’s Blicken, ohne ein weiteres Wort zur Reeling. Er schritt sehr langsam voran, so als wollte er nicht wirklich gehen, obwohl das eigentlich lächerlich war. Schließlich würde er bald wieder in seiner Heimat sein können und müsste sich nicht mehr seines Lebens fürchten. Und doch verlangsamten sich seine Schritte immer mehr und an der Reeling angekommen blieb er eine Weile stehen. Gabriel konnte nicht erkennen, was Aureel machte, aber er schien einfach nur dazu stehen und das vom abnehmenden Mond erhellte Meer zu beobachten.

Eben als Gabriel angesichts der Situation am Hafen zur Eile drängen wollte, drehte sich Aureel zu ihm um und sah ihn mit einem verzweifelten Blick an. Seine Wangen waren tränenüberströmt, seine Augen wirkten verzweifelt.

Er senkte seinen Blick, schüttelte den Kopf und erhob sein Gesicht gen Himmel. Dann sah er Gabriel wieder an und bewegte sich langsam ein paar Schritte auf ihn zu. Die letzten Meter lief er zu ihm und warf sich in Gabriel’s Arme. Laut schluchzend klammerte sich Aureel an Gabriel fest und schmiegte sein Gesicht dabei an seine Brust.

Es dauerte eine Weile bis er sich wieder beruhigt hatte und endlich in der Lage war zu sprechen und auch da war er nur schwer zu verstehen, weil seine Stimme immer wieder unter den vielen Tränen versagte.

„Gabriel … bitte … komm mit mir!“

Gabriel war so überrascht, dass er im ersten Moment gar nicht reagieren konnte. Hatte er wirklich richtig gehört??

Aureel wollte, dass er ihn begleitete? Verwundert hob Gabriel Aureel’s Gesicht an, um ihm in die Augen sehen zu können. Er sah in zwei wunderschöne, doch auch schüchtern blickende Augen. Aureel wirkte in diesem Moment so zerbrechlich, so voller Angst.

Stockend flüsterte Gabriel: „Meinst du das wirklich ernst? Ich soll dich in deine Welt begleiten?“

Zaghaft nickte Aureel nur und Gabriel fragte, wie das denn möglich sein sollte. Wie könnte Gabriel mit in seine Welt gelangen, er müsste eine weite Strecke unter Wasser zurücklegen und dafür fehlten ihnen die Mittel.

Nach diesen leise geäußerten Überlegungen begann Aureel leicht zu lächeln und meinte zurückhaltend: „Mit mir an deiner Seite kann dir nichts geschehen. Ich beschütze dich auf dem Weg.“

In Gabriel’s Kopf sah man es arbeiten. Ja, er hatte sich insgeheim gewünscht, mit Aureel zusammen sein zu können. Dass ihn dieser in seine Welt mitnehmen könnte, hatte er noch nicht bedacht. Er hatte es bis dahin auch gar nicht für möglich gehalten. Außerdem hatte er es noch nicht einmal zu hoffen gewagt, dass sein Traum wahr werden könnte.

„Bitte Gabriel, ich werde alles tun, um es dir so schön wie möglich zu gestalten …  du wirst viele neue Dinge kennen lernen und alles wäre fremd für dich. Aber du wärst dort nicht allein, ich werde immer an deiner Seite bleiben.“

Meinte er das ernst?

„Ahm … Leute … die Zeit drängt langsam wirklich!“, mischte sich Doc Stein nervös ein.

Hektisch blickte Gabriel zwischen Doc Stein und Aureel hin und her: „Aber was passiert mit den anderen?“

Bevor Aureel antworten konnte, ergriff Stein erneut das Wort: „Das sollte jetzt nicht zur Debatte stehen. Es ist doch im Prinzip ganz einfach: Du hast uns alle an der Nase herumgeführt und bist mit dem Forschungsobjekt geflüchtet.“ Nach einem Grinsen meinte er noch: „Selbst Hanauer hatte doch schon die Befürchtung, du wärst scharf auf den Neuen.“

Gabriel durchflutete ein warmes Gefühl der Zuneigung, als er bemerkte, dass Stein ihn zum ersten Mal mit einem ‚Du’ angesprochen hatte.

Mit Tränen in den Augen nickte Gabriel und ging auf ihn zu. Als er vor Stein stand, nahm er ihn fest in den Arm und flüsterte gerührt: „Danke! Danke für alles.“

„Gabriel, wir haben uns die letzten Jahre nie die Möglichkeit gegeben, uns auch persönlich näher kennenzulernen. Aber ich hab ne Menge Menschenkenntnis und ich weiß, dass du ein gutes Herz hast.“ Doc Stein lächelte kurz, bevor er weiter sprach: „Bewahre es dir und vor allem: Bewahre dir die Liebe zu Aureel. Es scheint mir, als wärt ihr füreinander bestimmt.“

 

Gabriel lächelte glücklich und nickte. Ein letztes Mal umarmte er Stein und verabschiedete sich nun auch noch von den anderen Anwesenden. „Ich danke euch für eure Hilfe, ohne euch hätten wir das niemals schaffen können. Danke!“

Als er sich zum Gehen wandte hatte jeder von ihnen glänzende Augen, doch auch ein Lächeln zierte ihre Gesichter. Sie waren Zeugen einer wunderbaren Liebe geworden, die gerade mal ihren Anfang genommen hatte. Das war jedes Risiko wert.

19.11.1991 – 22:07

Gabriel hatte Aureel’s Hand ergriffen, die er ihm lächelnd angeboten hatte und so stiegen sie Hand in Hand auf die Reeling.

„Bist du bereit?“

Gabriel nickte nur etwas ängstlich und Aureel meinte sanft: „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir.“ Dies bewies er noch mit einem sanften Kuss auf Gabriel’s Lippen. Einmal noch drehte er sich zu den anderen um, betrachtete sie lächelnd und bestätigte mit einem Nicken, dass alles okay war. Er drückte Aureel’s Hand noch etwas fester und zusammen sprangen sie von Bord in das kühle Wasser.

Sie ließen sich noch einen Moment an der Oberfläche treiben, da konnte Gabriel schon die Durchsagen über die Lautsprecher hören: „Begeben Sie sich alle an Deck und heben Sie die Hände nach oben, die Handflächen zu uns gedreht!“

Schon konnte man von unten die Hochleistungsscheinwerfer erkennen, wie sie das gesamte Boot beleuchteten. Alarmiert blickte Gabriel auf Aureel und dieser meinte: „Wir müssen…“

Gabriel nickte, holte noch einmal tief Luft und tauchte schließlich zusammen mit Aureel ab.

Schon nach ein paar Metern konnte er rein gar nichts außer Aureel neben ihm erkennen. Irgendwie ging ein leichtes Leuchten von ihm aus. Trotz der Dunkelheit sah er das sanfte Schimmern der Fischflosse in den Farben grün, lila und kupfern.

Um ihn herum herrschte jedoch vollkommene Schwärze und er spürte nur, wie Aureel ihn immer tiefer zog.

Er spürte ein seltsames Gefühl in sich aufsteigen. Hektisch wanderte sein Blick umher, doch außer Aureel nur Dunkelheit und Schwerelosigkeit. Obwohl er wusste wo sie waren hatte er das Gefühl zu fallen, er kam ins Straucheln und ruderte wie wild mit den Armen.  Dass Aureel versuchte, ihn zu halten bemerkte er nicht. Auch nicht, dass er ihn fest an ihn heranzog. Außer sich vor Panik versuchte er zu atmen und schluckte dabei Unmengen an Salzwasser. Hustend versuchte er, das Wasser wieder loszuwerden, was aber alles nur noch schlimmer machte. Todesangst war ihm ins Gesicht geschrieben.

Plötzlich spürte er die Lippen Aureel’s auf den seinen und zwang sich seine Augen zu schließen. Er konnte auch wieder die Umarmung von Aureel spüren, konnte seine Nähe fühlen. Fühlte, wie er langsam wieder sicherer wurde und legte nun auch seinerseits beide Arme um seinen Geliebten. Für einen Moment verloren sich beide in einem romantischen Kuss und Aureel versorgte ihn dabei mit Sauerstoff. Gabriel’s Puls wurde wieder ruhiger und er entspannte sich allmählich.

Als er seine Augen wieder öffnete, sah er Aureel sanft lächeln und lächelte ebenfalls. Nach einem fragenden Blick nickte Gabriel und sie schwammen ihren Weg Hand in Hand weiter.

Zwischendurch hielt Aureel immer wieder inne, um sich Gabriel zuzuwenden und ihn weiterhin mit Sauerstoff zu versorgen.

Gabriel hatte die Orientierung schon nach kurzer Zeit komplett verloren, er hätte nicht einmal mehr sagen können, wo oben und wo unten ist. Konnte nicht sagen, ob sie aufwärts oder abwärts schwammen, doch es war ihm auch nicht wichtig. Aureel war bei ihm und er wusste, dass er sich sicher fühlen konnte. Das war alles, was zählte.

unbekannt

Nach einer scheinbaren Ewigkeit veränderte sich das Wasser um sie herum, Gabriel hätte nicht sagen können, wie lange sie eigentlich unterwegs gewesen waren. Die Veränderung ging langsam voran, erst kaum merkbar schien das Wasser ein schwaches Licht auszustrahlen. Nach und nach begann es in einem sanften grün zu schimmern. Je weiter sie nun voran kamen, wurde das Wasser immer heller, dabei schien es aus sich selbst heraus ein Licht abzustrahlen. Schließlich konnte Gabriel die Oberfläche erkennen und von da an dauerte es nicht mehr lange, bis sie zusammen auftauchten.

Das Wasser hatte nun eine türkis-grüne Farbe angenommen. Das erste, was er spürte, war die Wärme. Es war angenehm warm und auch hell.

Sie waren in direkter Strandnähe aufgetaucht und lagen nun beide erschöpft auf dem weichen Sand. Gabriel war anfangs nicht einmal zu fähig, die Umgebung zu betrachten, sondern ließ seinen Körper mit geschlossenen Augen von den Sonnenstrahlen trocknen. Obwohl Aureel ihn eigentlich den gesamten Weg mehr gezogen hatte, als dass er selbst geschwommen war, war bis zur obersten Grenze erschöpft.

Gabriel hatte sich jedoch schnell wieder im Griff und öffnete langsam seine Augen. Als erstes blickte er in Aureel’s lächelndes Gesicht und lächelte ebenfalls. Aureel hatte bäuchlings neben ihm gelegen und ihn scheinbar die ganze Zeit beobachtet. Aufmunternd griff er nach Gabriel’s Hand, drückte sie leicht und strich ihm zärtlich mit dem Daumen über den Handrücken. Gabriel begann neugierig zu werden und blickte sich ohne aufzustehen um. Sein Blick wanderte von Aureel’s Gesicht als erstes gen Himmel. Erst schaute er verwirrt, doch dann wurden seine Augen groß und er flüsterte ein einziges Wort: „Wunderschön!“

Das Firmament war von schwach grünlicher Farbe und wurde von zwei Sonnen erhellt. Ungläubig starrte er diese an und wunderte sich noch darüber, dass er nicht von ihnen geblendet wurde. Er konnte direkt auf die Himmelskörper blicken und erkannte auch den Unterschied zu der Welt, aus der sie eben gekommen waren. Während die eine der ihm bekannten Sonne identisch glich, bis eben auf die Tatsache, dass er nicht von ihr geblendet wurde, war die andere Sonne von rötlicher Farbe, die leicht ins violett überging.

„Wunderschön“, flüsterte Gabriel noch einmal überwältigt.

„Dann gefällt es dir?“, wurde er von Aureel leise gefragt und Gabriel nickte eifrig.

Erst jetzt betrachtete er seinen Geliebten wieder und mußte eine Veränderung feststellen. Überrascht flüsterte er nur: „Deine Beine?“

Nun lachte Aureel und meinte: „Ja, in meiner Welt geht das schneller … und hier brauche ich auch keine komischen Tücher, mit denen ich mich abrubbeln muss.“

Bei diesem Satz schüttelte er sich übertrieben und lachte wieder: „Ekelhaft!“

Ebenfalls lachend zog Gabriel Aureel ganz nah an sich heran, betrachtete ihn erst verliebt und begann dann sanfte Küsse auf dessen Hals zu verteilen. Mit einem leichten Seufzen genoss dieser das zärtliche Geschehen und sog leicht hörbar die Luft ein, als Gabriel an seinem Ohrläppchen knabberte. „Küss mich, Aureel!“

Dieser Aufforderung kam er nur zu gerne nach, lächelte und legte seine Lippen sanft auf die Gabriel’s. Zum ersten Mal begann er auch mit seiner Zunge auf Entdeckungsreise zu gehen und leckte ganz leicht über die Lippen seines Geliebten, welcher sie bereitwillig öffnete. Als sich ihre Zungen berührten glich es einem Stromstoss und sie versanken in einem zärtlichen Kuss.

Aureel begann zärtlich, Gabriel’s Schulter zu streicheln und wanderte aber recht schnell nach unten, um seine Hand unter das halbtrockene Shirt gleiten zu lassen. Auf Gabriel’s nackter Haut strich er langsam an den Seiten wieder nach oben. Erst über die Taille, dann über die Seiten bis zu den Achselhöhlen. Dann über die Brust, wobei er Gabriel’s bereits harte Nippel fühlen konnte und auch, wie sich eine leichte Gänsehaut bildete.

Schließlich unterbrach er den Kuss, um Gabriel mit einem Lächeln anzublicken. Dann ließ er seinen Blick über das Firmament wandern, wandte sich wieder seinem Freund zu und meinte nach einem fast nur gehauchten Kuss auf dessen Stirn: „Wir sollten langsam los … es beginnt bald zu dunkeln.“

„Aber wohin denn?“

„Na, zu meinem Heim. Oder dachtest du, ich würde in der Wildnis leben?“, stellte Aureel eine beantwortende Gegenfrage und lachte. Nachdenklich setzte er noch hinzu: „Es weiß bestimmt noch niemand, dass ich wieder da bin. Die machen sich sicher Sorgen.“

„Wer ‚die’?“

„Nun, da wären meine Eltern und Geschwister, meine Freunde und … ach eigentlich die gesamte Gemeinschaft halt. Ich bin hier ziemlich bekannt.“

Nach einem fragenden Blick von Gabriel fuhr er fort: „Mein Vater herrscht über dieses Reich und da ist es nicht zu vermeiden, dass die Bewohner auch mich kennen, weißt du.“

„Nein, woher denn auch?“

Mit einem gespielt überheblichen und schnippischem Grinsen meinte Aureel nur: „Tja, jetzt weißt du es!“ und stand auf. Lächelnd hielt er Gabriel die Hand hin und als sie dieser ergriff, zog er ihn mit Schwung hoch. Das tat er absichtlich so schwungvoll, damit Gabriel an ihn rumpeln musste. Dann legte er beide Arme um Gabriel’s Hüften und küsste ihn erneut, diesmal aber nicht so lange.

Nach einem Lächeln betonte er noch einmal: „Wir müssen los.“

So gingen sie eine Weile schweigend nebeneinander her und Gabriel wurde zunehmend nervöser. „Aureel?“

„Hmmm?“

„Hast du mal darüber nachgedacht, wie deine Eltern reagieren werden?“

„Nein, wieso?“

„Naja, immerhin haben dich die Bewohner meiner Welt gefangen genommen und hatten unschöne Dinge mit dir vor. Da werde ich doch wohl wenig Zuspruch von deinen Eltern erwarten können. Und … naja, ich bin ein Mensch und du nicht … und … und dann tauchst du auch noch mit einem Mann an deiner Seite auf … und …“

Aureel blieb stehen und beobachtete belustigt, wie sich Gabriel immer weiter in seiner Erklärungsnot verstrickte. Irgendwann entschloss er sich dann aber doch, ihn zu erlösen.

„Gabriel, mach dir nicht so viele Sorgen. Erstens, DU warst es nicht, der mich eingefangen hat.“ Mit einem schelmischen Ausdruck in den Augen fügte er noch hinzu: „Naja, mein Herz vielleicht, aber das ist was anderes.“ Verliebt hauchte er Gabriel dazu einen Kuss auf die Wange und fuhr fort: „Nein, ganz im Gegenteil, du hast mich aus deren Händen befreit.“

Als Gabriel ihn immer noch mit einem sehr zweifelnden Blick bedachte, zog ihn Aureel noch näher an sich heran: „Und außerdem, wenn ich an meiner Seite einen Mann erwähle, dann ist das einfach so. Da gibt es nichts zu diskutieren, auch für meine Eltern nicht.“

„Bist du dir da so sicher? Meine Eltern waren damals nicht sehr begeistert gewesen und haben bis zu ihrem Tod nicht mehr mit mir geredet.“

„Aus was für einer Welt habe ich dich da bloß errettet“, meinte Aureel daraufhin leise, „was macht es für einen Unterschied, ob du einen Mann oder eine Frau liebst? Hauptsache ist doch, dass du überhaupt fähig bist, zu lieben.“

Aureel schüttelte traurig den Kopf und lächelte dann leicht: „Du wirst hier keinerlei Anfeindung wegen unserer Verbindung zum Opfer fallen … das schwöre ich dir.“

Mit diesen Worten zog Aureel Gabriel endgültig an sich heran und gab ihm erneut einen gefühlvollen Kuss auf die Lippen. Dann lächelte er und fragte: „Wieder besser?“

„Ja, wieder besser … aber du darfst trotzdem weiter machen“, antwortete Gabriel mit einem frechen Grinsen.

„Du Schlingel, aber dafür haben wir nachher noch genügend Zeit“, lachte Aureel daraufhin und sie setzten Hand in Hand ihren Weg fort, während die beiden Sonnen langsam ihren Weg in die Nacht antraten.

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2 Kommentare

    • Siegfried/derfla auf 13. Mai 2018 bei 22:03
    • Antworten

    Hallo Koshka,
    das ist ja nun mal was ganz Neues. Flucht durchs Wasser in eine andere Welt. Sehr interessant die Beschreibung der menschlichen Charaktere und ihr Verhalten. Darüber hinaus finde ich es großartig wie Du Aureel und dessen Fähigkeiten darstellst. Vielen Dank. Gespannt erwarte ich die Fortsetzung
    Siegfried/derfla

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  1. Heyhallo Koshka,

    wirklich sehr tolle, interessante Story. Ein tolles Thema, sehr gut, mitreißend geschrieben. Bin gespannt, obs eine Fortsetzung gibt.

    VlG Andi

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