Ein neuer Anfang – Teil 5

16. Ein neues Familienmitglied

Jonas

„… eigentlich gibt es kein aber“, beendete ich meinen Satz und grinste.

Es dauerte einen kurzen Moment, bis die beiden meine Worte begriffen hatten und Bernd war der erste, bei dem es geklickt hat. Er beugte sich zu mir rüber und nahm mich in den Arm.

„Herzlich willkommen in unserer Familie, auch wenn es noch nicht ganz offiziell ist.“

Falco, bei dem der Groschen erst ein wenig später gefallen war, schaute mich an. Sein Gesichtsausdruck wechselte von einem tief enttäuschten zu einem breit grinsenden. Er sprang förmlich auf und nahm mich ebenfalls in den Arm.

„Herzlich willkommen, Brüderchen“, sagte er.

Dabei knuffte er mich vorsichtig in die Seite und flüsterte mir ins Ohr, „Aber, mach das nicht noch einmal mit mir“.

Nun musste auch ich breit grinsen.

Bernd war in der Zeit zur Tür gelaufen und rief. „Heike, kommst du bitte mal schnell hoch!“

Keine Minute später stand sie schon in der Tür und schaute uns etwas irritiert an.

Bernd lächelte und meinte ganz hochtragend zu seiner Frau: „Darf ich dir unser neues Familienmitglied vorstellen? Er heißt Jonas.“

Freudestrahlend nahm nun auch sie mich in die Arme und drückte mich ganz fest an sich. Dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn und sagte leise: „Herzlich Willkommen – und den Rest bekommen wir auch noch hin… gemeinsam.“

So saßen wir noch eine ganze Weile zusammen, bis Bernd schließlich aufstand und meinte: „Dann gehe ich mal Michael anrufen. Falco, vielleicht möchtest du deinem neuen Bruder ja mal sein neues zu Hause zeigen.“

„Hast du Lust?“, fragte Falco.

„Ja, sehr gerne“, antwortete ich.

17. Jonas‘ neues zu Hause

Falco

„Man folge mir unauffällig“, sagte ich in einem verschwörerischen Ton zu Jonas und schritt wichtig die Treppe hinunter.

Jonas folgte mir sehr auffällig unauffällig, was mich zum Lachen brachte.

„Am besten wir fangen draußen auf dem Hof an, von dort aus kann ich dir erst einmal die Gebäude und das Grundstück zeigen. Dann bekommst du schon mal einen groben Überblick und danach zeige ich dir das Wohnhaus und wenn du magst die Ställe und Scheunen.“

„Das ist eine gute Idee“, antwortete Jonas in freudiger Neugier.

Wir liefen durch die Küche in die Diele und von dort aus nach draußen. Als wir dort angekommen waren, kam Jack mit wedelndem Schwanz auf mich zugelaufen. Ich ging in die Hocke und knuddelte ihn richtig durch. Er warf sich dabei auf den Rücken und so musste ich ihn auch noch am Bauch kraulen.

„Ja, mein guter. Ich weiß ja, ich habe dich die letzten Tage etwas vernachlässigt.“

Als er genug hatte sprang er wieder auf, ging zu Jonas und schnüffelte an seiner Hand. Dann bellte er kurz auf, leckte Jonas über die Hand und wedelte freudestrahlend mit dem Schwanz.

„Das ist Jack, mein Schäferhund. Er mag dich, Jonas“, erklärte ich lächelnd.

Jonas erwiderte mein Lächeln fast schüchtern, beugte sich dann aber ebenfalls zu Jack hinunter und streichelte ihn liebevoll über den Kopf. Man sah dass er gut mit Hunden umgehen konnte und Jack schien das auch zu merken, denn normalerweise war er Fremden gegenüber immer etwas misstrauisch.

„Also…“, fing ich an, als Jonas wieder hochkam. „…hier auf der rechten Seite haben wir die Scheunen für die landwirtschaftlichen Geräte. Also Trecker, Anhänger, Mähdrescher, Ballenpresse, Pflüge und so weiter.“

Jonas nickte.

„In den Scheunen auf der anderen Seite sind die Stallungen für die Pferde untergebracht. Außerdem haben wir im hinteren Teil noch ein paar Schweine. Und vorne neben der Auffahrt sind noch Weiden, wo die Pferde im Sommer stehen.“

„Ihr habt Pferde?“, fragte er. Sein Gesicht strahlte dabei. „Ich wollte immer schon mal reiten, aber in Berlin ging das leider nicht“

„Ja, zwei Stuten und einen Hengst. Wenn du möchtest kann ich dir das mit dem Reiten beibringen.“

„Cool!“, sagte er.

„Komm, lass uns noch kurz hinters Haus gehen, dann zeige ich dir was“, ohne eine Antwort abzuwarten ging ich am Haupthaus vorbei und zeigte Jonas den dahinter liegenden Garten sowie die Wiesen.

„Hinter den Wiesen ist noch ein See, du kannst ihn vielleicht sehen. Der Wald dahinter gehört auch noch zu uns. Wenn du magst können wir ja morgen zum See schwimmen gehen, dann kann ich dir das auch alles zeigen. Es ist echt schön dort und außerdem mein Lieblingsplatz hier „, erklärte ich.

„Schwimmen ist eine gute Idee, und wenn das Wetter so ist wie heute wird das bestimmt schön“, freute er sich.

„Magst du noch die Pferde sehen?“

Jonas bejahte die Frage strahlend und so machten wir uns noch auf den Weg zu den Ställen. Dort zeigte ich ihm unsere Pferde und Jonas Augen funkelten wie die eines kleinen Kindes, wenn der Weihnachtsmann kommt. Man konnte sehen, wie tierlieb er war und wie sehr er sich freute.

Jonas

Falco gab sich sichtlich Mühe damit, mir alles so genau wie möglich zu zeigen und wenn ich eine Frage hatte, dann erklärte er mir alles ganz genau. Ich fühlte mich in seiner Nähe sehr wohl, wir lachten viel und alberten zwischendurch rum.

Als wir, oder vielmehr ich, die Pferde ausgiebig betrachtet hatten, zeigte mir Falco noch die Schweineställe, die ich dann aber nicht mehr ganz so ausgiebig erforschte. Der heftige Gestank war im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend.

In diesem Fall war ich sogar sehr froh, Falco einen Blick auf seine Uhr war und meinte: „Ich glaube wir sollten langsam wieder reingehen, es gibt bestimmt gleich Abendessen.“

Also gingen wir gemeinsam zurück zum Haupthaus und fanden uns in der Küche ein. Dort war gerade eine mir unbekannte Frau damit beschäftigt, das Abendessen vorzubereiten.

Mit den Worten: „Hallo Frida, darf ich vorstellen … das ist Jonas!“ begrüßte Falco sie und so erfuhr ich auch gleich zumindest ihren Namen.

Die Angesprochene schaute mich freundlich an und sagte lächelnd: „Hallo Jonas, ich habe schon gehört, dass du nun zu uns gehörst. Ich hoffe es gefällt dir hier und Herzlich Willkommen.“ Als würden wir uns schon lange kennen, umarmte sie mich sofort.

„Ja, es gefällt mir hier sehr gut. Jonas hat mir gerade draußen alles gezeigt.“, antwortete ich ein wenig verlegen.

„Frida ist hier die gute Seele des Hauses, stelle dich gut mit ihr und du kannst alles von ihr haben“, erklärte Falco mit einem Grinsen.

„So ist es“, war Friedas Antwort darauf. Dabei knuffte sie Falco liebevoll in die Seite und lachte.

„Wann gibt es denn zu Abend?“

„Eine halbe Stunde müsst ihr euch noch gedulden“, erwiderte Frida.

18. Pläne für die Zukunft

Jonas

„Das ist gut, ich habe Jonas nämlich noch nicht das Haus gezeigt“, sagte Falco.

„Dann macht das mal, Jungs“, meinte Frida und machte sich wieder an die Arbeit.

Falco zeigte mir nun noch alle Räume im Haus. Im Erdgeschoss befanden sich die große Diele und die Küche, die ich beide bereits kannte. Außerdem waren noch ein großes Wohnzimmer mit Kamin, das Schlafzimmer seiner Eltern, ein Vorratsraum, ein Bad mit Dusche sowie ein Hauswirtschaftsraum vorhanden.

In der kompletten ersten Etage lagen die Gäste-Appartements. Und in der Zweiten Etage gab es ein großes Bad mit Dusche und Badewanne, eine kleine Küche und zwei weitere Räume. Einer dieser Räume war Falcos Zimmer und in dem anderen standen alte Möbel.

„Das wird dein Zimmer. Die Möbel bringen wir noch auf dem Boden und mit neuen Tapeten und etwas Farbe wird es bestimmt sehr schön hier“, meinte er

Es war ein sehr großes und helles Zimmer und ich freute mich riesig über mein Glück. So ein großes Zimmer hatte ich noch nie! Ich malte mir schon jetzt aus, in welcher Farbe ich es streichen würde. Dabei stahlen sich erneut Tränen in meine Augen. Doch dieses Mal waren es Tränen der Freude. Falco nahm mich in den Arm und hielt mich ganz fest.

Nie hätte ich gedacht, dass ich so viel Glück haben würde. Hier waren alle so freundlich und hilfsbereit zu mir. Das war ich einfach nicht gewohnt.

Ich heulte vor Freude und Falco hielt mich weiterhin fest in den Armen. Seine Nähe tat so gut, wirkte so beruhigend auf mich. Ich fühlte mich unheimlich gut dabei.

Als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, wischte Falco meine Tränen sanft mit einem Taschentuch ab. Erst danach gingen wir langsam nach unten.

„Es gibt nur ein Problem: Ich habe ja gar kein Bett“, fiel mir ein, als wir auf der Treppe waren.

„Das bereden wir am besten mit meinen Eltern. Ich denke, es wird sich schon was finden, damit du nicht auf dem Boden schlafen musst.“, sagte er und grinste mich schelmisch an.

Als wir in die Küche kamen, saßen bereits alle am Tisch und Frida stellte noch die letzten Sachen auf den Tisch.

„Ach, da seid ihr ja. Hat dir Falco alles gezeigt?“, fragte Heike.

„Ja, das hat er“, antwortete ich und grinste Falco dabei an.

„Das ist übrigens Jarek. Ihr kennt euch doch bestimmt noch nicht. Jarek hat dich mit in der Scheune gefunden und hier her gebracht. Er kommt aus Polen und arbeitet zurzeit als Erntehelfer bei uns.“, erklärte sie

Ich gab Jarek die Hand und sagte: „Danke!“

„Das war doch selbstverständlich“, meinte er freundlich und lächelte.

„Dann mal guten Appetit“, wünschte Bernd.

Es gab, wie ich im Laufe des Essens erfuhr, selbstgemachte Wurst, sowie Käse. Dazu hatte Frida außerdem noch ein selbstgebackenes Brot auf den Tisch gestellt.

Ich hatte lange nicht mehr so gut und viel gegessen. Es war mir schon fast ein bisschen peinlich, aber es schmeckte einfach so gut.

„Du Papa?“, begann Falco „Ich habe Jonas sein zukünftiges Zimmer gezeigt und gesagt, dass wir nach dem Möbel raus räumen noch die Wände tapezieren und streichen wollen. Dabei ist uns eingefallen, dass er ja gar keine Möbel hat. Also kein Bett, kein Schreibtisch und so…“

Falcos Vater lächelte. „Ich war heute auch nicht faul. Also zuerst habe ich Michael Brinkmann angerufen und ihm alles erzählt“, grinste er und erklärte mir noch: „Michael ist mit mir in die Schule gegangen und arbeitet im Jugendamt.“

„Er meinte, wir sollen morgen um 10:00 Uhr bei ihm im Büro sein. Er hört sich bis dahin schon mal um, ob du als vermisst gemeldet bist. aber generell sieht er da kein Problem. Er möchte sich natürlich erst selbst noch ein Bild machen und mit dir reden.“

„Danach war ich noch bei der Bank und habe einen Bausparvertrag aufgelöst. Ich denke wir werden dir davon einige Möbel, etwas zum Anziehen, Schulsachen und einen PC kaufen.“

Hatte ich da richtig gehört? Zum zweiten Mal in dieser Stunde konnte ich mein Glück gar nicht fassen und schon liefen mir wieder Tränen über das Gesicht. Dieses Mal war es Heike, die mich in den Arm nahm.

„Jonas, mach dir bitte keine Gedanken um das Geld. Du gehörst ab heute zu unserer Familie und auch wenn du nicht unser leiblicher Sohn bist, bekommst du die gleichen Dinge, die Falco auch bekommen würde“, flüsterte sie mir dabei ins Ohr, drückte mich noch einmal kräftig und gab mir schließlich einen Kuss auf die Stirn, bevor sie mich wieder los ließ.

Verlegen wischte ich die Tränen ab versuchte ein leichtes Lächeln.

„Was hältst du davon, wenn Falco morgen früh mitkommt und ihr danach noch shoppen geht, damit du was zum anziehen hast?“, fragte mich Bernd.

„Das ist eine super Idee, Papa“, meinte Falco gleich freudestrahlend.

Den Rest des Abendessens erzählte ich noch einige Dinge von mir und wir überlegten noch, was ich alles brauchen würde. Es lief irgendwie auf eine Komplettausstattung hinaus.

Falco

„Kann Jonas nicht bei mir schlafen, bis sein Zimmer soweit fertig ist? Ich meine, im Gästezimmer ist er ja ganz alleine und so können wir uns noch besser kennen lernen.“, fragte ich meine Eltern.

„Das ist eine gute Idee, dann braucht Frida auch nicht für die Gäste, die morgen kommen, ein komplett anderes Appartement fertig machen. Am besten ihr bringt Jonas Sachen nach dem Abendessen zu dir hoch und Frida macht morgen früh noch das Zimmer soweit fertig.“, plante Heike

Nach dem Abendessen brachten wir, wie Mutter es vorgeschlagen hatte, seine wenigen Sachen in mein Zimmer und redeten danach noch bis spät in die Nacht.

Als wir aber beide müde wurden musste wir feststellen, dass wir gar nicht daran gedacht hatten, dass Jonas auch irgendwo schlafen muss. Kurzerhand beschlossen wir einfach, dass wir uns mein Bett teilen würden. Wir waren einfach zu müde, um noch ein zweites Nachtlager aufzubauen.

Ich genoss es, so nah bei Jonas liegen zu können, seine Wärme dabei zu spüren und seinen Geruch zu riechen. Immer, wenn ich so nahe bei ihm war, fühlte es sich an, als ob kleine Funken zu mir überspringen würden…

Fortsetzung folgt…

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