Eric Einarson – Der versprochene Mann – Tür 17

Sollte das jetzt jeden Sonntag so sein? Ein gemeinsames Frühstück? Gut, ich musste zugeben, mir hat es auch gefallen. Zum einen, lernte ich Alexander, aber auch Kim besser kennen, weil immer wieder Privates zur Sprache kam.

Zum anderen hatte Alexander schon Recht, dass alleine sein, tat niemand gut.

„Wo wohnt Ari eigentlich?“, fragte ich und nahm mir noch ein Stück Brot.

„Im Nordenwesten der Stadt“, antwortete Kim.

„Alleine?“

„Nein, er wohnt noch bei seinen Eltern.“

Diese Frage bekam ich von Alexander beantwortet.

„Kennt wer seine Eltern?“

„Sehr nette und hilfsbereite Menschen. Sein Vater ist Fischer und Ari hat manchmal auch schon Fisch mitgebracht“, erzählte Alexander und leerte seine Schüssel mit Haferbrei.

Bevor ich weiter fragen konnte, machten sich unsere Handys bemerkbar, sprich wir bekamen gleichzeitig eine Mittteilung. Natürlich schauten wir nach.

„Da hat unser Ari wohl Recht gehabt, wenn sie Marut in Grindavik aufgegriffen wurde“, sagte Kim.

„Was machen wir jetzt?“, wollte ich wissen.

„Warten was Anna sagt, oder sie direkt anschreiben?“, fragte Alexander.

„Es ist Sonntag…“, meinte Kim.

Aber die Frage löste sich von alleine, mein Handy fing an zu klingeln.

„Guten Morgen Anna“, meinte ich und stellte das Handy auf laut.

„Morgen Eric, du hast die Mitteilung gelesen?“

„Ja Anna, so wie Kim und Alexander auch.“

„Alexander?“

„Ja, wir sitzen hier beim Frühstück.“

„Morgen Anna“, sagte Alexander grinsend.

„Auch einen schönen guten Morgen. Wird das bei euch jetzt zur Dauereinrichtung, dass du dort schläfst?“

„Ich habe nicht hier geschlafen, ich bin nach meinem Frühsport hier her gekommen!“

„Was machen wir jetzt in der Sache Bjarki?“, fragte ich, um das Thema zu wechseln?

„Morgen könnte er schon wieder verschwunden sein!“, sagte nun Kim.

„Hm…“, hörte ich Annas Stimme, „… ist der Notdienst verfügbar?“

„Du willst hinfliegen?“, fragte Kim.

„Mit dem Auto bräuchten wir eine knappe Stunde“, erklärte Alexander.

Ich schaute zu den anderen beiden.

„Ihr wollt da wirklich hinfahren…, also ich meine… der Vulkan und…?“

„Hast du Angst?“, fragte Anna lachend.

„Die Warnungen wurden um einen Punkt zurück gestuft, anscheinend kommt es zu keinem Ausbruch.

Die Handys gaben laut.

„Die anderen wollen wissen, wie wir weiter verfahren?“, sagte Kim, nachdem er die Nachrichten gelesen hatte.

„Treffen wir uns!“, sprach Anna.

„Gut, ich gebe den anderen Bescheid!“, meinte Kim und tippte kräftig.

Ich beendete das Gespräch und begann den Tisch abzuräumen.

*-*-*

Irgendwie eine unwirkliche Gegend dachte ich, als wir die Stadt Grindavik befuhren. Kein Mensch weit und breit und immer wieder Risse und Gräben auf der Straße, die wir umfahren mussten.

Wir kamen auch nicht weit, denn wir wurden von den dortigen Kollegen aufgehalten. Verständlich, wir fuhren zwar mit Dienstfahrzeugen, aber es waren eben Zivilfahrzeuge. Anna war als erstes ausgestiegen, die anderen folgten langsam.

Während unsere Chefin mit einem der Polizisten redete, schauten wir andere uns um. Es war wirklich eine irreale Umgebung. Teilweise sah es aus, wie im Krieg, durch die Schäden, die  die Erdverschiebungen hinterlassen hatten.

Hier Bjarki zu finden, war wirklich keine leichte Sache. Anna kam zurück und gesellte sich zu uns.

„Die schlechte Nachricht, die hiesige Polizeistation ist beschädigt und nur unter eigener Gefahr zu betreten.“

„Das heißt für uns?“, fragte Stefan.

„Marut ist in einem Wagen mit Bewachung untergebracht und wird spätestens Morgen nach Reykjavik überführt!“

Das hier alles noch aktiv war, merkte ich an den leichten Erschütterungen unter unseren Füßen. Mir war das ganz lieb, so schnell wie möglich wieder von hier weg zukommen.

„Und was ist die gute Nachricht?“, wollte Kathrin wissen.

„Der Wagen ist offen einsehbar und ein gutes Lockmittel für Bjarki.“

„Du denkst, er ist hier irgendwo?“, fragte Alexander.

„Davon können wir ausgehen. Wir wissen nicht, welche Waffen Bjarki mit sich führt, Marut scheint bei allen Befragungen zu schweigen.“

„Dann sollten wir uns einen besseren Schutz suchen, denn hier sind wir eine schöne Zielscheibe“, sagte Stefan.

Da hatte mein Kollege recht.

„Okay, du Lilja und Katrin, versucht es noch einmal bei Marut. Euch kennt sie, vielleicht bringt das etwas. Stefan und Alexander sollen die Wagen wegbringen, denn ich habe keine Lust auf zerschossene Reifen.“

Ich schaute den beiden nach und konnte beobachten, dass Ari nicht von Alexanders Seite wich, was mir ein Lächeln beschwerte. Kim und Anna gesellten sich nun zu mir.

„Anna, es tut mir leid“, begann Kim, „aber ich denke, die Erfolgschancen, Bjarki zu fassen sind gleich null. Sieh dich um, durch die Zerstörungen ist alles so unübersehbar geworden.“

„Nicht so pessimistisch junger Mann, auch daran habe ich gedacht“, meinte Anna und zeigte auf Stefan, Alexander und Ari, die mehrere Koffer mit sich führten.

„Zum einen denke ich, Bjarki hat schon so viel riskiert und ist selbst so weit gegangen sogar seinen eigenen Onkel umzubringen… er wird sicher versuchen, Marut wieder in seine Finger zu kriegen.“

„Und was ist in den Koffern“, fragte nun ich.

„Drohnen!“, antwortete Anna.

„Drohnen?“, blabberte ich ihr nach.

„Das ist eine gute Idee“, kam es nun von Kim, „wie viele?“

„Vier!“, lächelte ihn Anna an.

Bevor ich mich jetzt blamierte, blieb ich lieber ruhig. Klar war es nicht gut, dass ich in manchen technischen Dingen einfach noch nicht fit war, aber so deutlich wollte ich das jetzt nicht zeigen.

Die anderen hatten uns mittlerweile erreicht und stellten die Koffer ab. Interessiert schaute ich Kim über die Schulter. Er öffnete seinen Koffer und ein kleines Ding mit vier Propellern kam zum Vorschein, auch eine.

„Ari, könntest du vielleicht schauen, ob wir irgendwo Kaffee herbekommen?“, fragte Anna.

Ari war gerade dabei, seine Fernsteuerung abzulegen, da trat ich zu Anna.

„Lass ihn doch, ich kann auch Kaffee besorgen“, meinte ich.

Ari strahlte über beide Ohren und nahm seine Fernsteuerung wieder auf.

Stefans Drohne hob bereits ab. Mit einem Surren flog sie über unsere Köpfe hinweg. Auch Alexanders Drohne setzte sich in Bewegung. Erst jetzt bemerkte ich, dass mich Anna anstarrte.

„Kann es sein, dass du von den Dingern genauso wenig Ahnung hast, wie ich?“

Schuldig im Sinne der Anklage! Verlegen nickte ich ihr zu. Sie fing breit an zu grinsen.

„Komm, lass uns Kaffee holen, ich begleite dich!“

*-*-*

„Schon fündig geworden?“, fragte ich, als wir wieder zu den vier Dohnenführern kamen.

„Kein Bjarki, dafür aber zwei Plünderer, wir haben es gleich weiter gegeben“, kam es von Stefan.

Ich trat zu Kim und sah den kleinen Monitor, auf den Kim starrte. Unter der Drohne huschten die Häuser hinweg.

„Auch einen Kaffee?“, fragte ich.

„Einen Moment bitte“, sagte Kim und schaute auf.

Wenig Augenblicke später machte sich eine Drohne durch ihr Surren bemerkbar. Das war wohl Kims Flugteil, denn es landete in unmittelbarer Nähe. Nun nahm er mir seine Becher Kaffee ab.

„Danke!“

„Ich denke, ihr solltet alle eine Pause machen“, sagte Anna.

„Ich mach weiter“, sagte Alexander, „ich kann meinen Kaffee nach euch trinken!“

Wenig später landeten zwei weitere Drohnen bei uns. Es stand nur noch Alexander da und schaute gespannt auf seinen Monitor.

„Es ist zwar anstrengend, aber man behält den Überblick!“, sagte Stefan und nahm dankend seinen Becher entgegen.

„Anna du überraschst mich immer wieder, ich hätte nicht an die Dinger gedacht. Ich wollte schon lange so ein Teil, aber ich glaube, meine Frau bringt mich um, wenn ich mir das auch privat anschaffe.“

Anna grinste ihn breit an. Ich wollte gerade einen Schluck nehmen, als ich Alexander reden hörte.

„Habe ich dich! Anna… etwas Hundert Meter südlich der Kirche…, ein weißes Haus…!“

Wo Anna plötzlich das Funksprechgerät her hatte, wusste ich nicht. Sie sagte irgendeinen Code und gab dann Alexanders Positionsmeldung durch.

Stefan dagegen nahm seine Fernsteuerung, ebenso Ari und wenige Sekunden später hoben auch ihre Teil ab.

„Verständige Kathrin!“, sagte Kim und griff nach seiner Fernsteuerung.

Auch seine Drohne hob nun ab und folgte den anderen. Anna trat zu mir.

„Die anwesenden Einheiten sind verständigt!“

„Und was machen wir?“ fragte ich.

„Den Drohnen folgen!“

*-*-*

Schon seit einer Stunde kauerten wir nun neben der Kirche, den Bjarki war wie vom Erdboden verschluckt. Plötzlich hörte ich einen Schuss und eine Drohne schmierte ab.

„Scheiße!“, schrie Ari

„Ari, ich hab dir doch gesagt, flieg nicht so tief!“, schnauzte ihn Alexander an.

„Woher kam der Schuss?“, rief Anna.

„Ich glaube, von da drüben“, hörte ich Kathrin rufen, sie zeigte auf das Haus, das zweigeteilt war.

„Nehmt die Drohnen raus…!“, befahl Anna, „…bevor noch eine drauf geht! Es reicht, wenn ich eine schon nicht zurück bringen kann.“

Sofort surrten Stefans und Kims Drohnen über unsere Köpfe hinweg und landeten hinter der Kapelle. Nur noch Alexanders Drohne war am Himmel und schwebte hoch droben, über der Hausruine.

„Alexander!“, rief Anna ärgerlich.

„Ich sehe ihn, er ist im ersten Stock auf der rechten Seite!“

Wieder fiel ein Schuss, doch Alexanders Drohne schien nicht getroffen, denn sie änderte ruckartig ihren Kurs und flog wie die anderen hinter die Kapelle.

Erneut hörte man es knallen und dicht neben Kim, zerbröselte ein Stück Mauer. Kim selbst ging noch mehr in Deckung, ängstlich schaute er zu mir herüber.

„Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller!“, rief Stefan, „wo bleiben die Einheiten zur Unterstützung?“

Anna schien etwas ratlos und zog ihr Funksprechgerät heraus. Irgendetwas musste geschehen. So kroch ich auf allen vieren an Anna vorbei und hatte bald das andere Haus erreicht. Im Schutze der Hausmauer stand ich auf und fing an, dass Haus zu umrunden.

Erst als die Hausruine wieder in Sicht kam stoppte ich und schielte vorsichtig um die Ecke. Meine Position konnte von dem Haus nicht eingesehen werden, auf dieser Seite gab es wegen der Garage neben dem Haus keine Fenster.

„Was hast du vor?“, hörte ich es und erschrak.

Ich drehte mich um und Alexander mit Ari stand hinter mir.

„Wir müssen irgendwie ins Haus gelangen“, sagte ich und schaute wieder nach vorne.

„Wie stellst du dir das vor? Der ballert uns doch ab, wie die Hasen!“, sagte Alexander ärgerlich.

„Er kann uns auf dieser Seite nicht sehen, da sind keine Fenster!“

Mein Kollege drückte sich an mir vorbei und schaute vorsichtig um die Ecke.

„Das sind gut zwanzig Meter, die wir ungeschützt wären!“, sagte dann Alexander plötzlich.

Er schaute mich und dann Ari an.

„Ari, du bleibst hier und schaust auf das Haus, während Eric und ich zur Garage hinüber laufen.“

„Aber…“

„Nichts aber, du hörst auf mich und bleibst in Deckung!“

Darauf sagte Ari nicht, sondern schaute nur traurig. Dann machte Alexander etwas, was ich ihm nicht zu getraut hätte. Er beugte sich vor, griff nach Aris Kinn und gab ihm einen Kuss. Meine Augen wurden so groß, wie die meines jungen Kollegen.

„Ich will nur nicht, dass dir etwas passiert, okay?“, sagte Alexander viel sanfter, als zuvor.

Eine Träne rann über Aris Gesicht, aber er nickte und lächelte.

„Komm!“, meinte Alexander nur und verließ unsere Deckung.

Ich lief ihm hinterher und schloss auf. Dann hörte ich nur noch, wie Ari laut Alex schrie und Schüsse folgten. Alexander wurde von Ari niedergerissen und ich drehte mich automatisch in die Richtung, aus der geschossen wurde und feuerte los.

Ein Schrei war zu hören und dann war plötzlich Stille.

„Alexander… Eric, wo seid ihr“, hörte ich Annas Stimme

„Hier hinten“, rief ich laut, dann drehte ich mich wieder zu anderen beiden.

„Seid ihr in Ordnung?“, rief ich.

Ari lag halb auf Alexander und halb auf dem Boden. Neben seinen Kopf lag ein Stein und aus Aris Stirn rann etwas Blut. Was mir aber mehr Sorgen machte, war die Fleischwunde an Aris Arm. Seine Jacke färbte sich Blut rot.

„Ari?“, rief ich, während Alexander sich langsam aufrabbelte  und versuchte Ari von sich herunter zu heben.

Er schien auch etwas daneben zu sein, denn erst jetzt bemerkte er die Wunde an Aris Arm und seine Augen wurden groß.

„Ari…Ari… so sag doch was?“, fuhr er den Kleinen an.

Er schüttelte Ari, aber der bekam kein Laut von sich.

„Ari…?“, kam es von Alexander mit erstickender Stimme.

Ich drehte meinen Kopf zu den anderen, die mit gezogenen Waffen, auf uns zugelaufen kamen.

„Wo ist Bjarki?“, rief sie.

„Ich weiß es nicht“, schrie ich sauer, „aber wir brauchen einen Krankenwagen! Ari ist verletzt!“

Ich zog meine Jacke aus und drückte sie auf Aris Wunde, Alexander dagegen hatte seine Hand auf Aris Stirn gelegt, Blut rann über seine Finger.

„Ari, bitte wach auf…“, wimmerte Alexander neben mir.

„Scheiße, wie konnte das passieren?“, kam es von Anna.

„Ein Krankenwagen ist unterwegs“, hörte ich Kathrin rufen.

„Anna!“, sagte Stefan laut, der in einiger Entfernung stand.

Er gab ihr einen Wink zu ihm zu kommen. Lilja kniete neben mich und nahm meine Position ein. Sie drückte mich etwas zur Seite und legte ihre Hand auf die Wunde. Ohne Worte stand ich auf und folgte Anna.

Stefan stand neben einen Graben und zeigte hinein. Ich trat wie Anna etwas nach vorne und schaute hinunter. Dort lag Bjarki auf dem Boden, aufgespießt von einem Rohr. Anna neben mir atmete tief durch.

Dass da kein Leben mehr in diesem Körper war, sah man an den offenen toten Augen.

„Ab und zu denke ich, ich werde irgendwie zu alt für diese Scheiße!“

Sie drehte sich zu den anderen.

„Wo bleibt denn der Krankenwagen?“

Ich schaute zu Stefan, der aber ohne Worte nur mit den Schultern zuckte.

 

 

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