Eric Einarson – Der versprochene Mann – Tür 16

Das restliche Wochenende war damit verplant, alles wieder aufzubauen und einzuräumen. Das Treffen mit Kims Mutter wurde auf Samstagabend verschoben, weil es Freitag einfach zu spät wurde.

Wir konnten ja schlecht unsere Helfer nach Hause schicken. So wurden sämtliche Snacks und Getränke, die Phillip spendiert hatte vertilgt. Natürlich wurde auch darüber gesprochen, ob Alexander sich die Wohnung nehmen soll.

Er hatte zwar einen Anruf getätigt, dass er Interesse an der Wohnung hätte, sich aber erst für Montag, mit der Mietgesellschaft verabredet. Ich verräumte gerade das Frühstück, als Kim in die Küche zurück kam.

„Ist irgendwie komisch…“, hörte ich ihn sagen.

„Was meinst du?“

„Wenn ich in meinem Zimmer bin, vergesse ich, dass ich in einer anderen Wohnung bin, erst wenn ich die Tür öffne, wird mir erst richtig bewusst, dass ich ausgezogen bin.“

„Daran wirst du dich sicher bald gewöhnen.“

„Etwas anderes… hättest du mit mir Lust zum Ikea zu fahren?“

„Ikea?“

„Stell dir vor, auch wir haben hier ein Ikea“, grinste mich Kim an.

„Und was willst du dort?“

„Ich dachte daran, etwas unser Geschirr aufzustocken. Du hast gestern selbst gesehen, was alles fehlt.“

Da hatte er Recht, Es wurde aus allem gegessen, was möglich war.

„Wird dir das nicht zu stressig…, ich meine, du willst heute noch deine Mutter besuchen.“

„Das ist nicht stressig“, lächelte er, „es ist zwar ein neues Gefühl, aber ich habe dich an meiner Seite und das fühlt sich unheimlich gut an.“

Er kam zu mir, legte seine Arme um mich und gab mir einen Kuss.

„Es heißt immer, der Mensch ist ein Gewohnheitstier“, sprach er weiter, „aber wenn ich früher gewusst hätte, wie schön es ist, morgens in den Armen eines anderen aufzuwachen, dieses hinreisende Lächeln zu sehen, hätte ich die Entscheidung auszuziehen schon viel früher getroffen.“

„Soll das heißen, ich muß mir ein größeres Bett zulegen, oder schlafen wir zukünftig in deinem Zimmer?“

Kim fing herzhaft an zu lachen und drückte sich wieder fester an mich.

„Um ehrlich zu sein, so weit habe ich gar nicht gedacht. Als du mir, im Krankenhaus, den Vorschlag gemacht hast, zu dir zu ziehen, habe ich nicht darüber nachgedacht, wie wir das mit dem Schlafen arrangieren.“

Darauf erwiderte ich nichts, sondern lächelte ihn nur an.

Aber nachdem ich eine Woche mit dir ein Bett geteilt habe, möchte ich das nicht mehr missen…, besonders das kuscheln.“

Ich gab ihm einen Kuss auf die Nase.

„Dann hätten wir dein Bett gar nicht aufbauen müssen“, grinste ich.

„Doch, dann haben wir ein Gästebett.“

„Falls Alexander wirklich die Wohnung nimmt, brauchen wir für ihn kein Gästebett.“

Kims Lächeln verschwand etwas.

„Wie denkst du darüber, das Alexander eventuell unser Nachbar wird?“

„Ehrlich? Ich weiß es nicht. Aber ich muss sagen, in den letzten Wochen hat sich Alexander verändert. Ich finde, er ist zugänglicher geworden und dass er uns nach Rat gefragt hat, im Bezug auf Ari, zeigt ja schon, dass er uns mehr vertraut.“

„Du hast also nichts dagegen?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Irgendwie hoffe ich, dass er nicht nur ein Kollege bleibt, sondern dass vielleicht eine Freundschaft entsteht. Wie du weißt, hatte ich bisher nie groß Freunde. Mir würde das unheimlich gut tun.“

„Das freut mich zu hören! Also… machen wir uns fertig?“

„Ja!“

*-*-*

Wie so üblich weltweit, wenn man dieses schwedische Möbelhaus betritt, kauft man mehr, als man wollte. Niemand gab das zu, aber es war so. Auch wir verließen diesen Tempel des Konsums mit zwei Wegen voll.

Ich war froh, dass mich Kim überredet hatte, dass wir seinen großen Geländewagen nahmen, es passte einfach viel mehr hinein. Auch das Platzproblem, für zukünftige Treffen in meiner Wohnung war gelöst.

Wir fanden einen Tisch, den man bis fast drei Meter ausziehen konnte. So war für gesellige Abende oder Meetings genügend Platz. Leider mussten wir wegen den Stühlen, noch einmal hinfahren, aber das hatte Zeit.

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis wir alles nach oben getragen hatten und eine weitere Stunde, bis einigermaßen alles verräumt war. Etwas entkräftet, ließ ich mich auf mein Bett fallen.

Kim trug noch einen Stapel Bettwäsche herein und legte sie einfach auf den Boden, bevor er sich neben mir niederließ. Beide starrten wir an die Decke.

„Ich hätte nie gedacht, das einrichten so anstrengend sein kann und an was man alles denken muss“, sagte ich.

„Dafür haben wir aber für drei Stunden nicht mehr an den Fall gedacht.“

„Stimmt und ich muss sagen, es tut irgendwie gut.“

Kims Handy meldete sich. Umständlich zog er es aus seiner Hosentasche.

„Deine Mutter?“

„Nein Alexander, er nimmt die Wohnung.“

„Welche eigentlich?“

„Die genau neben uns.“

„Das hier überhaupt jemand wohnt, ich habe bis jetzt noch keinen weiteren Mitbewohner des Hauses zu Gesicht bekommen.“

„Vielleicht besser, diese aufgezwungenen Gespräche mit Nachbarn können nervend und anstrengend sein. Wie hast du eigentlich vorher gewohnt?“

„Eine Einzimmerwohnung außerhalb der Stadt.“

„Dann ist das jetzt richtiger Luxus!“

„… und fast zum gleichen Preis!“

„Du… was mir vorhin aufgefallen ist…, der Brief deiner Mutter liegt immer noch ungeöffnet in der Küche…“

Kim richtete sich auf und drehte sich zu mir.

„Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber solltest du ihn nicht vielleicht öffnen…, es könnte etwas Wichtiges darin stehen.“

Ich setzte mich ebenso auf.

„Tust du nicht, keine Sorge. Ich war bisher einfach noch nicht bereit, ihn zu öffnen.“

„Das mit deiner Eltern hängt dir sehr nach, oder?“

„Schon alleine unser Fall, lässt mich täglich daran denken, wie mein eigener Vater sich mir gegenüber benommen hat und du musst zugeben, hier geht es ständig irgendwie über Vater-Sohn-Beziehungen!“

„Tut mir leid, dass ich mit meinem Vater, dich auch noch daran erinnere.“

Ich griff nach seiner Hand.

„He, du musst dich nicht entschuldigen, du kannst für deinen Vater genauso wenig, wie ich etwas. Wir sind so etwas wie Leidensgenossen, auch wenn die Hintergründe verschieden sind.“

Ich stand auf.

„Wo willst du hin?“

„In die Küche, den Brief holen, irgendwann muss ich mich doch der Sache stellen!“

*-*-*

Ich war schon nervös, als ich mit Kim gemeinsam das Hotel betrat. Zu meiner Verwunderung, lag es nicht einmal weit weg und so konnten wir laufen. Seine Mutter hatte uns zum  Essen eingeladen, was mir ganz recht war. Mein Körper war müde.

Als wir das Restaurant betraten, ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Auch wenn Kims Mum Japanerin war, entdeckte ich sie nicht. Kim dagegen anscheinend schon, denn er lief einfach weiter.

Wenige Augenblicke später, entdeckte ich sie auch.  Als sie uns bemerkte, erhob sie sich. Sie war noch etwas kleiner als Kim, aber sah überraschend jung aus. Ich hörte Kim etwas sagen, verstand es aber nicht.

Schien japanisch zu sein. Beide umarmten sich kurz, bevor sich Kim zu mir drehte.

„Mutter, darf ich dir Eric Einarson vorstellen? Eric, das ist meine Mutter Misaki Takashi!“

Wie Kim mich vorher gebeten hatte, verbeugte ich mich leicht und streckte meine Hand aus.

„Mrs. Takashi, es freut mich sie kennen zu lernen.“

„Ganz meinerseits junger Mann!“

Ihre Stimme war etwas hoch, aber sie sprach ein einwandfreies Isländisch.

„Setzten wir uns doch…“, sagte Kim.

Seine Mutter ließ sich auf dem gleichen Platz nieder, Kim neben sie und ich mich gegenüber.

„Wie weit seid ihr gekommen?“, fragte Mrs. Takashi.

„Wir sind fertig…, ich muss nicht noch einmal zurück zum Haus.“

„Was sagte dein Vater dazu, dass du ausziehst?“

„Nichts…, er war gar nicht da.“

„Das sieht ihm ähnlich“

Sie wandte sich zu mir.

„…. Und sie Mr. Einarson, sind aus England? Wie kommen sie zu einem Isländischen Nachnamen?“

„Es stimmt, ich bin in England aufgewachsen, bin aber hier geboren…“

Hatte Tim ihr nichts über mich erzählt?

„…, aber meine Eltern sind aus beruflichen Gründen, nach England übergesiedelt.“

„In England hätten sie doch viel mehr Möglichkeiten, warum sind sie zurück gekehrt?“

„Mutter!“, wandt Kim ein, der ihre Befragung anscheinend peinlich war.

„Kein Problem Kim“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

„Das Angebot, hier eine Stelle als Chief Inspektor zu bekommen, war einfach zu verlockend und so gesehen ist Island ja meine Heimat“, log ich.

Den Hauptgrund brauchte sie ja nicht wissen.

„Meine Mutter mag die Insel nicht“, warf Kim ein.

„Japan ist auch eine Insel, aber viel schöner und interessanter… sie müssen unbedingt einmal mit Kim mich dort besuchen kommen.“

Damit war klar, dass sie wieder zurück flog.

„Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich weiß nicht viel über Japan, außer vielleicht, dass es dort auch viele Vulkane gibt. Aber was ich durch Kim bisher kennen gelernt habe, hat mir alles gefallen.“

„Lasst uns etwas essen“, sagte Mrs. Takashi.

*-*-*

„Hand in Hand liefen wir zusammen zurück zum Mietshaus.

„Du bist do ruhig geworden?“, sagte Kim.

„Sorry, liegt nicht an euch, ich bin nur nachdenklich geworden. Deine Mutter hat so viele tolle Dinge erzählt und ich bin irgendwie immer noch beeindruckt.“

Kim lächelte.

„Sie mag dich.“

„Woher weißt du das?“

„An ihrer Art, wie sie mit dir gesprochen hat und zudem hat sie mir das bei der Verabschiedung ins Ohr geflüstert.“

„Ich verstehe leider kein Japanisch.

„Solltest du lernen, es ist eine interessante Sprach.“

„Wenn ich einmal ganz viel Zeit habe“, lachte ich ihn an und drückte seine Hand etwas fester.

„Dir scheint es wirklich gut zu gehen.“

„Ja, aber wie kommst du darauf?“

„Du warst so ruhig, nachdem du den Brief deiner Mutter gelesen hast. Ich hatte irgendwie die Befürchtung, deine Laune könnte in den Keller rutschen.“

„Um ehrlich zu sein, ich war traurig darüber, was sie geschrieben hat, aber man kann das Ganze nicht mehr rückgängig machen! Außerdem traue ich der ganze Sache nicht ganz, weil ich meinen Vater nur zu gut kenne.“

„Du willst also nicht zurück.“

„Sicher nicht, wenn sie etwas wollen, sollen sie nach Island kommen! Wie lange bleibt deine Mutter?“, fragte ich, um das Thema zu wechseln.

„Ich weiß nicht genau, ich denke, bis sie alles Notwenige geregelt hat.“

„Dann werden wir sie sicher noch öfter sehen.“

„Sie will die Wohnung sehen“, grinste Kim.

„Das heißt, wir müssen alles immer schön sauber halten.“

*-*-*

Ich hatte mich so über einen ruhigen Sonntag gefreut, dass wir länger liegen bleiben konnten und alle Arbeiten in der Wohnung getan waren, aber der Türgong, machte mir einen Strich durch die Rechnung.

„Wer will denn so früh etwas von uns?“, brummte Kim.

„Werden wir gleich wissen!“, meinte ich und stand auf.

Der Boden war kalt, trotzdem lief ich barfuß in den Flur zur Sprechanlage. Das Bild flammte auf und ein mir nicht unbekanntes Gesicht erschien.

„Morgen Alexander…“, sagte ich und sank innerlich in mich zusammen.

„Guten Morgen, Lust auf Frühstück?“

Er hob eine Tüte in mein Blickfeld.

„Ja, Moment, ich mache auf!“

Ich drückte auf den Öffner und Alexanders Bild verschwand,

„Wer ist es denn?“, hörte ich es hinter mir fragen.

Dort stand ein verschlafener Kim.

„Alexander! Er will mit uns frühstücken!“

Kim schüttelte den Kopf.

„Wenn der hier her zieht, werden wir ihn nicht mehr los…“, meinte Kim ärgerlich, „ich zieh mir etwas an!“

„Warte ich auch!“

Während Kim am Herd stand und den Haferbrei anrührte, bestückte ich den Eierkocher mit Eiern.

„Das war am Freitag aber noch nicht da“, meinte Alexander, als er den Tisch deckte.

„Am Samstag gekauft“, meinte Kim neben mir.

„Warum bist du eigentlich heute am Sonntag in der Stadt?“, fragte ich.

Diese Frage brannte mir schon die ganze Zeit auf der Zunge.

„Frühsport! Ich gehe sonntags immer im Elliðaárdalur Park laufen!“

Ich schaute zu Kim.

Ein wilder Park mit Hügeln und Wasserfällen im Osten der Stadt, interessant, aber mir etwas anstrengend zu laufen“, erklärte er.

„Komm Kim, dort ist es herrlich!“, kam es von Alexander.

„Wenn man so eine Sportskanone wie du bist, dann eindeutig ja!“

Es sah etwas lustig aus, wie diese Kraftmaschine vor meinem Asiaten stand. Kim war fast zwei Kopf kleiner als Alexander.

„Auch du könntest mehr Sport treiben? Würde dir auch gut tun!“

Das hätte er vielleicht nicht sagen sollen, denn Kim stemmte die Hände in die Seite und irgendwie schien es, als würde er etwas wachsen.

„Warum bist du wirklich hier?“

Dieser große fast eins neunzig Mann verlor sein Lächeln und sank irgendwie in sich zusammen. Er lief an den Tisch zurück und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Hatte Kim da einen wunden Punkt getroffen?

„Mir… hat das am Freitag irgendwie gefallen, mit euch zusammen. Du weißt…, ich bin ein Eigenbrötler und gerne für mich alleine.“

„Was hat sich geändert?“

Alexander schaute zu mir.

„Was hat Eric damit zu tun?“

Verwundert zeigte ich auf mich.

„Seit Eric da ist, hat sich vieles geändert…, es wird mehr gelacht, dass Arbeitsklima ist viel besser als früher und irgendwie kommt in mir die Sehnsucht auf, nicht mehr alleine zu sein.“

„Du warst nie alleine und wirst es auch nicht sein!“, sagte Kim.

„Du weißt wie ich das meine…“

Ich nahm das Brot und die Butter und lief nun ebenso an den Tisch.

„Dann mach es so wie ich, frag Ari, ob er nicht bei dir einziehen will!“, sagte ich und stellte die Sachen ab.

„Das trau ich mich nicht…“

Da saß dieser Hunne von Mann vor mir und wirkte plötzlich total ängstlich auf mich.

„Warum müssen Männer immer so kompliziert sein?“, meinte Kim und widmete sich wieder seinem Haferbrei.

Ich konnte nicht anders und fing zu lachen an.

„Was?“, hörte ich Kim fragen, ohne dass er sich zu mir drehte.

„Du weißt schon, dass sich das gerade irgendwie tuntig angehört hat?“

Er zog den Topf vom Gas und schaltete es ab.

„Dann hättest du aber etwas, wo du drauf hinarbeiten kannst!“, überging Kim meine Worte einfach.

„Was meinst du?“, fragte Alexander

„Dass du Ari irgendwann die Frage stellst, ob er zu dir ziehen möchte.“

„Wir sind ja nicht einmal zusammen!“

„Dann hast du schon zwei Punkte, die du in der Zukunft vertiefen kannst.“

Kim leerte den Brei in eine Schüssel und kam nun auch zum Tisch.

„Ich geh einfach mal davon aus, dass du gerne mit Ari zusammen wärst, auch wenn ihr so unterschiedlich seid.“

„Kannst du Gedanken lesen?“

Ich setzte mich grinsend und hörte den beiden weiter zu.

„Nein, aber ich habe Augen, Alexander…!“

Kim ließ sich ebenso nieder.

„… und dein ganzes Handeln zeigt mir, wie viel dir Ari bedeutet.“

„Ist es so offenkundig?

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