Manny 4 – Türchen 14

„Öhm… nein, ich war gestern nur noch etwas weg.“

„Wird das dir nicht zu viel, nach einem langen Arbeitstag?“, fragte Levi.

Mike nahm einen großen Schluck seines Kaffees.

„Nein, aber auch ich brauche etwas Abwechslung zu meinem tristen Alltagsleben!“

Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass Sofia breit grinste, Levi ebenso.

„Warst du mit Charlotte weg?“, fragte ich direkt.

„Nein, mit jemand anderem“, grinste mich mein Bruder an.

Ich sah ihn mit großen Augen an.

„Ein gewisser… wie hieß er Jordan?“, kam es vom Levi.

Mike wurde dunkelrot. Ich konnte nicht anders und fing an zu lachen,, natürlich Levi auch.

„Wer ist Jordan?“, fragte Noah, „noch ein Onkel? Noah hat viele Onkel!“

Das setzte dem ganzen die Krone auf, ich bekam mich nicht wieder ein. Levi schien es nicht anders zu ergehen.

„Ich glaube, ich verziehe mich lieber nach oben!“, sagte Mike und wollte sich schon erheben.

„Halt schön dageblieben, wir wollen Details wissen!“

„Der Gentleman genießt und schweigt!“

„Aber mal Spaß bei Seite, du bist gestern so schnell verschwunden und ich konnte mit dir gar nicht mehr über früher reden, als du vorhattest, dir etwas anderes zu suchen.“

Levi versteckte sich hinter seinem Pott Kaffee und beobachtete uns beide.

„Das war irgendwie zu einer anderen Zeit“, begann Mike zu erklären, „da waren viele Dinge noch nicht so, wie sie heute sind. Ich hatte frisch ausgelernt, noch nicht die Verantwortung, die ich heute trage.“

Ich unterbrach ihn nicht mit meiner Fragerei, sondern hörte nur zu.

„Finley und die anderen zeigten mir damals eine Welt, sie waren wie ich Söhne oder Töchter von irgendwelchen Chefs und hatten nur die Aussicht, im elterlichen Betrieb zu beginnen. Dann die ewigen Streitereien mit Oliver und William, die mir auf den Keks gingen, da kommt irgendwann der Wunsch auf, einfach auszubrechen.“

Das verstand ich, das ging mir ja nicht anders, nur hatte ich nie bemerkt, dass Mike ähnliche Probleme hatte.

„… und nach dem Finley verschwunden war, brach diese neue Welt „Wir schaffen alles“, plötzlich wie ein Kartenhaus zusammen.“

„Finley muss etwas Besonderes gewesen sein…“, sagte ich leise.

„War er auch, oder ist er noch, wie auch immer, Finley hatte es immer auf den Punkt gebracht, dass wir alle nur das Beste in uns sahen. Er hatte wie du etwas Magisches an sich“, grinste Mike mich an, „du bist ihm in vielen ähnlich!“

Dazu konnte und wollte ich nichts erwidern. Es war Stille in der Küche, für einen ganz kleinen Moment, dann setzte Sofia ihre Arbeit fort, der Türgong ging und Noah blätterte weiter in seinem Bilderbuch.

„Ich schau, wer an der Tür ist“, meinte Mike und erhob sich.

„Dann werde ich mich mal in mein Büro verziehen“, kam es von Levi.

„Wäre es möglich mit der Schule einen Termin auszumachen, damit ich an das Lernmaterial komme?“, fragte ich.

„Wollen wir nicht erst den Test machen lassen?“

„Wir können doch zweigleisig fahren, je früher wir beginnen, umso schneller kann geholfen werden“, meinte ich.

„Der Maler“, meinte Mike nur, als er an der Küche vorbei lief.

Ein kleiner Trupp Leute folgte ihm.

„Ich gebe dir dann nachher Bescheid“, meinte Levi.

Er gab erst Noah einen Kuss auf den Kopf, dann mir, bevor er ebenso die Küche verließ.

*-*-*

Das was Mike erzählt hatte, ließ mir den ganzen Tag keine Ruhe. Immer wieder hielt ich inne und dachte über das Gesagte nach. Wäre es besser gewesen, wenn es anders gelaufen wäre? Aber Mum sagte immer, dass alles seinen Grund hätte und wir irgendwann merken würden, für was es gut wäre.

„Darf ich an deinen Gedanken teil haben?“, riss mich Levi aus den Gedanken.

Er stand in meiner Tür und ich sah auf meine Uhr. Mittagessen!

„Überall und nirgendwo“, antwortete ich.

„Kommst du essen? Mike bringt Noah mit herunter.“

Ohne Worte stand ich auf, ging zu ihm hin und umarmte ihn.

„Ist alles in Ordnung mit dir?

Ich zuckte mit den Schultern.

„Macht dir das zu schaffen, was Michael erzählt hat?“

Ich nickte und spürte plötzlich seine Hand auf meinem Kopf, wie er mich streichelte.

„Marcus, das ist in der Vergangenheit passiert, daran kannst du jetzt auch nicht mehr ändern.“

„… aber ich hätte merken müssen, dass es Mike nicht gut geht!“

Levi drückte mich etwas von sich weg und hob meinen Kopf an, so das er mir in die Augen schauen konnte.

„Er wird schon seine Gründe gehabt haben, warum er es vor dir verheimlicht hat, aber vorwerfen darfst du es ihm auch nicht.“

„Tu ich nicht, es tut nur irgendwie weh. Es ist so viel schief gelaufen in der Vergangenheit.“

„Wie gesagt, du kannst es nicht mehr ändern, sondern nur das Beste daraus machen und nicht jeder bekommt die Chance für einen Neuanfang.“

Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und gab Levi einen Kuss.

„Wir haben beide wohl zu dicht am Wasser gebaut.“

Ich nickte.

„Wie sagst du immer, gemeinsam schaffen wir das!“

Ein anderer Gedanke baute sich in mir auf. Wenn dieser Jakob wirklich für den Unfall verantwortlich ist, würde er niemals genug bestraft werden, für das, was er alles angerichtet hat!

*-*-*

„Hallo Robert. Läufst du wieder mit uns?“, fragte ich, als wir Ella vor der Schule in Empfang nahmen.

„Wenn ich darf?“, bekam ich als Antwort.

„Warum solltest du nicht dürfen? Der Garten ist übrigens fertig, wenn ihr wollt, könnt ihr ihn euch gleich anschauen.“

„Wirklich fertig?“, kam es von Ella.

„Ja, meine Eltern waren persönlich da und haben die Holzmöwe aufs Dach gesetzt.“

„Deine Eltern?“

„Ja, mein Vater hat das Ding schließlich geschnitzt!“

Ich ertappte mich, wie stolz ich darüber war.

„Das muss gefeiert werden, also ich meine, die Einweihung des Gartens!“, grinste Ella.

„Nächste Woche, an eurem Geburtstag!“

„Och erst?“

„Ja, das hat euer Bruder so beschlossen!“

„Noah?“

Ella schaute ihren Bruder an, der die ganze Zeit strahlend neben ihr her lief.

„Nein Levi!“, antwortete ich lächelnd.

Das Lächeln verging mir aber, als ich mich zu den andern drehte und mir ein dunkler Geländewagen auffiel, den ich schon an der Schule gesehen hatte. Er war mir auch nur ins Blickfeld gerückt, weil er so vor Dreck stand, dass man nicht mal die Kennzeichen lesen konnte.

Ins Innere konnte man auch nicht schauen, dafür waren die Scheiben zu sehr verdunkelt. Ich zückte das Handy und wählte Levis Nummer.

„Hallo Schatz, schon solche Sehnsucht nach mir, dass du jetzt schon unterwegs anrufst?“

„Nein…, das heißt… egal… Levi ich glaube uns folgt ein Wagen?“

„Was? Bist du dir sicher?“

  • Es ist fast kein Verkehr und der Wagen überholt uns nicht!

„Gut wo seid ihr jetzt?“

„Etwa zweihundert Meter bis zur Praxis…“

„Gut, ich verständige Cpt. Davis und ihr schaut, dass ihr schön dicht zusammen bleibt.“

„Okay, bis gleich…“

Ich drückte das Gespräch weg und ließ das Handy verschwinden.

„Ist was Marcus? Du schaust so besorgt?“

„Alles in Ordnung, mir ist gerade nur etwas eingefallen, was ich vergessen hatte“, log ich.

Ich redete, denn ich wollte die Kids auf keinen Fall in Panik versetzten. Wir erreichten gerade die Praxis, als ein Streifenwagen mit Sirene sich schnell näherte. Er breschte an uns vorbei und kam direkt vor dem Geländewagen zum Stehen.

Zwei Uniformierte sprangen heraus, mit gezückter Waffe. Ihre Aufforderung zum Aussteigen, war bis zu uns hören. Levi kam uns entgegen gerannt.

„Mit euch alles in Ordnung?“

„Was ist denn los?“, wollte Ella wissen.

Noah bekam natürlich Angst und klammerte sich plötzlich an Levi, Elijah wollte schon zurück laufen, um besser sehen zu können, aber ich hielt ihn zurück.

„Kommt weiter!“, sagte Levi und zog Noah mit sich.

„Kann mir jemand sagen, was hier los ist?“, fragte Ella noch mal.

Levi blieb stehen und drehte sich zu uns.

„Schwesterchen, ich erkläre euch alles, wenn wir zu Hause sind. Okay?“

*-*-*

Geschockt saßen die Kids am Tisch. Levi hatte versucht zu erklären, was bisher passiert war. Alle schwiegen betroffen.

„Kann Ella dann überhaupt noch in die Schule gehen?“, fragte Evelyn.

„Klar kann sie“, sagte ich, als ich das Wohnzimmer betrat.

Cpt. Davis hatte angerufen, so war ich in den Flur gelaufen.

„Übrigends falscher Alarm, Cpt. Davis hat erzählt, dass da ein älterer Herr im Wagen saß und Probleme mit seiner Gangschaltung hatte, deswegen fuhr er so langsam hinter uns her. Tut mir leid, wenn ich euch so erschreckt habe…“

Levi atmete tief durch.

„Du musst dich nicht entschuldigen Marcus!“, meinte Ella und schaute ihren Bruder an.

„Ja Markus, lieber vorsichtig sein, bevor noch etwas passiert?“, sagte Levi.

„… und sie meinen wirklich, daran ist Ellas Großvater schuld?“

Diese Frage stellte nun Robert.

„Also… ich meine, alles was passiert ist… auch der Unfall damals…“

Ich legte meine Hand auf seine Schulter und spürte, wie er zitterte.

„Robert, dass wissen wir nicht genau, bisher konnte ihm niemand etwas nachweisen…“

„Aber…, aber wir waren bisher jeden Sonntag bei ihm, warum hat er da nichts gemacht?“

Ella schaute ihren Bruder ängstlich an.

„Weil entweder ich oder Großmutter bei euch war.“

Das Zittern unter meiner Hand war stärker geworden.

„Was kann sich dieser… Mensch noch alles erlauben…, mein Bruder liegt in Koma und Phillip ist behindert…“, hörte ich Robert leise sagen.

Seine Stimme klang weinerlich. Evelyn und Elijah schauten Robert geschockt an. Sie hatten das bisher noch nichts gehört und Ella hatte wahrscheinlich auch nichts erzählt.

„Robert, wie gesagt, man kann ihm nichts nachweisen und es gibt da auch noch jemand anders, der…“

„Levi!“, unterbrach ich meinen Freund und schüttelte den Kopf.

Wir hatten die Kinder schon genug geängstigt, von Jakob sollte er nicht auch noch erzählen.

„… und wie geht es jetzt weiter?“, fragte Elijah.

Noah hatte sich wieder beruhigt, er lag wie gewohnt vor dem Fernseher. Ob er wirklich nichts mitbekam, konnte ich beim besten Willen nicht sagen.

„Dann war das Paket mit der roten Farbe für Marcus, auch von Großvater?“, kam es ärgerlich von Ella.

„Nein, der Täter wurde beim abgeben des Paket gefilmt und es war definitiv nicht dein Großvater“, versuchte Levi seine Schwester zu beruhigen.

„Levi, ich verstehe aber nicht, wenn es wirklich Großvater war…, warum bekommt dann alles Marcus ab? Er hat doch mit allem nichts zu tun!“

Klar dass Ella mit dieser Frage kommen musste.

„So gesehen, gehöre ich jetzt zu eurer kleinen Familie…“

„Hä…? Du arbeitest hier als Manny…“, meinte Elijah vorwitzig.

„… und ist der Freund meines Bruders“, fügte Ella hinzu.

Alle Achtung, sie hatte es niemanden erzählt.

„Was, ihr zwei seid zusammen?“, kam es entzückt von Evelyn.

Ihre Tonlage war hoch, was sogar Robert ein Lächeln bescherte. Sie hob ihre Hände vor die Brust und strahlte über das ganze Gesicht. Verwundert schaute ich zu Ella.

„Evelyn ist BL Fan“, erklärte Levis Schwester.

„BL?“, fragte nun Levi selbst.

„Boylove!, Habt ihr noch nie die Filme geschaut, wenn zwei Jungs sich lieben?“, fragte ein grinsender Elijah.

Levi schaute zu mir, aber ich schüttelte den Kopf.

„Aber noch mal meine Frage, wie geht es jetzt weiter?“, wollte Elijah wissen.

Das Lächeln aller verschwand wieder.

 

 

 

 

 

 

 

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