COMINGOUT oder Die erste Liebe

Warum das mir? Warum trifft es keinen anderen? WARUM ICH????
Mein Leben war ein CHAOS und ich wollte nur noch raus aus diesem Leben. Leben was ist Leben? Wenn einem mit 15 bewusst wird das man nicht wie die anderen ist und Gedanken in sich trägt die nicht normal sind. Tränen rannen meine Wange herunter und ich sah auf die Zeitschrift, die vor mir lag. Das Leben ist nicht fair zu mir und was sollte ich machen? Was sollte ich tun?

Kevin

Mein Geburtstag stand vor der Tür. Mein bester Freund Patrick war da und wir saßen wie immer in meinem Zimmer. Ich hatte mit ihm zusammen meinen Geburtstag geplant.
„He Kevin und wen laden wir ein?“ Patrick sah mich grinsend an.
„Man Patrick, die Liste haben wir doch schon vor Wochen aufgestellt, wer kommen soll.“ Ich rollte dabei mit den Augen, man typisch Patrick hatte seine Gedanken immer woanders. Aber das war eben Patrick..
„Ja stimmt! Man bin ich blöd!!!“
Ich musste grinsen und sah Patrick dabei an. Patrick sah echt super aus, seine Haut war etwas gebräunt, das hatte er von seinem Vater, der vor drei Jahren bei einem Unfall ums Leben kam. Sein Vater war ein waschechter Italiener, daher auch seine gebräunte Haut. Seine schwarzen Haare passten zu ihm und dann seine Augen. Die waren fast schwarz und immer wenn ich in diese sah, blitzte es darin. Ja er ist mein bester Freund und ich erzählte ihm alles. Ich selber habe blondes Haar und fand mein Gesicht nicht so toll wie Patricks. Auch meine Nase fand ich zu lang und ich hatte nicht so tolle Lippen wie Patrick. Patrick war der Mädchenschwarm in unserer Schule. Ich selber war eher das graue Mäuschen, obwohl Patrick genau das Gegenteil meinte, nämlich das ich der Mädchenschwarm der Schule war.
Heute hatte ich mir vorgenommen Patrick von mir zu erzählen und was in mir vorging. Schon seit ein paar Wochen zog ich mich immer mehr in mein Schneckenhaus zurück. Ich wollte Patrick heute mein größtes Geheimnis anvertrauen.
„Patrick?“
„MMMHH“ fragend sah er mich an.
Ich holte tief Luft und fing zögernd an zu sprechen: „Ich muss Dir was sagen!“
Der Satz stand in der Luft wie eine große Mauer und ich wusste nicht wie ich meinem besten Freund sagen sollte was in mir vorging.
Mauer war ein falsches Wort dafür. Aber es sagte alles aus was in mir vorging.
„Kevin was ist?“
Als ob Patrick, spürte dass etwas in der Luft lag, sah er mich direkt an. Ich versuchte seinem Blick auszuweichen, aber es gelang nicht.
„Patrick! Du wirst mich hassen!“ flüsterte ich tonlos.
Der Satz stand in der Luft und ich sah die Mauer auf mich fallen. Die Mauer wurde größer und größer und dann stürzte sie auf mich.
„Patrick ich….“ Wie sollte ich den Satz beenden, vorsichtig sah ich Patrick von der Seite an.
„Kevin was ist mit Dir? Nun sag es doch einfach und ich werde Dich nicht hassen!“
Patrick sah mich dabei etwas nervös an: „Und so schlimm kann es gar nicht sein! Oder?“
„Doch Du wirst es…“
Patrick sah mich an und nahm meine Hand. Ich sah auf diese Hand die ich seit einem Jahr liebte, die mir Schauer über den Rücken jagte. Jede Berührung von ihm war wie ein Stromschlag, der mich in diesen Wahnsinn weiter führte.
Zaghaft öffnete ich meinen Mund, der trocken wie die Wüste wurde.
„Patrick ich bin SCHWUL. Ich liebe Jungs und ich…. Weiß nicht weiter..“
Ich merkte wie eine Träne mein Auge verließ und den Weg über mein Gesicht nahm.
Patrick sah mich nicht an, sondern hatte seinen Blick auf den Boden gesenkt. Aber dann wie in Zeitlupe hob sich sein Gesicht, in meine Richtung. Seine Augen trafen auf meine und ich sah, tiefes Entsetzen und Furcht.
Patrick sprang auf und stammelte etwas, was nicht zu mir drang.
Dann saß ich alleine in meinem Zimmer.
Ich wusste, dass eine Welt zusammenbrach und mich begrub.

Patrick

Ich saß auf meinem Bett und dachte über das, was Kevin mir gesagt hatte nach. Kevin und schwul! Ich konnte es nicht fassen. Kevin, sein Gesicht tauchte in meinen Gedanken auf und ich sah seine braunen Augen. Wir waren seitdem Kindergarten beste Freunde und nun seine Beichte. Was sollte ich machen? War es richtig einfach wegzurennen, ohne ihm etwas zu sagen? Aber ich konnte nichts sagen. Der Satz, war wie ein Schlag ins Gesicht und es tat weh.
„Patrick?“
Meine Mutter hatte die Tür, zu meinem Zimmer geöffnet und sah mich fragend an.
„Kann ich reinkommen?“
Ich nickte nur und sah zum Boden, auf dem einige Legobausteine lagen.
„Patrick ist etwas passiert?“
„Mam, ich weiß nicht was ich tun soll! Kevin…“
„Kevin? Was ist mit Kevin?“
Langsam suchten meine Augen die Augen meiner Mutter.
Als sie sich trafen, sah wohl meine Mutter den Schmerz in meinen Augen.
„Patrick was ist?“
„Kevin… er hat … gesagt…er sei …SCHWUL!“
Das Wort war aus meinem Mund entwichen, bevor ich diesen zumachen konnte.
„Und ist es so schlimm, dass er es ist?“
Verwundert sah ich sie an.
„Ich weiß es nicht, aber alle in der Schule benutzen das Wort schwul nur als Schimpfwort!“
„Junge komm ich zeig Dir etwas!“
Meine Mutter nahm meine Hand und zog mich von meinem Bett fort.

KEVIN

Ich saß noch auf meinem Bett und sah aus dem Fenster, das mir gegenüber lag. Mein Leben zerbrach in meinem Kopf, in tausend Scherben. Ich erhob mich langsam und ging zu meinem Kleiderschrank. Langsam öffnete ich diesen und zog eine Schachtel Tabletten, unter meinen Pullovern hervor. Ich sah die Schachtel an und ging mit ihr zu meinem Bett. Vorsichtig legte ich sie auf meinen Nachtschrank. Dann setzte ich mich auf mein Bett und sah diese Schachtel an.
Die Schachtel leuchtete im Licht, wie die Erlösung, auf die ich wartete. Was und wer bin ich?
Wie in einem Spiegel sah ich Patrick und mich. Patrick der immer für mich da war und dann sah ich das Bild von einem Patrick der mein Zimmer, fluchtartig verließ.
Ich wollte dem allen ein Ende setzen. Meinen Gefühlen und meinen Gedanken ein Ende setzen. Ich nahm die Schachtel in meine Hände und öffnete sie mit zitternden Händen. Ich wusste, ich hielt das Ende meines Lebens in meinen Händen. Langsam öffnete ich die Packung und dann lagen die Tabletten in meiner Hand. Ich sah in Gedanken Patrick, wie er aus meinem Zimmer rannte. Ich hörte in meinem Kopf die Sprüche, die über Schwule in der Schule gerufen wurden und ich sah mich. Ich sah keinen Ausweg! Ausweg? Was gab es da für einen Ausweg, wenn man verstand, dass man nicht wie die anderen war.
Zitternd hob ich meine Hand und stopfte die Tabletten in meinen Mund, Als ich sie in meinem Mund spürte, griff meine Hand automatisch nach unten, wo eine Wasserflasche stand. Langsam hob ich sie auf und führte sie an meinen Mund.
Das runter schlucken war nicht so einfach, aber es gelang. Ich legte mich langsam auf mein Bett und sah zur Decke. Dort hatte mein Vater mit mir ein Poster mit Sternen befestigt. Die Sterne leuchteten im Licht mir entgegen und ich hatte das Gefühl, das ein einzelner Stern heller leuchtete als die anderen. Dann schloss ich meine Augen und wartete auf das Ende.
Auf den Schlaf und auf das Ende.

Patrick

Meine Mutter zog mich in unser Wohnzimmer.
„Setz Dich!“
Ich setzte mich auf unser Sofa und sah meiner Mutter zu, wie sie etwas aus einen der Schränke herauszog.
Kurz darauf kam sie auf mich zu und in ihren Händen hielt sie ein altes Fotoalbum.
„Was ist das?“
„Das hier in diesem Album sind Bilder von Deinem Großonkel Albert!“
Sie setzte sich langsam neben mich und öffnete das Fotoalbum.
„Hier…“ dabei zeigte ihr Finger auf ein Foto, wo mein Großonkel mit einem mir fremden Mann zusammenstand.
„Der Mann neben Albrecht ist Wilhelm und war sein Lebenspartner.“
„Was? Davon hast Du mir nie etwas erzählt!“
„Junge, als die beiden bei dem Unfall damals auf der Autobahn ums Leben kamen, warst Du erst vier Jahre alt.“
„Ja, aber Du hast doch immer soviel von Albert erzählt, wenn wir uns Fotos angesehen haben. Aber nicht davon das er schwul war.“
„Es ergab sich nie, dies Dir zu erzählen. Also Albert war glücklich mit seinem Wilhelm und unsere Familie stand hinter den beiden. Damals war es viel schwerere dazu zu stehen. Sie haben viel durchgemacht, aber ihre Liebe zueinander hat gereicht, dies alles durchzustehen. Heute ist es zwar etwas anders, besser geworden, aber Vorurteile gibt es immer noch. Was ich Dir nur sagen will ist, es ist doch nicht schlimm das Kevin schwul ist. Er ist doch trotzdem der gleiche Mensch wie vorher nur mit einem kleinen Unterschied. Patrick, gerade jetzt braucht er einen Freund und ihr beide seid so lange schon befreundet, hilf ihm und stehe zu ihm.“
Irgendwie hatte meine Mutter ja recht und Kevin war mein bester Freund, dem ich alles anvertraute. Kevin hatte sich mir gegenüber geoutet, weil er mir vertraute und ich Idiot rannte weg. Ließ meinen besten Freund im Stich, gerade wo er mich als Freund am meisten brauchte.
„Mam ich verstehe und ich werde sofort zu ihm gehen!“
„Tu das und wenn Kevin oder Du Hilfe benötigst dann kommt zu mir.“
„Das mach ich versprochen.“
Ich erhob mich vom Sofa und lief in den Flur und zog mich an.
Kurz darauf rannte ich schon die Strasse entlang. Als ich an dem Haus angekommen war, in dem Kevin mit seiner Familie wohnte, klingelte ich Sturm und seine Mutter machte kurz darauf die Tür auf.
„Patrick? Was ist denn los? Weißt Du nicht wie spät es schon ist?“ verwundert sah sie mich dabei an.
„Entschuldigung aber ich muss ganz dringend Kevin sprechen! Es ist wichtig!“
„Na dann komm rein, du weißt ja wo Kevins Zimmer ist.“ Dabei trat sie zur Seite, so dass ich in den Flur schlüpfen konnte.
Ich zog mir im Flur die Schuhe aus und rannte zu Kevins Zimmer.
Vor der Tür blieb ich stehen und klopfte an die Tür.
Es kam keine Antwort aus Kevins Zimmer, so dass ich vorsichtig die Türklinke runterdrückte und die Tür öffnete.
„Kevin?“
Ich sah automatisch zu seinem Bett, wo ich Kevin liegen sah. Aber irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Er hatte die Nachttischlampe nicht ausgeschaltet, so dass ich sein schlafendes Gesicht sehen konnte. Sein Gesicht sah im Licht der Lampe sehr bleich aus. Ich ging vorsichtig auf das Bett zu. Als mein Blick von Kevin auf den Nachttisch wanderte, sah ich dort eine Tablettenpackung liegen.
Ich ging leise zum Nachttisch und nahm die Packung in die Hand. Auf der Packung stand in kleinen Buchstaben Schlaftabletten drauf und als ich die Packung öffnete sah ich dass sie leer war.
Um Himmelswillen was hatte ich nur gemacht? Er hat doch nicht die Tabletten eingenommen?
„Kevin…“ brüllte ich und rüttelte an seiner Schulter, doch es kam keine Reaktion von ihm.
„KKKEEEVVVIIINNN NNNEEEIIINN….HHHILLLFFFEEE!!!!“
Ich brüllte so lange bis ich merkte das Kevins Eltern im Zimmer standen.
Kevins Vater kam auf mich zu: „Patrick was schreist Du denn so?“
Ich drehte mich zu ihm um: „Er hat das hier genommen!“
Dabei hob ich die Hand, in der ich immer noch die leere Packung hielt.

Patrick

Ich saß mit Kevins Eltern, Karola und Sven in der Notaufnahme und wartete auf die erlösenden Worte des Arztes, dass Kevin überlebte. Wir saßen jetzt schon zwei Stunden in der Notaufnahme, aber kein Arzt und auch kein anderer vom Personal, die hier heute Dienst hatten, kamen auf uns zu, um uns zu sagen wie es um Kevin stand. In der Notaufnahme selbst war hektischer Betrieb, gerade war ein Rettungswagen angekommen und einige der Pfleger rannten auf diesen zu um die Trage aus dem Wagen zu ziehen. Ansonsten gab es nicht viel zu sehen, es war eben eine Notaufnahme, die wie in allen Krankenhäusern spartanisch eingerichtet war.
„Patrick ich rufe Deine Mutter an!“
Kevins Mutter stand auf und ging zu der Schwester, die an einem Schreibtisch saß.
Kurz darauf kam sie wieder zurück und setzte sich.
„Patrick Deine Mutter kommt her, um Dich abzuholen. Junge was ist mit Kevin los? Du weißt doch was!“
Ich sah zu Karola auf und dann als ob ich erst jetzt verstand, dass ich Kevin eventuell nie mehr sehen würde, nie mehr mit ihm reden werde, fing ich an zu weinen. Karola nahm mich in den Arm und streichelte mir über mein Haar.
„Patrick glaub mir er wird es schaffen. Es wird alles wieder gut.“
Unter schluchzen antwortete ich ihr: „Nein es wird nie wieder wie früher sein. Kevin braucht Eure Hilfe und auch meine. Er hat mir heute etwas gesagt, worauf ich falsch reagiert habe. Ich bin an allem SCHULD…“
„Warum sollst Du Schuld daran haben? Patrick nun sag doch, was ist mit Kevin….“
„Er hat …mir heute gesagt…dass er…schwul ist….und ich…ICH bin einfach weggerannt..“
Für einen kurzen Moment drückte mich Karola wieder an sich.
„Jetzt wird mir einiges klar!“ kam es von Sven.
„Er war in der letzten Zeit so ruhig und ich hatte immer das Gefühl, als ob er etwas uns sagen wollte, aber sich nicht traute.“
„Sven was machen wir jetzt? Ich weiß nicht wie wir Kevin helfen sollen?“
„Karola wenn Kevin das hier überlebt, werden wir ihm zeigen, dass wir zu ihm halten und was ist mit Dir Patrick?“
Ich schniefte kurz: „Ich wollte Kevin auch sagen, dass ich zu ihm stehe und es mir leid tut das ich weggerannt bin. Er ist doch mein bester Freund!“
In Gedanken sah ich Kevin wie er lachte und dann erinnerte ich mich an den Spaß den wir immer miteinander hatten und wie er mir beigestanden hatte, als mein Vater starb. Man war ich ein Blödmann, einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben hatte ich vor den Kopf gestoßen. Ihn einfach sitzen gelassen, ohne darüber nachzudenken was es für Kevin bedeutet hat, mir sein größtes Geheimnis anzuvertrauen.
In meinen Gedanken an Kevin gefangen, merkte ich nicht wie die Zeit weiter verstrich.

„Patrick? Hallo Sven und Karola, was ist denn passiert?“ das war definitiv die Stimme meiner Mutter und ich hob meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam
„Kevin hat versucht sich umzubringen und Patrick hat uns gerade den Grund dafür genannt. OHHH hätte ich das doch nur gewusst. Ich hätte doch meinen einzigen Sohn nicht fallen gelassen!“
Karola fing dabei an zu weinen und ließ mich los. Ich hatte gar nicht gemerkt, das sie die ganze Zeit mich im Arm gehalten hatte.
Meine Mutter kniete sich vor mich hin und ich sah ihr in die Augen.
„Mam wenn Kevin das nicht überlebt, dann bin ich daran schuld! Ich habe mich falsch verhalten, aber auch nur weil ich so geschockt war das er schwul ist. Kevin und schwul das konnte ich mir nicht vorstellen. Er der Schwarm der Mädchen in der Schule.“
Ich fing wieder an zu weinen.
„Junge glaub mir, er wird es schaffen und dann kannst Du es ihm selber sagen und Schuld bist Du daran nicht!“
Während meine Mutter das zu mir sagte, nahm sie mich in ihre Arme.
„Entschuldigung sind Sie die Eltern, von dem Jungen der versucht hat sich das Leben zu nehmen?“
Wir hatten den Arzt gar nicht kommen gesehen.
„Ja das sind wir!“
Kevins Eltern waren dabei aufgestanden und sahen den Arzt ängstlich an.
„Was ist mit Kevin?“ wollte Sven wissen.
„Also er wird es überleben. Er schläft jetzt. Ich weiß nicht warum er versucht hat sich das Leben zu nehmen, aber ich würde vorschlagen, dass ihr Sohn in eine Therapie geht. Wir haben hier in unserer Klinik eine Gruppe junger Leute, die sich hier regelmäßig treffen. Es sind alles Jugendliche die versucht haben ihrem Leben ein Ende zu setzen. Es tut mir leid das Sie das durchmachen müssen, aber manchmal kommen junge Leute mit bestimmten Tatsachen nicht klar.“
Der Arzt hörte sich an, als ob er so etwas schon öfter erlebt hatte.
„Ich glaube ich verstehe Sie, aber können wir unseren Sohn jetzt sehen?“ fragte Karola.
„Natürlich kommen Sie mit!“
„Entschuldigung, darf ich Kevin morgen besuchen?“ ich sah fragend Kevins Eltern an.
„Natürlich Patrick, wenn der Arzt das erlaubt und wir würden uns freuen wenn Du Kevin ein noch besserer Freund werden würdest. Er braucht Dich!“ dabei sah Sven mich an.
Ich nickte und Tränen traten mir in die Augen: „Das werde ich. Ich werde Kevin nicht alleine lassen!“
Es war ein Versprechen an mich und an die Freundschaft zu Kevin.
„Ich bin stolz auf Dich Patrick! So nun komm wir fahren nach Hause.“ Vorsichtig fasste meine Mutter meine Hand und zog mich von dem Stuhl, auf dem ich saß.
„Und Danke Patrick, wenn Du nicht gewesen wärst, dann hätten wir Kevin verloren!“ kam es leise von Karola und sie trat auf mich zu und drückte mich an sich.
„DANKE….“

Kevin

Oh man tat mir mein Kopf weh. Wo war ich überhaupt? Vorsichtig öffnete ich die Augen. Nachdem ich mich vorsichtig umgesehen hatte, da mein Kopf ziemlich schmerzte, musste ich feststellen dass ich mich in einem Krankenzimmer befand. Na ja wie sollte wohl ein Krankenzimmer aussehen, es stand ein Tisch und zwei Stühle in diesem und ein weiteres Bett, dass aber nicht besetzt war. Also hatte das mit den Tabletten nicht geklappt. Oh man mir wurde jetzt richtig schlecht. Ich wusste nicht was ich meinen Eltern sagen sollte, wenn Sie mich fragen würden, warum ich das getan hatte.
Ich war am Ende und dann noch Patrick, wenn der meinen Eltern erzählt was ich ihm gesagt hatte, dann war ich geliefert. Bevor ich mir noch weitere Gedanken machen konnte, ging die Tür zu meinem Zimmer, in dem ich lag, auf und ein Krankenpfleger kam herein.
„Na junger Mann endlich ausgeschlafen?“ dabei sah er mich etwas traurig an.
Na der sah ja ganz nett aus und ich hatte schon Angst, der würde mir jetzt die Leviten lesen.
„Und kann ich etwas für Dich tun? Du bist ziemlich weiß um die Nase, tut Dir was weh?“
Ich nickte: „ Mein Kopf tut so weh!“
„Na warte ich hole nur etwas dagegen.“ Mit diesen Worten verschwand er aus dem Zimmer, um kurz darauf wieder zu erscheinen.
„So hier nimm das.“ dabei legte er mir eine Tablette in die Hand und stellte ein Glas Wasser auf den Tisch der an meinem Bett stand.
Ich sah ihn dankbar an und steckte mir die Tablette in den Mund. Ich nahm das Glas Wasser von dem Tisch und schluckte damit die Tablette runter.
„Danke!“ dankbar sah ich ihn dabei an.
„Keine Ursache. So und jetzt versuchst Du zu schlafen und wenn Du wieder wach bist dann drück auf diesen Knopf. Dann bin ich wieder zur Stelle. OK?“
Er zeigte dabei auf einen Schalter, der an meinem Bett befestigt war.
„So jetzt versuche zu schlafen und wenn was ist, wie gesagt einfach den Knopf drücken.“
Ich nickte und der Pfleger drehte sich zur Tür.
„Entschuldige nur eine Frage, wie ist Dein Name?“ vorsichtig sah ich ihn an.
Der Pfleger drehte sich noch einmal um und lächelte mich an.
„Mein Name ist Paul.“
„Danke Paul.“
„Keine Ursache junger Mann, wird schon alles wieder und mach Dir keine Sorgen, es wird alles wieder gut. So nun versuche zu schlafen.“
Er ging aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Die Tablette begann auch zu wirken und ich schlief wieder ein.

Patrick

Ich war immer noch müde, aber saß trotzdem jetzt in der Schule und paukte gerade Englisch. Natürlich fiel es auf das ich ohne Kevin in der Schule erschien, also fragte auch jeder aus unserer Klasse nach ihm. Ich sagte immer nur dass Kevin krank sei und er zu Hause im Bett lag. Was wirklich los war, wusste nur unsere Klassenlehrerin Frau Wendland. Diese rief mich dann auch zu sich, nachdem die Englischstunde um war.
Frau Wendland war Achtundvierzig Jahre alt und eine echt tolle Lehrerin. Jedenfalls hielten die Schüler große Stücke auf Sie. Sie hatte ein etwas kantiges Gesicht und Ihr Haar war schon etwas angegraut, aber Ihre Augen strahlten etwas Mütterliches aus, was auch dazu führte, dass man zu Ihr sofort Vertrauen fasste. Sie hatte für jeden ein offenes Ohr, hörte zu wenn man Probleme hatte und wenn man Mist gebaut hatte wurde nicht sofort ein großes Theater bei Ihr veranstaltet. Eher das Gegenteil, sie war eben etwas besonderes, zu der man einfach nur Vertrauen haben konnte.
Nachdem ich mit ihr alleine war, sah sie mich etwas traurig an.
„Na Patrick wie geht es Dir?“
„Nicht so gut Frau Wendland..“
„Patrick ich bin jetzt über zwanzig Jahre lang Lehrerin und ich habe in dieser Zeit Fünf Schüler auf die gleiche Art verloren. Ich habe nicht gewusst, dass Kevin Probleme hatte. Ich mache mir deswegen auch Vorwürfe, aber ich kann nicht überall meine Augen haben.“
Frau Wendland sah dabei nicht gerade glücklich aus, ich sah da einen Schmerz in Ihrem Blick den ich nicht verstand. Aber bald verstehen sollte.
„Ich wusste ja bis gestern auch nichts von seinem Problem und nachdem er es mir gesagt hatte…bin ich Blödmann weggerannt anstatt bei ihm zu bleiben und ihm zuzuhören…“
Ich schluckte bei diesen Worten und sah wieder Kevin in seinem Bett liegen.
„Möchtest Du mir sagen was für Probleme Kevin hat?“
„Ich kann nicht, ich möchte dass es Kevin erst mal besser geht. Ich denke er sollte es Ihnen dann selbst sagen, wenn er es möchte.“ und etwas leiser: „Es tut mir leid aber ich kann es nicht sagen.“
„Es ist in Ordnung Patrick und ich finde das es richtig ist das Du es mir nicht sagst. Ich möchte Dir etwas zeigen!“ dabei strich Sie kurz über meinen Arm.
Frau Wendland bückte sich kurz zu ihrer Aktentasche, die am Boden stand und kramte darin herum.
„Ja hier das ist es..“ dabei zog sie vorsichtig eine Mappe heraus und öffnete diese. Ich sah neugierig auf die geöffnete Mappe, in der einige Dokumente lagen und auch ein Bild von einem Mädchen.
„Wer ist das?“ fragend sah ich zu Frau Wendland auf.
„Das Mädchen hieß Klara. Sie war in Deinem Alter als sie sich das Leben nahm. Sie sprang vor einen Zug. Zum Glück musste sie nicht leiden.“
Ich sah den Schmerz in Ihrem Blick.
„Und warum ist sie, ist Klara vor den Zug gesprungen?“
„Patrick sie kam mit ihrem Leben nicht mehr klar. In ihrem Abschiedsbrief an ihre Eltern, schrieb sie darüber. Sie hat… wie soll ich es sagen, sie hat festgestellt das sie Mädchen interessanter fand als Jungs. Verstehst Du?“ dabei hielt mir Frau Wendland, das Bild von Klara hin. Ich nahm es vorsichtig in die Hände.
Ich verstand, meine Augen füllten sich mit Tränen und ich sah verschwommen das Bild von Klara an. Mich strahlte auf dem Foto ein normales Mädchen an. Sie lächelte auf dem Foto und zwei Grübchen auf den Wangen waren zu sehen. Sie hatte niemanden der ihr beiseite stand, keiner der ihr zugehört hatte und das war ihr Ausweg daraus, so wie es auch Kevin versucht hatte. Nur der Unterschied war, dass ich ihm hätte zuhören können als sein Freund und es nicht getan hatte.
„Ich…bin Schuld. Ich habe… nicht zugehört was er mir noch sagen wollte… Ich bin einfach feige davon gerannt…“ Ich fing an zu weinen und was tat meine Lehrerin sie nahm mich in den Arm und drückte mich an sich.
„Nein Du bist nicht Schuld. Patrick es war Kevins Entscheidung auch wenn sie nicht die Richtige war. Für Ihn war es der einfachste Weg mit diesem Problem fertig zu werden..“
Sie ließ mich wieder los und ich sah sie an:“ Und was soll ich jetzt machen?“
„Patrick zu ihm stehen und ihm helfen. Wegrennen hilft nicht, er muss lernen mit seinem Problem umzugehen und Du als sein Freund kannst ihn dabei helfen.“
Ich nickte: „Wie lange ist das mit Klara her?“
„Fünf Jahre… sie war meine Tochter….“ dabei strichen ihre Finger vorsichtig über das Bild.
„Ja Patrick sie war meine Tochter und ich habe ihr nicht zugehört als sie Hilfe brauchte.“
„Ich habe nicht gewusst, dass Sie eine Tochter hatten. Es tut mir leid.“
„Ist schon gut Patrick, aber nun zu Dir wenn Du Probleme hast oder was anderes auf dem Herzen hast, kannst Du jederzeit zu mir kommen.“ Dabei sah Sie mich durchdringend an.
„Ja mach ich und Danke das Sie mir von Klara erzählt haben.“
„So nun aber los, die nächste Stunde hat schon begonnen und ich denke Du kannst die letzte Stunde kaum noch erwarten. Ach und bitte das mit Klara bleibt unter uns!“
Frau Wendland sah mich lächelnd an und ich nickte Ihr zu.
„Klar ich schweige wie ein Grab.“ Mit diesen Worten verließ ich den Raum.

Patrick

Die Schule war endlich aus und ich rannte nach Hause. Zu Hause wartete schon meine Mutter auf mich.
„Na mein Junge, soll ich Dich zum Krankenhaus fahren?“
„Oh man das wäre echt toll von Dir!“
„Kein Problem. Beeil Dich, dann können wir gleich los.“
Kurz darauf saß ich mit meiner Mutter im Auto und fuhren zum Krankenhaus.
Nachdem meine Mutter vor diesem hielt drückte Sie meine Hand kurz.
„Viel Glück mein Großer!“
„Danke Mam, ich werde das schon schaffen!“
Ich stieg aus dem Wagen aus und ging auf den Eingang des Krankenhauses zu.

Kevin

Ich wurde wieder wach, aber diesmal ohne Kopfschmerzen. Dafür hatte ich Durst und ich drückte den Knopf.
Kurz darauf kam Paul in mein Zimmer.
„Na alles ok und was machen die Kopfschmerzen?“
„Die sind weg dafür habe ich jetzt aber gewaltigen Durst.“
„Na das hört sich doch gut an. Warte ich hole Dir etwas zum trinken.“
Paul verschwand aus meinem Zimmer, um kurz darauf mit einer Wasserflasche zurück zu kommen.
„So hier trink erst mal etwas und dann wartet noch Besuch auf Dich!“
„Besuch?“ ängstlich sah ich Paul an.
„Ja ein Junge er sagt er sei Patrick und Du würdest ihn kennen!“
Patrick, was sollte ich ihm sagen und was machte er hier. Paul sah wohl mir an, dass es in meinem Gehirn ziemlich ratterte.
„Soll ich ihm sagen, dass Du ihn nicht sehen möchtest?“ fragend sah er mich an.
Ich überlegte kurz, aber was hatte ich schon zu verlieren?
„Nein. Ich möchte ihn sehen.“
„Warte ich mach Dir das Kopfteil hoch, dann kannst Du besser mit ihm sprechen!“
Paul zog das Kopfteil etwas nach oben.
„Danke Paul!“
„Keine Ursache. So ich schick dann Patrick zu Dir.“ Dabei hielt er einen Daumen hoch und ich musste grinsen.
Paul verschwand wieder und kurz darauf klopfte es zaghaft an der Tür zu meinem Zimmer.
„Ja kannst reinkommen.“ Etwas verunsichert sah ich zu dieser Tür, hinter der Patrick nun stand. Ich erinnerte mich an sein Gesicht, nachdem ich ihm gesagt hatte dass ich schwul bin und sein Entsetzen, das sich in seinen Augen sah. Was wollte er hier, mir sagen das ich ein Stück Dreck bin? Angst machte sich in mir breit und die Scham vor dem was ich mir angetan hatte. Was Patrick wohl von mir, nach meiner Aktion mit den Schlaftabletten hielt? Bestimmt hatten mein Eltern mit ihm geredet. OH sch… wenn er es meine Eltern erzählt hat. Aber jetzt konnte ich nicht mehr Paul sagen, dass ich ihn nicht sehen wollte. Also musste ich wohl da durch.
Die Tür ging langsam auf und Patricks Kopf erschien.
„Hallo Kevin. Wie geht’s Dir?“ ängstlich sah er in meine Richtung.
Langsam kam er auf mich zu, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Es geht soo…..“ kam es leise von mir, dabei sah ich auf meine Bettdecke.
„Kevin es tut mir leid, wie ich mich gestern verhalten hatte. Ich wusste… nur nicht. . wie ich damit umgehen soll…“
Ich hob meinen Kopf und sah Patrick mit großen Augen an. In Patricks Gesicht sah ich Tränen die sich ihren Weg durch sein Gesicht bahnten. Was war denn jetzt los, gestern war er weggerannt vor mir und meiner Beichte und jetzt das.
Ich atmete tief durch: „Ich habe von Dir zuviel verlangt. Ich wollte doch nur mit jemanden über meine Gefühle und was in mir vorgeht sprechen. Patrick und Du bist mein bester Freund, dem ich alles erzählen wollte. Weil wir uns doch sonst auch alles erzählt haben.“
„Und ich habe Dich enttäuscht!“ kam es leise von ihm.
„Ja und dann sah…ich keinen anderen Ausweg, als dem ganzen ein Ende zu setzen.“
Vor meinen Augen verschwamm Patricks Gesicht und ich fing leise an zu weinen. Ja gestern hatte er unsere Freundschaft verraten, aber ich erkannte auch dass es Patrick genauso ging wie mir. Das er erkannt hatte, dass er falsch reagiert hatte.
Plötzlich spürte ich zwei Arme, die mich in den Arm nahmen.
„Kevin Du bist mein bester Freund und ich werde Dich nie wieder im Stich lassen. Das verspreche ich Dir.“ Flüsterte er mir in mein Ohr.
„Danke. Weißt Du wie ich hierher gekommen bin?“ fragte ich zaghaft. Natürlich wollte ich wissen was gestern passiert war, nachdem ich die Tabletten genommen hatte. Denn erinnern konnte ich mich nicht daran, wie ich hierher kam.
„Ich habe Dich gefunden. Meine Mutter hatte wohl gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt und kam zu mir. Da habe ich ihr erzählt was Du mir gesagt hattest und wie ich mich verhalten hatte.“
„Du hast mich gefunden? Was wolltest Du denn noch. Ich bin schwul Patrick…“ dabei versuchte ich Patrick anzusehen. Der merkte das wohl und ließ mich los. Dann sah ich Patricks Augen und ich sah den Schmerz darin.
„Kevin, es ist für mich nicht einfach das zu akzeptieren, aber ich akzeptiere Dich so wie Du bist. Ich werde zu Dir stehen und immer Dein Freund bleiben.“
Ganz langsam sickerten die Worte von Patrick zu mir durch und dann verstand ich. Ich hatte Patrick als Freund nicht verloren und was das wichtigste für mich war er akzeptierte es.
„Warum auf einmal? Patrick ich verstehe es nicht!“ fragend sah ich ihn an. Ich verstand noch nicht alles, aber irgendetwas hatte sich bei Patrick verändert. Aber was es war, konnte ich noch nicht greifen um es zu verstehen.
„Meine Mutter hat mir etwas über einen meiner Verwandten erzählt. Er war auch schwul und lebte mit einem Mann zusammen. Sie hat mir zu verstehen gegeben, das der Kevin den ich kenne sich nicht verändert hat. Nur der Unterschied wird sein das Du irgendwann mal einen Freund haben wirst und keine Freundin.“
„Danke Patrick.“
Patrick sah mich an und der Schmerz in seinen Augen verschwand, dafür fingen diese wieder an zu glitzern, was ich an diesen Augen so liebte.
„Aber eins musst Du mir versprechen, nie mehr so eine Aktion, das stehe ich nicht noch einmal durch.“
Patrick fing an zu grinsen und ich konnte nicht anders und begann auch zu Lächeln.
„Siehste es geht doch.“
„Wissen meine Eltern warum ich….“
Der Satz den ich sagen wollte blieb mir Hals stecken und Patrick nickte langsam.
„Wie haben sie darauf reagiert?“ vorsichtig sah ich Patrick an, um seine Reaktion auf meine Frage zu sehen.
„Sie haben sich Vorwürfe gemacht, dass sie davon nichts mitbekommen haben. Besser gesagt das Du ein gewaltiges Problem mit Dir herumträgst. Aber keine Bange, beide haben gesagt das sie zu Dir stehen und das das nichts ändert an ihren Gefühlen zu Dir. Du bleibst also ihr Sohn und wirst nicht verstoßen.“
„PUUUHHH dann habe ich ja noch mal Glück gehabt.“ Erleichtert atmete ich auf und sah dankbar Patrick an.
„Quatschkopf. Ich hätte Deinen Eltern sowieso nicht zugetraut das sie Dich verstoßen.“
„Jetzt wo Du es sagst. Ja im Nachhinein ist man immer schlauer.“ Wir beide mussten grinsen.
„Na es ist ja alles noch glimpflich abgelaufen und mein bester Freund weilt noch unter den Lebenden. So nun erzähl mal, was wollen die mit Dir hier noch machen und wann kommst Du wieder nach Hause?“ Neugierig sah Patrick zu mir.
Ich zuckte mit den Schultern: „Bis jetzt war außer dem Krankenpfleger noch niemand hier. Also kann ich Dir die Fragen nicht beantworten!“
„Na ich hoffe mal, dass Du schnell hier rauskommst und wir zusammen was unternehmen können. Wir müssen ja schließlich für Dich einen Freund suchen und den werde ich erst begutachten, ob er auch würdig ist Dich zu bekommen.“ Ich sah den Schalk in Patricks Augen glitzern.
„Patrick Tegrini habe ich Dir schon mal gesagt, dass Du manchmal unmöglich bist?“
Patrick fing an zu lachen und ich fiel mit ein.
„Man Kevin, meinen Nachnamen wirst Du nie richtig aussprechen. Das müssen wir wohl noch üben.“
„Man wer hat schon so einen merkwürdigen Nachnamen? Ist doch kein Wunder das ich den nicht aussprechen kann und zum anderen Du kannst ja italienisch. Ist ja auch kein Wunder, Du hast ja auch Verwandtschaft in Italien.“ Grummelte ich aber fing gleich wieder an zu lachen.
Wir saßen noch eine ganze Weile zusammen, dabei erzählte mir Patrick noch von unserer Klassenleiterin Frau Wendland und von ihrer Tochter.
OHH man nicht einmal ich wusste etwas darüber.
Plötzlich ging die Tür auf und Paul betrat in den Raum.
„So Jungs ich muss Euch leider stören, aber der Arzt ist auf dem Weg und will Dich Kevin sehen. Patrick Du musst leider das Zimmer verlassen.“
„OK! Kevin ich komme morgen wieder vorbei!“
Ich nickte Patrick zu.
„Tschau Patrick bis Morgen.“
Patrick verließ mein Krankenzimmer und Paul grinste mich kurz an und ging auch hinaus.
Kurz darauf stand der Arzt besser gesagt eine Ärztin im Zimmer und zog sich einen Stuhl an mein Bett. Nett sah Sie ja aus, mit der Brille in Ihrem Gesicht hatte Sie etwas Mütterliches an sich.
„Hallo Kevin mein Name ist Ilona Hundertmark und Du kannst mich Ilona nennen. Wie geht’s Dir denn?“
„Jetzt etwas besser.“
„Wer war der Junge, der Dich besucht hat?“
„Das war Patrick, mein Bester Freund. Wir kennen uns seit dem Kindergarten.“
„Ja es ist gut wenn man Freunde hat. Man braucht sie ein ganzes Leben lang, also kümmere Dich um diese Freundschaft. So jetzt zu Dir, wie ich sehe und höre geht es Dir schon besser. Ich weiß, es ist nicht leicht darüber zu sprechen, warum man etwas getan hat. Aber Kevin wir müssen darüber sprechen und auch wie ich Dir helfen kann. So nun bist Du an der Reihe und keine Bange was Du mir erzählst bleibt unter uns und nur wenn Du es möchtest das es andere erfahren sollen, dann bist Du derjenige der es ihnen erzählt!“
Ich schluckte kurz und begann zu erzählen und ich merkte dabei, dass es mir immer besser ging. Man der Stein der die ganze Zeit in meinem Bauch lag, verschwand mit jedem Satz, Stück für Stück und es fühlte sich richtig gut an. Nachdem dann Ilona mich wieder alleine gelassen hatte, stand ich vorsichtig auf und ging zu dem Fenster. Draußen war es schon dunkel geworden und ich sah unten Leute vorbeigehen. Mein Blick wanderte zum Himmel an dem der Mond hell leuchtete. Ich gab mir in Gedanken ein Versprechen, so etwas nie mehr zu tun. Mein Leben würde ich nicht noch mal wegwerfen, es war zu kostbar und Patricks Reaktion hatte ich auch Missverstanden, hätte ich etwas nachgedacht, dann hätte ich verstanden warum Patrick erst weg gerannt war.

Patrick

Als ich nach Hause kam, erwartete mich schon meine Mutter in der Küche.
Erwartungsvoll sah Sie mich an.
„Und wie geht es Kevin? Hat er mit Dir gesprochen?“
„Ja wir haben miteinander gesprochen und es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er hat sogar gelacht. Danke Mam das Du mir geholfen hast.“
„He Junge Du bist mein Sohn und das einzige was mich an Deinen Vater erinnert. Immer wenn Du mich anschaust, sehe ich Deinen Vater vor mir. Er fehlt mir so!“
Ich trat zu meiner Mutter und drückte Sie an mich.
„Mir fehlt er auch Mam, aber ich habe ja noch Dich und das wir zusammen halten ist doch Ehrensache.“
Meine Mutter drückte mich kurz und stand dann auf.
„Na Du musst doch jetzt richtig Hunger haben und ich habe uns Spaghetti gemacht.“
Habe ich schon erwähnt das ich Spaghetti über alles Liebe?

Kevin

Nun waren drei Tage vergangen und ich war immer noch im Krankenhaus. Patrick hatte mich an allen drei Tage besucht und meine Eltern hatten mit mir auch gesprochen. Das Gespräch mit meinen Eltern verlief ganz gut und ich musste wieder mal feststellen, dass ich meine Eltern falsch eingeschätzt hatte.
Heute hatte ich mein erstes Treffen mit der Gruppe die Ilona betreute. So wie Ilona mir gesagt hatte, waren alle so ungefähr in meinem Alter. Ich war ziemlich aufgeregt. Paul der Krankenpfleger musste schon über meine Nervosität lachen. Soviel ich von Paul erfuhr, kannte er wohl die meisten aus der Gruppe. Paul selbst, er sah ja nicht schlecht aus, erzählte mir das er sich mit einem der Mädchen aus der Gruppe auch privat traf. Na ja er war ja auch erst Neunzehn und leistete hier seinen Zivildienst ab. Aber den Namen verriet er mir nicht. Schade auch, hätte ja schon gern gewusst auf welchen Typ Frau er abfuhr.
Ja mir ging es besser und die Treffen mit Ilona halfen mir unbeschreiblich. Patrick hatte sogar stundenlang gesurft um für mich Informationen zu sammeln. Dabei hatte er sogar eine Seite gefunden, wo Jungs in unserem Alter sogar Hilfe bekamen. Will hier aber keine Werbung machen, jedenfalls hatte Patrick einiges für mich ausgedruckt und ich hatte damit genug Lesestoff zur Verfügung.
Ich sah auf meine Uhr und diese zeigte mir, dass es soweit war und ich in den angegebenen Gruppenraum musste. Auf dem Weg dahin, hatte ich plötzlich doch etwas Muffensausen, aber was soll’s, da musste ich wohl jetzt durch.
Kurz darauf stand ich vor der Tür und atmete tief durch.
„Hey willst Du auch darein?“
Die Stimme war einfach atemberaubend und ich drehte mich zu dieser um, da die Person die das gesagt hatte hinter mir stand.
Da stand ein Junge mit fast schwarzen Haaren und Augen die einem zum Schmelzen brachten. Zwei grüne Smaragde strahlten mich an und ich versank in Ihnen. Ansonsten war der Junge ziemlich schlank und hatte abgetragene Sachen an. Sein Gesicht war schmal und ein süßer Schmollmund lächelte mich an. Der Junge gefiel mir und ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden.
„Alles in Ordnung mit Dir?“
Erst jetzt wurde mir bewusst wie ich den Jungen anstarrte. Oh Shit und das mir. Was sollte der von mir denken. Man mir war das so was peinlich und dann wurde mein Gesicht ganz heiß. Nee oder ich musste jetzt ja wie eine Tomate aussehen und der Junge strahlte mich immer noch an.
„Ich bin der Peter und wie ist Dein Name? Oder haste Deine Sprache verloren?“
„Ich …ich ..ich bin der Kevin.“ Stotterte ich und sah dann zu Boden. Man das auch noch.
„Na dann komm mal!“ und er ergriff meine Hand und zog mich in den Raum.
„Hey Peter wen haste denn da aufgegabelt?“ kam es von einem Mädchen das auf einen der Stühle die in einem Kreis aufgestellt waren saß.
„Das ist Kevin!“
„Man der sieht ja richtig süß aus und Du bist ihm doch nicht an die Wäsche gegangen? Der arme Junge ist ja rot wie eine Tomate!“ kicherte Sie.
„Man Melissa kannst Du einmal Deinen Mund halten.“
Was wie habe ich da richtig gehört? Konnte es sein das dieser Peter schwul ist. Oh bitte lieber Gott mach das es so ist und ich sah Peter von der Seite an. Dieser sah ziemlich wütend aus und sah immer noch in die Richtung wo Melissa saß. Melissa selber hatte schulterlanges braunes Haar und sah belustigt immer noch zu Peter. Na das konnte ja noch was werden. Ich war schon gespannt wer noch alles zu der Gruppe gehörte. Dann sah ich mich in dem Raum um, da war aber nicht soviel zu sehen. Die Wände strahlten in einem kalten Weiß und kein Bild verschönerte den Raum. Na das konnte ja noch was werden.
Da ging auch schon die Tür auf und zwei Mädels traten in den Raum.
„Hi Leute!“ kam es fast synchron von den beiden.
„He Du musst der neue sein, den Ilona schon angekündigt hatte. Und wie geht’s Dir?“ interessiert sahen mich die Mädchen an.
„MMHH ganz gut. Wie ist denn euer Name? Meiner ist Kevin!“
„Ich bin die Melanie und das neben mir ist Steffi.“
Die beiden sahen wirklich echt nett aus und diese Melanie, konnte schon in das Beuteraster von Paul passen. Nach und nach trafen auch die anderen ein.
Da waren dann noch Gabi, Frank, Jasper und Sieglinde. Wir setzten uns dann auch auf die Stühle und Peter setzte sich gleich neben mich.
Da ging auch schon die Tür auf und Ilona trat in den Raum.
Ilona setzte sich dann auf einen der freien Stühle und sah in die Runde.
„Na wie ich sehe sind wir vollständig und Kevin ist auch da.“
Sie sah dabei mich direkt an.
„Kevin würdest Du Dich den anderen erstmal vorstellen? Du musst nichts sagen, wozu Du noch nicht bereit bist. Aber ich denke ein bisschen sollten die anderen schon über Dich wissen.“
Oh man was sollte ich sagen? Meine Gedanken kreisten wie ein Wirbelsturm dahin und ich merkte wie mich die anderen fixierten.
Na gut ich holte tief Luft und begann: „Also meinen Namen kennt ihr ja! Ich bin 15 und werde morgen 16 Jahre alt. Vor vier Tagen habe ich Mist gebaut und seitdem bin ich hier im Krankenhaus…..“
„Mist. Man Kevin wir haben alle hier das durchgemacht wie Du und es ist kein Mist den Du da getan hast. Es ist nur Schade das niemand da war in dem Moment und uns zugehört hat.“
Die Stimme die mich unterbrochen hatte, war die von Peter, der neben mir saß. Ich wandte mein Gesicht zu ihm und sah ihn an. Dieser sah auch in meine Richtung und in seinen Augen sah ich Zorn und auch etwas undefinierbares, was ich nicht zuordnen konnte.
„Ich weiß. Du hast ja Recht. Aber ich denke das ich in dem Moment nicht überlegt habe, sondern einfach das tat was das einfachste war. Nämlich aus diesem Leben zu verschwinden.“
Ich sprach etwas leiser und ich merkte wie die anderen mich ansahen.
„Nun gut das reicht erst mal. Peter, wie geht es Dir in der Wohngemeinschaft?“ kam es von Ilona.
„Es ist in Ordnung. Die anderen lassen mich in Ruhe und mehr möchte ich auch nicht.“
Peters Stimme hörte sich dabei ziemlich traurig an. Ich wusste ja nichts von ihm und hoffte doch mehr zu erfahren, von ihm.
Mein Blick wanderte zu den anderen und dann meldete sich Melissa.
„Ja Melissa was gibt’s?“ Ilona sah Melissa dabei aufmunternd an.
„Also bei mir geht es langsam Bergauf, in der neuen Schule habe ich schon zwei neue Freundinnen und auch meine Zensuren haben sich verbessert.“
„Melissa das ist schön, aber würdest Du Kevin vielleicht mehr von Dir erzählen? Die anderen kennen ja Deine Geschichte schon, aber vielleicht kannst Du Kevin diese auch erzählen!“
„Ich mache es aber kurz und knapp, da ich mit dieser Zeit abgeschlossen habe. Also ich wurde auf meiner alten Schule gemoppt und ich habe irgendwann dem Druck nicht mehr standgehalten. Tja dann habe ich Tabletten geschluckt und aufgewacht bin ich dann hier im Krankenhaus. Meine Eltern hatten von dem was in der Schule vor sich ging keine Ahnung und nachdem ich mit Ilona gesprochen hatte, über meine Probleme, hat diese mit meinen Eltern gesprochen. Auf jeden Fall wurde ich, nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, in eine andere Schule versetzt. Seitdem geht es wieder und ich habe wie eben schon gesagt auch neue Freunde gefunden.“
Melissa die ich dabei ansah, sah glücklich aus.
„Danke Melissa und ich denke ich spreche für alle, wenn ich Dir sage dass ich mich für Dich freue.“
Die weitere Stunde verlief dann genauso alle stellten sich mir kurz vor. Melanie und Steffi hatte wie fast alle auch Probleme in der Schule gehabt entweder mit den Zensuren oder wie Melissa, dass sie gemoppt wurden. Nur Peter ging mir nicht aus dem Kopf, er war der einzige der nicht zu Hause wohnte und als er einmal seinen Ärmel vom Pullover hochschob sah ich mehrere Narben auf seinem Arm. Als ob er meine Blicke gemerkt hatte, zog er sofort den Ärmel wieder runter. Als die Stunde dann vorbei war und wir uns aufmachten das Zimmer zu verlassen, lief Peter hinter mir her.
„Warte doch mal Kevin. Musst Du gleich wieder auf Deine Station, oder haste Lust noch in die Krankenhauskantine zu gehen? Ich gebe auch eine Cola aus.“
Er sah mich dabei mit einem Lächeln an, dass mir ganz anders wurde. Warum nicht, ich wollte ja diesen Peter etwas näher kennen lernen und auch mehr von ihm wissen.
„Klar die werden mich schon nicht gleich auf die Fahndungsliste setzen.“
Wir gingen gemeinsam zur Kantine und Peter holte uns zwei Colaflaschen. Ich selber suchte uns einen freien Tisch und setzte mich, um auf Peter zu warten. Die Kantine selbst war ganz nett eingerichtet, es hingen Gardinen vor den Fenstern und die Tische waren mit Tischtüchern bedeckt und auf diesen stand jeweils eine Vase mit Blumen.
Zwei ältere Damen bedienten die Leute und das auf sehr herzliche Art und Weise. Wie es von weitem aussah kannten die beiden Peter, denn die eine kam hinter den Tresen hervor und drückte ihn an sich. Peter fand das wohl toll denn auch er drückte sie und dann fragte sie ihn wohl etwas, denn er zeigte auf mich. Die Dame drehte sich zu mir und lächelte mich an, danach drehte sie sich wieder zu Peter und sagte wohl etwas zu ihm. Jedenfalls wechselte seine Gesichtsfarbe ziemlich ins Rote. Ich musste dabei grinsen, denn ich fand dass er mit der Farbe im Gesicht noch besser aussah.
Man was hatte ich nur für Gedanken, aber ich musste zugeben dass ich mich zu diesem Jungen hingezogen fühlte und ich wollte alles über ihn wissen. Auch über die Narben auf seinen Arm. Ich war wohl so in Gedanken, dass ich gar nicht mitbekam das Peter sich an den Tisch gesetzt hatte und mir die Cola hinhielt.
„Hallo Erde an Kevin!“
„Was?“ erschrocken sah ich auf und dann Peter direkt in die Augen. Wauuu diese Augen, ich hätte stundenlang in diese Augen schauen können. Aber halt ich wusste ja nicht mal ob er schwul war und zum andern was tat ich hier eigentlich. Ich merkte wie mein Kopf heiß wurde. Oohh nein nicht schon wieder. Das hatte ich doch erst vor kurzem gehabt.
„Weißt Du Kevin, als Tomate würdest Du Dich ganz gut verkaufen lassen.“
Peter fing dabei an zu lachen und ich fiel mit ein. Nachdem wir uns beruhigt hatten, tranken wir unsere Cola.
„Sorry Kevin, ich bin ein neugieriges Kerlchen. Was war eigentlich der Grund warum Du das gemacht hast?“
Peter sah mich dabei an und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er auf eine bestimmte Antwort lauerte. Jedenfalls blitzten seine Augen ziemlich verräterisch. Ich sah auf meine Colaflasche und fing an, seine Frage zu beantworten.
„Ich… ääähhhh na was soll’s mehr als wegrennen kannste ja nicht. Ich bin schwul und kam mit meinen Gefühlen nicht mehr klar und….“
Mir kam es vor, als ob alle Geräusche im Umkreis, gleichzeitig aufhörten. Jedenfalls hörte ich nur noch mein Herz bummern und dachte nur hoffentlich rennt er nicht weg.
„Kevin hallooooo…..“
Peters Stimme drang an mein Ohr, er war also noch da. Ich wollte meinen Kopf heben, aber leider merkte ich auch, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Leise fing ich an zu schluchzen, man ich wollte das nicht.
Plötzlich spürte ich zwei Hände die mich an den Schultern fassten.
„Es ist in Ordnung. Ich weiß wie es ist zu merken, dass man nicht wie die anderen ist. Aber es ist nur ein kleiner Unterschied. Kevin glaub mir.“
Peters Stimme drang leise an mein Ohr und dann zog er mich an sich. Wie sehr ich das genoss. Man war das ein Gefühl, von den Armen eines Jungen gehalten zu werden. Langsam beruhigte ich mich und Peter ließ mich vorsichtig los.
„Und geht es jetzt wieder?“
Ich nickte und wischte mir die letzten Tränen, mit dem Handrücken aus dem Gesicht.
„Ja Danke. Peter habe ich das richtig verstanden? Du bist auch schwul???“
Peter grinste mich frech an und nickte dann.
„Ja bin ich und ich mag Dich Kevin.“
Dabei verdrehte er die Augen und ich prustete los. Das sah aber auch zu komisch aus.
„Was ist daran jetzt soooo klustig?“ kam es von Peter etwas eingeschnappt.
„DDDeeeiinnnee Auugge… HIHIHIHIHI..“
Ich bekam einen regelrechten Lachanfall und Peter fiel dann auch mit ein. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, sah ich Peter wieder ernst an.
„Peter meintest Du das vorhin ernst, dass Du mich magst?“
„Ja! Du siehst echt niedlich aus…“ dabei sah er mich mit einem verträumten Blick an.
„Und Deine Eltern, wie haben Sie es aufgenommen, dass Du schwul bist?“
Peter sah mich verträumt und zugleich fragend an.
„Sie haben es gut aufgenommen und klar ist es für Sie wie für mich nicht einfach! Aber ich denke, dass wir das hinbekommen. Schließlich steht mein bester Freund Patrick auch voll hinter mir.“
„Ach Du hast einen FREUND?“ dabei sah er mich traurig an.
„Nein nicht mein FREUND sondern nur mein bester Freund. Wenn Du verstehst. Ich bin noch zu haben.“
Ich sah wie sich ein Grinsen auf Peters Gesicht stahl und dann setzte ich leise noch hinzu: „Vielleicht habe ich denjenigen gefunden!“
„WAAAUUU heißt das ich hätte da Chancen?“ dabei blitzten Peters Augen kurz auf.
„Lass mich überlegen, wenn ich Dich so ansehe könntest Du in mein Beuteraster passen!“
Was dann kam, darauf war ich nicht gefasst, denn plötzlich trafen zwei Lippen auf meine.
Man das war mehr als ein Blitz der in dem Moment mich traf, bei der Berührung.
Als Peter schon längst wieder auf seinem Platz saß, starrte ich immer noch in die Luft. Mein erster Kuss von einem Jungen.
„Soll ich den Notarzt holen?“
„WAAASSSS…“ aufgeschreckt sah ich Peter an: „Ich brauche keinen Notarzt. Peter das war einfach bombastisch.“
Verträumt sah ich ihn an und Peter selber sah auch nicht anders aus.
„Peter würdest Du mir auch von Dir erzählen?“
Ich wollte ja gerne mehr wissen und war schon gespannt darauf, was er mir erzählen würde.
Aber es kam ganz anders, denn Peters Gesichtszüge veränderten sich bei meiner Frage, binnen weniger Sekunden. Er sah plötzlich so unnahbar aus und irgendwie hatten seine Augen etwas Eiskaltes an sich. Jedenfalls wurde mir bei dem Blick eiskalt.
„Nein!“ abrupt stand er vom Tisch auf und rannte aus der Kantine.
Was hatte ich denn jetzt falsch gemacht? Ich wollte doch nur mehr über ihn wissen.
Ich wollte gerade aufstehen, als die ältere Dame vom Tresen auf mich zukam.
„Was ist denn mit Peter los?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe nur gefragt ob er mir etwas über sich erzählen würde und dann ist er weggerannt.“
„Na Kleiner das ist auch nicht einfach. Erstmal ich bin die Lilo und ich kenne Peter. Er lag hier über ein halbes Jahr im Krankenhaus. Er hat es nicht einfach und was er durchgemacht hat, dass wünsche ich niemanden.“
Lilo setzte sich dabei auf einen der Stühle und sah mich mitfühlend an.
„Wie heißt Du überhaupt Junge?“
„Mein Name ist Kevin und ich wusste nichts davon! Hätte ich es gewusst hätte ich gar nicht erst gefragt.“ Traurig sah ich Lilo an.
„Na er wird sich schon beruhigen. Wie gesagt er hatte es in seinem Leben nicht leicht. Sag mal hab ich das vorhin richtig mitbekommen, oder war das eine Fatamorgana?“ fragend, mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen, sah Lilo mich an.
„Was meinen Sie?“ ich wusste wirklich im ersten Moment nicht was sie meinte.
„Hat Peter Dich geküsst?“
„Ichh.., glaube ja…“ ängstlich sah ich sie an. Ich wusste ja nicht wo das jetzt hinführte. Aber stattdessen fing lächelte sie mich aufmunternd an.
„Na nach Deiner Gesichtsfarbe zu urteilen hat es Dich verdammt doll erwischt. Man wie ich mich freue für Dich und glaube mir, ich kenne Peter sehr gut den hat es genauso erwischt. Kevin gib ihm etwas Zeit dann wird er Dir schon alles erzählen und glaub mir es wird nicht leicht sein das zu verdauen, was er zu erzählen hat. Aber nun Kopf hoch und ab auf Deine Station, gibt gleich Abendbrot.“
Sie stand daraufhin langsam auf und ging zum Tresen zurück und ich machte mich auf die Socken um zu meiner Station zurückzukommen, ehe die eine Vermisstenanzeige aufgaben.
In dieser Nacht ging mir Peter nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder sah ich die Narben auf seinem Arm und dann diesen eiskalten Blick den er mir zugeworfen hatte.

Peter

Ich rannte die Strasse entlang, ohne auf die Passanten und den Verkehr zu achten. Immer noch hatte ich Kevins Gesicht vor meinen Augen. Nein ich wollte und war auch noch nicht bereit alles über mich zu erzählen, auch nicht Kevin. Die einzigen die ahnten was ich durchlebt hatte, waren die Ärzte die mich nach meinem Selbstmordversuch untersucht hatten und Ilona. Der hatte ich irgendwann vertraut und mein beschissenes Leben erzählt, genauso wie Lilo die zu mir wie eine Oma war. Lilo war auch diejenige die oft bei mir saß in der Kantine und auch manchmal im Park des Krankenhauses. Ilona und Lilo waren es, die mir halfen in eine Jugendgruppe zu kommen, die mit zwei Erziehern in einer Wohngemeinschaft lebten. Die Truppe war auch ganz nett und klar gab es da auch mal Stunk, aber ansonsten war es ganz passabel.
Ich rannte immer noch wie ein wilder durch die Strassen, dann sah ich endlich den Park vor mir und ich stürmte in diesen hinein. In diesem Park hatte ich mich immer versteckt wenn es zu Hause überhaupt nicht mehr ging. Ich hatte dort am See ein altes Bootshaus entdeckt, in dem ich mich dann immer verkroch. Zielstrebig rannte ich den Weg entlang, runter zum See wo das Haus stand. Von weitem sah ich es dann. Na ja sah jetzt wirklich nicht Klasse aus der Schuppen. Aber immerhin war das Dach noch dicht, so dass es einem vor Regen und Wind schützte. Einige alte Weiden die dort standen verdeckten im Sommer den Schuppen so gut, dass man diesen nicht sofort entdeckte. Vor dem Schuppen angekommen ging ich zur linken Seite und zog ein Brett aus der Wand, dadurch entstand eine Lücke in der Wand, durch die ich kroch. Nachdem ich in dem Schuppen war, setzte ich mich auf den Boden und starrte vor mich hin.
Kevins Worte gingen mir im Kopf rum.
„Peter würdest Du mir auch von Dir erzählen?“
Ich merkte wie mir Tränen in die Augen traten und dann sah ich meinen Stiefvater, wie er in mein Zimmer schlich und mir den Mund zu hielt, damit ich nicht schreien konnte.
Ich wollte diesen Mist nicht mehr sehen, nie mehr daran denken. Aber wie schaltete man den Kasten da oben ab? Ilona sagte ich müsse darüber sprechen, aber ich konnte nicht. Die Narben auf meinen Armen, hatte ich mir selbst zugefügt. Jeder Besuch meines Stiefvaters war mit einer Narbe auf meinen Armen festgehalten. Jedes Mal zog ich mir mit der Schneide meines Taschenmessers eine dazu. Nur um durch den Schmerz festzustellen das ich immer noch lebte und auch nie vergaß wie oft er in mein Zimmer gekommen war. Ilona meinte, dass ich Strafanzeige stellen musste, aber ich war noch nicht bereit dazu.
Ich brüllte meinen Schmerz und meine Wut heraus. In Gedanken sah ich Kevin und wie seine Augen geleuchtet hatten, nachdem ich ihn geküsst hatte. Kevin man ich konnte es nicht fassen, ich hatte ihn im Gang vor der Tür stehen sehen und war gleich hin und weg.
Tränen liefen mir das Gesicht herab und ich legte mich auf eine der Decken die ich hier zu liegen hatte. Irgendwann umfing mich angenehme Dunkelheit und ich träumte von Kevin.

Kevin

Ich hatte gerade mein Abendessen hinter mir, als es an die Tür klopfte.
„Herein!“
Die Tür ging auf und Patricks Kopf kam zum Vorschein.
„Hi Kevin wollte nur noch kurz nach Dir sehen!“
„Komm rein, ich muss Dir was erzählen.“
Patrick schloss die Tür hinter sich und kam auf mich zu, er setzte sich auf mein Bett und sah mich strahlend an.
„Na was haste mir zu erzählen? Und wie war eigentlich Deine erste Sitzung mit den anderen?“
„Also die anderen sind alle in Ordnung und ich dachte nie, dass andere auch Probleme haben und nicht damit fertig werden. Aber einer der wollte nicht mal mir sagen, was er durchgemacht hatte.“
Bei diesen Worten stahlen sich doch Tränen in meine Augen.
„Hee da ist doch noch mehr?“
Ich nickte: „Ich habe meinen ersten Kuss von einem Jungen bekommen! Eben von demjenigen, der von sich nichts erzählen wollte.“ flüsterte ich.
„Wau und deswegen weinst Du jetzt?“
„Nein danach habe ich ihn gefragt, ob er mir was von sich erzählen würde. Patrick er ist, kaum war die Frage gestellt, aufgestanden und hat mich wie einen Blödmann sitzen gelassen. Er hat mich nur mit einem eiskalten Blick angesehen und das hat so wehgetan.“
Ich schluchzte und Patrick nahm mich in den Arm.
„Da hat es wohl jemanden ganz schön getroffen. Mein kleiner Kevin ist verliebt.“
„Patrick was soll ich bloß machen?“
„MMHH ich weiß ja nicht was der Junge durchgemacht hat, aber vielleicht solltest Du ihm Zeit geben, damit er Dir das erzählen kann.“
„Der Junge heißt Peter.“
Bevor Patrick mir antworten konnte, ging die Tür zu meinem Krankenzimmer auf.
„Kevin ?“
Ich sah auf und sah Ilona in der Tür stehen. Hinter ihr stand Lilo die ein besorgtes Gesicht machte.
„Ja?“ fragend schaute ich Ilona an.
„Kevin Peter ist verschwunden und Lilo sagte mir das Du und Peter zusammen in der Kantine gesessen habt. Hat er Dir vielleicht gesagt wohin er noch wollte?“
Ich schüttelte den Kopf: „Nein er ist plötzlich aufgesprungen und weggerannt.“
„HMMM.. das hört sich nicht gut an!“
Ilona sah besorgt und nachdenklich aus.
„Ilona warte mal, wo hat man damals Peter gefunden?“
Lilo sah fragend Ilona an.
„Na am See im Stadtpark. In diesem alten Bootsschuppen der da am See steht.“
„Vielleicht ist er dort?“ Lilo sah Ilona immer noch an.
„Ja dann werden wir dort nachsehen!“
Ilona wollte sich gerade umdrehen, da meldete ich mich zu Wort.
„Ilona kann ich mitkommen? Bitte…“
Ilona sah mich direkt an und nickte.
„Sollte er nicht etwas mehr wissen? Ilona ich glaube, Du solltest es ihm erzählen…“
Der Satz den Lilo ausgesprochen hatte, stand in der Luft und keiner wagte ein Ton zu sagen.
Patrick der immer noch neben mir stand drückte mich an sich. Als ob eine Sintflut auf mich herabströmte, fing Ilona an zu erzählen.
„Peter hatte keine leichte Kindheit. Sein Stiefvater hat ihn missbraucht und seine Mutter hat ihm nicht geholfen. Sie hat dann lieber die Flasche zum Vergessen genommen, als ihn zu beschützen. Peter hat versucht sein Leben zu beenden und man hat ihn unten am See, in diesem Bootshaus gefunden. Als ich ihn kennenlernte, lag er hier in diesem Krankenhaus und ich kam die erste Zeit nicht an ihn heran. Lilo hat es dann geschafft das Eis zwischen uns zu brechen. Ich habe ihm dann geholfen und ihn in dieses betreute Wohnen untergebracht.“
Ich lauschte Ilonas Worte und ich begriff nur zu einem Bruchteil was Peter durchgemacht hatte.
„Was ist aus seinem Stiefvater geworden?“ Kevins Stimme war leise aber mit einer Menge Wut darinnen.
„Der ist noch auf freiem Fuß. Peter ist noch nicht soweit, sich anderen zu öffnen, um diesen Mistkerl anzeigen zu können. So nun kommt wir werden ihn dort suchen an diesem See.“
Patrick ließ mich los und ging zu meinem Schrank, aus dem er meine Jacke holte.
„Hier Kevin zieh die an und vergesse Deine Schuhe nicht!“
Ich nickte und zog mir die Schuhe an, die unter meinem Krankenbett standen.
Kurz darauf verließen wir das Krankenhaus und liefen zum Stadtpark. Ilona hatte sich bei Lilo eingehackt. Sie gingen einige Schritte vor uns. Patricks Hand hielt meine fest und zog mich hinter den beiden Frauen hinterher.
Im Park angekommen, holte Ilona eine Taschenlampe aus ihrer Tasche und schaltete diese an.
„Es ist nicht mehr weit.“
Wir folgten den beiden Frauen, den Weg entlang. Mittlerweile war es dunkel geworden und da im Park keine Laternen an den Wegen standen, war es echt schwer den Weg zu erkennen.
„Da vorne muss der Schuppen sein.“ hörte ich Ilonas Stimme.
Tatsächlich der Lichtkegel der Taschenlampe beleuchtet kurz darauf eine Holzwand an, die wohl zu dem Bootshaus gehörte.
„Ah hier ist eine Tür! Mist die ist auch noch zugeschlossen, wie kommen wir jetzt rein?“
Die Tür sah schon ziemlich ramponiert aus, denn sie hing etwas schief in den Angeln. Die Tür war mit einem großen Vorhängeschloss versehen.
„Halt mal, so wie der Schuppen aussieht, sind bestimmt Bretter lose. Wir müssten die Wände uns näher ansehen.“ kam es von Patrick.
Ilona fing daraufhin an die Holzwand des Bootshauses abzuleuchten und tatsächlich kurz darauf hatte Ilona etwas entdeckt.
„Hier unten sind einige Bretter lose. Da pass ich bloß nicht durch. Wenn man die Bretter etwas beiseite schiebt, könnte es aber klappen.“
„Kevin los da passt Du bestimmt durch!“ meinte Patrick.
„Los Kevin ab rein und wenn er da drinnen ist sagst Du uns bescheid.“
Kurz entschlossen bückte sich Patrick und zog die untersten zwei Bretter nach vorne.
„Los Kevin ab rein da.“
Ich bückte mich und sah mir die Lücke an, die Ilona mit der Taschenlampe anleuchtete.
Au man da musste ich aber auf allen vieren rein robben. Also legte ich mich auf den Boden und kroch mit dem Kopf zuerst in die entstandene Lücke. Nachdem mein Kopf durch die Lücke war, bekam ich erst mal keine Luft. War das ein Gestank. Es stank regelrecht nach verfaultem Holz und dann stieß ich mir auch noch den Kopf. Da ich in der Dunkelheit nicht erkennen konnte an was, tastete ich unter leisem fluchen mit den Händen den Boden ab. Nachdem ich dann endlich im Bootshaus war, flüsterte Patrick leise, dass ich aufpassen sollte.
So kroch ich vorsichtig auf allen vieren am Boden lang. Meine Hände tasteten den Boden vor mir immer wieder ab, bevor ich weiter kroch. Irgendwann fühlte ich etwas, dass sich wie Stoff anfühlte. Ganz langsam tastete ich mich vor und plötzlich hatte ich eine Hand mit meinen Fingern berührt.
„Peter?“ flüsterte ich leise und tastete mich weiter bis ich eine Schulter fühlte. Vorsichtig rüttelte ich die Person und hoffte nur das es auch tatsächlich Peter war, der hier im Dunkeln lag.
„Was ist…“ kam es plötzlich von der Person. An der Stimme erkannte ich, dass es sich um Peter handelte. Aber ehe ich etwas erwidern konnte, sah ich auch schon Sterne.
„Scheisse…“ heulte ich auf und hielt automatisch meine Hand an die rechte Wange.
„Kevin? Mist das wollte ich nicht… Ich dachte doch.. Was machst Du hier?“ kam es von Peter stockend.
„Ja super ich habe Dich gesucht. Ilona und Lilo stehen draußen. Wir haben uns um Dich Sorgen gemacht.“
„Du hast Dich um mich gesorgt? Wieso? So wie ich Dich habe stehen lassen?“ kam es leise von ihm.
„Natürlich habe ich mir Sorgen gemacht! Zum anderen wollte ich den Kuss noch mal wiederholen…“ ich grinste in die Dunkelheit und stellte mir Peters Gesicht vor wie es sich langsam meinen näherte und mich dann küsste. Plötzlich fühlte ich zwei Hände die mein Gesicht abtasteten und dann spürte ich zwei Lippen die mich zärtlich küssten. WAU was für ein Gefühl.
„Kevin alles OK? Ist Peter da drinnen?“ kam es von draußen. Ilonas Stimme hörte sich nicht danach an, als ob sie noch lange auf eine Antwort warten würde. Ganz behutsam löste ich meine Lippen von Peters und flüsterte ihm dann zu: „Ich glaube wir sollten jetzt gehen, sonst garantiere ich für nichts…“
„Hast recht also los, auf geht’s.“
„Ich habe ihn gefunden! Es ist alles ok mit ihm… Wir kommen jetzt raus!“ rief ich und nahm Peters Hand in die meine und wir robbten wieder zurück zu den losen Brettern.
Kurz danach standen wir im freien und Ilona drückte Peter an sich.
„Junge das machst Du nie wieder verstanden!?“ dann drückte Ilona Peter noch fester an sich.
„Ja habe ich verstanden.“ Kam es von ihm zerknirscht.
Peter sah dabei in meine Richtung und lächelte.

Patrick

Na das war vielleicht eine verrückte Geschichte. Zum Glück ging diese dann aber glimpflich aus und nun war ich zu Hause in meinem Zimmer und lag in meinem Bett. Überglücklich dachte ich an die Blicke, die Peter und Kevin sich zugeworfen hatten.

Peter

Ilona und ich waren, nachdem wir Kevin ins Krankenhaus gebracht hatten, auf dem Weg zu meiner Unterkunft. Es war eine Wohngemeinschaft, die aus sieben Jugendlichen bestand, einschließlich meiner Person. Dazu kamen dann noch zwei Erzieher, die über uns wachten und uns bei den täglichen Aufgaben unterstützten. Für mich war diese Gemeinschaft etwas ganz besonderes, da alle aus zerrütteten Familien stammten.
„Peter?“ kam es plötzlich fragend von Ilona.
„MMHH.. ja?“
Ilona hielt plötzlich auf dem Gehweg an.
„Sieh mich bitte an.“
Langsam hob ich meinen Blick und sah Ilona ängstlich an.
„Peter so kann es nicht weitergehen. Du musst endlich darüber sprechen, was dein Stiefvater dir angetan hat.“
„Aber ..ich kann das nicht….Ich schäme mich dafür und was soll Kevin von mir denken…“
Ich merkte wie mir die Tränen in die Augen schossen und blinzelte.
„Es wird Zeit, die Dämonen zu bekämpfen und glaube mir es ist für dich das Beste.“
Ilona hatte ja recht. Wenn ich ein neues Leben anfangen wollte, musste ich das alte beenden. Ich musste mit dem ganzen abschließen und dazu gehörte auch meinen Stiefvater anzuzeigen.
Es machte irgendwie klick in meinem Kopf. Ich sah Kevins Gesicht, das mir aufmunternd zulächelte und irgendwie erkannte ich in dem Moment, wenn ich jetzt nichts unternahm, dann würde es nicht besser werden.
„Ilona..“#
„Was ist?“
„Ich tue es jetzt! Ich will eine Chance haben und ich möchte Kevin nicht verlieren und ich will ein neues Leben beginnen“
„Na Bitte so gefällst Du mir besser..“
„Ilona ich möchte das wir jetzt zur Polizei gehen. Ich habe Angst das ich sonst nie wieder den Mut aufbringen werde darüber zu sprechen.“
Ilona hob eine Augenbraue und holte dann aus ihrer Tasche ihr Handy heraus.
Kurz darauf sprach sie mit einem der Erzieher aus meiner WG, um bescheid zu sagen das ich später kommen würde, da ich endlich bereit war meinen Stiefvater anzuzeigen.
Danach gingen wir zum nächsten Polizeirevier, damit ich dort das tun konnte was ich schon längst hätte tun sollen.
Es wurde eine lange Nacht.
Wir saßen noch bis in den Morgen mit einem Staatsanwalt zusammen, der sich die Unterlagen vom Krankenhaus ansah und meine Geschichte anhörte.
Als wir dann aus dem Polizeirevier herauskamen, ging gerade die Sonne auf.
„Ilona Danke..“ ich sah Ilona dabei in die Augen.
„Peter du musst mir nicht danken. Das warst Du der endlich darüber gesprochen und den Mut gefunden hat, endlich damit abzuschließen.“
Sie nahm meine Hand und wir gingen zusammen die Strasse entlang. Als ob etwas von mir heute Nacht abgefallen war, sah ich die Welt plötzlich mit anderen Augen. Das erste Mal seit langem hatte ich das Gefühl, endlich einer neuen Zukunft entgegenzugehen und dort wartet auch Kevin auf mich.

Kevin

Ich konnte es kaum abwarten, dass es endlich Neun Uhr wurde, denn da begann die zweite Runde mit der Gruppe und ich sah endlich Peter wieder. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht mitbekam das jemand an meine Tür klopfte.
„Hallo Kev sag mal wie lange soll ich denn noch an Deine Tür klopfen?“
Erschrocken sah ich in die Richtung aus der die Stimme kam. An der Tür stand Peter und strahlte mich an.
„Peter…“ dabei stand ich auf und rannte auf ihn zu. Kurz darauf lagen wir uns in den Armen.
„Ist alles in Ordnung und gab es noch viel Ärger??“ fragte ich ihn.
„Nee gar nicht Ilona hat sich um alles gekümmert, wegen der WG. Na und wir waren gestern noch bei der Polizei..“ kam es leise von ihm.
„Wieso Polizei? Versteh ich jetzt nicht??“
„Komm wir setzen uns auf Dein Bett. Dann erzähle ich Dir alles. Na ja fast alles…“
Wir lösten uns voneinander und setzten uns auf mein Bett.
Peter sah nach unten auf dem Boden und seufzte.
„Es ist nicht einfach, aber Du hattest mich gestern etwas gefragt und gestern Abend habe ich den ersten Schritt getan und habe darüber gesprochen. Ja und jetzt bin hier um Dir Deine Frage zu beantworten…“
Ich merkte, dass ich jetzt nichts sagen durfte und nahm dafür seine Hand und drückte sie ganz fest.
„Mein Vater hatte sich vor Fünf Jahren von meiner Mutter getrennt und seitdem habe ich ihn nie wieder gesehen. Meine Mutter lernte dann einen neuen kennen und er zog bei uns ein.“
Peters Stimme war leise dabei geworden.
„Weißt Du am Anfang war er total nett. Kaufte mir Spielzeug und alles Mögliche von Klamotten angefangen bis hin zu einem neuen Fahrrad. Es war unbeschreiblich. Das einzige was mich immer störte an ihm war, dass er mich ständig an sich drückte und das nicht mal nur so. Nein er fasste mir manchmal zwischen meine Beine und knetete mein Ding. Ich mochte das nicht, aber wagte nichts zu sagen, da meine Mutter so glücklich mit ihm war. Tja und dann wurde ich etwas älter und dann stand er eines Tages in meinem Zimmer. Meine Mutter…“
Peter fing neben mir an zu zittern und holte tief Luft. Vorsichtig hob ich meinen Arm und legte ihn auf seine Schulter.
„Sie war einkaufen gegangen. Jedenfalls ..stand er da in meinem Zimmer und kam auf mich zu. Zuerst wusste ich nicht was er in meinem Zimmer wollte… Ich NAIVLING.. und fragte ihn daraufhin was er in meinem Zimmer wollte. Die Frage beantwortete er nicht! Dafür tat er etwas und zwar mit mir….“
Peter fing an zu weinen und vergrub sein Gesicht an meiner Schulter.
„Du hattest… gefragt… was das hier für Narben sind……“
Er hob den Kopf und zog den linken Ärmel seines Hemdes hoch.
„Jeder dieser…..“ dabei strich er mit seinen Fingern, vorsichtig über eine der Narben, ist eine Erinnerung für jeden seiner Besuche in meinem Zimmer.“
Entsetzt sah ich auf seinen Armen der bis zum Ellenbogen, von Narben übersäht war.
Vorsichtig hob ich meine Hand und strich über eine seiner Narben. Mein Gott, was wusste ich schon von der Welt da draußen. Meine Sorgen und Ängste waren plötzlich so klein wie ein Staubkorn. Ich sah Peter an, dem die Tränen vom Kinn tropften.
„Peter ich… hätte ich das gewusst….hätte ..ich nie danach gefragt.“
„Ist schon gut Kev. Ich habe gestern Nacht das ganze, einem Staatsanwalt, erzählt. Ilona meinte, ich sollte es dir auch erzählen.“ Peter schniefte kurz und sah mich dann an.
„Ich wollte es Dir erzählen und nun hab Ichs ja wohl???“
Ja das hatte er und ich drückte ihn fest an mich.
„Ich werde dich nie im Stich lassen Peter.. Ich hab mich in dich verliebt……..“
„OHH man und ich hätte gestern beinahe alles kaputt gemacht..“ kam es leise von Peter.
Er drückte sich an mich und ich nahm ihn in die Arme. Wie lange wir so da saßen konnte ich nachher nicht mehr sagen. Jedenfalls war es draußen schon dunkel geworden.
„He geht’s jetzt Peter?“
„Ja.. Kev??“
„mmhh..“
„Ich Liebe Dich auch…“ hauchte er mir ins Ohr.“

Ich stand hier vor seinem Sarg, an seinem Grab.
Peter hatte seine Dämonen nie besiegen können. Er hatte nie eine Chance dazu gehabt. Zwei Jahre hatten wir Zeit, bis das Kartenhaus zusammenbrach.
Wie vielen da draußen geht es genauso?
Ich stand vor Peters Sarg und Tränen, rollten an meiner Wange hinunter.
Sein Stiefvater war wieder frei. Er hatte nur zwei Jahre bekommen, für das was er Peter angetan hatte. Zwei lächerliche Jahre und die bekam dieses Monster dafür, dass er sich für schuldig erklärte. Peter sah ihn dann, zwei Jahre später, auf der Strasse und damit begann wieder sein persönlicher Alptraum. Sein ganz persönlicher. In Gedanken strich ich über seine Narben, jede einzelne die nie verheilten. Seine Qualen und seine Leiden habe ich mit durchlitten.
Patrick der neben mit stand, nahm meine Hand und drückte sie. Als ob er verstand was ich hier durchmachte.
Wind strich durch die Bäume und Blätter fielen wie Tränen auf den Sarg von Peter. Ich sah in Gedanken sein Gesicht das lachte, obwohl das lachen aus seinem Gesicht für immer verschwunden war. Warum taten Menschen einem anderen so etwas an? Warum?
Ich habe mal gelesen, dass der Dämon den man nie besiegt, Dich immer wieder heimsuchen würde. Der der in den Abgrund gesehen hat, der wird nie wieder diesen Anblick vergessen und nie die Qualen und Schmerzen. Er hatte die Qualen und die Schmerzen gesehen und gespürt und diese nie vergessen. Peter hatte nie eine Chance. Er hatte es nie geschafft diesen Dämonen zu besiegen. Warum? Warum musste so ein junges Leben zerstört werden. Warum?

Regentropfen fielen auf den Boden und ich sah zu wie diese auf dem Boden aufschlugen.
„Kev komm…“
Patrick versuchte mich vom Grab wegzuziehen. Aber ich wollte nicht. Immer noch sah ich Peters lachendes Gesicht.
„Patrick?“
„Was?“
„Warum war ich nicht bei ihm, als er es getan hat?“
„Kev du änderst gar nichts an all dem. Peter war am Ende. Du warst der einzige der es nicht sehen wollte. Seitdem er seinem Vater auf der Strasse begegnete, war er nicht mehr er selbst. Du hast nicht mal bemerkt, dass er kaum noch raus ging.“
„Ich … ich habe ihn so geliebt und ich wollte nur das er glücklich ist..“ ich fing an zu heulen und Patrick drückte mich an sich.
„Komm Kev gehen wir nach Hause. Peter hat seinen Frieden gefunden. Lass ihn diesen!“
Langsam gingen wir auf dem Sandweg zurück zum Friedhofstor.
Ich schaute noch einmal zurück zu Peters Grab. Verschwommen durch den Regen sah ich sein Grab.

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