Ich lag bereits im Bett, während Levi noch im Badezimmer war. Wir hatten Mike dazu überredet, einem Date zuzustimmen. Wenn ihm die Sache dann doch über den Kopf stieg, konnte er das Ganze immer noch beenden.
Wenn er es aber jetzt nicht versuchte, würde er nie wissen, wie real seine Gefühle wirklich waren. Nun lag er unten im meinem Bett und würde seinen Rausch ausschlafen, da es nach diesem Geständnis nicht bei einem Glas Wein geblieben war.
Auch die Frage, warum sich Mike in diesem Stadtviertel so gut auskannte, war nun geklärt. Der beste Freund meines Bruders, Finley Parker stammte von hier und bis zu dessen Verschwinden, verkehrte Mike hier regelmäßig.
Warum dieser Freund plötzlich verschwand, darüber wollte oder konnte Mike keine Auskunft geben. Mum hatte ich vorsichthalber einen kurze Nachricht geschickt, dass ihr zweitjüngster Sohnemann bei uns nächtigen würde.
So brauchte sie sich keine unnötigen Sorgen zu machen, oder machte sie sich nun erst recht Sorgen, da Mike so oft bei uns nächtigte. Levi kam aus dem Bad, löschte das Licht und verschloss die Tür. Wie immer trug er nur Shorts und Socken.
„Verrückt oder?“, fragte er, als er die restlichen Lichter im Zimmer löschte.
„Du meinst das mit Mike?“
„Ja. Wer hätte gedacht, dass dein Bruder in der gleichen Liga wie wir spielt.“
Ich legte meinen Kopf schief.
„Da bin ich mir immer nicht so sicher, es besteht immer noch die Möglichkeit, dass er bi ist.“
Levi hatte sich auf die Bettkante gesetzt und entledigte sich seiner Socken, dann krabbelte er umständlich ins Bett, bis er neben mir nieder ließ.
„Denkst du wirklich? Als nach meinem Gefühl zu urteilen, ist er schwul. Eine herbe Enttäuschung für deinen Vater!“
Wir begannen fast gleichzeitig an zu kichern.
„… und das sagt einer, der drei Wochen nicht bemerkt hat, dass sein Gegenüber schwul ist!“
Levi streckte mir die Zunge heraus. Dann starrte er auf die Bettdecke.
„Worüber denkst du nach?“
„Mir geht dieser Name Finley Parker nicht mehr aus dem Kopf.“
„Du meinst Mikes Freund?“
Levi nickte.
„… ich weiß nicht, wohin ich ihn stecken soll, aber er kommt mir bekannt vor, zumindest dem Namen nach…“
„Wenn er in diesem Viertel aufgewachsen ist, seid ihr vielleicht in dieselbe Schule gegangen, oder den gleichen Verein besucht.“
„Ich war in keinem Verein, aber Schule könnte möglich sein“, meinte Levi nachdenklich, bevor sein Blick zu mir wanderte. Ich hob ihm mein Tablett entgegen.
„Was?
„Gib den Namen Finley Parker ein, vielleicht bekommst du ein Suchergebnis.“
Sein Augenmerk, blieb an meiner Brust hängen.
„Denkst du es ist gut, den Verband auszuziehen“, fragte er und strich sanft über meine Brust.
So schnell konnte mein Schatz das Thema wechseln. Schon alleine diese kleine Geste, ließ mir meinen Körper heftig erschaudern.
„Du siehst selbst, alles ist rot und es juckt.“
„Soll ich dich eincremen?“
„Dafür müsste ich erst einmal duschen gehen und es ist schon spät?“
„… und morgen ist Sonntag, also völlig egal. Ich geh auch mit dir und seife dir den Rücken ein.“
„Nur den Rücken…?“, lächelte ich.
Levi grinste mich spitzbübig an. Dann erhob er sich und zog mich langsam aus dem Bett.
*-*-*
Schwer keuchend lehnte ich gegen dich Kachelwand der Dusche. Nie hätte ich gedacht, Levi oder überhaupt jemand in mir zu spüren, so herrlich sein konnte. Seine leisen Stöhnlaute waren verklungen, nur noch seine kräftige Atmung war zu hören.
Das Wasser prasselte immer noch auf uns herunter und ließ meine hinterlassenen Spuren an der Wand langsam verschwinden. Langsam entzog sich Levi von mir, bis er nur noch an mir lehnte.
„Das war geil!“, hörte ich ihn leise sagen.
„Ja“, hauchte ich und drehte mich langsam zu ihm, denn meine Knie waren immer noch weich.
„Ich hätte nie gedacht, dass das so… so…!“
„Heftig wird?“, fragte ich.
Er nickte und das Wasser lief ihm über das Gesicht. Dann legte er seinen Kopf erneut auf meiner Schulter ab.
„Wäre es nicht besser, wir kuscheln im Bett?“
„…aber das warme Wasser ist gerade so angenehm…“
„… und wir irgendwann teuer. Bettdecken geben auch warm.“
„Du hast ja Recht.“
„Hast du schon mal über so eine Solarpanele nachgedacht? Sonne haben wir hier ja wohl genug.“
„Kennst du dich damit aus?“
„Nicht wirklich…“, gab ich zu und drehte das Wasser ab, „aber darüber sollten wir nachdenken.“
„Schade…, war so schön.“
Ich schob die Glastür auf und drängte Levi dazu die Dusche zu verlassen. Er griff sich das Handtuch und verließ die nasse Behausung. Ich folgte ihm, tat es ihm gleich. Gedankenverloren stand er da und trocknete sich ab.
„Über was denkst du nach?“, fragte ich und rubbelte mir die Haare trocken.
„Zu viel…, ich will einfach mal Ruhe finden.“
Ich hielt inne.
„Dann fang doch morgen doch einfach damit an und lass es ruhiger angehen.“
„Du hast gut reden, morgen ist zwar Sonntag, aber ich habe dennoch genug zu tun.“
Ich schlüpfte in meine Schlafshorts.
„Warum fangen wir einfach nicht damit an, jetzt wo ich da bin, dass du deine Arbeit auf Montag bis Samstag beschränkst und der Sonntag nur für die Familie da ist?“
„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“
„Warum nicht?“, fragte ich und öffnete die Tür zum Zimmer, „ich denke an so einen Tag würdest du dich schnell gewöhnen.“
Levi folgte mir und löschte das Licht im Bad. Beide krabbelten wir ins Bett und deckte uns zu.
„Ich kann dir unter der Woche vieles abnehmen, was die Familie und das Haus betrifft, dafür bin ich schließlich da und du bräuchtest nicht mehr so oft die Nacht durch arbeiten!“
Levi schaute mich mit großen Augen an.
„Davon weißt du?“
„Noah ist nicht dumm!“
Mein Bettpartner seufzte, Dann schlug er die Decke zurück.
„Ähm…?“
„Ich habe etwas vergessen, der Hauptgrund, warum wir duschen gegangen sind…“, sagte er grinsend und verschwand noch mal kurz im Bad.
Stimmt, er wollte mir Brust und Rücken eincremen. Ich musste zugeben, dass ich das bereits vergessen hatte. Das Duschen hatte den Juckreiz genommen und auch so, während unserer Aktion unter Dusche, spürte ich nicht einmal meinen Brustkorb.
Hatte ich es überstanden? Levi kam aus dem Bad zurück.
„Komm leg dich auf den Bauch, ich mach zuerst den Rücken.“
„Danke.“
*-*-*
„Und dir tut nichts weh?“, fragte Levi erstaunt.
Beide früh aufgewacht, hatten wir uns entschlossen, vor dem Frühstück laufen zu gehen, also joggen, nicht sparzieren. Mike schlief tief und fest, als ich an meinem Zimmer vorbei kam. So entschieden wir alleine zu laufen.
„Nein, ich habe meine Rippen nicht einmal gespürt, lediglich meine Kondition hat etwas nachgelassen.“
„Cool!“
Ich grinste Levi an, während er zur Haustür hinaufstieg. Als er die Tür aufschloss, roch es nach frischem Toast.
„Nanu, da riecht es nach frisch gebackenen Toast?“, meinte Levi und ich folgte ihm in die Wohnung.
Als ich die Tür hinter mir schloss, betrat mein Boss bereits die Küche.
„Nanu, Ella, bist du aus dem Bett gefallen?“
„Morgen Levi! Nein, ich bin früh aufgewacht und dachte mir, ich könnte dir das Frühstück einmal abnehmen…“, lächelte sie ihn an, „…guten Morgen Marcus.“
„Guten Morgen Ella!“
Auch ich lächelte.
„… und Noah?“, wollte Levi wissen.
„Liegt drüben vor dem Fernseh, er wollte nicht helfen…“, kam es leicht enttäuscht von Ella als Antwort.
„Da gibt es sicher ein paar Tricks, wie man ihn dazu bewegen könnte…“, meinte ich.
„Die solltest du mir unbedingt beibringen, dann würdet ihr sicher, öfter in den Genuss kommen, dass ich für euch das Frühstück richte.“
„Gut zu wissen“, sagte Levi, „aber ich denke wir sollten vielleicht schnell duschen gehen. So will ich nicht an den Tisch sitzen.“
Er drehte sich zu mir. Legte seine Hände auf meine Hüfte und schob mich rückwärts zum Flur hinaus.
„Darf ich davon ausgehen, dass das da…“, stellte Ella plötzlich die Frage und zeigte auf Levis Aktion, „mehr werden könnte?“
Levi riss die Augen auf und ließ mich augenblicklich los. Sein Grinsen war verschwunden. Ich grinste dafür noch mehr. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Der Mann, der mir schon wieder die Sinne raubte, hatte unsere Beziehung bisher nur vor den anderen Erwachsenen kund getan, aber mit Ella hatte er bisher sicherlich noch nicht gesprochen.
Ich war mir fast sicher, dass diese Frage irgendwann kommen würde. Wie bereits öfter festgestellt, Ella war nicht blöd und bekam viel mit. Sie war mit ihren fünfzehn genauso ein neugieriger Teenager, wie viele Millionen andere Kids auf dieser Welt.
„Ähm…, wird dies jetzt, etwas Ernstes zwischen euch?“, fragte sie erneut, als Levi nicht antwortete und immer noch zu mir gewandt stand.
Langsam und total verlegen, das zeigte mir sein rotes Gesicht, drehte er sich zu ihr, während sie fast zeitgleich die Hände etwas hochhob.
„Schon gut, ich weiß…, dass geht mich nichts an!“, sprach sie einfach weiter und drehte sich zur Küchentheke.
Da hatte sie wohl Levis Schweigen missverstanden. Er stellte sich lehnend, gegen die Theke neben sie und verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Du weißt…“, Levi stockte plötzlich und atmete tief durch, „ …warum sollte dich das nichts angehen?“
Ella stellte die Tasse, die sie gerade aus dem Schrank genommen hatte, auf der Arbeitsfläche ab und drehte sich zu ihren Bruder.
„Levi, ich bin nicht blöd!“
Ich grinste breit, Hut ab vor der Kleinen!
„Klar weiß ich das! Du bist mein Bruder und natürlich habe ich mitbekommen, dass du dich für unser Geschlecht nicht interessierst, oder lieber anderen Männern hinterher schaust!“
„… und warum hast du bisher noch nicht gesagt?“
Sie legte ihren Kopf schräg und atmete lange aus.
„Was soll ich groß dazu sagen? Es ist doch egal, in wen, du dich verliebst, oder?“
Das waren klare Worte.
„… und du hättest nichts… dagegen, wenn ich und Marcus…?“
„Das geht zwar etwas schnell, aber warum sollte ich etwas dagegen haben…, Marcus ist cool…“, ihr Grinsen wurde breiter, „und solange ich nicht Papa oder so etwas zu ihm sagen muss, ist alles Recht!“
Levis Kinnlade knallte zu Boden und ich fing laut an zu lachen.
„Wolltet ihr nicht duschen gehen?“
*-*-*
Nach diesem kurzen, aber heftigen Gespräch gingen wir duschen. Getrennt! Es hätte wahrscheinlich einfach zu lange gedauert. Das Grinsen hatte ich dabei nicht verloren. Wie es mit Noah allerdings werden sollte, wusste ich nicht.
„Du Marcus…?“
Levi war auf der ersten Treppenstufe stehen geblieben und hatte sich zu mir gedreht. Unsere Gesichter waren in gleicher Höhe und er schaute mir direkt in die Augen.
„Hm?“
„Was hältst du davon…, wenn du mit deinen Sachen zu mir hochziehst…“
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.
„Öhm…, könnten wir darüber ein andermal reden? Unten wartet ein Frühstück!“
„War nur so eine Idee…“, meinte Levi und lief weiter die Treppe hinauf.
War er jetzt beleidigt? Unter der Dusche, dachte ich erneut an Noah. Er lebte in seiner Welt und es war unbekannt, wie er das aufnehmen würde, oder wie viel er bereits mitbekommen hatte. Noah hatte schließlich zwischen Levi und mir geschlafen.
Eingepackt in meinen Wohlfühlklamotten wollte ich mich auf den Weg nach unten machen. An meinem Bett blieb ich kurz stehen. Mike schlief immer noch friedlich. Selbst mein Duschen hatte ihn nicht geweckt.
Aber nach dem Abend gestern, war es wohl besser so, dass ich ihn einfach in Ruhe ließ. Der Hunger würde ihn schon nach unten treiben. Leise lief ich die Treppe hinunter. In der Küche war niemand anzutreffen, so lief ich weiter zum Wohnzimmer.
Während Noah immer noch auf dem Boden vor dem Fernseher lag, hatte sich Ella auf einem der Sessel breit gemacht. Als sie mich bemerkte, fing sie wieder an zu grinsen.
„Papa? … also wirklich!“
Sie begann zu kichern, während ich den Raum betrat und mich auf der Couch niederließ. Dann geschah etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Noah regte sich plötzlich, rappelte sich auf und kam zu mir.
Er warf sich auf die Couch und ließ seinen Kopf auf meinen Schoss sinken, alles ohne auch nur einen Ton zu sagen. Ella hielt die Hand vor dem Mund und ich hatte immer noch die Hände die Luft gehoben, weil ich nicht wusste, was ich von der Aktion halten sollte.
Ella kicherte und hielt ihren Daumen nach oben. Langsam ließ ich meine Arme auf Noah sinken.
„Darf ich dich etwas Privates fragen?“, kam es von Ella.
„Klar! Ob ich darauf antworten kann, ist eine andere Frage.“
„Seit wann weißt du…?“
„Das mit deinem Bruder?“
„Nein, dass du… schwul bist…?“
Mein Blick ging zur Decke und ich überlegte.
„Mit vierzehn…, oder fünfzehn.“
„So früh schon… und hattest du viele Probleme damit?“
„Sehr, denn ich hatte niemanden zum Reden, am Anfang zumindest. Da denkst du, du bist unnormal und der einzige auf der Welt… viele negative Gedanken in diese Richtung.“
„Weiß es deine Familie?“
„Ja!“
„… und die akzeptieren das?
„… hm sagen wir einmal so, jeder akzeptiert es auf seine eigene Art.“
„Hatte Levi diese Probleme auch?“
Das waren ganz schön viele Fragen und auf diese war ich nicht bereit eine Antwort zu geben.
„Das kann ich dir nicht sagen, vielleicht solltest du deinen Bruder selbst fragen!“
„Was soll mich Ella fragen?“, kam es plötzlich von der Tür.
Levi war unbemerkt herunter gekommen. Ich grinste Ella an und wartete auf ihre Frage. Die stand aber plötzlich auf, rief laut „Frühstück!“ und machte den Fernseher aus.
„Ehhh!“, meckerte Noah.
„Komm frühstücken!“, sagte ich und bewegte ihn dazu aufzustehen.
Ohne einen weiteren Ton stand er auf und folgte seiner Schwester in die Küche. Auch ich erhob mich und lief den zwei hinterher. Levi stand immer noch im Türrahmen.
„Sah süß aus, ihr zwei auf der Couch…“, lächelte er mich an, „es gibt aber immer wieder Augenblicke, da überrascht selbst Noah mich noch…“
Ich gab ihn einen kleinen Kuss und lief an ihm vorbei, Seufzend folgte er mir.
*-*-*
„Könnten wir heute nicht einfach mal zuhause bleiben?“, fragte Ella plötzlich.
Bisher war das Frühstück recht ruhig verlaufen, lediglich Noahs Kommentare zu irgendetwas unterbrachen die Stille. Levi schaute nachdenklich.
„… und was wird aus Großmutter?“
„Ich denke, sie wird es verstehen. Ich gebe ja zu, dass ich mich in letzter Zeit eigentlich immer langweile, denn mein Bruderherz…“, sie wuschelte Noah durchs Haar.
„Eh!“, beschwerte sich dieser.
„…nimmt sie voll in Anspruch, was sie aber auch sehr anstrengt!“
Mein Respekt zu der Kleinen wuchs immer mehr.
„Sie hat sich darüber bisher nicht beschwert!“, entgegnete Levi.
„Würde sie nie!“
„Oma ist immer müde“, sagte nun Noah.
Levi ließ seinen Blick zwischen den beiden hin und her wandern.
„Und was würde dir so vorschweben?“
„Ein Trip ins Grüne…?“
„Da wären wir gute zwei Stunden unterwegs, wenn wir heute in einer der Außenbezirke wollten!“, wand Levi ein.
„Centralpark?“, fragte ich leise.
„Wäre näher!“, sagte Ella.
„… aber am Sonntag hoffnungslos überfüllt.
„Ist das am Wochenende nicht jeder Park?“, gab ich als Anmerkung ab.
Levi schien kein Vorschlag zu gefallen, oder ihm passte Ellas Idee nicht, ins Grüne zufahren.
„Gibt es hier keinen Park in der Nähe?“, wollte ich wissen.
„Mehrere…“, kam es von Ella, „Cadman Plaza Park… den Brooklyn Bridge Park, oder den
Cobble Hill Park.“
„Ist der nicht zu klein?“, fragte Levi.
„Wer hat Spielplätze“, überging ich einfach Levis Frage.
„Alle!“, antwortete Ella.
Draußen hörte ich jemand die Treppe herunter laufen. Mike schien wohl wach geworden zu sein. Wenige Sekunden später erschien er in der Küchentür.
„Guten Morgen“, kam es leise.
„Morgen!“, grinste ich ihn an.
Verlegen kratze sich Mike am Hinterkopf.
„Setz dich“, sagte Levi und rutschte auf der Bank etwas näher zu Noah.
„Onkel Mike sitzt bei mir“, kam es postwendet von dem Kleinen und schob Levi zurück, um neben sich Platz zu schaffen.
Während ich grinsend aufstand, um noch ein Gedeck zu holen, fing Ella laut an zu lachen. Mike setzte sich auf den frei gewordenen Platz neben Noah.
„Über was habt ihr gerade geredet?“, fragte Mike, wohl um von sich abzulenken.
„Ella hat die Idee heute ins Grüne zu fahren“, antwortete Levi, während ich meinem Bruder einen Teller mit Messer hinstellte.
„Macht ihr das sonst nicht?“
„Nein, sonntags ist immer Kirche angesagt und danach zu den Großeltern“, kam es leicht genervt von Ella.
Ich ließ Mike einen Kaffee heraus, und brachte ihn ihm, bevor ich mich wieder niederließ. Mike nahm einen kräftigen Schluck, ohne aber sein Gesicht zu verziehen.
„Das habe ich jetzt gebraucht…“, meinte er lächelnd, „und für welchen Park habt ihr euch entschieden?“
„Noch keinen. Da ich keinen hier kenne, außer vielleicht den Brooklyn Bridge Park, müssen die drei hier die Entscheidung treffen.“
„Hat schon jemand den Prospect Park vorgeschlagen?“
Mike schaute fragend in die Runde. Ich schüttelte nicht wissend meinen Kopf und schaute zu den anderen. Mike kannte sich wirklich gut in der Gegend aus.
„Viel zu sehen…“, kam es von Levi.
„Da wäre auch ein Zoo“, grinste Ella.
„Zoo… ich will in den Zoo!“, kam es nun von Noah.
Er hatte bisher geschwiegen.
Mike grinste und biss in seinen Toast.
„Wollt ihr etwas zu essen mitnehmen?“, fragte ich.
„Picknicken?“, fragte Ella, „dass haben wir mit Noah noch nie gemacht!“
„Nicht?“, wollte ich wissen.
Levi schüttelte etwas betroffen den Kopf. Ich legte meine Hand auf seine.
„Dann ist es beschlossene Sache. Prospect Park mit Besuch im dortigen Zoo“, meinte ich grinsend, „ich richte nach dem Frühstück gleich etwas.“
„Du hast aber heute deinen freien Tag…“, kam es von Levi.
„Und?“, lächelte ich ihn an.
„Dürfte ich vielleicht mit…?“, fragte Mike.
„Au ja, mit Onkel Mike in den Zoo!“, rief Noah so laut, dass ich etwas den Kopf einzog.
Ella saß nur kichernd da.
„Irgendwie muss ich den Kopf frei kriegen… und was ist da besser als ein Sparziergang im Grünen!“
Ich nickte Mike wissend zu, auch Levi lächelte wieder.
*-*-*
Es war wirklich nicht weit, bis zu diesem Prospect Park, jedenfalls für New Yorker Verhältnisse. Während Mike damit zu kämpfen hatte, nicht von Noah Richtung Zoo geschleift zu werden, lud ich den Korb mit Fressalien aus dem Kofferraum. Levi trat neben mich und beobachtete das Treiben der zwei.
„Noah so zu sehen, macht mich glücklich…, vielleicht weil ich ihn schon anders erlebt habe“, hörte ich ihn leise sagen.
„Dann sollten wir alles dafür tun, dass es so bleibt“, sagte ich und drückte den Kofferraumdeckel zu.
Nachdem auch Ella endlich ausgestiegen war, verschloss Levi den Wagen. Eigentlich war es Glück, so dicht am Park noch einen Parkplatz zu bekommen, denn es waren eine Menge Leute unterwegs.
Die Tasche die Ella umhängt hatte, erinnerte mich eher an ein Teil, dass Kinder für den Kindergarten in Gebrauch hatten. Ich konnte einen Baum erkennen, etwas Grünfläche mit Blumen und eine Sonne.
„Was schaust du?“, fragte Levi neben mir.
„Die Tasche, die Ella bei sich hat…“
„Ist von ihrer Mutter. Mum hat sie damals selbst bemalt und Ella, sie war noch im Kindergarten, war richtig stolz, als einzige so eine Tasche zu besitzen.“
„Eine schöne Erinnerung…“
„Ja, es gibt viele schöne Erinnerungen an meine Eltern, auch wenn sie ab und wann etwas verblassen.“
„Müssen sie nicht!“
„Ich weiß, aber die viele Arbeit… unsere kleine „Familie“ lässt mich das alles, was früher war, oft vergessen.“
Er schien ernst, aber sagte dies immer noch mit einem Lächeln.
„Dann versuchen wir doch, dass dies nicht mehr vorkommt! Genieße diesen Sonntagmittag, denn dafür ist er ab sofort da.“
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich genieße es bereits in vollen Zügen. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen, dass meine Arbeit liegen bleibt.“
„Arbeitet einer deiner Leute auch am Sonntag?“
„Ähm…, ich denke wohl eher nicht.“
„Warum sollte dir das als Chef nicht zu stehen, einen freien Sonntag zu haben?“
Darauf gab mir Levi keine Antwort.
„Levi komm, Onkel Mike sagt, das steht Zoo“, rief Noah und zeigte dabei auf ein Schild, das am Wegrand stand.
„Zumindest sind wir mal richtig“, grinste ich.
Er lächelte zurück. Es war einiges los hier, aber nicht voll. Auf der Wiese kurz vor dem Zoo gab es sogar noch größere Flächen, die nicht von irgendwelchen Familien in Beschlag genommen waren.
„Ich bleib bei den Sachen“, sagte Levi, nachdem wir uns auf dieser Fläche breit gemacht hatten.
„Du willst wirklich nicht mit hinein?“, fragte ich.
„Nein, ich lege mich hier in die Sonne und warte, bis ihr zurück kommt. Die Ruhe tut mir gut.“
Ruhe war gut. Ein gewisser Geräuschpegel war schon vorhanden, vor allem durch die spielenden Kinder.
„Wenn etwas ist… du weißt es gibt Handys“, meinte ich grinsend.
Als Antwort streckte er mir die Zunge heraus und ließ sich auf der ausgebreiteten Decke nieder.
„Okay, dann bis später“, meinte ich nur, beugte mich vor und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Wieder dieses hinreisende Lächeln, das mich mit mir kämpfen ließ, ob ich nicht lieber bei ihm bleiben sollte.
„Marcus komm endlich!“, riss mich Noahs Stimme aus meinen Gedanken.
Levi hob die Hand und winkte mir zu.
*-*-*
Mike hatte Noah wieder Hugepack genommen, weil der Junge am Schluss einfach nicht mehr laufen wollte. Jetzt ruhte sein Kopf auf Mikes Schulter und schlief. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser kleine Zoo, so viele Tiere beherbergte.
Für Ella war es allemal interessant gewesen, was aber ihre Entscheidung, welches Tier sie zeichnen wollte, nicht erleichterte. Während Mike sich die ganze Zeit rührend um Noah gekümmert hatte, war ich neben Ella hergelaufen.
Sie hatte mich mehrfach in ein Gespräch über das Zeichnen verwickelt. Somit hatte ich keine Zeit, mir über meine, oder sollte ich sagen, unsere Zukunft groß Gedanken zu machen. Vielleicht besser so.
Als wir die Wiese Nähe des Zoos betraten, konnte ich sogar Levi sofort entdecken. Er lag seitlich auf der Decke, hatte den Kopf aufgestützt.
„Wo ist unser Platz?“, fragte Ella neben mir.
Ich zeigte in Richtung Levi, war mir aber nicht sicher, ob sie ihn auch sah. Sie war schließlich gut ein Kopf kleiner, wie ich.
Sie lief in die gezeigte Richtung und Mike folgte ihr. Ich musste grinsen, denn dies war ein Bild für Götter. Mike mit Noah. Er schien den Jungen genauso ins Herz geschlossen zu haben, genauso schnell wie meiner einer.
Als wir dem Platz für unser Picknick uns näherten, erkannte ich, dass Levi mit seinem Tablett beschäftigt war. Hatte er sich Arbeit mit hier hergenommen, war er deswegen alleine hier geblieben?
Während Mike mit Ella zusammen kämpfte, Noah von seinem Rücken zu bekommen, ließ ich mich neben Levi nieder.
„Du hast dir also Arbeit mitgenommen“, meinte ich ernst.
Er lächelte mich verlegen an, als wäre er gerade bei etwas erwischt worden. War er ja auch.
„Ähm…, schuldig im Sinne der Anklage. Na ja fast…!“
„Dann nehm ich das mal an mich!“
Ich griff nach seinem Tablett und ließ es in meiner Tasche verschwinden.
„Eh!“
„Das bekommst du morgen wieder! Es ist Sonntag!“
Ella und Mike fingen an zu kichern. Levi schaute die beiden vorwurfsvoll an und Mike hob abwehrend seine Hände.
„Wenn mein Bruder sich etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht er das auch durch!“
„Könnten wir etwas essen, ich habe Hunger!“, fragte Ella und nahm Levi somit die Chance, etwas zu entgegnen.
„Ich auch!“, meldete sich nun auch Noah zu Wort.
„Ich habe bloß einen Bericht über japanischer Papierherstellung gelesen…“, verteidigte sich Levi.
Levis Verteidigung ignorierte ich einfach und begann die Leckereien auszupacken. Während Ella mir half, sie verteilte die Pappteller, saß Mike nur daneben und blinzelte Richtung Sonne.
„Eigentlich sollte man das jeden Sonntag machen“, hörte ich es ihn sagen.
„Wieso, was machst du denn sonst am Sonntag, fragte Levi, der mittlerweile die Getränke verteilte.
Ich musste zu meiner Schande gestehen, dass ich auch hier viel zu wenig über meinen Bruder wusste. So war ich auf die Antwort genauso neugierig, wie Levi.
„Ausschlafen… und Papierkram, für den ich unter der Woche keine Zeit habe.
„Siehst du, dein Bruder arbeitet auch Sonntags!“, meckerte Levi.
Ich öffnete gerade den Nudelsalat. Etwas genervt setzte ich mich nun wieder bequemer hin.
„Zum einen hat mein Bruder keine Geschwister, für die er sich zumindest an einem Tag etwas mehr Zeit nehmen sollte…“
„Ähm, ich habe drei Brüder“, warf Mike grinsend ein.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mit Oliver oder William in deiner Freizeit abhängen willst!“
Mike kratze sich verlegen am Hinterkopf.
„… da könntest du Recht haben, aber zumindest, hänge ich mit dir ab!“
Ich streckte ihm die Zunge heraus.
„Könntet ihr aufhören, euch ständig die Zunge zu zeigen“, meckerte nun Ella, „was soll nur Noah von euch denken?“
Der genannte schaute auf und grinste.
„Das ist lustig!“, meinte Noah und biss erneut in sein Sandwich.
Ich atmete tief durch und sah wieder zu Mike.
„… zum anderen könnte ich mir vorstellen, dass… falls sich irgendetwas bestimmtes ergibt, dass du dann auch gern mehr Freizeit möchtest.“
Mike wurde rot und nun kicherte Levi. Ich schaufelte mir eine Portion Nudelsalat auf den Teller und begann ohne weitere Worte zu verlieren, zu essen.
„Was meint Marcus damit?“, wollte nun Ella wissen.
Während Levi sich am Saft verschluckte, wurde Mikes Gesichtsfarbe noch dunkler.
„Ella, wenn es aktuell wird, erfährst du es als erstes!“, sagte ich grinste meinen Bruder fies an.
„Marcus!“, kam es empört aus Mikes Lippen.
„Levi, was ist irgendetwas bestimmtes?“, fragte nun Noah.
Ich konnte nicht anders und fing laut an zu lachen. Levi wuschelte seinem Bruder über den Kopf, während Mike sein Gesicht hinter seinen Händen vergrub.
*-*-*
Als ich in die Küche zurück kam, verräumte Levi gerade die Reste vom Abendessen.
„Noah schläft“, meinte ich und trat neben ihn, „… hier, dein Tablett…“
„Danke“, sagte Levi und nahm es entgegen, „… ähm bist du mir jetzt böse?“
„Warum sollte ich böse auf dich sein…?“
„Weil ich lieber gelesen habe, anstatt mit euch in den Zoo zu gehen…“
Ich drehte mich zu ihm und nahm ihn in den Arm.
„Nein…, bin ich nicht. Gut, nicht jeder entspannt sich bei japanischem Papier, aber du hättest ruhig mit in den Zoo gehen können.“
„Wenn ich ehrlich bin, als ihr weg ward, dachte ich das auch, aber es tat auch gut, einfach nur so dazuliegen und etwas Interessantes zu lesen!“
Ich gab ihm einen kleinen Kuss auf die Nase.
„… und ich gebe dir Recht, die Idee mit dem Sonntag ist gut. Mir ist erst heute so richtig bewusst geworden, auf was ich bisher verzichtet habe. Es hat richtig Spaß gemacht.“
„… und Ella und Noah habe es auch genossen.“
Levi lächelte nun breit und befreite sich aus meinen Armen. Er stellte die letzte Dose in den Kühlschrank.
„Noch Lust auf ein Glas Wein?“
„Aber wirklich nur eins!“, entgegnete ich.
Er zog neue Gläser vom Regal und befüllte sie mit Rotwein.
„Ich dachte auch an Grandma, dass man sie bei solchen Aktionen abholen könnte, dass sie nicht ganz auf die zwei verzichten müsste.“
„… und auf dich“, grinste ich.
Er nickte und lief einfach mit beiden Gläsern ins Wohnzimmer hinüber. Ich löschte das Licht und folgte ihm. Levi stellte die zwei Gläser auf den Tisch ab und ließ sich auf der Couch nieder. Ich tat dasselbe. Dabei fiel mir etwas ein.
„Ähm. Ich wollte dich noch etwas fragen…“
„Was ist dein Begehr?“, grinste mich Levi an.
„Es ist wegen Mike…, ich hoffe es stört dich nicht, dass Mike so oft hier ist.“
„Du weißt schon, dass er mit der Firma für mich arbeitet?“
Ich seufzte laut.
„Du weißt wie ich das meine!“
Er strich mir sanft über die Wange.
„Ich sehe Mike mittlerweile als Freund, du weißt ja, dass ich bisher mehr wie ein Einsiedler gelebt habe, was das betrifft.“
„Danke.“
„… und dir tut es gut, deinen Bruder wieder besser kennen zu lernen.“
„Um mich brauchst du dir keine Gedanken zu machen!“
Levi legte seine Finger auf meinen Mund und griff nach meiner Hand.
„… wir sind… jetzt ein Paar und da sollte jeder für den anderen da sein, oder?
*-*-*
Der Montag begann laut. Noch bevor Ella in die Schule gebracht wurde, waren bereits Mikes Arbeiter da. Wie befürchtet, war Noah dieses Mal nicht aus dem Zimmer zu bekommen, es waren einfach zu viele fremde Menschen im Flur.
Nicht mal Mike vermochte ihn heraus zu locken. So hatte Noah sein Frühstück dieses Mal in seinem Zimmer eingenommen, ebenso eine Premiere. Selbst Levi hatte beschlossen, das Weite zu suchen
Nachdem er Ella in die Schule gebracht hatte, war er von dort direkt in die Firma gefahren, um dort seine Arbeit in Ruhe ausrichten zu können. Noch etwas war anders als sonst, seit ich hier im Haus tätig war. Alle Türen in den Fluren waren verschlossen.
Selbst die Küchentür, hinter der Sofia wahrscheinlich schon Dinge für das Mittagessen herrichtete, war geschlossen. Schweren Herzen lief ich zwischen den Arbeiter hinauf in mein Zimmer.
Mum hatte mir die Adressen der jeweiligen Firmen, die für den Badumbau zuständig waren, zukommen lassen. Ich wollte erste Anfragen starten, ob diese die anstehenden Renovierung ausführen konnten..
Auch stand Noahs neues Sitzregal verpackt in meinem Zimmer. Dies musste auch noch aufgestellt werden und natürlich mit Spielsachen bestückt werden. Aber dafür musste ich Noah erst einmal dazu bekommen, sein Zimmer aufzuräumen und mir zu helfen, das Regal an seinen Platz zu befördern.
Seufzend ließ ich mich auf meinen Stuhl nieder. Ich rieb mir durchs Gesicht. Die bisherige Stille im Haus war gewichen. Wie schnell man sie an so etwas gewöhnen konnte. Ich wollte gerade meine Mailbox öffnen, als es an meiner Tür klopfte.
„Ja?“
Die Tür wurde aufgeschoben und einer der Arbeiter schaute herein.
„Marcus…, unten steht ein Bote, der ein Paket für dich hat“, sagte er.
Wie gewohnt redete mich das Personal der Firma mit Vorname an.
„Für mich?“
Der Arbeiter nickte.
„Okay…, ich geh gleich runter!“
Er verschwand, ließ meine Tür aber offen stehen. Leicht genervt, verließ ich das Zimmer und verschloss es wieder. Wer schickte mir etwas zu, ich hatte nichts bestellt. An der Treppe musste ich warten, weil zwei Leute gerade Holzlatten herauf trugen.
Als sie die langen Dinger an mir vorbei manövriert hatten konnte ich meinen Weg nach unten fortsetzten. Unten angekommen stand tatsächlich ein junger Mann, abseits der Treppe. Auch die war nach kurzen Warten frei, so konnte ich endlich zu ihm gelangen.
„Marcus Brown?“, fragte der Bote.
Ich nickte.
„Hier unterschreiben!“
Ich tat was ich geheißen wurde und bekam anschließend das Paket überreicht. Mit einem „Bye“, schwang sich der junge Mann aufs Rad und war schnell verschwunden. Verwundert schaute ich auf den Absender, den man aber nicht recht entziffern konnte.
Das Päckchen war nicht schwer und ein leichtes Rütteln, verriet ebenso wenig den Inhalt. Ich lief die Treppe wieder hinauf und betrat das Haus. Sofia drehte den Kopf, als ich die Küche betrat.
Ich schloss die Tür hinter mir.
„Hat ein Bote gebracht…“, meinte ich nur und griff nach einem Messer, das auf der Anrichte lag. Schnell war der Klebestreifen aufgeschnitten. Ich legte das Messer ab und zog die Kartonklappen auseinander.
Dann ging irgendwie alles recht schnell. Etwas knallte, dann spritze mir etwas entgegen und ich fiel nach hinten.
„MARCUS!“, schrie Sofia entsetzt.
Die Tür wurde aufgerissen und ein Arbeiter und Mike schauten herein.
„Oh Gott, Marcus, was ist passiert“, schrie nun auch Mike und kniete sich sofort neben mich.
Überall auf mir verteilt, waren rote Flecken.
„Ich… weiß nicht…“, stammelte ich benommen.
„Er… hat den …Karton auf gemacht“, kam es Sofia, die auf das Päckchen vor mir auf dem Boden zeigte.
Der Arbeiter, der mit Mike das Zimmer betreten hatte ging darauf zu und wollte es auf halten.
„Halt Gregor, nicht anfassen!“, kam es von Mike, „Mr. Thompson, würden sie bitte die Polizei rufen?“
Sie nickte leicht. Auch sie hatte ein paar Spritzer abbekommen.
„Polizei?“, fragte nun Gregor.
An der Küchentür hatte sich mittlerweile eine Traube von Arbeitern gebildet.
„Leute, tut mir gefallen und macht weiter, der Lkw draußen muss weg! Gregor könntest du dich bitte darum kümmern!“
Gregor nickte und ging zur Tür. Dort schob er seine neugierigen Kollegen zurück in den Flur.
„Ihr habt den Chef gehört! Los, weiter!“, vernahm ich zitternd die Stimme dieses Gregor.
„Kannst du aufstehen?“, hörte ich Mikes Stimme.
„Hm?“
„Kannst du aufstehen, Marcus… hast du dich verletzt?“
Außer meinem Hintern tat nichts weh, so schüttelte ich den Kopf. Mike zog mich langsam hoch und setzte mich auf einen der Küchenstühle. Dann griff er nach einem Geschirrtuch, das auf dem Tisch lag und wischte mir vorsichtig übers Gesicht. Danach roch er daran.
„Das ist Farbe…“
„Farbe?“, stammelte ich ihm nach.
„Mr. Davis macht sich sofort auf den Weg“, sagte Sofia, als sie wieder die Küche betrat.
„Danke, Mr. Thompson…
„Sagen sie doch Sofia zu mir, so wie es alle hier tun.“
„Nur wenn sie mich Michael nennen.“
Beide schauten wieder zu mir.
„Wer macht denn so etwas?“
*-*-*
Im Haus war etwas Ruhe eingekehrt, oder besser gesagt, hatte sich alles nach oben verlagert. Während Mike sich dazu bereit erklärt hatte, sich um Noah zu kümmern, saß ich nun im Wohnzimmer bei Captain Davis und seinem Kollegen.
Der Hausgong machte sich bemerkbar und Lieutenant Trevor erhob sich.
„Ich mach auf“, hörte ich Sofias Stimme.
Mr. Trevor setzte sich in Bewegung und lief ebenso in den Flur. Ich dagegen saß immer noch zitternd im Sessel. In der Hand ein feuchtes Tuch, mit dem ich versucht hatte, die rote Farbe aus meinem Gesicht und Händen zu rubbeln.
„Hallo Sofia…“, hörte ich die Stimme meiner Mutter, Mike hatte sie angerufen.
„… darf ich ihnen meinen Mann John vorstellen?“
Mein Kopf fuhr hoch, sie hatte Vater mitgebracht?
„Hallo Mr. Brown, nett sie kennen zu lernen.“
„Sofia, sagen sie doch bitte John zu mir…, wo ist unser Sohn?“
Ich wollte mich schon erheben, aber Captain Davis Hand, die auf meiner Schulter ruhte, drückte mich zurück in den Sessel. Fragend schaute ich ihn an.
„Hallo Mr. Brown, ich bin Lieutenant Trevor und mit Captain Davis für diesen Fall zuständig…, würden sie mir bitte ins Wohnzimmer folgen?“
Wenig später betraten die drei das Wohnzimmer.
„Oh Gott Junge, wie siehst du denn aus“, war das erste, was ich von meiner Mutter zu hören bekam.
„Die Folgen eines sehr, sehr schlechten Scherzes“, kam es nun von Captain Davis, „… Mr. und Mrs Brown…“
Hände wurden geschüttelt. Bevor das Gespräch aber weiter geführt werden konnte, wurde im Flur die Haustür aufgestoßen.
„Marcus…Marcus, wo bist du?“, hörte ich Levis verzweifelte Stimme.
Auch ihn hatte Mike verständigt.
„Wir sind hier im Wohnzimmer!“, rief Mum.
Wenige Sekunden später kam Levi hereingestürmt, stoppte kurz, sah alle an, bevor er zu mir kam und mir um den Hals fiel. Gut, dass die Farbe auf mir bereits eingetrocknet war, sonst hätte er sich ebenfalls dreckig gemacht.
„Gott sei Dank, dir ist nichts passiert!“, hörte ich seine leise weinerliche Stimme.
Er drückte sich etwas von mir weg. Seine Augen waren rot, er musste geweint haben.
„Das muss aufhören…, ich ertrage das nicht mehr…, wenn etwas den Kids oder dir passiert, ich würde das nie…“, erneut liefen Tränen über seinen Wangen.
Er richtete sich auf und wandte zu Captain Davis.
„Ich gehe jetzt zu ihm und stelle ihn zur Rede…, wenn gar nichts hilft, werde ich ihm die Firma verkaufen…“
„Levi…!“, rief ich.
„Ein Teufel wirst du!“, kam es von Mum.
„Da muss ich ihrer zukünftigen Schwiegermutter Recht geben!“, sagte ein grinsender Captain Davis.
Mum und Lieutenant Trevor fingen ebenso an zu grinsen, selbst ich musste über die Worte „zukünftige Schwiegermutter“ etwas lächeln, auch wenn mir nicht danach zumute war. Lediglich Dads Gesichtsausdruck war nicht zu deuten. Mein Lächeln verschwand wieder.
„Aber…
„Nichts aber, setzten wir uns erst einmal hin!“, ergriff Mum erneut die Initiative,
Wie aufs Stichwort kam Sofia mit einem Tablett herein. Sie stellte es auf dem Couchtisch ab und verließ uns wieder. Die Tür zum Flur wurde geschlossen. Während Mum und Dad sich auf die Couch setzten, ließ sich Levi auf meiner Sessellehne nieder, ohne aber meine Hand loszulassen.
„Wo ist Noah… hat er auch?“, fragte Levi leise.
Ich schüttelte den Kopf.
„Er hat sein Zimmer bisher noch nicht verlassen…, Mike ist bei ihm…“
Levi atmete tief aus.
„Mr. Scott, ich kann nur so viel sagen, dass es nicht ihr Großvater war, der mit dieser Sache zu tun hatte.“
„Woher wollen sie das wissen?“, fragte Levi giftig.
„Ihr Großvater genießt eine Rundumüberwachung und wir konnten keinerlei Aktivitäten seinerseits feststellen!“
Mit großen erstaunten Augen sah ich ihn an.
„Sie überwachen meinen Großvater?“, fragte Levi erstaunt.
Captain Davis nickte.
„Nicht nur das…, ihre Großmutter hat uns gewährt, auch Abhörgeräte im großen Haus ihrer Großeltern unterzubringen.
„Grandma… aber…?“
„Mr. Scott, ihre Grandma ist eine feine Frau. Sie hat nach dem Tod ihres Sohnes und Schwiegertochter den Kontakt zu mir nie ganz aufgegeben. Deswegen war mir ihr Fall auch noch so präsent.“
Ungläubig schüttelte Levi den Kopf.
„Und anderem sind wir Dank Mr. Browns Mitarbeiter der Spur des Boten nachgegangen.“
„Meines Mitarbeiters?“, fragte nun Dad.
„Fred kam zu mir und sagte, vor dem Haus würde eine Bote stehen und hätte ein Päckchen für mich…“, erklärte ich leise, ohne ihn anzusehen.
„… und hatte ein gutes Gedächnis, was das Firmenlogo des Lieferdienstes betrifft“, fügte Captain Davis hinzu.
Lieutenant Trevor kam zu uns und hielt uns ein Tablett entgegen.
„Kennen sie diese Person?“, fragte er.
Levi und ich schauten gebannt auf den kleinen Bildschirm. Es schien wohl eine Überwachungskamera einer Firma zu sein. Es zeigte einen Raum, eine Art Büro. Ein Mann kam herein, der zu einem Schalter lief.
Dort legte er ein Päckchen ab, das meinem ähnlich sah. Er trug eine Basecap und ein Kaputzenshirt. So war sein Gesicht schlecht zu erkennen.
„Jakob?“, hörte ich Levi leise sagen.
„Jakob?“, kam es gleichzeitig aus meinem Mund und des meines Vaters.
Mum legte ihre Hand auf Dads Schenkel.
„Sie haben ihn also genauso erkannt?“, fragte nun Captain Davis.
„Die Gangart… die Bewegungen… sind unverkennbar“, antwortete Levi abwertend.
„Wer ist Jakob?“, hörte ich meinen Dad leise fragen.
„Der Sekretär von Levis Großvaters und Levis Exfreund…“, antwortete Mum leise.
„Ist das so ein verrückter Eifersüchtiger, wie man sie oft im Fernseh sieht?“
Selbst ich musste über diese Frage lächeln.
„Das ist uns leider unbekannt, Mr. Brown. Ob er aus eigenen Motiven, oder auf Anweisung von Mr. Smith Senior Anweisungen handelt, wissen wir noch nicht.“
„Dann nehmen sie ihn fest!“, sagte Dad mit fester Stimme.
„Ich habe bereits eine Überwachung beim Richter beantragt.
„Wieso, das Video ist doch eindeutig? Wenn selbst Levi ihn darauf erkennt!“
Erstaunt sah ich Dad an. Es war das erste Mal, dass er Levi beim Vornamen nannte, als würde er ihn schon ewig kennen.
„John bitte!“, sagte Mum.
„Was denn, der Typ hat versucht unseren Sohn etwas antun! Willst du Marcus wieder im Krankenhaus besuchen oder vielleicht im…?“
Er unterbrach kurz.
„Ich möchte nur, dass es Marcus gut geht und er sicher ist!“
Diese Worte trieben mir die Tränen in die Augen. So hatte ich Dad noch nie reden hören.
„Mr. Brown, ich kann ihnen versichern, dass wir dahin gehend bereits Vorkehrungen getroffen haben. Was diesen Jakob Hall betrifft, ihn jetzt schon festzunehmen, wäre ein Fehler!“
„Wieso? … Hundert Prozentig können sie nicht gewähren, das meinem Sohn, seinem Freund oder den Kindern nichts passiert?“
Auch diese Worte trafen mich unerwartet mitten ins Herz. War das wirklich Dad, der da vor mir saß? Levis Händedruck verstärkte sich, Mum dagegen lächelte mich an.
„Mr. Brown, wie schon gesagt, wir wissen nicht, ob alle Vorfälle alleine auf Mr. Hall zurück zuführen sind…, den Unfall von Mr. Smith Eltern eingeschlossen.“
„Den Unfall?“, fragte Levi verwundert, „das war vor seiner Zeit!“
„Nicht ganz richtig“, meldete sich nun Trevor zu Wort, „Mr. Hall hat bereits in jungen Jahren in der Firma ihres Großvaters angefangen und dann irgendwie hoch gearbeitet. Also war er zur Zeit des Unfalls bereits dort beschäftigt!“
„… und wenn auch die Personenbeschreibungen, der bestochenen Kindermädchen auf Mr. Hall teilweise zutreffen…“, sprach Capitän Davis weiter, „…es war Mr. Smiths Großvater, der ihrem Sohn Geld geboten hat, hier seinen Job zu kündigen.“
„… und er hat versucht, das Sorgerecht der Schwester zu bekommen und die Firma in Besitz zu nehmen!“, fügte Lieutenant Trevor hinzu.
„Das beruhigt mich in keinster Weise!“
Um das Gesagte zu unterstreichen, legte er seine Hand auf die meinige, die auf der Sessellehne ruhte.
*-*-*
Während Dad auf dem Speicher nach dem Rechten sah, Mum bei Sofia in der Küche war, hatten sich Captain Davis und Lieutenant Trevor bereits verabschiedet. Levi saß immer noch bei mir und hielt mich fest im Arm.
„Du solltest vielleicht duschen gehen und etwas anderes anziehen“, sagte Levi mit ruhiger Stimme.
Nur von der Ferne drang das Gesagte zu mir durch, Ich reagierte nicht. Zu sehr beschäftigte mich das Verhalten meines Vaters.
„Hallo!“, kam es nun von Levi und schubste mich an.
Ich schaute auf.
„Hm?“
„Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“
„Äh… bei Dad…“
Levi begann breit an zu grinsen.
„Er scheint es akzeptiert zu haben.“
Meine Augen wurden größer.
„Denkst du?“
Fragend schaute ich ihn an.
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, Marcus“, er beugte sich vor und legte seine Arme um mich, „dein Vater ist sehr schwer einzuschätzen, Aber was er von sich gegeben hat, klang für mich echt! Versuch dich einfach darüber zu freuen.“
„Vielleicht hast du ja Recht, aber es fällt mir schwer, dass zu glauben. Auf alle Fälle nicht, so wie er sich die letzten Jahre benommen hat.“
„Belassen wir es einfach so und schauen, was auf uns zu kommt… und nun geh endlich duschen und dich umziehen!“
Ich sah an mir herunter und schüttelte den Kopf.
„Die kann ich wohl abschreiben… sind hinüber“, meinte ich und rieb über meine Klamotten.
„Die geben wir in die Reinigung, vielleicht bekommen die das wieder ab.“
Die Tür zum Flur öffnete sich. Herein kam Noah, geschoben von Mike. Auf dem Gesicht des Jungen machte sich ein Grinsen breit.
„Onkel Mike, du hast Recht, Marcus siehst aus wie ein Clown“, sagte Noah und fing an zu kichern.
Ich zog die Augenbraun hoch und sah Mike genervt an.
„Wie hast du es geschafft, Noah aus seinem Zimmer zu bekommen“, fragte Levi erstaunt.
„Och ich habe ihm erzählt, dass es hier unten zu einem kleinen Unfall gekommen ist und jemand Farbe über Marcus gekippt hat.“
„Das sieht lustig aus“, kicherte Noah und griff mir ins Haar.
„Aaahh“, entwich es mir.
Die Haare klebten natürlich zusammen und es tat weh, als Noah mir ins Haar fasste.
„Müssen wir das jetzt abschneiden?“, fragte Noah, etwas erschrocken.
„Wieso abschneiden?“, wollte ein grinsender Mike wissen.
„Levi hat mir auch den Kleber aus den Haaren geschnitten…“, antwortete Noah.
Mein Boss fing breit an zu grinsen.
„Wie kam denn der Kleber in dein Haar…, hat der auch jemand über dich gegossen?“, wollte Mike von Noah wissen.
Verlegen schüttelte Levis kleiner Bruder den Kopf.
„Das ist Farbe, Bruderherz, die kann man vielleicht herauswaschen.“
„Den Kleber hast du auch nicht abgewaschen…“, meckerte Noah.
„… weil das nicht geht“, kam es postwendend von Mike und wuschelte dem Jungen durchs Haar.
Es klopfte am Türrahmen. Mike und Noah gaben die Sicht frei. Dort stand Dad.
„Ich wollte nicht stören…“
Levi erhob sich.
„Aber Mr. Brown, sie stören doch nicht!“
„Junge, du bist der Freund meines Sohnes, also sage John oder Dad zu mir, wie die anderen es tun!“
„Ähm… danke“, lächelte Levi.
„… ich wollte nur sagen, oben sieht alles sehr gut aus. Schade nur, dass das mit den ausziehbaren Fenstern nicht funktioniert hat…, da müsste wohl ein komplett neuer Dachstuhl hin.“
„Ja, das hat mir Mike schon gesagt, aber die Idee war trotzdem gut!“
„Ich werde mich jetzt verabschieden! Mike, du schaust, weiter nach dem Rechten und du“, Dad schaute zu mir, „solltest mal duschen gehen! Du siehst aus wie ein frisch geschlüpfter Bundbarsch!“
Noah fing laut an zu lachen. Ich nickte nur, einer Antwort nicht fähig.
„Nora!“, rief Dad laut im Flur.
„Ja?“, hörte ich Mums Stimme.
„Weib, wir fahren. Wir haben noch andere Söhne und eine Firma, um die wir uns kümmern müssen!“
„Ich komme ja schon!“
Während die anderen Dad in den Flur folgten, saß ich immer noch bewegungsunfähig im Sessel.
*-*-*
Mit einem Handtuch um die Lenden stand ich vor dem Spiegel. Die rote Farbe war zwar ab, aber dafür war jetzt meine Haut rot. Mehrere Waschgänge taten ihr nicht gut, außerdem klebten immer noch einzelne Haarsträhnen zusammen.
Da half wohl wirklich nur die Schere.
„Marcus?“, hörte ich Levis Stimme rufen.
„Hier im Bad!“
Die Tür öffnete sich und Levi kam herein. Die kühle Luft aus dem Zimmer, die mit ihm hereinströmte, verpasste mir eine Gänsehaut. Levi trat an mich heran und nahm mich von hinten in den Arm. Dabei küsste er mir über den Nacken. Erneut lief es mir kalt den Rücken herunter.
„Ich wollte nur fragen, ob du zum Essen kommst?“, hauchte er mir ins Ohr.
Ich zog den Kopf ein und meine Gänsehaut bekam eine Gänsehaut.
„Ja, …lass mich nur noch hier fertig machen…“
Ich drehte mich zu ihm.
„Du solltest dir vielleicht überlegen, ein paar rote Strähnen zuzulegen…, sieht irgendwie cool aus.“
„Haha! Verarschen kann ich mich selber! Vielleicht noch Regenbogenfarben!“, sagte ich und streckte ihm die Zunge heraus.
„He, ich meine das ernst!“, meckerte Levi und unterstrich das Gesagte mit einem Kuss.
Dann drückte er sich wieder an mich.
„Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist!“
„Ich auch, dass kannst du mir glauben.“
Levi atmete tief durch.
„Wo ist Noah?“
„Oben bei Mike.“
„Auf dem Speicher.“
Levi nickte.
„Wie hat er denn das fertig gebracht?“, fragte ich verwundert.
„Tja, dein Bruder kann zaubern!“, grinste mich Levi an, „… ach Quatsch. Er hat Noah einem Helm angezogen, mit Arbeitshandschuhen versehen und ihn einfach mit nach oben genommen, trotz anfänglicher Proteste. Jetzt hilft Noah, naja… soweit es ihm möglich ist.“
„Angst mit der gleichen Sache bekämpfen…“, sagte ich nur und gab Levi auch einen Kuss.
„Dann beeil dich, ich hol die zwei jetzt zum essen“, meinte mein Freund, gab mir einen Klaps auf den Hintern und verschwand wieder.
*-*-*
Ruhe! Endlich war Ruhe im Haus eingekehrt. Kein Gehämmer, oder Bohrungen waren mehr zu hören. Kein Getrampel, wenn jemand die Treppe hinauf, oder hinunter rannte. Im Dachstuhl waren schon erste Erfolge sichtbar, die neue Isolierung war schon fast komplett angebracht.
Noah hatte zusammen mit Mike stolz seinen Geschwistern gezeigt, wie weit man schon gekommen war. Nun lag Noah bereits im Bett und das ganz ohne Gute-Nacht-Geschichte. Kaum im Bett war er auch schon eingeschlafen.
Seine Schwester hatte sich wie immer in ihr Zimmer zurück gezogen und Levi saß immer noch in seinem Büro. Ich löschte das Licht in der Küche und lief die Treppe nach oben. Einzig die kleine Lampe unten im Flur brannte noch.
Aus Ellas Zimmer drang leise Musik und Noah schlief tief und fest. Lediglich seine Decke war verrutscht. Ich deckte ihn richtig zu und lief anschließend in mein Zimmer. Dort ließ ich mich auf meinem Stuhl nieder.
Schnell war mein Blick auf dem noch dunklen Bildschirm festgefroren. Lust hatte ich eigentlich keine mehr, noch nach Emails zuschauen. Mein Finger stoppte kurz vor dem On-Knopf.
Ich stand wieder auf, wechselte Wohlfühlklamotten gegen Schlafshirt und Shorts und verließ mein Zimmer wieder. Aber ich bremste abrupt, als ich merkte, dass es keine gute Idee war, hier mit Socken herum zu laufen.
Bei der ersten Stufen, trat ich schon auf etwas und es tat natürlich weh. So lief ich ins Zimmer zurück, vergewisserte mich, nichts im Fuß stecken zu haben. Mit Latschen versehen, starte ich den zweiten Versuch.
Der Gang in die Küche, um zwei Gläser und eine Flasche Rotwein zu holen, war schnell erledigt. Wenige Augenblicke später stand ich bereits in Levis Bürotür.
„Noch fiel zu tun…?“, fragte ich leise.
Levis Kopf fuhr nach oben und als er mich sah, lächelte er.
„Eigentlich nicht, bin zu meiner Überraschung fertig. Habe heute bereits mehr geschafft, als vorgenommen.“
„Dann steht heute keine Nachtarbeit an?“
Levi schüttelte den Kopf.
„Es ist zwar noch ungewohnt für mich, dir den ganzen Haushalt zu überlassen, nicht mit Noah zu spielen, oder nach dem Rechten zu sehen, Dafür habe ich richtig ranklotzen können.“
Levi fuhr sein Laptop herunter und machte die Schreibtischlampe aus. Ich hob den Wein etwas nach oben und er lächelte.
„Gerne!“
Zusammen liefen wir in sein Schlafgemach hinüber und ließen uns auf dem Sofa nieder.
„Ich versteh es nicht…“
Ich schaute Levi an.
„Ähm… was meinst du? Ich weiß gerade nicht, wo du mit deinen Gedanken bist!“
„Jakob. Es wäre damals so und so in die Brüche gegangen, auch ohne Großvaters Einmischung. Warum jetzt dieser Hass auf mich?“
„Wie kommst du darauf, dass er dich hasst?“
„Aus Liebe wird er sicher nicht meine Eltern umgebracht haben!“, bekam ich es sarkastisch zur Antwort.
„Zum einen ist es noch nicht heraus, ob er es war… und zum anderen… viele haben schon aus Liebe getötet… ist aber der falsche Weg! Was meinst du damit, dass es sowieso in die Brüche gegangen wäre.“
Levi schien zu überlegen, nahm einen Schluck von seinem Glas Wein.
„…er hat geklammert…, mich mit seiner Eifersucht fast erdrückt… Du denkst, er tut das wirklich, weil er mich immer noch liebt?“
„Ob das wirklich Liebe ist, kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Ich denke eher so etwas wie… Besessenheit vielleicht. Sollten wir das nicht Captain Davis erzählen?“
Levi schüttelte den Kopf.
„Ich will ihn nicht auch noch mit alten Liebeskamellen nerven, er hat sicher schon genug mit unserem Fall zu tun.“
„Aber es ist vielleicht ein wichtiger Anhaltspunkt und erklärt sein Verhalten.“
Darauf sagte Levi nichts und starrte auf seinen Wein. Ich legte meine Hand auf seinen Schenkel.
„Ich kann nur erahnen, wie sehr dich das alles beschäftigt und vielleicht auch herunter zieht…, aber denke immer daran, du bist nicht mehr alleine… okay?“
Zumindest nickte er, also drangen meine Worte zu ihm durch.
„Aber gerade darum mache ich mir Sorgen. Wenn du Recht hast und er ist wirklich davon besessen, mich irgendwie zurück zu gewinnen… zu was ist er noch im Stande zu tun?“
„Ich weiß es nicht Levi… wir müssen eben aufpassen.“
„Deine Worte in Gottes Gehörgang! Wie sollen wir das bitte schön anstellen? Nach dem Vorfall heute…“
Er sprach nicht weiter. Ich griff nach seiner Hand.
„He! Wir sind zu zweit, er alleine… also klarer Vorteil für uns!
*-*-*
Den morgendlichen Lauf ließen wir ausfallen. Eigentlich ärgerlich, weil Jakob es schon geschafft hatte, unseren Alltag zu beeinflussen. Aber ich hatte beschlossen, ihm keinerlei Angriffsfläche zu geben.
Über kurz oder lang, würde Captain Davis ihn schon zu Strecke bringen. Im Haus waren bereits, die ersten Handwerker zu Gange, als es an der Tür klingelte. Sofia schaute mich besorgt an.
Ich zuckte mit der Schulter und lief zu Haustür. Vor der Tür konnte ich durch das bunte Glas zwei Leute ausmachen, so öffnete ich die Tür.
„Guten Morgen, Bruderherz“, kam es mir entgegen.
Mike und ein Mann, denn ich nicht kannte standen vor mir.
„Morgen Mike“, entgegnete ich.
„Darf ich dir einen guten Freund vorstellen, dass ist Joe! Er hat einen kleinen Elektroladen in Queens und kennt sich bestens mit Sprechanlagen aus.“
Sprechanlagen? Ich konnte meinem Bruder gerade nicht folgen.
„Ähm… morgen Joe…“, sagte ich und streckte ihm die Hand entgegen.
„Morgen Mr. Brown!“, sagte dieser strahlend und schüttelte meine Hand.
„… Marcus…“, fügte ich noch an.
„Ich habe Levi gestern noch getextet, dass ich jemanden mitbringe, der sich um eine Sprechanlage an eurer Tür kümmert.“
„Aha… davon hat er mir gar nichts gesagt.“
„Bestimmt vergessen… aber egal. Ich zeige Joe kurz die Örtlichkeiten, wo überall ein Anschluss sitzen sollte…“, sagte Mike und schob diesen Joe an mir vorbei.
Etwas fassungslos schaute ich den beiden hinter her, als ich hinter mir einen Wagen hörte. Automatisch drehte ich mich um und sah, wie Levi gerade seinen Wagen einparkte. Ich trat nur vor die Tür und beobachte ihn dabei.
Natürlich fiel mir der andere Wagen auf, der vier Wagen weiter hinten einparkte. Darin saßen die zwei Männer von Captain Davis Truppe.
„He, du brauchst mich nicht an der Tür zu empfangen“, rief mir ein gut gelaunter Levi entgegen, als er die Straßen überquerte.
Ich wartete bis er am Haus war.
„Reiner Zufall, dass ich an der Tür stehe. Mike ist gerade gekommen und…“
„Schade…!“, fiel mir Levi ins Wort, „ ist aber irgendwie schön.“
Als er mich erreichte, drückte er mir einen Kuss auf die Wange und betrat das Haus. Ich folgte ihm ins Haus und schloss die Tür.
„Boah habe ich einen Hunger. Ist Noah unten oder noch in seinem Zimmer…?“
„… ähm in seinem Zimmer… Mike hat einen Elektriker mitgebracht…“
Levi wollte gerade die Treppe hinauflaufen, stoppte aber dann in seiner Bewegung. Er drehte sich zu mir.
„Ah Mist, das habe ich total vergessen. Mike hat mir gestern geschrieben, dass euer Vater die Idee hatte, dass wir dringend eine Sprechanlage an der Haustür bräuchten.“
„Mein Vater…“
Levi legte den Kopf schief.
„Was ist?“
„Ich kam mir gerade, als Mike ankam, etwas blöd vor, weil ich nichts davon wusste.“
Levi legte seine Arme um mich und zog mich zu sich heran.
„Entschuldige Marcus, ich habe es wirklich vergessen, dir zu sagen. Mike meinte, er kümmert sich um alles, so habe ich es irgendwie aus meinem Kopf verbannt. Bist du mir jetzt etwa böse?“
Meine Fassade fing mächtig an zu bröckeln. Diese Augen, die mich gerade wie zwei kleine Sonnen anstrahlten, hatten bereits von mir Besitz ergriffen. Ich ihm böse? Mein Kopf begann sich automatisch zu schütteln.
Die leichte Wut, die vorhin in mir aufgestiegen war, weg, einfach verschwunden.
„Gut, ich dachte schon, ich hab etwas falsch gemacht“, säuselte er und drückte mir einen Kuss auf den Mund.
„Ich hol Noah zum Frühstück“, meinte er noch und lief schon die Treppe nach oben.
Ich dagegen stand immer noch an der untersten Stufe und schaute ihm nach. Wie machte er das? Aber ich hatte keine Zeit, mir weitere Gedanken darüber zu machen. Es klingelte erneut an der Tür.
Dort stand eine Person, mit der Figur einer Frau. So lief ich seufzend zu Tür zurück und öffnete sie erneut.
„Morgen Marcus“, schallte es mir entgegen.
Vanessa, Levis Tante. Sie drückte sich an mir vorbei und betrat das Haus.
„Ähm… guten Morgen… Vanessa.“
Wieder schloss ich die Tür. Sie dagegen stellte ihren Korb auf den Boden und war dabei ihren leichten Sommermantel aus zuziehen.
„Gib ihn mir, ich lege ihn ins Wohnzimmer, hier draußen könnte er schmutzig werden.“
„Wie aufmerksam von dir, danke Marcus“, sagte Levis Tante und drückte mir das Ding einfach in die Hand.
„Guten Morgen Vanessa“, kam es von der Küchentür.
„Guten Morgen, Sofia… ich habe einen Kuchen mitgebracht“, und schon waren die zwei Frauen in der Küche verschwunden.
Kopfschüttelnd ins Wohnzimmer, um den Mantel abzulegen. Levi kam die Treppe herunter.
„Wer war das?“
„… deine Tante.“
„Tantchen?“, fragte er und bevor ich darauf etwas erwidern konnte, war er bereits in der Küche verschwunden.
Ich legte den Mantel auf die Couch und verschloss die Tür wieder. Dann folgte ich Levis Gekicher in die Küche.
„… du weißt ganz genau, dass ich nicht backen kann“, hörte ich Vanessa sagen, „… den habe ich beim Bäcker gesehen und bin nicht daran vorbei gekommen.“
„Wo ist Noah?“, fragte ich einfach, als keiner Notiz von mir nahm.
Die drei, die an der Küchenzeile standen, drehten sich gleichzeitig zu mir.
„Der ist oben bei Mike…“, antwortete Levi.
Bevor ich etwas sagen konnte, klingelte es erneut. Mittlerweile etwas angepisst, hier den Türöffner zu spielen, lief ich erneut zu Tür. Ohne weiter nach zudenken, riss ich die Tür auf und war mehr als erstaunt, meine Mutter dort vorzufinden.
„Guten Morgen Marcus, gut siehst du aus, ohne das rote Zeugs im Haar!“
„Du hast schon bessere Witze gemacht!“, sagte ich sauer.
„Ich wollte eigentlich nur Noah abholen…“
Ich drehte mich um und ließ sie an der Tür stehen.
„Marcus…, was ist denn los?“, hörte ich sie rufen, aber das war mir egal.
Ich lief den Flur entlang, direkt zur Hintertür des Hauses. Sie führte in den kleinen Garten, den ich bis jetzt nur durch das Fenster gesehen hatte. Ich drehte den Schlüssel um, öffnete die Tür und stand mitten im hohen Gras.
Das war mir aber irgendwie egal. Ich warf die Tür hinter mir zu und schloss die Augen. Was war bloß los mit mir? Nicht nur, dass plötzlich hier jeder für mich unangemeldet auftauchte, ich kam mir gerade irgendwie nutzlos vor.
Ich hatte hier angefangen, als Manny, der sich um die Kids kümmert. Gut, die Basis hatte sich geändert, mein Boss war nun mein Freund. Aber trotzdem war meine Aufgabe weiterhin mich Noah und Ella anzunehmen und etwas um den Haushalt zu kümmern.
„Marcus?“
Ich zuckte zusammen, denn ich hatte Levi nicht kommen hören. Ich reagierte nicht auf ihn, hatte die Arme vor meiner Brust verschränkt und schaute immer noch in den verwilderten Garten.
Warum mir gerade jetzt auffiel, dass am hinteren Ende eine verfallene Laube stand, wusste ich nicht. Sofort starteten die grauen Zellen, wegen eines Renovierungsversuchs, was man dazu alles benötigen würde.
„Marcus…?“
Wieder bremste Levi meine Gedanken.
„Entschuldige, wenn ich etwas falsch gemacht habe…“
Ich verdrehte die Augen. Er wusste anscheinend nicht, dass er überhaupt etwas falsch gemacht hatte.
„Ja, ich weiß… du hast es wieder vergessen!“, sagte ich, ohne ihn anzuschauen.
„Was habe ich vergessen…?“
„Das Mum Noah abholen will, oder macht sie das einfach von sich aus?“
Nun hatte ich mich doch umgedreht. .
„… ähm… das war Tante Vanessas Idee, zusammen mit deiner Mutter für Noah neue Klamotten auszusuchen…, davon wusste ich wirklich nichts! …sie hat eben erst angerufen, bevor sie kam.“
Ich atmete tief durch.
„.. und hast es vergessen zu sagen… Levi ich versuche dir so gut wie möglich den Rücken frei zu halten, damit du für das, was nötig ist, genügend Zeit hast. Aber wenn du mir von deinen Plänen nichts sagst, ist das so gut wie unmöglich!“
Am Fenster oben bemerkte ich Mike und Noah, hinter Levi standen Vanessa und meine Mutter in der Tür. Ich war laut geworden.
„Mum sagte mal zu mir, in einer Partnerschaft ist Vertrauen das wichtigste und dass man immer über alles miteinander redet. Davon merke ich gerade nicht sehr fiel!“
Eine einzelne Träne lief über meine Wange. Hastig wischte ich sie weg. Vanessa flüsterte meiner Mutter etwas zu, die darauf nickte und im Haus verschwand. Danach lief sie zu Levi.
„Du schnappst dir jetzt Marcus und ihr zwei fahrt irgendwo hin…! Redet miteinander und macht euch um das Haus keine Gedanken.“
„… aber…“; begann Levi, aber Vanessa fiel ihm ins Wort.
„Nichts aber, das ist jetzt wichtig und nichts anderes!“
Mum erschien wieder in der Tür und hatte zwei Jacken in der Hand. Levi schaute wieder zu mir.
*-*-*
Seit wir das Haus verlassen hatten, wurde nichts gesprochen und langsam machte sich mein schlechtes Gewissen breit. Natürlich war mir nicht entgangen, dass Levi neben mir mit seinen Tränen kämpfte.
Levi ließ den Wagen ausrollen, der Motor erstarb. Erst jetzt schaute ich mich um und sah die Brooklyn Bridge im Hintergrund. Ohne ein Wort zu verlieren, stieg Levi aus, ich folgte ihm.
Beide standen wir nun vor dem Wagen, und Levi schaute zu Boden.
„Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe…“, sagte ich leise.
„Wieso… du hast doch Recht…“
Immer noch schaute Levi nach unten, Tränen tropften auf seine Schuhe. Was hatte ich nur gemacht? Ich hatte ihm versprochen, dass ich ihn so gut ich konnte unterstütze, für ihn da war.
Nun tat ich aber gerade das Gegenteil. Aber war es meine Schuld? Ich trat auf ihn zu und legte meine Hand auf seine Schulter. Er zitterte am ganzen Körper. Plötzlich fuhren seine Arme nach oben, legten sich um mich und zogen mich zu sich heran.
„… bitte verlass mich nicht, ich versuch mich zu bessern… bitte Marcus, lass mich nicht alleine!“
Seine Beine schienen nachzugeben und er drohte abzurutschen, aber ich hielt ihn nun fest an mich gedrückt. Ich gab ihm einen Kuss aufs Haar, denn sein Gesicht war in meine Jacke vergraben.
„Niemand hat etwas von verlassen gesagt, Levi… wie kommst du nur darauf?“, versuchte ich so ruhig wie möglich zu sagen.
Er zuckte mit den Schultern. Ich drückte ihn leicht von mir weg, aber er schaute mich immer noch nicht an.
„… es ist alles noch so neu…, ich war bisher immer auf mich alleine gestellt… ich muss mich erst daran gewöhnen, … dass da jemand…“
„…ist, der dich liebt und dir zur Seite steht!“, beendete ich seinen Satz.
Sein Kopf nickt fast unerkennbar. Ich drückte sein Kinn leicht nach oben, aber sein Blick wanderte abermals von mir weg. Ich gab ihm einen Kuss.
„Levi, es verlangt niemand von dir, dass du dich veränderst…, aber du hast jetzt mich an deiner Seite und du solltest versuchen, mich mit einzubeziehen… in deine Welt… in dein Leben.“
Immer noch liefen Tränen ungehindert über seine Wangen. Vorsichtig versuchte ich sie wegzuwischen.
„Du willst mich… wirklich nicht verlassen…?“
Ich sagte nichts darauf und gab ihm einfach noch einen Kuss.
„Ich liebe dich Levi Scott! Wie könnte ich dich da verlassen?“
„Ich liebe dich auch Marcus…!“
Erneut fanden sich unsere Münder zu einem Kuss. Sein Zittern war zwar noch da, aber er schien wieder im Stande zu sein, alleine zu stehen. Ich entließ ihn, aus meiner Umarmung und griff nach seiner Hand.
„Warum hast du mich gerade hier her gebracht?“
Er schaute sich um, dann wieder zu mir.
„Ich… ich weiß nicht recht, vielleicht, weil früher Mum oft mir hier her gegangen ist.“
„Du vermisst sie…!“
„Unsagbar…! Gerade jetzt. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht am sie denke.“
Ohne etwas zu sagen, zog ich ihn auf den Weg, der in den Park führte. Ich hörte ihm einfach zu. Er hob die Hand und schloss den Wagen, der dies mit einem Blinken quittierte.
„Sie war nicht einfach nur Mum für mich…, sondern auch eine gute Freundin, mit der ich mich über alles unterhalten konnte.“
Das erinnerte mich an meine Zeit mit Mum, bei ihr war es genauso.
„… mit deinem Dad auch?“
„Dad hat viel gearbeitet… und wenig Zeit. Abends, oder an den Wochenenden, nahm er sich Zeit für mich.“
„Das fehlt dir…“,
„Naja… schon irgendwie, aber nach dem die Zwillinge auf die Welt kamen, hat sich unser Leben eh verändert. Nicht das die beiden sich weniger um mich kümmerten, sie hatten einfach weniger Zeit.“
„Warst du auf die Zwillinge neidisch?“
„Nein!“
„Bist du dir sicher?“
„Schon, denn Mum und Dad bezogen mich von Anfang an mit ein. Sogar Windeln musste ich wechseln.“
Ich lächelte, weil sich mein Kopfkino verselbstständigte.
„Wir waren eine große tolle Familie, bis zu dem… Unfall…“
Levi schwieg kurz und starrte dabei auf den Weg vor uns.
„… ich kann mich noch gut daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Die Zwillinge schliefen schon und ich lag in meinem Bett und lernte noch fürs Studium. Es klopfte an meiner Zimmertür und ich dachte eigentlich, Mum kommt noch gute Nacht sagen, aber es war Tante Vanessa, die mein Zimmer betrat.“
Noch immer hielt ich seine Hand und strich sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken.
„Bevor ich sie noch etwas sagen konnte, sah ich an ihren Augen, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein musste…“
Wie alt warst du da?“
„Achtzehn… die Zwillinge acht.“
Also war der Unfall acht Jahre her.
„… und deine Großeltern…, waren sie auch da?“, fragte ich leise.
Er schaute kurz zu mir.
„Granny Grace, Mums Mutter, war mit Tante Vanessa gekommen…“
So hatte er nur noch Vanessa als Verbündete. Eigentlich hatte ich nach den anderen Großeltern gefragt, aber ich wollte nicht weiter fragen. Schon jetzt fiel ihm das Sprechen schwer.
„… Vaters Eltern ließen sich erst am nächsten Morgen blicken.“
Na sauber! Dieser Mann wurde mir immer unsympathischer. Levi drückte meine Hand etwas fester und hatte so wieder meine volle Aufmerksamkeit. Er war stehen geblieben und schaute mich an.
„Ich denke, ich weiß was du denkst. Leider muss ich sagen, dass dort mein Großvater zum ersten Mal sein wahres Gesicht gezeigt hatte.“
„Wie meinst du das?“
Wir liefen weiter.
„Ich kann mich nicht erinnern, wer da alles da war, hauptsächlich Leute auf der Firma und Freunde meiner Eltern, die irgendwie helfen wollten… naja, auf alle Fälle standen da plötzlich Großvater und Granny im Zimmer.“
„Wie haben das Ella und Noah aufgenommen?“
„Ich denke wie ich, konnten sie gar nicht richtig erfassen, was da geschehen war. Richtig schlimm wurde es, als Großvater anfing, die Leute anzuherrschen, sie hätten hier nichts verloren und sollen gehen.
„Was passierte dann?“
„Es gab natürlich einen großen Krach. Granny Frida und Tante Vanessa stellten sich auf die Seite der anderen und es fielen unschöne Worte. Das war auch der Zeitpunkt, wo Noah plötzlich durchdrehte und wild um sich schlug und trat. Ich höre heute noch seine Schreie.“
Oh Gott, was hatte Levi alles durchmachen müssen?
„Seit dem hat er Angst vor Fremden und redet auch nicht mehr mit ihnen.“
„… und da komm ich daher und Noah redet plötzlich…!“
Ich wollte die Stimmung etwas auflockern und es gelang mir auch, denn auf Levis Gesicht machte sich ein Lächeln breit.
„Stimmt! Als du an mir vorbei in die Küche liefst, wollte ich dich schon hinaus schmeißen, aber als ich hörte, das Noah von sich aus mit dir sprach… und den Rest weißt du ja selbst.“
Ich zog ihn zu mir heran und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„… entschuldige, ich habe dich einfach unterbrochen… möchtest du noch weiter erzählen?“
Levi nickte.
„Was danach geschah, habe ich nur noch halb mitbekommen, weil ich Noah versuchte festzuhalten und zu beruhigen. Anscheinend haben Vaters Mitarbeiter Großvater vor die Tür gesetzt.“
„Sie haben ihn rausgeworfen?“, fragte ich erstaunt.
„Nachdem er ihnen angedroht hatte, ihnen alle zu kündigen, waren sie wohl richtig sauer.“
„Und deine Großmutter…?“
„Ich habe gesehen, wie sie Granny Frida und meine weinende Großmutter sich die Hände schüttelten, danach ist sie ebenso gegangen, ohne etwas zu mir gesprochen zu haben.“
Die Bäume um uns herum lichteten sich und nun konnte ich auch wieder die Brooklyn Bridge sehen. Levi zog mich Richtung Rasen.
„Danach habe ich Großvater erst wieder vor Gericht gesehen…“, sprach Levi plötzlich weiter.
„Was? Er hat sich nicht einmal blicken lassen?“
Levi schüttelte den Kopf.
„… und wäre Tante Vanessa mir nicht zur Seite gestanden, ich wäre ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen. Sie kümmerte sich um alles, um einen Anwalt, der mich vertrat…“
„Dich?“
„Ja, nachdem das Testament bekannt war, bekam ich eine Vorladung vom Gericht. Wie du ja schon weißt, wollte er das Sorgerecht für Ella und die Firma…“
Ich schüttelte den Kopf, weil ich nichts darauf sagen konnte. Wie konnte man nur so herzlos sein? Levi stoppte plötzlich und ließ sich einfach auf der Wiese nieder. Ich folgte seinem Beispiel und setzte mich ihm gegenüber.
„Aber Gott sei Dank, ist er damit nicht durchgekommen, aber aufgegeben hat er wohl nie, wie du selbst schon gemerkt hast.“
„Wie hast du das alles ertragen? Erst deine Eltern verloren und dann dieser Streit mit deinem Großvater?“
„Kann ich dir nicht sagen…, ich funktionierte einfach. Ich versuchte mich mit Granny Frida um die Zwillinge zu kümmern und nebenbei versuchte ich mich, als neuer Chef in der Firma einzuarbeiten.“
„… ähm… du warst erst achtzehn und was war mit deinem Studium?“
„… unterbrochen, die Firma und meine Geschwister waren mir da wichtiger! Und bevor du fragst, ich habe mein Diplom in Betriebswirtschaft in einem Abendstudium nachgeholt.“
Wieder schüttelte ich fassungslos meinen Kopf.
„Seit dem kämpfe ich mich so einigermaßen durch, alles unter einen Hut zu kriegen…, naja, bis du aufgetaucht bist…“
Ich musste grinsen.
„Das hört sich gerade so an, als hätte ich deine gesamte Welt über den Haufen geworfen.“
Levi grinste nun auch.
„Hast du ja auch! Da kommt dieser große, sympathische und gutaussehende Mann da her und stellt mein Leben auf den Kopf!“
„Jetzt übertreib nicht!“
„Wieso übertreiben, du siehst gut aus!“, lächelte er mich an.
Mir trieb es tatsächlich Röte in mein Gesicht. Levi fing an zu lachen und ließ sich nach hinten fallen. Ich krabbelte neben ihn und legte mich dazu. So lagen wir eine ganze Zeit einfach nur da. Händchen haltend schauten wir in den Himmel.
„Du weißt schon, dass das alles ein Ende haben muss!“
Während ich das sagte, drehte sich mein Kopf zu ihm.
„Schon, aber wie?“
Auch er drehte den Kopf und schaute mich an.
„Mit ihm zu reden, ist keine Option, du hast selbst gehört, dass wir uns immer wieder in die Haare kriegen. Nur wegen Geld uns Geschwister zu trennen und die Firma zu verscherbeln? Ich verstehe diese Denkweise nicht!“
„Ich denke, dass versteht niemand. Ich glaube, wenn du ihn auf Unzurechnungsfähigkeit untersuchen lassen würdest, würdest du Recht bekommen.“
„Glaubst du wirklich? Soll ich das machen?“
„Quatsch Levi! Dann wärst du nicht besser, als dein Großvater!“
Mein Blick wanderte wieder zum Himmel.
*-*-*
Es war später Mittag, als wir wieder am Haus eintrafen. Die Haustür stand offen und von oben konnte man leichten Baulärm hören. Der Flur war leer, so öffnete ich die Tür zur Küche, aber auch hier war niemand.
Das gleiche Spiel mit dem Wohnzimmer. Levi schaute zu mir und schüttelte den Kopf. Dann hörten wir Gelächter vom Garten. Beide liefen wir nach hinten und Levi öffnete die Tür. Der gleiche Ort, wie am Morgen, nur das Aussehen hatte sich geändert.
Verschwunden war das hohe Gras, die Büsche zurück geschnitten. Mittendrin auf einer Decke saßen Noah, Mum und Vanessa.
„Leviiii“, rief Noah, als er uns bemerkte.
Er sprang auf, lief zu Levi und fiel ihm um den Hals. Mum und Vanessa lächelten mich an.
„Komm!“, hörte ich Noah sagen und schon wurde Levi Richtung Decke gezogen. Ich folgte den beiden.
„Alles in Ordnung?“, fragte nun Vanessa.
Levi und ich nickten fast gleichzeitig.
„Ähm…, was ist hier geschehen?“, fragte mein Schatz verwundert.
Noah ließ sich wieder auf die Decke nieder.
„Eine Idee deines Bruders, er wollte dir eine Freude machen, weil du heute Morgen so traurig warst“, erklärte Vanessa.
„Noah?“
„Ja, er hat wohl Michael bekniet, ihm zu helfen, den Garten etwas in Ordnung zu bringen“, antwortete nun Mum, „und wie du siehst, Michael hat es möglich gemacht. Die Firma ist vor einer halben Stunde verschwunden.“
Levi ging neben seinem Bruder auf die Knie und wuschelte ihm durch die Haare.
„Danke mein Großer!“, meinte er und drückte Noah einen Kuss auf die Wange.
Auch ich ließ mich nieder, direkt neben meiner Mutter.
„Wolltet ihr nicht einkaufen gehen?“, fragte ich leise.
„Das haben wir verschoben, dies hier schien uns wichtiger“, antworte Mum ebenso leise.
Mein Blick wanderte durch den Garten. Ich war verwundert, was so ein Grundschnitt aller Dinge, die Dimensionen ändern konnte. Auf einmal wirkte alles größer. Die Wanderung meiner Augen endete an der Hütte. Sie wirkte wie ein Fremdkörper.
„Die können wir vergessen, die ist hinüber“, sagte Mum, die wohl meinem Blick gefolgt war.
„Eigentlich schade, einer schöner Platz um sich abends davor zu setzten.“
„Hast du das alles gemalt?“, hörte ich Levi fragen und lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Brüder.
Auf der Decke lagen verstreut verschiedene Zeichnungen vom Garten und der Hütte.
„Ja, Tante Vanessa und Tante Nora haben mir geholfen.“
Die Bilder erinnerten mich eher an einen Landschaftsarchitekten, als an einen behinderten fünfzehn Jährigen.
„… und so soll die neue Hütte aussehen?“, fragte Levi.
„… oder so, oder so, oder so!“, antworte Noah und zeigte dabei auf verschiedene Zeichnungen.
Fassungslos schüttelte Levi den Kopf.
„Wir dachten uns, wo doch Noah und Ella bald Geburtstag haben“, begann Vanessa zu reden, „hier hinten vielleicht eine kleine Grillfeier zu machen.“
„Eine tolle Idee, aber sollte der Garten nicht noch mehr hergerichtet werden?“, wollte Levi wissen.
„Das haben wir alles schon in die Wege gleitet“, kam es nun von Mum.
„Ähm…?“, fragend schaute ich sie an.
„Onkel Oliver hilft mir!“, sagte nun Noah.
„Oliver…, dir?“, entfleuchte es mir und Levi fast gleichzeitig.
Alle drei nickten uns grinsend zu.
„Du weißt gar nicht, wie überzeugend dein kleiner Bruder sein kann“, grinste Vanessa.
„Das muss ich jetzt nicht verstehen“, meinte ich leicht gefrustet.
„Michael hat deinen Bruder um Hilfe gebeten, als es um die Gartenfirma ging. Er hat ja mit dem Dachausbau genug um die Ohren. Da hat sich Noah einfach sich das Handy geschnappt und mit Oliver geredet.“
„Noah hat was?“, fragte Levi entsetzt.
Vanessa und Mum fingen an zu lachen.
„Ja, so ungefähr haben wir auch geschaut, als Noah Oliver erklärte, was er im Garten machen möchte“, sagte Vanessa.
Beide schauten wir zu Noah, der grinsend seine Bilder anschaute.
„… und Oliver macht einfach das, was Noah sagt?“, fragte ich ungläubig.
„Wie Vanessa schon sagte, Noah kann sehr überzeugend sein!“, grinste Mum.
„Ich fass es nicht“, meinte Levi.
„Du willst nicht zufällig deine Firma erweitern und die Schreinerei meiner Eltern aufkaufen?“, wollte ich von Levi wissen.
„Ich? Wie kommst du auf so einen verrückten Gedanken?“
„Weil nun schon fast meine ganze Familie für dich arbeitet.“
Wieder fingen die Damen an zu lachen.
„Ich sehe, ihr seid sehr vergnügt?“
Vater? Ich drehte mich zum Haus, wo gerade der besagte aus dem Haus trat.
„Hallo John, nett dass sie vorbei schauen!“, sagte Vanesa hinter mir und erhob sich.
Dad trug irgendetwas Verpacktes vor sich her. Auch Mum und Levi waren aufgestanden, so raffte ich mich auch auf.
„Irgendwie muss ich ja meine Frau zu Gesicht bekommen!“, grinste er.
Levi schüttelte ihm die Hand.
„Komm, sonst bist du den ganzen Tag in der Firma und kommst selten vor sieben abends nach Hause.“
Der Gedanke drängte sich mir auch auf.
„Mein Sohn sagte, ich soll das hier ausliefern…, es wäre ein Teil der neuen Gartenlaube, die hier im Garten aufgestellt werden soll.“
Er trat vor und reichte das Paket Noah, der immer noch auf der Decke saß.
„…vorsichtig auspacken“, fügte mein Vater noch hinzu.
Verwundert schaute ich zu den anderen, aber sie waren genauso neugierig wie Noah. Langsam riss Noah das Packpapier von dem Paket. Genauso vorsichtig öffnete er dann den Deckel. Dann begann er breit an zu grinsen.
„Die Möwe…?“, fragte Mum.
Levi bückte sich und griff ins Paket. Zum Vorschein kam einer von Dads Schnitzereien, die Möwe.
„Oliver meinte, was passt besser zu einer Hütte am Wasser, als eine Möwe“, erklärte Dad.
Noah sprang auf und umarmt plötzlich Dad.
„Danke, danke, danke!“, rief der Junge.
Der wusste gar nicht wie ihm geschieht und ich konnte nicht anders und musste grinsen, wie die anderen auch.
„Wir sollten dann fahren, du weißt, der Termin mit Mrs. Midfire…“
„Das hätte ich fast vergessen“, meinte Mum zu Vanessa, „… eine ältere reiche Dame, die nur mit Frauen verhandelt!“
„So etwas gibt es noch?“, kam es von Levis Tante.
„Ja, in New York ist alles möglich. Dann lass uns mal fahren, die Frau hasst Unpünktlichkeit!“
Die zwei verabschiedeten sich und waren schnell verschwunden. Ich stand nur fassungslos da und schaute immer noch Richtung Haus.
„Was war das gerade… eben?“, fragte ich und zeigte zum Haus.
„Was meinst du?“, wollte Levi wissen und setzte sich wieder neben seinen Bruder.
„Netter Zug von Marcus Vater“, sagte Vanessa und ließ sich ebenso auf die Decke nieder.
„Mein Vater…?“
Levi zog an meiner Hand und ich plumpste regelrecht nach unten. Mein Blick wanderte zwischen Levi und Vanessa hin und her.
„Ja, das war dein Vater“, grinste Levi.
Vanessa schaute mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf.
„Ich kenne meinen eigenen Vater nicht mehr. Das eben…“, ich stockte mitten im Satz.
Vanessa lächelte und griff nach meiner Hand.
„Als ich damals sagte, du bringst sicher frischen Wind in diese Familie, dachte ich eigentlich an Familie Scott! Aber anscheinend betrifft dies nun auch deine Familie, die die Scottsche Familie irgendwie vergrößert hat.“
„Daran ist der schuld!“, sagte ich und zeigte auf Levi.
„Ich…?“, fragte mein Schatz und zeigte verwirrt auf sich selbst.
„Ja du! Wer hat denn meine ganze Familie verpflichtet, hier am Hausumbau zu helfen?“
Ich versuchte ernst zu schauen, aber ein leichtes Grinsen, konnte ich mir nicht verbeißen.
„So ist das also, jetzt bin ich wieder an allem schuld!“
Er wandte sich von mir an und schaute zu Vanessa.
„Tantchen, könntest du mir helfen, eine andere Schreinerei zu suchen?“
„Halte mich da heraus!“, sagte Vanessa grinsend.
„Noah will keine andere Firma!“, mischte sich nun auch der kleine Bruder ein.
Levi wuschelte Noah durch die Haare und sah mich dabei fies grinsend an. Was Levi konnte, dazu war ich auch fähig.
„Du willst also Noah seiner neuen Onkel berauben?“
„Bevor das jetzt ausufert, verabschiede ich mich jetzt lieber“, unterbrach Vanessa unser Geplänkel.
„Wolltest du nicht bis zum Abendessen bleiben?“, fragte Levi.
„Wollte ich, aber mir ist eingefallen, dass ich mich noch um etwas kümmern muss!“
„Was denn?“, fragte nun Noah neugierig.
„Deine Oma Frieda hat sich angekündigt, da gibt es noch Einiges vorzubereiten.“
„Oma Frieda kommt?“, fragte nun Levi verwundert.
Dann lernte ich auch diesen Teil der Familie kennen.
„Ja, wir hatten am Wochenende ein längeres Telefongespräch.“
„Habt ihr das nicht immer?“, sagte Levi lachend.
Vanessa verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse.
„…, dabei habe ich ihr erzählt, welche Veränderungen in diesem Haus stattfinden.“
„… und nun kommt sie her und will das selbst sehen.“
„So ungefähr, aber ich denke eher, sie hat noch etwas anderes im Sinn.“
„Wie kommst da drauf?“
„Ich hab so neben bei Marcus erwähnt und sie fing gleich an zu bohren.“
„Oh ha…“
„Ich denke, sie will unbedingt den Mann kennen lernen, der ihrem Enkel den Kopf verdreht hat!“
„Und dafür reist sie extra aus Florida an?“
„Ja!“
„Da können wir uns auf etwas gefasst machen!“
„Wieso?“, rutschte mir heraus.
„Das wirst du selbst merken, wenn du sie kennen lernst!“
Toll, das sagte alles und gar nichts.
„Meine Mutter würden andere als verrückt und aufgedreht halten und vor allem…, sie ist sehr direkt, was manchmal sehr peinlich sein kann“, erklärte Vanessa, als sie sich erhob.
„Ja, ihre immer wieder neuen Ideen lassen mich manchmal an ihr zweifeln“, kam es von Levi.
Er half seinem Bruder die Malsachen zusammen zu räumen.
„Da bin ich mal gespannt.“
*-*-*
Der Mittag ging damit drauf, die Küche und das Wohnzimmer aufzuräumen. Um Noah zu beschäftigen hatten sich Vanessa und Mum einiges einfallen lassen, aber von wieder wegräumen war keine Spur.
Während Levi und Noah nach oben verzogen hatten, war ich alleine hier unten. Über das aufräumen, hatte ich die Zeit vergessen. Daran erinnert wurde ich, als jemand das Haus betrat.
„Bin zu Hause!“, hörte ich es rufen.
Erschrocken drehte ich mich zur Küchentür und sah Ella dort stehen.
„Ihr baut wirklich um?“, hörte ich eine Jungenstimme sagen.
Ich trocknete meine Hände ab und lief zum Flur.
„Er glaubt dir immer noch nicht, dass du ein neues Zimmer bekommst.“
Im Flur standen bei Ella Evelyn und Elijah.
„Hallo!“, sagte ich.
Mit einem „Hallo Marcus“, wurde ich begrüßt.
„Wir haben zu dritt eine Aufgabe aufbekommen…“, begann Ella zu erklären.
„… und wollt das jetzt im Wohnzimmer lösen“, beendete ich den Satz.
„Das war mein Plan“, grinste Ella.
„Soll ich euch etwas zum Trinken bringen?“
„Das fänd ich toll!“
„Kommt sofort“, grinste ich.
Die drei liefen ins Wohnzimmer, dass ich glücklicherweise schon fertig hatte. Ich selbst ging in die Küche zurück. Dabei schielte ich kurz durch die offene Haustür auf die Straße. Auf der anderen Seite entdeckte ich jemand stehen, der gerade hier her schaute.
Abrupt bremste ich und machte kehrt. An der Haustür angekommen schaute ich natürlich in alle Richtungen, konnte aber die Person von eben nicht entdecken. Es war ein Mann, soviel konnte ich erkennen.
Aber Basecap und Sweater mit Mütze hatten das Gesicht verdeckt. Ich atmete tief durch. Natürlich war die offene Haustür eine willkommene Einladung das Haus einfach so zu betreten.
Auch konnte es jemand gewesen sein, der Ella beobachtet hatte. Oder ich war einfach nur paranoid geworden und reimte mir Sachen zusammen, die da nicht waren. Kopfschüttelnd lief ich in die Küche zurück und setzte mein Vorhaben in die Tat um.
Schnell waren drei Gläser auf ein Tablett gestellt, dazu Saft und Cola. Nach kurzem Suchen wurde ich fündig. Noch ein paar Kekse rundeten das ganze ab. Ich schnappte mir das Tablett und trug es ins Wohnzimmer hinüber.
Die drei hatten sich am Esstisch breit gemacht und ich stellte das Tablett einfach in die Mitte des Tisches.
„Danke Marcus“, meinte Ella und grinste mich an.
Ich drehte mich um zur Tür, da fiel mir etwas ein.
„Ach Ella, da fällt mir ein, ich habe gehört, du hast bald Geburtstag… hast du schon etwas geplant?“
Die zwei Schulfreunde schauten Ella gespannt an.
„Nein, habe ich noch nicht, aber auf alle Fälle, keinen von Levis geplanten Kindergeburtstagen! Aus dem Alter bin ich raus!“
„Wieso, ich fand den Clown letztes Jahr lustig“, sagte Evelyn und Elijah nickte
„Keine Sorge, so etwas hatte ich nicht im Gedanken.“
„Du hast schon etwas geplant?“
„Nein nicht, nur etwas im Hinterkopf. Wie viele Leute möchtest du einladen, dass sollte ich vielleicht wissen.“
„Ähm Evelyn und Elijah hier, zu mehr haben wir eh keinen Platz.“
„Wegen dem Platz brauchst du dir keinen Gedanken machen.“
„Marcus, du weißt wieder mehr, als du zugibst!“
„Vielleicht!“, grinste ich und ließ die drei alleine.
Im Flur kam Levi die Treppe herunter gelaufen.
„Marcus… ich habe Ella ganz vergessen!“
„Die sitzt mit Evelyn und Elijah im Wohnzimmer und machen Hausaufgaben zusammen.“
„Oh … gut“, meinte Levi und bremste auf der Treppe ab,
Ich sah die Erleichterung in seinem Gesicht.
„Wenn du Zeit hast, sollten wir mal über den geplanten Geburtstag reden.“
„Stimmt, die hatten das vorher erwähnt…, da muss ich mich schnellst möglich um einen Clown kümmern.“
Ich stellte den Kopf schräg und musste grinsen.
„Was denn?“
„Die beiden werden sechszehn, meinst du ein Clown ist da noch angemessen?“
„Noah hat das immer gefallen!“
„Wie wäre es zum Beispiel mit einem Magier, der zieht sowohl jung und alt in seinen Bann! Ich mache für dich mich gerne kundig!“
Levi lief nun die restlichen Stufen herunter und blieb auf der unteren Stufe stehen. Er hob die Hand und legte sie an meine Wange.
„Was hast du in diesem kleinen Köpfchen schon wieder geplant?“
„Noch nichts, aber ich möchte Noahs Wunsch eine Grillparty zu veranstalten nachkommen und da ich davon ausgehe, dass dein kleiner Bruder meine Familie dabei haben will, muss ich rechtzeitig anfangen zu planen!“
Levi kratzte sich am Hinterkopf.
„Gut, ich gebe mich geschlagen! Ich überlasse dir die Vorbereitungen.“
„Brav!“, meinte ich und kraulte ihn frech grinsend am Kinn.
Er packte mich darauf am Kragen und zog mich ruckartig zu sich. Darauf folgte ein kurzer heftiger Kuss.
„Nicht frech werden!“, meinte er und lief wieder nach oben.
*-*-*
Die nächsten Tage verliefen ähnlich, sie waren von Umbau geprägt. Auch die Überzeugungskraft von Noah sollte ich bemerken. Oliver hatte wirklich eine Firma gefunden, die auf die Schnelle, eine neue Gartenlaube aufstellte.
So war das Haus zur Großbaustelle geworden. Oben der Dachumbau und hinter dem Haus, die Gartenlaube und ein kleines Gartenteam. Ich selbst saß mit dem Laptop am Küchentisch und hatte ein Auge auf den Flur geworfen.
Auch auf die Gefahr hinauszulaufen, paranoid zu werden, schaute ich, wer da ständig das Haus betrat. Mike war nach unten gekommen und flirtete gerade ungeniert mit Sofia, die ihm einen extra starken Kaffee gemacht hatte.
In diesem Augenblick sah ich aus dem Augenwinkel heraus, wie der gleiche Typ, wie am Anfang der Woche im Flur stand. Dunkle Hose Sweater mit Kapuze und Basecap. Ich sprang auf, aber der Typ setzte sich schon in Bewegung.
„Was ist Marcus?“, fragte Mike von meiner plötzlichen Aktion erschrocken.
Ich hatte keine Zeit für Erklärungen und ließ ihn mit Sofia einfach stehen. Wie von einer Tarantel gestochen, rannte der Typ aus dem Haus, sprang mit einem Satz die Treppe hinunter und rannte den Gehweg Richtung Joralemon Street ein.
Mutig wie ich war, sprang ich natürlich nicht die Treppe hinunter, sondern nahm jede einzelne Stufe. Dann rannte ich dem Typ weiter nach, der bereits schon einen guten Abstand gewinnen konnte.
Als ich schwer keuchend an der Joralemon Street ankam, war er natürlich weg.
„Marcus, was ist passiert?“, hörte ich plötzlich Mike hinter mir.
Ich hatte immer noch meine Hand auf der Brust liegen und versuchte Herr über meine Atmung zu werden.
Anfang der Woche ist… mir ein Typ aufgefallen…“, ich rang nach Luft, „… der als Ella von der Schule heimkam auf der anderen Straßenseite stand. Ich dachte, ich mach mir zu viel Sorgen und bilde mir das nur ein und der steht dort zufällig.“
Ich atmete noch mal tief durch.
„Ja und?“, wollte Mike wissen.
„ich hab das dann wieder vergessen, aber genau der Typ, mit dunkler Hose, grauer Sweater mit Kapuze und Basecap, stand eben bei uns im Flur!“
„Bist du sicher?“
Ich nickte.
„Komm lass uns zurück gehen! Wir rufen diesen Capitän Davis an!“
Als wir etwas später wieder am Haus eintrafen, standen Sofia mit Levi und Noah auf der Schwelle.
„Was ist passiert?“, fragte Levi.
Mittlerweile meiner normalen Atmung mächtig, erzählte ich auch ihm, was ich Mike vorher gesagt hatte.
Erschrocken hielt Sofia ihre Hand vor den Mund.
„Es war aber nicht Jacob, oder?“, fragte Levi.
„Nein, den hätte ich auch mit Verkleidung erkannt.“
„Ich rufe Davis an!“
„Das habe ich auch vorgeschlagen“, meinte Mike.
*-*-*
Die zwei frisch abgezogenen Polizisten in Zivil wurden wieder eingesetzt, mit einer Liste der Mitarbeiter von den Firmen, die gerade im und am Haus tätig waren. Ansonsten wies Capitän Davis seine Kollegen an, in der Nachbarschaft nach Dashcams in den Fahrzeugen zu forschen, ob vielleicht dort etwas aufgenommen wurde.
Um mich von dem Ganzen abzulenken, hatte mir Noah geschnappt, um den Platz neben der Treppe vor dem Haus einer Grundreinigung zu unterziehen. Noah machte es sichtlich Spaß, mit dem Schrupper über die Bodenplatten zu schruppern.
„Alles klar mit dir?“
Diese Frage kam von Levi, der auf der Treppe, ans Geländer gelehnt stand. Ich schaute zu ihm hinauf, atmete tief durch und wischte mir mit dem Arm über meine Stirn. Kopfnickend bejahte ich seine Frage.
„Du weißt, es gibt auch Hochdruckreiniger!“, meinte darauf Levi.
„So lenkt es aber meine Gedanken ab und wie du siehst, macht es deinem Bruder Spaß.“
Levi lief die Treppe hinunter und nahm mich in den Arm.
„Lass dich von dem Typen ja nicht mürbe machen! Das ist genau was Jakob will!“
„Nicht mürbe, ich habe etwas Angst. Der Typ stand in unserem Hausflur, wie weit werden die noch gehen?“
„Ja ich weiß und das wird aber nicht mehr vorkommen!“
„Was macht dich da so sicher? Ich habe Angst, irgendwer könnte Noah oder Ella was antun!“
„Soweit lasse ich es nicht kommen, hörst du?“
Ich atmete tief durch und versuchte nicht zu weinen.
„Ich bin fertig, was soll ich jetzt machen?“
Noah riss mich aus meinen Gedanken und Levi lies mich los.
„Das machst du gut“, meinte Levi und wuschelte seinem Bruder über den Kopf.
Dieser strahlte voll Stolz.
„Und wie geht es weiter?“, wollte mein Schatz wissen.
„Marcus meinte, wir stellen da zwei Holzkisten hin, machen Sand rein und ich darf dann die Blumen aussuchen, die da reinkommen!“
„Holzkisten?“, schaute Levi mich fragend an.
„Zwei längliche Holzkübel…“
Levi verstand und nickte.
„… und da stellen wir eine Bank hin, da kann Noah mit Levi abends hinsitzen und den Leuten zuschauen.“
„Die Nachbarschaft beobachten“, flüsterte ich Levi zu.
„Wenn du schon alles weißt, was gibt es heute Abend zum Essen?“
Noahs Stirn kräuselte sich, dann zuckte er mit der Schulter.
„Noah kann nicht kochen, dass musst du machen“, sagte Noah und zeigte auf seinen Bruder.
Levi ging auf seinen Bruder zu und begann ihn zu pieken.
„So, ich muss das.“
„Hör auf…, das kitzelt.“
Levi grinste und machte weiter.
„Das kitzelt…?“
„Jaaahaa… aaahh…“
Levi packte seinen Bruder, hob ihn etwas hoch und wirbelte ihn herum. Noah quickte und lachte vor Freude. Dann setzte Levi Noah wieder ab, ließ ihn aber nicht los.
„Hab dich lieb!“, hauchte mein Schatz, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und erneut wuschelte er dem Kleinen durchs Haar.
*-*-*.
Während Noah schon im Bett lag und Ella noch über ihren Hausaufgaben brütete, saß Levi in seinem Büro. Ich selbst war noch ein Stockwerk höher gegangen und schaute die Fortschritte an, die mein Bruder gemacht hatte.
Die Wände waren eingezogen, dort wo später einmal Schalter oder Steckdosen die Wand zieren sollten, hingen nun Stromkabel heraus. Vom Dach selbst war nichts mehr zu sehen, komplett mit Holztafeln verleidet.
Da hatten sich mein Bruder und seine Mitarbeiter wirklich ins Zeug gelegt. Dem baldigen Einzug von Ella würde nichts im Weg stehen. Ich schaltete das Baulicht aus und schloss hinter mir die Speichertür.
„Alles zu deiner Zufriedenheit?“, grinste mich Levi an.
Er stand unten an der Treppe und hatte seine Klamotten gegen Shorts, Shirt und Wollsocken eingetauscht.
„Ich hätte nicht gedacht, dass das alles so schnell geht“, meinte ich und lief die Treppe hinunter.
„Da hast du Recht, sie legen sich richtig ins Zeug.“
„Bist du mit dem Büro schon fertig?“
„Fertig nicht, aber ich habe einfach keine Lust mehr. Den Rest, es ist nicht viel, kann ich auch morgen machen.“
„Dann können wir ja zum gemütlichen Teil des Abends übergehen, ich habe zufällig auch gerade Feierabend“, grinste ich breit.
Mittlerweile war ich unten bei ihm angekommen. Levi schaute mich an, sagte aber nichts.
„Was?“
Levi lehnte sich verträumt an den Treppenpfosten.
„Ich kann noch immer nicht fassen, was da gerade läuft! Der Umbau, der Garten… und…“
„Und?“
„…, dass mit uns.“
Bei diesen Worten zog mich Levi zu sich heran. Seine Hand wanderte zu meinem Nacken und ich spürte einen leichten Druck, damit sich unsere Gesichter sich noch näher kamen.
„Ist dir zu viel?“, fragte ich mit sanfter Stimme.
Levi schüttelte den Kopf.
„Es ist eben neu und du weißt, der Mensch ist ein Gewohnheitstier.“
Ich atmete tief durch.
„Da gebe ich dir Recht, es geht alles irgendwie etwas schnell und dich trifft es am meisten.“
„Damit komme ich schon klar und mit dir an meiner Seite, kommt es mir vor, alles zu schaffen!“
Unsere Stimmen waren nur noch ein Flüstern.
„Du sagst aber, wenn es dir zu viel wird“, meinte ich und unsere Münder waren nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt.
Ein leise Tapsen ließ uns aber inne halten.
„Noah?“, flüsterte ich.
Levi zuckte mit den Schultern und beide schauten wir zum anderen Ende der Treppe, wo plötzlich Ella auftauchte.
„Ella? Alles in Ordnung?“, fragte ich.
„Sorry wenn ich störe…“
„Du störst doch nie“, grinste Levi.
„Marcus meinte, ob ich mehr Leute zum Geburtstag einladen möchte…“
Ich nickte.
„… und da habe ich mich mit Elijah und Evelyn kurzgeschlossen, denn es soll ja jemand sein, die Noah schon kennt…“
Alles Achtung, ich hätte nicht gedacht, dass sie so um ihren Bruder sorgt.
„… und weil Marcus meinte, es wäre Platz, da wollte ich fragen…, kann ich zehn Leute einladen?“
„Zehn?“, fragte Levi verwundert.
Ella Gesichtsausdruck war plötzlich von Enttäuschung gezeichnet.
„Ich dacht mir schon, dass das zu viel ist…“
„Öhm, also der Platz wäre da“, meinte ich und schaute zu Levi.
„Wird dir das nicht zu viel, ich meine wegen dem Essen und Getränken?“, fragte Levi besorgt.
„Ich habe eine Cateringfirma gefunden, die alles übernimmt.“
„Eine Cateringfirma?“
„Ja, oder willst du, dass Sophia, deine Tante oder gar meine Mutter, darauf würde es nämlich hinauslaufen, ständig in der Küche stehen?“
Levi schüttelte den Kopf.
„Also an mir soll es nicht liegen, wenn du die einladen möchtest, gebe ich meine hochoffizielle Erlaubnis dazu.“
Ohne etwas zu sagen, sprang Ella ihrem Bruder um den Hals.
„Danke…, danke!“
Sie ließ ihren Bruder los und wandte sich wieder an mich.
„Danke Marcus, ich habe auch eine Namensliste aufgeschrieben, damit du weißt wer kommt.“
Wie aus dem Nichts, zauberte sie ein Blatt Papier hervor. Levi griff sich die Notiz und überflog sie.
„Die kenne ich alle bis auf den einen… Robert Brixton…, wer ist das?“
„…der, …der ist auch aus meiner Klasse“, antwortete Ella verlegen.“
Ella benahm sich plötzlich komisch.
„…und warum kenne ich den dann nicht?“, wollte Levi wissen.
„Können wir das morgen diskutieren? Es ist spät und Ella sollte ins Bett“, unterbrach ich die beiden und schob Ella wieder Richtung Treppe.
„Aber…“, kam es von Levi.
Auf Ellas Gesicht machte sich Erleichterung breit. Ich entriss Levi die Notiz.
„Ich werde jetzt Ella runter bringen und du kannst ja schon den Rotwein einfüllen“, fiel ich Levi ins Wort.
Ohne auf ein weiteres Wort von Levi zu warten, schob ich Ella weiter vor mir her nach unten.
*-*-*
Als ich in Levis Bereich zurückkehrte, war schon alles dunkel, nur ein schwacher Schein drang aus seinem Zimmer. Levi selbst saß auf der Couch, hatte die Beine angezogen und starrte mit dem Glas Wein in der Hand, ins Leere.
Ich schloss die Tür hinter mir und gesellte mich zu ihm.
„Ist mein Schatz jetzt beleidigt?“, fragte ich und setzte mich.
Aus dem Gedanken gerissen schaute er auf.
„Nein…, nein bin ich nicht…, mir fällt nur auf, wie wenig ich um mich herum mitbekomme. Mir kommt der Gedanke auf, ich verpasse irgendwie etwas.“
Diesen Gedanken hatte ich bis jetzt noch nicht, denn es passierte einfach zu viel in dieser Familie. Ich nahm einen Schluck vom Rotwein.
„Ich denke nicht, dass du etwas verpasst, es passiert einfach zu viel… und leider jede Menge Veränderungen auf einmal.“
„Du denkst, ich habe mir zu viel vorgenommen?“
„Nein, das denke ich nicht, du korrigierst nur gerade Dinge, die in der Vergangenheit nicht so gut gelaufen sind und wie du schon sagtest, der Mensch ist ein Gewohnheitstier und das Neue reist dich aus deiner Komfortzone, die du bisher gewohnt warst.“
„Konfortzone, wie sich das anhört… So gesehen ist das hier“, er zeigte mit der Hand ins Zimmer, „mein kleines Reich…“
„… und selbst da bist du nicht mehr alleine für dich“, widersprach ich ihn.
Er schaute mich lange an.
„… aber du störst nicht, ich fühle mich wohl in deiner Gegenwart“, meinte er leise.
Ich zog ich langsam an mich heran.
„Trotzdem ist es neu für dich! Du meintest die Tage, ich solle meinen Krempel packen und zu dir hoch ziehen.“
Er nickte.
„Ich denke…, wir lassen alles so wie es ist!“
„Aber…“
„…Lass mich bitte ausreden!“
Ich wartete einen Augenblick, aber er sagte nichts mehr.
„Auf lange Zeit gesehen, würden wir denselben Fehler begehen, wie er jetzt besteht.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Du siehst jetzt schon wie sich Ella und Noah in die Quere kommen, wenn es ums Bad geht und das wäre bei uns morgens nichts anders. Klar ist es schön mit dir zu duschen, aber nicht wenn ein neuer Tag ansteht. Ich kann gerne ein paar Dinge hier oben deponieren, aber ich denke, es ist besser, ich behalte mein Zimmer.“
Levi schien zu überlegen.
„So gesehen, ist es mein kleines Büro und Gästezimmer, falls jemand übernachten will…“
Dass ich da auf Mike anspielte, konnte sich Levi wahrscheinlich denken.
„… und es stört mich nicht, abends die paar Schritte zu dir hoch zu laufen.“
Levi kuschelte sich dichter an mich heran.
„Ich wollte dich doch nur bei mir haben.“
„Hast du doch! Ich bin immer bei dir und auch für dich da.“
Plötzlich setzte er sich auf.
„Oh, da fällt mir etwas ein, das hatte ich schon wieder fast vergessen. Hast du am Sonntag, an deinem freien Tag schon etwas vor?“
„Nein, wieso fragst du?“
„Vanessa hat angerufen, dass Oma Frida spät am Samstagabend ankommt und wollte mit uns am Sonntag essen gehen.“
„Sie will mich dabei haben? Also ich habe Zeit! Wann genau kommt der Flieger denn an?“
„Kurz vor elf…, wieso fragst du?“
„Wie wäre es, wenn wir auch zum Flughafen fahren, darüber würde sich deine Großmutter sicher freuen.“
„Aber Noah…?“
„Für den wäre es auch ein neues Erlebnis, etwas was er noch nicht gesehen hat. Du weißt selbst, der Junge muss mehr raus, mehr von seiner Umwelt kennen lernen.“
Levi ließ sich wieder zurück gleiten und seufzte.
„Du hast ja Recht. Ich habe ja selbst erlebt, wie sich Noah verändert, seit er mehr Kontakt nach draußen hat.“
Er überlegte kurz.
„Meinst du, wir bekommen das hin, du weißt, er schläft um diese Zeit schon.“
„Das lass mal meine Sorge sein, du solltest dich aber mit deiner Tante kurz schließen, damit sie Bescheid weiß.“
„Okay…“, er gähnte, „steht noch etwas an…, ich bin müde.“
Ich lächelte.
„Dann lass uns mal schnell ins Bett gehen, bevor du mir hier auf der Couch einschläfst.“
*-*-*
Nach ausgiebigen Kuscheleinheiten und dem morgendlichen Sport, war ich auf dem Weg nach unten in die Küche. Levi hatte mit Ella das Haus bereits verlassen. Sie hatte mir am Abend vorher anvertraut, dass dieser Robert, so etwas, wie ihr Freund wäre, es aber Levi noch nicht sagen wollte.
Ich hatte dieses Thema bewusst nicht mehr angesprochen, denn es passte einfach nicht ins Gespräch. Von Ella hatte ich auch erfahren, warum sie sich so schnell mit Robert anfreundet hatte, der zwei Monate vorher neu in die Klasse gekommen war.
Seine Eltern waren aus beruflichen Gründen, in diesen Stadtteil gezogen, sogar nur drei Straßen weiter, und bewohnten wie wir ein kleines Häuschen dort. Wie Ella hatte Robert einen Bruder, der dasselbe Schicksal teilte, wie Noah,
Mir war dieser Junge auch schon ein paar Mal aufgefallen, wenn ich Ella von der Schule abholte. Einen Kopf größer als der Rest und blonden Lockenkopf, fiel er eben auf, auch wenn ich bis dahin nicht wusste, dass es Robert war.
Irgendwie würde ich das Levi schon beibringen, dass Ella ihren ersten Freund hatte. Aber es machte mich auch mächtig stolz, dass Ella mir so vertraute und mir das alles erzählt hatte. Die ersten Bauarbeiter trafen ein und so war ich froh, in der Küche anzukommen.
„Morgen Sofia.“
„Morgen Marcus!“, lächelte mich unsere Köchin an.
Ich ließ mir einen Kaffee heraus.
„Marcus, hätten sie irgendwann Zeit, sich mit mir zusammen zusetzten, wegen dem Geburtstag. Ich müsste wissen, was geplant ist, wegen dem Essen, damit wir alles rechtzeitig einkaufen.“
Ich überlegte kurz.
„Haben sie jetzt kurz Zeit?“
„Öhm ja…“
„Dann setzten sie sich doch kurz zu mir, damit ich sie in unsere Pläne einweihen kann.“
Sie rieb ihre Hände am Handtuch ab und setzte sich zu mir. Ich ließ mich aber so nieder, dass ich den Flur in Auge hatte. Trotz der Vorsichtsmaßnahmen, wollte ich auf Nummer sicher gehen und sehen, wer da ein und ausgeht.
„Wie sie wissen, findet der Geburtstag im Garten statt und bei der Menge an Leuten und…“
„Wie viele kommen denn“, unterbrach mich Sofia.
„Im Augenblick bin ich bei zweiundzwanzig Personen und deswegen denke ich mir und auch weil die Kids sie bei der Party dabei haben möchten, dass wir einen Cateringservice nehmen, damit sie nicht die ganze Zeit in der Küche verbringen.“
Sofias Augen wurden glasig.
„Noah und Ella möchten mich dabei haben?“
Ich grinste.
„So gesehen, gehören sie auch zu dieser Familie!“
„Danke Marcus!“
„Danken sie nicht mir, sondern den Kids.“
Die Rettung nahte, bevor das hier ausuferte.
„Bin wieder da“, hörte ich Levi rufen.
Automatisch schaute ich Richtung Flur, wo wenige Sekunden später mein Chef erschien.
„Frühstückt Noah wieder in seinem Zimmer?“
„Da musst du ihn selbst fragen?“
„Okay… ich versuch es mal“, meinte Levi frohgelaunt und schon war er wieder verschwunden.
Ich wandte mich wieder zu Sofia.
„Die Leute vom Cateringservice kommen entweder heute oder morgen vorbei, um die Details zu besprechen, da hätte ich sie gerne dabei, sie wissen am besten, was in der Familie gegessen wird.“
„Kein Problem, Marcus“, sagte Sofia und erhob sich wieder.
„Dann werde ich mich mal Mittagessen kümmern.“
„Guten Morgen!“, schallte es durch den Flur.
Mike war angekommen, aber nicht nur er, sondern er hatte auch Oliver im Gepäck.
„Oliver?“
„Auch guten Morgen“, grinste mich dieser an.
„Morgen Sofia, könnten sie mir wieder eine Tasse ihres berühmten Kaffees machen“, fragte Mike, bevor ich weiter reden konnte.
„Guten Morgen Michael… natürlich“, lächelte Sofia, „auch wenn der berühmte Kaffee eigentlich aus dem Kaffeeautomat kommt.“
„Egal. Er schmeckt einfach gut!“
Und wieder wurde daran gehindert zu fragen, was Oliver hier wollte, Levi kam die Treppe herunter.
„Guten Morgen Mike… Oliver.“
Die Begrüßerei war zwar schön, begann mich aber zu nerven. Ein gemeinschaftliches „Guten Morgen“ schalte in den Flur.
„Oliver, was führt dich hier her?“, kam mir Levi mit seiner Frage zuvor.
„Dein Bruder!“, antwortete Oliver.
„Mein Bruder?“
„Ja, Noah wollte die Blumen für den Garten und den Kübeln vor dem Haus aussuchen.“
„Noah?“
Verwundert hatte ich gefragt.
„Ja, ich habe versprochen, mit ihm in den Gartencenter zu gehen.“
Levi sah mich strahlend an.
„Ich hätte da nur ein klitze kleines Problem.“
„Das da wäre?“, fragte Levi.
„Ich brauch einen Fahrer, mit dem da“, er hob seinen Gips in die Höhe, „kann ich nicht fahren.“
In der Zwischenzeit war Mikes Kaffee durchgelaufen. Sofia schnappte sich die Tasse und reichte sie meinem Bruder.
„Ich bin dann oben“, meinte Mike noch und verschwand in den Flur.
„Also ich muss nach dem Frühstück ins Büro… habe eine wichtige Videokonferenz!“, sagte Levi und ließ sich am Frühstückstisch nieder.
Nun sah Oliver mich an und ich seufzte, aber groß sagen konnte ich nichts, denn Noah erschien in der Küche.
„Hallo Onkel Oliver!“, meinte er und setzte sich zu seinem Bruder.
„Morgen Noah!“
Während Oliver und Levi breit grinsten, schüttelte ich nur den Kopf.
*-*-*
Ich sollte wirklich mehr Auto fahren und es wunderte mich, dass keine negativen Äußerungen von Oliver kamen. Da fiel mir etwas ein.
„hat sich Adrian mal gemeldet?“
„Nein, aber ich habe gehört, dass er verzweifelt versucht, einen Anwalt zu finden, der mich verklagt.“
„Wieso das denn? Hast du ihn so schwer zugerichtet?“
„Das weißt du nicht? Nur einen gebrochenen Unterkiefer…“
Nur! Das reichte völlig aus, dass er eine Weile auf Eis lag, weil er nicht sprechen konnte.
„… und warum findet er keinen Anwalt?“
„Man erzählte mir, dass er keine Chance hätte, weil der Grund der Schlägerei diskriminierend wäre und kein Anwalt dieser Welt bereit ist eine Klage auf zusetzten.“
„Woher weißt du das alles?“
„Freunde aus dem Fitnesscenter haben mir das erzählt, trotz Einschränkung, muss er dort für ziemlichen Wirbel gesorgt haben, der Geschäftsführer hat sogar seine Mitgliedschaft gekündigt und ihn rausgeworfen.“
„Wow, das hätte ich jetzt nicht gedacht…“
Der Gartencenter war erreicht und ich suchte nach einem Parkplatz. Meine anfängliche Sorge, Noah konnte sich langweilen oder gar wieder verschließen, war unbegründet. Aufgeregt klebte er an der Scheibe und zog alles in sich auf.
„Er hat es verdient, so äußert man sich nicht in der heutigen Zeit.“
Wieder war ich über Olivers Äußerungen verwundert. Nie hätte ich gedacht, dass er sich so auf meine Seite stellt. Sein bisheriges Handeln hätte mich das niemals vermuten lasen.
„Aussteigen!“, rief Oliver laut.
Doch ich war schneller draußen, aus Sorge Noah könnte das Nachbarauto beschädigen. So fing ich die aufgehende Tür ab. Brav wie Noah war, suchte er auch sofort meine Hand. Oliver sah sich das ganze Kopfschüttelnd und grinsend an.
„Ich hätte nie gedacht, meinen kleinen Bruder in dieser Rolle zu sehen.“
Darauf sagte ich nichts.
„Noah, möchtest du den Wagen schieben?“
Aber Noah schüttelte den Kopf und blieb dicht an meiner Seite.
„Du könntest ihn rein setzten“, grinste mich Oliver an.
„Ja, setz den Jungen noch Flausen in den Kopf! Themawechsel! Welche Blumen oder Pflanzen möchtest du Noah zeigen?“
Sträucher für die Straße, die nicht mit viel Sonne auskommen und vielleicht das ganze Jahr über blühen…“
„… und für den Garten?“
„Ähnliches, aber vielleicht auch Rosen, oder andere Dauerblüher.“
Seit wann kannte sich Oliver so gut mit Pflanzen aus? Die nächste Stunde ging damit drauf, eben diese Pflanzen zu suchen und Noah war nicht leicht zufrieden zu stellen. Bei den Rosen gestaltete es sich schon einfach, weil sich der Junge daran erinnerte, sogar darauf bestand, dass diese roten Rosen die Lieblingsblumen seiner Mutter seien.
Mit nun zwei gut gefüllten Einkaufswägen kehrten wir an die Scottschen Familienkutsche zurück und das nächste Problem kam in Sicht. Wie diese gesamte Grün unversehrt in den Wagen zu laden, ohne etwas zu beschädigen.
Irgendwann riss mir der Geduldsfaden und ich setzte Noah auf die Mitte der Rückbank und stellte ihn von beiden Seite4n mit Pflanzen zu. Nachdem auch der letzte Strauch verladen war, schob Oliver die Wägen zurück an die Sammelstelle.
„Wir hätten vielleicht doch den Lieferdienst in Anspruch nehmen sollen“, sagte Oliver grinsen.
„Dafür ist es jetzt zu spät. Komm, schauen wir dass wir zurück kommen, dass wir Noah da heraus bekommen.“
*-*-*
Das Noah zwischen den Pflanzen eingeschlafen war, wunderte mich nicht, denn ich selbst müde. Dass natürliche gerade dann, als wir im Wohnviertel ankamen, auch noch der Cateringchef anwesend war und somit Sofie und Levi zum Ausladen keine Zeit hatten, durfte ich alles schön alleine ausladen.
Mein lieber Bruder Oliver hatte es sich in den Kopf gesetzt, trotz seines Gipsarmes Noah immer noch schlafend ins Zimmer zu bringen. So konnte ich nur hoffen, dass Sofia Levi ausbremste und nicht zu viel bestellte und Oliver den Jungen unbeschadet ins Zimmer brachte.
Es dauerte eine Weile, bis ich den Wagen geleerte und gesäubert hatte, denn ich hatte nur einen Parkplatz fünf Häuser weiter gefunden. Die Pflanzen selbst hatte ich alle neben der Treppe platziert.
Beim letzten Gang zum Haus zurück, gefiel mir der Anblick mit dem vielem Grün vor dem Haus. Als ich die Treppe zum Haus erreichte, trat gerade Levi heraus.
„Ich bedanke mich bei ihnen und freue mich jetzt schon auf das Essen!“
„Danke Mr. Scott, ich lass ihnen alle Papiere zuschicken.“
„Danke… auf Wiedersehen!“
Die zwei schüttelten sich die Hände und ich konnte im Hintergrund nun auch Sofia entdecken. Aber noch jemand stand da. Meine Mutter. An Heimweh würde icx sicher nicht mehr erkranken, dafür sah ich meine Familie einfach zu viel.
Der Herr vom Cateringservice lief nickend an mir vorbei, als mich Levi endlich bemerkte.
„He, du bist schon zurück? Wo ist Noah?“
Ich seufzte.
„Liegt in seinem Zimmer und schläft, Oliver hat ihn hochgetragen.“
„Oliver?“, trat nun Mum in den Vordergrund.
Ich antwortete ihr nicht sondern setzte nur ein aufgesetztes Grinsen ein.
„Oh Gott“, kam als Reaktion und sie verschwand.
Sofia verschwand in ihrer Küche.
„Muss ich mir jetzt Sorgen machen?“, fragte Levi, der immer noch meiner Mutter hinterher schaute.
„Ich weiß nicht…“
Levi kam die Treppe herunter und legte seine Arme um mich.
„Könnte nicht schon Sonntag sein?“, säuselte er mir ins Ohr, da war so herrlich Ruhe.“
…und das nach einem Sonntag frei.
„Hast du genug essen und trinken bestellt?“
Er hob den Kopf und sah mir in die Augen.
„Ich?“
Seine Hand wanderte nach oben und er zeigte als Bestärkung auf sich.
„Sofia und deine Mutter haben geredet, ICH habe lediglich mit dem Kopf genickt.“
„Brav!“, meinte ich grinsend und streichelte ihm durchs Haar.
„Hä?“, entfleuchte es ihm verwirrt.
„Ich sage nur, gegen meine Mutter kommst selbst du nicht an!“
Seufzend lehnte er seinen Kopf wieder auf meine Schulter.
„Warst du wenigstens erfolgreich…, war Noah brav?“
„Ja, war Noah, er wich mir nicht von der Seite und was wir gekauft haben, kannst du selbst begutachten, steht alles neben der Treppe.“
Anscheinend war Levi das viele Grün neben der Haustreppe noch gar nicht aufgefallen. Er schaute in die Richtung und ließ plötzlich los.
„So viel?“, hörte ich ihn sagen.
„Ist alles für den Garten und hier vorne.“
„Und warum die viele roten Rosenstöcke?“
„Die hat Noah ausgesucht, er meinte, dass wären die Lieblingsblumen deiner Mutter.“
Levi bekam glasige Augen.
„Dass er sich daran noch erinnert…, es waren nicht nur die Lieblingsblumen meiner Mutter, sondern meiner Eltern. Auf Vaters Schreibtisch im Büro stand immer ein kleiner Strauß roter Rosen…“
Wieder hatte eine Erinnerung den Weg zurück in Levis Kopf gefunden. Ich nahm ihn in den Arm.
„Kann ich bei dir auch machen“, lächelte ich ihn an.
„Dann müssten Rosen auch meine Lieblingsblume sein.“
„Sind sie nicht?“
„Nein… Flieder… ich liebe Flieder in seiner ganzen Farbenbracht und natürlich den Duft!“
„Den gibt es aber nur Ende April, Anfang Mai.“
„Genau richtig zu meinem Geburtstag!“
„Dann habe ich ja schon ein Geburtstagsgeschenk für dich…“
„Dann muss ich ja noch fast ein Jahr warten!“
„Tja, man kann nicht alles haben!“, grinste ich ihn frech an.
Er wollte noch etwas erwidern, aber meine Mutter kam ihm dazwischen, besser gesagt, sie erschien an der Haustür.
„Ach hier seid ihr“, hörte ich sie sagen, „ich werde mit Oliver in die Firma fahren, dein Vater vermisst uns schon!“
„So tut er das?“, meinte ich.
Oliver erschien neben ihr.
„Noah schläft friedlich in seinem Bett.., ein richtig kleiner Engel!“
Verwundert schaute ich Oliver an.
„#Hör auf von fremden Kindern vorzuschwärmen, das ist Levis Bruder! Schaf dir gefälligst eigene Kinder an!“, hörte ich Mum sagen und konnte nicht anders als laut zu lachen.
Sie gab Oliver eine Kopfnuss und schob ihn die Treppe hinunter.
„Man sieht sich“, meinte mein Bruder, dem keine Zeit blieb sich richtig zu verabschieden, denn Mum zog ihn gleich weiter zum Auto.“
„Noch einen schönen Tag“, hörte ich Mum rufen, bevor sie im Wagen verschwand.
Wenig später zog ihr Wagen kräftig an uns vorbei.
„Nette Familie hast du“, grinste mich Levi fies an.
„Man kann sich alles aussuchen, nur nicht seine Verwandtschaft!“, seufzte ich schuldbewusst.
„Sei nicht so, sie sind doch alle lieb!“
„Das ist es ja gerade und mir deswegen unheimlich!“
„Lass uns hinein gehen.“
„Und was wird aus den Pflanzen?“, fragte ich.
„Was soll mit denen sein?“
„Willst du die hier stehen lassen? Wenn jemand kommt und welche klaut?“
Levi schaute die Straße hinunter, dann zeigte er auf ein Auto.
„Da vorne sitzen zwei Polizisten drin, meinst du, die lassen zu, dass uns jemand die Pflanzen klaut?“
An die hatte ich nicht mehr gedacht, aber wohl war mir das Ganze trotzdem nicht.
„Also ich trag die Pflanzen nach hinten in den Garten, zumindest die, die da später hingehören!“
„Okay“, meinte Levi nur und hatte schon den ersten Schuh uaf der unteren Stufe der Treppe.
„Boah, vielleicht hilfst du mir!“
Er begann laut zu lachen, drückte mir einem Schmatz auf die Wange, bevor er sich die erste Pflanze griff.
*-*-*
Während Levi wieder in seinem Büro saß und Sofia nach Hause gegangen war, hatte ich die Ehre, die Kübel vor dem Haus zu bepflanzen. Die wurden von dem Gartenunternehmen gleich mitgebracht, als verschiedene Säcke mit Blumenerde und Mulch angeliefert wurden.
„Das sieht toll aus,“, meinte Noah,
Ich schaute auf meine Uhr. Es war Zeit um Ella abzuholen.
„Stimmt, fehlt nur noch die große Bank, die Levi bestellt hat.“
„Wann kommt die?“
„Weiß nicht Noah, das eine Sonderanfertigung und könnte länger brauchen.“
„Ist sie bis zum Geburtstag da?“
„Kann ich dir nicht sagen, Noah, aber wir sollten langsam fertig werden, wir müssen Ella abholen.“
„Schon?“
„Ja! Wir räumen den Rest schnell in den Garten und dann Hände waschen!“
„Okay!“
*-*-*
Eine viertel Stunde später, waren wir noch rechtzeitig angekommen. Die Schüler verließen bereits die Schule.
„Ella!“, rief Noah laut neben mir und begann zu winken.
Er hatte wohl vor mir Ella entdeckt und ich folgte der Richtung, in die Noah schaute. Aber mein Blick fiel nicht auf Ella, sondern der blonde Junge, der neben ihm lief. Mein aller erste Eindruck war, dass man ihn locker lässig für zwanzig halten konnte.
Sein muskulöser Körper und natürlich die Größe unterstrichen das. Ich musste grinsen, war doch Ella gar nicht meine Tochter oder Schwerster. Trotzdem unterzog ich diesen Robert einer bildlichen Untersuchung.
Als Ella und ihr Freund dicht genug waren, ließ ich Noah laufen, der schon kräftig an meiner Hand gezogen hatte. Er lief zu den beiden und wurde dementsprechend begrüßt. Leicht verlegen trat dann Ella zu mir.
„Hallo Marcus, darf ich dir Robert Parker vorstellen? Robert, das ist Marcus Brown, von dem ich dir schon so viel erzählt habe…“
Sie hatte von mir erzählt?
„… unsere Manny, guter Koch, Helfer in Not und der Freund meines Bruders…“
Ich hob die Hand vor ihren Mund und stoppte sie und ich wurde tatsächlich rot. Robert dagegen hob die Hand zum Groß und ich schüttelte sie.
„… ähm hallo Mr. Brown“, kam es von Robert mit dunkler Stimme.
Ich schickte kurz einen vernichteten Blick zu Ella, die aber kicherte.
„Hallo Robert, du kannst wie die anderen ruhig Marcus zu mir sagen… hallo Elijah… Evelyn!“
„Hallo Markus“, schallte es zurück.
Ein leises „Danke!“, kam von Robert.
„Steht noch etwas an?“, fragte ich.
Ella schüttelte den Kopf.
„Dann mal los, dein Bruder will nach Hause, dir etwas zeigen.“
„Verratet Noah nicht, soll eine Überraschung sein“, kicherte der Kleine neben mir.
„Da bin ich aber gespannt!“, meinte Ella.
Obwohl Ellas Freund dieses Mal mit uns lief hatte sie die Hand ihres Bruders genommen und liefen vor uns her. Ich hörte Noah von Oliver erzählen, aber er verrat nicht, wqas wir eingekauft hatten.
Ich erwischte mich dabei, wie ständig mein Blick zu diesem Robert schweifte. Ich kannte ihn nicht und er war praktisch eine wildfremde Person für mich. Das sollte ich ändern.
„Ella erzählte mir von deinem Bruder…!?“, versuchte ich ihn anzusprechen.
„… äh Phillip? Er ist acht Jahre jünger als ich und weil meine Mutter vor der Geburt einen Unfall hatte leicht geistig behindert.“
„Geht er schon hier auf diese Schule?“
„Noch nicht, aber meine Eltern haben es vor!“
„Schwierigkeiten?“
„Er muss sich erst noch an diese Gegend gewöhnen, obwohl er noch alles kennen müsste. Wir haben früher hier schon einmal gewohnt, …sind dann aber weggezogen…“
Deutlich spürte ich, dass der Junge sich plötzlich unwohl fühlte. So beschloss ich nicht weiter zu fragen. Noah hüpfte neben Ella her wie ein kleines Kind und ich war froh, dass endlich das Haus in Sicht kam.
Natürlich zog Noah seine Schwester vorbei an der Treppe zu den neuen Blumenkübeln.
„Schau Ella, das haben Marcus und ich gemacht.“
„Finley?“, hörte ich es plötzlich vom Türeingang.
Dort stand Mike, der verwirrt Robert anschaute.
„Finley?“, hörte ich nun Levi aus dem Hintergrund, der Sekunden später neben Mike auftauchte.
Beide starrten Robert an. Auch ich schaute ihn an und sah, dass Roberts Augen glasig wurden. Warum nannte Mike ihn Finley?
„Finley… ist mein älterer Bruder…“, sagte Robert leise, „ich bin Robert.“
Robert senkte den Kopf und ich sah, dass er weinen musste, Tränen tropfen zu Boden.
„Shit, du siehst aus wie Finley!“, kam es von Mike.
„Du hast noch einen Bruder?“, fragte nun Ella, vergessen waren die neuen Blumen.
„Warum weint Robert?“, fragte nun Noah, trat zu mir und griff nach meiner Hand.
*-*-*
Evelyn und Elijah hatte ich nach Hause geschickt. Robert saß bei uns im Wohnzimmer mit all den anderen. So wollte ich ihn nicht nach Hause gehen lassen. Ich war in die Küche gegangen, um etwas zu trinken zu holen.
„Jetzt weiß ich, wo ich Finley hinstecken soll“, schreckte mich Levi auf, als er in die Küche kam.
„Musst du deinen Freund so erschrecken?“
„Sorry, aber jetzt, wo ich mir Robert genauer angeschaut habe, fiel mir ein, wo ich das Gesicht schon einmal gesehen habe.“
„Du wirst dieses Gesicht noch öfter zu sehen bekommen.“
„Wie meinst du das?“, meinte Levi und umfasste mich von hinten.
„Vielleicht gibt er mal dein Schwager?“
„Wie Schwager…“, er ließ los und drehte mich um, so dass er mir ins Gesicht schauen konnte, „…würde ja bedeuten, er müsste Ellas Freund werden und…“
Ich grinste Levi schief an.
„Aber…, aber…“
„Nichts aber, das Mädel wird sechszehn. Oder warum denkst du, spielen ihre Hormone verrückt?“
„Hm…, das geht aber alles so schnell?“
„Ich erinnere wie lange wir gebraucht haben…, nicht mal einen Monat und wann haben bei dir die Hormone angefangen, verrückt zu spielen?“
Levi wurde tatsächlich knall rot und ich begann zu kichern.
„Ist dir das jetzt peinlich?“, fragte ich.
„Nein, aber es hat indirekt mit Ellas „neuem‘“ Freund zu tun…“
Jetzt schaute ich ihn verwirrt an.
„Ich sagte doch, jetzt weiß ich, wo ich Finley hinstecken soll… Finley war damals in derselben Theatergruppe und sah genauso gut aus, wie sein jüngerer Bruder.“
„Du hast dich in ihn verknallt?“, grinste ich.
„Naja eher geschwärmt…, he er war zwei Jahre älter als ich, was will so einer mit einem pickligen Schüler. Wobei ich zugeben muss, er war immer sehr nett zu mir!“
„Dann lass uns mal rüber gehen und hören, was aus deinem Schwarm geworden ist!“
Ich nahm das Tablett mit den Gläsern und Getränken.
*-*-*
Als wir ins Wohnzimmer kamen, hatte sich nichts geändert. Noah lag vor dem Fernseher und war somit ruhig gestellt. Robert sniefte vor sich hin, leicht in Ellas Arm gekuschelt. Mike stand am Fenster und schaute in den Garten.
Anscheinend war noch nicht viel geredet worden. So stellte ich das Tablett auf den Esstisch und ließ mich neben Ella nieder. Levi ließ sich neben seinem Bruder nieder. Ich schaute zu Robert.
„Besser?“, wollte ich wissen.
Robert nickte.
„Darf ich fragen, was passiert ist? Ellas Bruder und auch mein Bruder“, ich zeigte auf Mike am Fenster, „kennen deinen älteren Bruder…“
Robert atmete tief durch. Er hob leicht den Kopf, schaute erst Ella, dann mich an.
„Ich war da nicht dabei…, mein Vater hat mir das alles erzählt…“
Ich griff nach seiner Hand.
„Robert, wenn du darüber nicht sprechen möchtest…, wir verstehen das alle!“
„Nein… nein, ich möchte das erzählen! … Ella hat mir alles über ihrer Familie anvertraut, so will ich auch das Ella alles über meine Familie weiß.“
Der Junge tat sich schwer, so unterbrach ich ihn nicht.
„Das alles geschah vor acht Jahren…, meine Mutter hatte Finley vom Sport abgeholt, als sie von einem Unbekannten von der Straße gedrängt wurde… sie kam ins Schleudern…“
Robert wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Acht Jahre her, ich schaute zu Levi, der auch in diesem Zeitraum seine Eltern verloren hatte. Der zeigte aber keine Reaktion und hatte weiterhin seinen Bruder im Arm.
„… und prallte frontal in ein entgegen kommendes Auto…, Finley wurde herausgeschleudert… auf die Fahrbahn und meine Mutter im Wagen eingeklemmt…“
Der Junge kämpfte mit sich, nicht zu weinen. Ich konnte mir durch die Schilderung gut vorstellen, was passiert war.
„Mum war da im achten Monat schwanger mit Phillip und…“
„…Finley ist Tod?“, kam es von Mike mit gebrochener Stimme.
Robert schüttelte den Kopf.
„Der liegt seitdem im Krankenhaus in Koma… keiner weiß, warum er nicht aufwacht, er wäre vollkommen gesund…“
„Schrecklich…“, hörte ich Levi sagen.
„… meine Eltern verkauften unser Haus und wir zogen in einen Vorort von New York…, die Kosten vom Krankenhaus waren einfach zu hoch.“
Kein Wunder war Finley plötzlich verschwunden und auch später die Familie. So war Mikes bester Freund vom Erdboden verschluckt und Levis erste Liebe plötzlich weg.
„Mum kam als letztes ins Krankenhaus…, hatte eine Notgeburt, weil Phillips Hertz nicht mehr schlug…“
Den Rest konnte ich mir denken. Ella liefen ungehindert die Tränen über die Wangen, trotzdem hielt sie Robert weiterhin im Arm hielt und streichelte sanft seine Hand. Mike und Levi schauten beide betroffen drein. Mit ganz leiser Stimme redete Robert weiter.
„… das Ehepaar im anderen Auto starb noch in derselben Nacht, seitdem fühlt sich Mum schuldig… sie ist nie wieder selbst Auto gefahren.“
Levis Kopf fuhr plötzlich hoch und seine Augen wurden glasig.
„Weißt du noch den Namen des Ehepaar?“, fragte er genauso leise.
Patrick schüttelte den Kopf. Er herrschte kurz Ruhe im Wohnzimmer, nur der Fernseher lief. Ich schaute erneut zu Levi. Warum hatte er nach dem Namen gefragt? Er wird doch nicht etwa denken, dass es seine Eltern waren? Das wäre wirklich ein großer Zufall.
*-*-*
Levi und Ella hatten Robert nach Hause gebracht. Mike war mit seinen Arbeitern ebenso abgezogen, so war ich mit Noah alleine. Während der Junge weiterhin m seine Sendungen vertieft war, kümmerte ich mich um das Abendessen.
Dieses Gespräch hatte bei allen viel Denkpotential hinterlassen. Was wäre, wenn es wirklich Levis Eltern waren? Würde dies nicht alte Wunden aufreisen? Hätte Robert dann Schuldgefühle gegenüber Ella.
All dies beschäftigte mich und wartete gespant auf Levis Rückkehr. Das herunterfallende Messer riss mich wieder aus den Gedanken. Ich musste mich zusammen reisen. Während ich die Nudeln abschüttete, wurde die Haustür aufgeschlossen.
Kein „wir sind wieder da“ drang an mein Ohr. Diese Neugier ließ mich fast zerbersten. So drehte ich mich Richtung Flur, wo Ella und Levi sich gerade ihre Jacken entledigten. Beide hatten rote Augen und sagten kein Wort.
Während Ella sofort dir Treppe hochlief, kam Levi zu mir in die Küche. Fragend schaute ich ihn an, doch er nickte nur.
„Wirklich?“
Wieder nickte Levi und fiel mir um den Hals. Das konnte kein Zufall mehr sein und anderen Fragen machten sich in meinem Kopf breit. Warum hatte Capitain Davis nie ein Wort über die genaue Unfallursache verloren? Wusste darüber Vanessa Bescheid?
Und wie hing das alles mit Levis Großvater und Jakob zusammen? Wenn der Fahrer im unbekannten Wagen der Mrs Parker rammte Jakob war… ein reiner Zufall, oder von Jakob irgendwie gesteuert?
Aber wie hätte er dies bewerkstelligen sollen? Ich schüttelte den Kopf und drückte Levi etwas von mir weg.
„Gehst du noch ins Büro, oder gesellst du dich zu deinem Bruder, bis das Essen fertig ist?“
„Hunger habe ich gerade keinen und Lust auf Arbeit erst recht nicht. Ich setz mich zu Noah.“
Geistesabwesend starrte Levi ins Leere.
„Wo soll das noch enden…?“
„Es endet, wenn der wahre Täter gefunden wurde, wenn alle Fragen sich auflösen! Soll ich Vanessa verständigen?“
„Warum dass denn?“
„Es besteht Redebedarf!“
Levi sah mich lange an, nickte dann aber.
*-*-*
Zu unserer Überraschung hatte Vanessa Mum im Gepäck und Capitain Davis tauchte ebenso auf. Dieses Mal nicht in Uniform, sondern in privaten Klamotten. Nudeln hatte ich genug gekocht, nur die Tomatensauce musste etwas gestreckt werden.
Beim Essen wurde über den Umbau und die Fortschritte im Garten gesprochen. Ich brachte danach Noah ins bett, während sich die Damen bereit erklärten, sich um das Geschirr zu kümmern.
Als ich in die Küche kam, sah ich an den betroffenen Gesichtern, dass Levi etwas erzählt hatte. Er saß mit Capitain Davis am Küchentisch, während die Damen gerade ihre Arbeit an der Spüle beendeten.
„Jemand einen Kaffee?“, fragte ich in die Runde.
„Ich glaube, ich brauche etwas stärkeres…“, kam es von Vanessa, meine Mum nickte.
„Ich nehme gerne einen Kaffee“, sagte Capitain Davis.
„Ich schließe mich an“, sagte Mum.
Levi erhob sich und verschwand kurz, währenddessen ließ ich den Kaffee heraus.
„Marcus, sie schauen so nachdenklich?“, hörte ich Capitain sagen.
„Stimmt, es gibt eine Frage, die mich die ganze Zeit löchert.“
Ich servierte den Kaffee und ließ mich nieder. In dem Augenblick kam Levi zurück und brachte Vanessa einen Whiskey.
„Die da wäre?“
Levi sah fragend in die Runde, bevor er sich setzte.
„Gehen wir davon aus Großvater Scott oder Jakob haben etwas mit dem Unfall zu tun…, wie haben sie es fertig gebracht, das Mr Parker und Levis Eltern gleichzeitig auf derselben Straße fuhren?“
Mein Blick wanderte durch die Runde.
„Das muss dann aber zeitlich genau abgestimmt worden sein, also wären mehrere Personen mit von der Partie und man muss bedenken, dass dieser jemand genau über den Tagesablauf von Mrs Parker und Ehepaar Scott Bescheid wissen musste“, gab Capitain Davis zu bedenken.
„Bei meinen Eltern schwierig, da war jeder Tag anders“, meinte Levi leise.
„Ich kann mich an eine Aussage eines Kollegen im Büro ihres Vaters erinnern, der zu Protokoll gab, dass die Scotts abends einen Termin mit dem Großvater hatten“, sprach Cpt. Davis weiter.
„Sie fuhren zu meinem Großvater?“, fragte Levi.
Vanessa und Cpt. Davis nickten.
„Ihr Großvater allerdings, stritt diesen Termin ab und er war zu diesem Zeitpunkt nachweislich in seinem Club.“
„Deswegen das Alibi…“, sagte ich eher zu mir, als zu den anderen.
Wieder nickte Cpt. Davis.
„… aber für eine hochintelligente Person wäre es kein Problem, dies alles zu bewerkstelligen?“, nahm Levi den Faden auf.
Fragend schaute ich ihn an.
„Jakob ist sehr begabt, deswegen hat er sich in Großvaters Firma auch so schnell hoch gearbeitet..“
„Besonders Intelligent ist er aber nicht…, er hat sich filmen lassen bei der Paketabgabe“, kam es von Mum.
„Und wie können wir ihm das alles nachweisen…, das alles ist schon acht Jahre her“, warf ich ein.
„Das ist eben unser Problem, uns fehlen dafür die Beweise!“, meinte Cpt. Davis.
„Außer er macht wieder einen Fehler…“, sagte ich leise.
*-*-*
Die Nacht war alles andere als gut. Diese Gedankengänge ließen uns beide träumen und wir wachten mehr als einmal auf. Den Morgensport ließen wir ausfallen, saßen dafür länger beim Frühstück.
Beide verloren wir kein Wort, über das, was am Abend zuvor besprochen wurde. Zu groß war die Gefahr, dass Noah irgendetwas aufschnappen könnte. Der junge wusste schon zu viel und ich wusste nicht, wie er das in seiner unbekannten Welt verarbeiten würde.
„Morgen“, riss mich mein Bruder aus dem Gedanken.
Mike war dieses Mal ohne Anhang, sprich keiner sonst aus meiner Familie war bei ihm. Er ließ sich neben Levi nieder und fragte nach einem Kaffee.
„Du hast wohl keine gute Nacht hinter dir?“, fragte Levi, schlecht geschlafen?“
„Nein, ich habe gestern noch einen Krankenbesuch unternommen…, das hat mich mehr Kraft gekostet, als dieser Umbau hier!“
„Du warst bei…“, begann ich.
„Ja, ich war bei Finley, denn es ließ mir keine Ruhe“, fiel mir Mike ins Wort.
Mitleidig schaute ihn Sofia an, als sie ihm seinen Kaffee brachte. Mike bekam leicht glasige Augen.
„Er liegt einfach nur da, als würde er schlafen…“, sprach Mike leise, bevor er einen kräftigen Schluck seines Kaffee nahm.
Er starrte ins Leere.
„… ich weiß nicht mehr, was ich alles gesagt habe…, irgendwann hat mich die Nachtschwester rausgeworfen.“
„Man sagt doch immer Komapatienten hören alles, was man ihnen erzählt…“, meinte Levi.
Ich nickte zustimmend. Mike setzte sich richtig auf.
„Es hilft nichts, ich geh hinauf, die Arbeit macht sich nicht von selbst…, wann kommt Ella heim?“
„Gegen zwei wieso?“, fragte ich.
„Der Maler kommt Morgen, ich muss wissen, welche Farbe sie wo haben will.“
„Blau!“, sagte Levi und ich fast gleichzeitig und begannen zu grinsen.
„Ich habe die Farbpalette oben liegen, dann kann sie es sich selbst aussuchen“
Mike stand auf und schnappte sich seine Kaffeetasse.
„Ich bin dann mal oben!“, meinte er nur noch.
Levi erhob sich ebenfalls.
„Da werde ich mich auch hin verziehen, ich habe noch genug Arbeit.“
Er drückte mir ungeniert einen Kuss auf die Wange und verließ ebenso die Küche. Sofia grinste mich an.
*-*-*
Nach einem Gang in den Garten, ich hatte mir gestern nicht die Fortschritte angeschaut, saß ich wieder in meinem Zimmer. Während Noah auf meinem Bett lag und in einem Buch blätterte, hing ich am Computer.
Trotz der vergangenen Tage, hatte ich mein Ziel Noah dem Schreiben und Lesen näher zu bringen, nicht aufgegeben. Aber nach wie vor was es schwierig, etwas Brauchbares zu finden. Vielleicht musste ich mich wirklich an die Schule wenden, um Näheres zu erfahren.
So öffnete ich die Homepage der Schule und begann zu stöbern. Darüber hinaus hatte ich wohl die Zeit vergessen, denn plötzlich stand Levi an meiner Tür. Noah war eingeschlafen.
„Kommt jemand mit mir Ella abholen, ich muss etwas an die frische Luft.“
Ich schaute auf meine Unr und war etwas geschockt. Über eine Stunde war ich da gesessen, wohl fasziniert, was die Schule alles im Angebot hatte. Ich streckte mich.
„Du hast Recht, mir würde frische Luft auch etwas guttun.“
Ich schaute zu seinem Bruder, der sich immer noch nicht rührte.
„Wer weckt ihn?“, fragte ich und Levi fing an breit zu grinsen.
Ich hatte das Gefühl, das Robert eine gewisse Scheu gegenüber uns hatte. Auf dem Rückweg von der Schule hatte er fast kein Wort geredet. Natürlich konnte es auch naturgemäß die Schüchternheit eines sechzehn jährigen sein, auch wusste ich nicht, was Robert dachte.
Aber ich konnte mir auch gut vorstellen, dass ihn die ganze Sache mit dem Unfall und seinen Folgen sehr zugesetzt hat und er sich einfach nicht traute, etwas zu sagen.
„Bleibst du noch etwas?“, hörte ich Ella fragen.
„Ich weiß nicht recht, Mum hat geschrieben, Phillip geht es nicht sonderlich und wann ich heim komme“, war Roberts Antwort.
„Schade…, aber Phillip ist wichtiger!“
Deutlich konnte ich Ellas Enttäuschung hören. Wir hatten mittlerweile das Haus erreicht, die vier Klassenkameraden verabschiedeten sich von einander. Ich schaute Robert noch etwas nach, der hängenden Kopfes davon lief.
Gerade als ich die Haustür schließen wollte, fuhr ein Lkw unserer Firma vor. Bekam Mike noch eine Lieferung? Oliver stieg aus der Beifahrertür.
„Hallo Brüderchen, ich habe da etwas für dich!“
„Hallo Oliver… für mich?“, fragte ich verwundert.
„Eigentlich für Ella, aber ich hoffe es wird dir auch gefallen.“
Warum sollte es mir gefallen, wenn es doch für Ella war? Zwei weitere Männer waren ausgestiegen, man lief zur Heckseite des LKW und öffnete die Heckklappe. Nun doch neugierig lief ich die Haustreppe wieder hinunter und begab mich ebenso auf die Rückseite des Wagens.
Als ich in das Innere des LKWs lugte, war ich erstaunt, denn es stand nur ein Möbelstück darin, bessergesagt zwei, der Fuß und das Oberteil von Ellas Buffet. Es war fast nicht mehr wieder zu erkennen.
Die dunkle Farbe war komplett verschwunden und war für helles glasiertes Holz gewichen.
„Michael meinte, wir könnten den Schrank oben im Vorraum abstellen, da wäre Platz und würde keinen hintern.“
„Alle Achtung, ich hätte nie gedacht, was man aus dem ollen Buffet machte konnte. Da wird Ella sich sicher freuen?“
„Echt…, das ist cool!“
Warum freute sich Oliver jetzt so?
„Beide Teile kommen ganz nach oben, Michael wird euch sagen, wo ihr es abstellen könnt.“
Die zwei Helfer nickten und begannen das Unterteil abzuladen, Oliver konnte wegen dem Gips ja nicht helfen.
„Wann kommt das Ding wieder ab?“, fragte ich Oliver und zeigte auf den Gips.
„Frühestens zwei Wochen, solange muss ich ihn noch aushalten.“
Ich beobachtete die zwei Helfer, wie sie den Fuß des Buffets vorsichtig durch die Haustür trugen.
„Marcus?“, hörte ich Levi rufen.
„Ja, hier draußen!“
Er erschien in der Tür, als die Helfer drinnen waren. Er schaute den beiden nach.
„Hast du Möbel bestellt?“
Ich musste grinsen.
„Nein, das ist Ellas restauriertes Buffet.“
„Echt? Dass sieht so neu aus.“
„Dann musst du dich bei Oliver bedanken, dass ist seine Arbeit!“
„Ähm… hallo Oliver…, das sieht wirklich gut aus und dann auch noch mit Gips…“
„Etwas schwierig aber es ging, Hauptsache das Mädel freut sich.“
Ich wollte darauf etwas sagen, aber Ellas Schrei von drinnen, ließ das nicht zu.
„Ist das meiner…, das ist ja so cool, hörten wir sie rufen.“
*-*-*
„Braucht ihr noch lange?“, fragte ich in Ellas Zimmer.
Dort saßen Mike und Ella und debattierten jetzt schon fast eine Stunde über die Farben für ihr Zimmer.
„Nein, wir sind fertig!“, kam es von Ella und Mike erhob sich.
Grinsend lief er an mir vorbei.
„Was hat solange gedauert?“
„Dein Bruder macht zu viele gute Vorschläge!“, sagte Ella.
„Ich… total unschuldig“, meinte Mike und lief nach oben.
Ich folgte ihm, während er aber weiter ins Dachgeschoss lief bog ich zu Levis Büro ab. Sanft klopfte ich an den Türrahmen und Levi schaute auf.
„Hi“, meinte ich, „hast du eine Minute?“
„Für dich immer“, grinste mich mein Freund an.
„Mein Vater hat mir eine Nachricht zu kommen lassen“, erklärte ich, als ich zu ihm lief.
Levi sagte nichts, sondern gab mir erst einmal einen Kuss.
„Was möchte dein Vater von mir?“
„Ihm ist eingefallen, dass wir nicht die Klimaanlage mit einbezogen haben, mit dem Dachgeschoss könnte sie überlastet sein.“
„Hm…, da könnte er allerdings Recht haben, ich denke das alte Ding gibt eh irgendwann den Geist auf.“
Mir fiel auf, dass er, während er mit mir redete, die ganze Zeit mit seinem Kugelschreiber spielte. Den Kugelschreiber, den ich schon so oft ab ihm gesehen hatte. Ich beugte mich etwas vor.
„Darf ich fragen, was es mit dem Kugelschreiber auf sich hat? … du bist nie ohne ihn!“
Er hob das Teil in die Höhe.
„Den hier?“
Ich nickte.
„Du magst mich vielleicht für kindisch halten, aber dies ist der letzte Kugelschreiber, mit dem mein Vater seine Arbeit verrichtet hat! Für mich ist es irgendwie ein Glücksbringer, denn alles was ich Wichtiges fürs Büro mit Hand schreibe, geschieht mit diesem Kugelschreiber.“
„Wieso sollte das kindisch sein?“, lächelte ich ihn an, „es ist eine Erinnerung und vielleicht auch eine Ehrung an dein Vater!“
Leicht verklärt lächelte er zurück.
„Er fehlt mir genauso, wie Mum…Ich war oft hier gesessen und dachte wäre jetzt nur Dad hier und könnte mir weiter helfen.“
„Aber du hast es auch ohne ihn weiter geschafft.“
„Nicht ganz…, ich habe oft gedacht, wie würde er es machen und folgte diesem Beispiel.“
„… und damit bist du doch gut gefahren?“
Mittlerweile war ich neben ihm in die Hocke gegangen hatte meine Hand auf seinen Arm gelegt.
„Nicht immer… habe auch Fehler gemacht, die der Firma geschadet haben.“
„Du hast aber selbst gesagt, du musstest viel lernen, als du die Firma übernommen hast. Ist es da nicht vorprogrammiert, dass sich Fehler einschleichen?“
„Hast du auch Fehler gemacht, als du deinen Beruf erlernt hast?“
„Natürlich habe ich Fehler begannen…, spätestens wenn ein Kind da sitzt und weint, nicht mehr auf hört, hast du irgendetwas falsch gemacht, oder das Essen anbrennt, wichtige Dinge vergisst…“
Es gab viele Dinge, die mir passiert waren, aber ich habe daraus meine Lehre gezogen.
„… Fehler, die ich danach nie wieder gemacht habe. Es ist ein ewiger Lernprozess und ich denke es ist in jedem Beruf so, man lernt immer noch etwas dazu.“
Levi starrte ins Leere und nickte. Er schien über das, was ich sagte, nachzudenken. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und erhob mich.
„Ich werde dann mal hinunter gehen und mich um die Klimaanlage kümmern. Weißt du, ob irgendwo noch Unterlagen darüber existieren?“
Levi setzte sich wieder aufrecht hin und blies Luft aus sich heraus.
„Alles über das Haus findest du im rechten Regal“, er zeigte auf dieses, „die oberen zwei Reihen, vielleicht findest du etwas.“
„Danke“, meinte ich und gab ihm einen weiteren Kuss.
*-*-*
Ich saß auf dem Boden in Levis Büro und hatte mehrere Ordner vor mir ausgebreitet. Das Problem war, dass alles bis zum Tod der Eltern fein säuberlich einsortiert war, danach war es abgeheftet worden, wie es kam.
So hatte ich begonnen es zu ordnen. Rechnungen, Reparaturen, eben alles was mit dem Haus zu tun hatte. So entstanden neue Stapel, die eben mit einem und demselben Thema zu tun hatte.
Levi saß währenddessen an seinem Schreibtisch und war in seine Arbeit vertieft. Er schrieb am Laptop, telefonierte und ließ sich von mir nicht ablenken.
„Marcus…, Levi?“, hörte ich Noahs Stimme.
„Hier oben…“, antworteten Levi und ich fast gleichzeitig.
Wenige Sekunden später stand Noah in der Tür.
„Was machst du?“, fragte er, als er die Stapel von Papieren vor mir auf dem Boden sah.
„Ich suche etwas“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Levi braucht auch Kisten!“, kicherte Noah.
Ich brauchte etwas, bis ich begriff, was Noah meinte und grinste, aber auch Levi fing an zu kichern.
„Keine Kisten, aber neue Ordner, wo man das alles abheften kann“, erwiderte ich.
„Kein Problem“, kam es von Levi, „da hinten im Eck stehen jede Menge davon.“
Ich folgte Levis Fingerzeig und sah neben der Schrankwand hinter ihm jede Menge leerer order auf dem Boden liegen.
„Müssen da auch Bilder drauf?“, fragte Noah, „damit Levi alles leichter findet?“
Normalerweise schrieb man es auf den Orderrücken, was sich darin befand, aber irgendwie fand ich die Idee nicht schlecht, Bilder darauf zu kleben. Ich schaute kurz zu Levi, aber der nickte nur.
„Ich hole meine Malsachen!“, rief Noah und rannte zum Flur hinaus.
„So kann er erzählen, er hat seinem großen Bruder im Büro geholfen“, meinte ich zu Levi.
Mein Freund schüttelte den Kopf.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass mein kleiner Bruder so aktiv ist…, es ist jedes Mal ein Wunder für mich, mit dem er mich überrascht.“
„Das ist doch positiv, oder? Ich hoffe nur, wir stören dich nicht zu sehr.“
„Ach wo! Noah hat hier schon oft auf dem Boden gesessen und gespielt, während ich hier am Schreibtisch gearbeitet habe.“
Noah kam zurück, mit seinen Malsachen unter dem Arm und ließ sich ebenso auf dem Boden nieder. Die nächste halbe Stunde ging damit drauf, was für Bilder gemalt werden sollten. Geldmünzen für die Rechnungen, oder ein Wasserhahn für alles was mit dem Wasser im Haus zu tun hatte.
Während Noah malte, begann ich die Ordner zu füllen und schon bald bekamen wir ein wenig Ordnung in das Papierchaos.
„Ah hier, Klima Nelson, die haben die Klimaanlage vor zehn Jahren eingebaut“, sagte ich, als ich im letzten Ordner endlich fündig geworden war.
„Klimaanlage?“, fragte Noah.
„Das Ding, das immer kalte Luft in dein Zimmer bläst“, erklärte Levi, „ob es die Firma noch gibt?“
„Da hilft nir nachschauen“, meinte ich und zückte mein Handy.
„Lass mal, ich schau am Laptop, das geht schneller“, meinte Levi, „… „Nelson and Daughter Klimaanlagen“, ob das die sind?“
„Wenn du keine anderen Treffer hier in New York hast?“
„Ich rufe da einfach an!“
„Das kann ich doch machen, du hast genug Arbeit.“
„Um ehrlich zu sein, ich habe keine Lust mehr, ich würde viel lieber euch helfen.“
Ich musste breit grinsen. Levi ordnete ein wenig sein Papiere auf dem Schreibtisch und schnappte sich dann sein Telefon. Es dauerte nicht lange und er bekam eine Verbindung.
„Levi Scott mein Name…, ich wollte fragen, ob sie nachschauen können, ob ihre Firma bei uns eine Klimaanlage eingebaut hat?“
Er wartete kurz, nannte dann die Adresse und wenig später stellte sich heraus, dass es sich wirklich um die Firma handelte, die das Ding damals eingebaut hatte. Wo das Gerät hing konnte ich nicht sagen, es war mir bisher noch nicht aufgefallen.
Levi erklärte den Grund seines Anrufs und man sicherte ihm zu, dass noch aan gleichen Abend jemand vorbei schauen würde. So war dies auch geklärt. Levi verabschiedete sich und legte auf.
Er erhob sich und gesellte sich zu uns auf dem Boden.
*-*-*
Der größte Teil der Bauarbeiter war bereits abgezogen, als es an der Haustür klingelte. Ich trocknete meine Hände ab, weil ich gerade das Abendessen richtete und lief zur Tür, die immer noch offen stand.
Eine Dame in meinem Alter fand ich dort vor.
„Sie wünschen?“, fragte ich.
„Charlotte Nelson von Klimaanlagen Nelson, ich habe eine Termin…“
„Ah Mrs. Nelson, einen Augenblick, ich rufe den Hausherrn…“, entgegnete ich und bat sie herein.
Ich machte eine einladende Handbewegung ins Haus und die Dame im feinen Zwirn folgte mir. Es blieb mir natürlich nicht verborgen, dass mein Gegenüber mich genau mustere.
„Sie entschuldigen die Unordnung, aber wie sie vielleicht mitbekommen haben, wird das Dachgeschoss ausgebaut.“
„Kein Problem.“
Ich lief zur Treppe.
„Levi? Mrs Nelson ist da“, rief ich.
Es dauerte etwas, bis der Herr des Hauses herunter kam, währenddessen hatte ich die junge Frau in unser Wohnzimmer gebeten.
Als sie am Tisch Platz nahm, kam Levi die Treppe herunter gelaufen. Was mir auffiel, er trug wie ich ungewohnt Schuhe. So hoch war die Gefahr sich im Treppenhaus zu verletzten. Man begrüßte sich und setzte sich wieder an den Esstisch.
„Bevor wir beginnen Mr. Scott, können wir bitte noch ihre daten abgleichen?“
„Kein Problem“, antwortete Levi.
„Ein Wasser, oder einen Kaffee?“, fragte nun ich.
Irritiert schaute die Dame mich an.
„Äh… ein Wasser, wenn es keine Umstände macht.“
So machte ich mich auf den Weg in die Küche. Levi wollte ich ein Kaffee bringen, ich wusste wie gerne er ihn trank. Als ich zurück kam, war mein Boss am erklären.
„… das sind meine verstorbenen Eltern, ich bewohne das Haus mit meinen jüngeren Geschwistern… und da wäre noch…“
Mike kam die Treppe herunter und lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich Sein Tagespensum schien sein Pensum er für heute erledigt zu haben.
„Oben ist alles aus… ich fahr dann nach Hause, …oh ihr habt Besuch?“
Er war gerade an der Stelle, wo man ins Wohnzimmer blicken konnte.
„Charlotte, bist du das?“
„Du kennst sie?“, fragte ich verwundert.
„Ja!“, meinte Mike und lief an mir vorbei ins Wohnzimmer.
„Michael?“, hörte ich Mrs. Nelson sagen und ich folgte meinem Bruder.
Die beiden umarmten sich gerade, während ich den Raum betrat. Levi saß immer noch und schaute verwirrt zwischen den beiden hin und her.
„Woher kennt ihr euch?“, rutschte es mir heraus.
Meine Neugier war mal wieder nicht zu bremsen. Levi schaute mich mit großen Augen an, obwohl ich wusste, dass ihm die gleiche Frage auf der Zunge lag. Mike Fröhlichkeit wich etwas.
„… über Finley…“, antwortete Mike etwas betroffen.
„Wollt ihr euch nicht setzten“, meinte Levi.
„Oh sorry, ich wollte eigentlich nicht stören…“
„Du störst doch nie“, grinste Levi ihn an.
Man setzte sich und ich servierte die Getränke.
„Mike, auch etwas?“
„Kaffee“, grinste mein Bruder nun wieder.
„Kann es sein, dass das dein kleiner Bruder Marcus ist? Sein Gesicht kam mir gleich so bekannt vor.“
„Sie kennen mich“, fragte ich entsetzt.
„Kennen nicht direkt, aber Michael hat viel von ihnen erzählt. Sie kamen mir an der Haustür, gleich so bekannt vor.“
So, hat er das. Levi grinste nun noch breiter. Ich düste schnell in Küche und kam wenige Augenblicke später mit Mikes Kaffee zurück.
„… tätigt unsere Firma den Ausbau von Levis Dachgeschoss.“
„Du bist also in der Firma deines Vaters geblieben?“
Mike nickte und ich stellte seinen Kaffee ab. Fragend schaute ich Mike an und ließ mich neben Levi nieder.
„… ähm…, davon weiß niemand was, als ich damals Finley und später auch Charlotte und die anderen kennen lernte, war das eine total neue Welt für mich. Da habe ich überlegt, ob ich nicht hier her ziehen soll, mir was Neues oder Eigenes zu suchen.“
„Also hast du mit diesem Gedanken doch schon gespielt!“, sagte ich.
„Und was hat dich daran gehindert?“, wollte Levi nun wissen.
„Das plötzliche Verschwinden von Finley und seiner Familie…“
„Stimmt, …irgendwie ist danach alles auseinander gebrochen…“, sinnierte Mrs. Nelson.
Es herrschte kurz Schweigen am Tisch.
„Oh, entschuldigen sie bitte Mr. Scott, wir sind total vom Thema abgekommen… ihre Klimaanlage“, meinte Mrs. Nelson verlegen.
„Kein Problem! Es ist interessant, dies alles zu erfahren. Schließlich lebe ich auch schon lange in diesem Viertel und habe Finley auch gekannt.“
„Du hast das Geschäft deines Vaters übernommen?“, fragte Mike.
„Nicht ganz…, wir sind Partner…, mein alter Herr hält immer noch die Fäden in der Hand.“
Kam mir bekannt vor.
„So wie bei mir, meine beiden Brüder und ich arbeiten ebenso als „Partner“ in der Firma.“
Mike malte dazu Anführungsstriche in die Luft.
„Dann seid ihr beide hier bei Mr. Scott beschäftigt.
„Ja. So kann man es nennen“, antwortete Mike grinsend.
Verwirrt schaute Mrs. Nelson zwischen uns hin und her.
„Marcus ist meine Manny und kümmert sich um meine jüngeren Geschwister und den Haushalt“, meinte Levi amüsiert.
Mit großen Augen schaute mich Mrs. Nelson an.
„Manny…“, blabberte sie meinem Freund nach und Levi und Mike fingen laut an zu lachen.
„Ja, unser jüngster hat sich für einen anderen Berufszweig entschieden“, setzte mein Bruder noch als Erklärung eins oben drauf.
„Ich …ich habe noch nie von einem Manny gehört, geschweige denn, dass es überhaupt welche gibt.“
„Wie ich schon zu meinem Chef sagte, nicht viele, aber es gibt uns!“
Mit großen Augen schaute mich die Frau an.
„Ich habe übrigens hier unsere Unterlagen, über die Anlage…“, riss alle aus dem Gedanken und schob einen Hefter Richtung Mrs. Nelson.
„Ich habe mir zu Hause am Computer schon ihre Daten der Klimaanlage angeschaut. Zum letzten Mal gereinigt würde sie vor fünf Jahren, außer sie haben eine andere Firma beauftragt, Mr. Scott.“
„Mrs. Nelson, hätten sie etwas dagegen, wenn wir uns mit Vornamen anreden, Michael kennen sie ja bereits und Marcus hat sicher nichts dagegen, mit ihm werden sie hauptsächlich zu tun haben, wie gesagt, er kümmert sich um das Häusliche und ich habe keine andere Firma beauftragt“, meinte Levi.
„Gerne!“, lächelte Charlotte, „wenn sie aber fünf Jahre nicht gereinigt wurde, büßt sie sicher an Leistung ein, außerdem würde ich vorschlagen, die Basistechnik zu erneuern, damit sie zum Beispiel, das Ganze auch vom Handy ansteuern können.“
Ich schaute Levi an, aber der nickte nur.
„Wo hängt dieses Ding überhaupt?“, kam es von Mike.
„Laut Unterlagen hinter dem Haus unter dem Dach“, antwortete Charlotte, „und wenn keine weitere Fragen bestehen, lasse ich ihnen Marcus den Kostenvoranschlag mit Arbeitsplan gegen morgen Mittag zu kommen“
„Kein Problem…“, sagte ich nur.
Sie fing an, ihrer Unterlagen zusammen zupacken.
„Michael, es wäre schön, wenn man sich mal wieder treffen könnte, über alte Zeiten plaudern und so.“
„Ich bin jeden Tag hier, also leicht zu finden.“
„Und du hast nie wieder etwas von Finley gehört?“
Betroffen sahen wir anderen uns an.
„Doch…“, antwortete Mike zögernd, „… und auch nur zufällig… Er hatte vor acht Jahren einen schweren Unfall und liegt seitdem in Koma…!“
„Mein Gott!“, kam es entsetzt von Charlotte.
*-*-*
„So klein ist die Welt“, meinte Levi zu mir, als die beiden gegangen waren.
„Ich werde mich schnell um das Essen kümmern, die Kids haben sicherlich schon Hunger.“
„Mich wundert eh, dass Noah sich noch nicht gemeldet hat.“
„Da hast du Recht!“
„Er saß in seinem Zimmer, als ich vorhin herunter kam.“
Neugierig wie wir waren, liefen Levi und ich nach oben. Noah fanden wir im Zimmer seiner Schwester, er lag auf dem Boden und malte. Ella schaute uns erstaunt an.
„Was ist?“, fragte sie.
„Ich habe mich nur gewundert, wo Noah steckt“, antworte Levi.
„Noah liegt auf dem Boden und malt Bilder für Ella!“, kam es vom jüngsten Spross der Familie.
Ich musste grinsen.
„Könnte der für Ella malende Noah Marcus helfen, den Tisch zu decken, damit wir essen können?“, fragte Levi.
Erst jetzt setzt sich Noah auf und schaute zu uns.
„Will aber Bild fertig malen!“, kam es postwendend von Noah.
„Lass mal, das schaffe ich gerade noch alleine“, meinte ich zu Levi.
Während Levi nach oben lief, begab ich hinunter in die Küche, die noch so aussah, wie ich sie verlassen hatte.. Ich stellte das Gas an und warf alles in die große Pfanne und solange das Ganze vor sich hin brutzelte, deckte ich den Tisch und verteilte die Gläser.
Gerade, als ich den Inhalt der Pfanne in eine Form umfüllte, machte sich der Rest der Hausbewohner bemerkbar, in dem sie die Treppe herunter polterten. Ella und Noah setzten sich und Levi holte die Getränke aus dem Kühlschrank. Ich stellte die Pasta auf den Tisch und ließ mich ebenso nieder.
Und schon konnte die Fütterung der wilden Tiere beginnen.
„Ella, darf ich dich etwas fragen?“
Sie schaute mich an.
„Um was geht es?“
„Robert…, wie geht es ihm?“
Sie hielt kurz inne.
„Das kann ich dir nicht einmal sagen, er ist sehr ruhig geworden.“
„Denkst du, er fühlt sie uns gegenüber irgendwie schuldig?“
Diese Frage hatte Levi gestellt.
„Wieso sollte er sich schuldig fühlen?“, fragte Ella verwirrt.
„… das was passiert ist, er hat ja auch erzählt, dass sich seine Mutter Vorwürfe macht.“
„Denkst du nicht nach dem Gespräch mit ihnen, hat sich das geklärt?“
„Mir ist halt nur aufgefallen, dass Robert uns gegenüber, sehr still geworden ist“, meinte ich.
Ella kaute nachdenklich auf ihrem Essen herum.
„Ach ich weiß auch nicht, den anderen ist auch schon aufgefallen, dass sich Robert komisch benimmt. Selbst die Lehrer fragten, ob etwas nicht stimmt, weil er sich am Unterricht nicht mehr beteiligt.“
Ich schaute zu Levi.
„Sollten wir vielleicht Levis Eltern auch zu dem Geburtstag einladen“, schlug ich vor.
„Nein“, kam es sofort von Ella.
Verwundert schaute ich sie an.
„Ella hat Recht, eigentlich sind es Fremde für uns“, sagte Levi.
„Stimmt, so gut kenne ich Robert jetzt auch nicht“, meinte Ella.
„War nur ein Vorschlag…, dass die Familie sieht, dass ihr keinen Groll gegen sie habt“, erklärte ich.
Nun waren beide still und am überlegen. Was Noah dachte, wusste ich nicht. Er starrte ins Leere, aber grinste dabei. Die Teller leerten sich und der Tisch wurde wieder abgeräumt. Ohne etwas groß zu sagen, verschwanden die drei wieder in die oberen Stockwerke.
War es falsch, dieses Thema anzuschneiden? Ich seufzte und begann mit der Reinigung der Küche.
*-*-*
Als ich später in Levis Schlafzimmer kam, lag er bereits im Bett. Ich löschte das Licht im Flur und gesellte mich zu ihm.
„Wieder ein ereignisreicher Tag vorüber“, meinte Levi und legte sein Buch zur Seite.
„Stimmt, ich freue mich schon aufs Wochenende und es wieder ruhiger im Haus ist.“
„Da gebe ich dir Recht!“
Ich legte mich ins Bett.
„War es falsch heute Abend beim Essen, das Thema Robert anzuschneiden?“
„Ich weiß es nicht! Mir ist das zwar auch aufgefallen, aber ich habe mir leider nicht so viele Gedanken darüber gemacht, wie du.“
Ich kuschelte mich in Levis Arm.
„Habe ich auch nicht, ich möchte nur nicht, dass der Junge irgendwie darunter leidet.“
„Hat er das nicht eh schon, wegen seiner Familie.“
Icxh zuckte mit den Schultern.“
„Du kannst nicht auf allen Baustellen gleichzeitig arbeiten“, meinte Levi leise.
Ich drehte meinen Kopf so, dass ich ihn ansehen konnte.
„Wie meinst du das?“, wollte ich wissen.
„…, dass du genug Baustellen hier im Haus und in den zwei Familien hast! Du brauchst dich nicht noch um eine weitere Familie zu kümmern.“
Baustellen, so gesehen hatte er Recht, ich hatte genug um die Ohren, da sollte ich mir nicht noch mehr aufhalsen.
„… ich kann nichts dafür…, ich bin halt so.“
„Das liebe ich auch so an dir, aber du solltest auch etwas an dich denken, denn irgendwann könnte dir das alles über den Kopf wachsen.“
Levi sagte dies mit einer Ruhe, die mir eine Gänsehaut verpasste.
„Ich verspreche hoch und heilig auf mich aufzupassen!“, grinste ich ihn an.
Er gab mir einen Kuss.
„Ich werde dich daran erinnern! So und jetzt schlafen wir, morgen kommt der nächste ereignisreiche Tag“, meinte Levi und löschte sein Licht.
Dann kuschelte er sich dich an mich.
*-*-*
Der nächste Morgen begann wie immer. Joggen, bevor das Leben im Haus erwachte, Ella in die Schule bringen, mit Noah frühstücken. Wie gewohnt trafen mit Levis Rückkehr auch die ersten Bauarbeiter ein und der Lärm war vorprogrammiert.
Der Garten war fertig, die Firma hatte sich richtig ins Zeug gelegt. So stand dem Geburtstag der Zwillinge nichts mehr im Wege. Heute sollte nur noch alles entsorgt werden, was nicht in den Garten gehörte.
Mikes Trupp lag auch in den letzten Zügen. Das zweite Zimmer war auch fast fertig, bald konnte der Maler beginnen und der Fliesenleger kommen. Wenn alles so weiter lief, war zum Geburtstag alles fertig und Ella konnte ihr neues Zimmer beziehen.
Aber damit würde keine Ruhe einkehren, denn dann standen Noahs Zimmer auf dem Programm und die Renovierung seines Bades.
„Über was denkst du nach?“, riss mich Levi aus dem Gedanken, der mit mir wie immer am Küchentisch saß.
„Was noch alles ansteht.“
„Ich hoffe, du hast dir das gestern Abend nicht zu sehr zu Herzen genommen?“
„Nein, sicher nicht! Ich sagte ja schon gestern, ich sehne mich nach etwas Ruhe‘“, grinste ich ihn an.
„Sofie, ich glaube wir müssen dir eine neue Haushaltshilfe suchen, deine Küche ist Marcus zu laut!“
Sofia fing an zu lachen. Ich schreckte Levi die Zunge heraus und Noah fing an zu kichern.
„Hast du heute schon etwas geplant?“, wollte Levi wissen.
„Mit Noah sparzieren gehen und mich später um sein Lernmatrial kümmern und natürlicvh die übliche Hausarbeiten, die du mir aufbrummst!“
„Hausarbeiten… aha… soso! Noah, hol mal etwas zum Schreiben, damit wir für Marcus eine Liste schreiben können.“
Wieder fing Sofia an zu kichern.
Noah wollte schon aufstehen, aber Levi hielt ihn zurück.
„Bleib sitzen Noah, das war nur Spaß!“
Ich zog eine Schnute und nahm einen weiteren Schluck meines Kaffees.
„Guten Morgen Familie Scott!“, hörte ich Mike Stimme im Flur rufen.
Ich atmete tief durch. Aus war es mit der Ruhe, mein bruder war gekommen.
„Morgen Onkel Mike“, sagte Noah neben mir, als dieser die Küche betrat.
„Was für Überraschung hat mein kleiner Bruder heute parat?“, fragte Mike und legte seine hand auf meine Schulter.
„Überraschung? Hatten wir davon nicht genug?“, meinte ich leicht gefrustet.
Sofia reichte Mike seinen Kaffee.
„Danke Sofia!“, sagte Mike und ließ sich neben mir nieder.
„Ach Brüderchen, nimm es doch nicht so schwer!“, grinste er mich an.
„Du bist heute Morgen so gut gelaunt… ein bestimmter Grund.“
„Öhm… nein, ich war gestern nur noch etwas weg.“
„Wird das dir nicht zu viel, nach einem langen Arbeitstag?“, fragte Levi.
Mike nahm einen großen Schluck seines Kaffees.
„Nein, aber auch ich brauche etwas Abwechslung zu meinem tristen Alltagsleben!“
Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass Sofia breit grinste, Levi ebenso.
„Warst du mit Charlotte weg?“, fragte ich direkt.
„Nein, mit jemand anderem“, grinste mich mein Bruder an.
Ich sah ihn mit großen Augen an.
„Ein gewisser… wie hieß er Jordan?“, kam es vom Levi.
Mike wurde dunkelrot. Ich konnte nicht anders und fing an zu lachen,, natürlich Levi auch.
„Wer ist Jordan?“, fragte Noah, „noch ein Onkel? Noah hat viele Onkel!“
Das setzte dem ganzen die Krone auf, ich bekam mich nicht wieder ein. Levi schien es nicht anders zu ergehen.
„Ich glaube, ich verziehe mich lieber nach oben!“, sagte Mike und wollte sich schon erheben.
„Halt schön dageblieben, wir wollen Details wissen!“
„Der Gentleman genießt und schweigt!“
„Aber mal Spaß bei Seite, du bist gestern so schnell verschwunden und ich konnte mit dir gar nicht mehr über früher reden, als du vorhattest, dir etwas anderes zu suchen.“
Levi versteckte sich hinter seinem Pott Kaffee und beobachtete uns beide.
„Das war irgendwie zu einer anderen Zeit“, begann Mike zu erklären, „da waren viele Dinge noch nicht so, wie sie heute sind. Ich hatte frisch ausgelernt, noch nicht die Verantwortung, die ich heute trage.“
Ich unterbrach ihn nicht mit meiner Fragerei, sondern hörte nur zu.
„Finley und die anderen zeigten mir damals eine Welt, sie waren wie ich Söhne oder Töchter von irgendwelchen Chefs und hatten nur die Aussicht, im elterlichen Betrieb zu beginnen. Dann die ewigen Streitereien mit Oliver und William, die mir auf den Keks gingen, da kommt irgendwann der Wunsch auf, einfach auszubrechen.“
Das verstand ich, das ging mir ja nicht anders, nur hatte ich nie bemerkt, dass Mike ähnliche Probleme hatte.
„… und nach dem Finley verschwunden war, brach diese neue Welt „Wir schaffen alles“, plötzlich wie ein Kartenhaus zusammen.“
„Finley muss etwas Besonderes gewesen sein…“, sagte ich leise.
„War er auch, oder ist er noch, wie auch immer, Finley hatte es immer auf den Punkt gebracht, dass wir alle nur das Beste in uns sahen. Er hatte wie du etwas Magisches an sich“, grinste Mike mich an, „du bist ihm in vielen ähnlich!“
Dazu konnte und wollte ich nichts erwidern. Es war Stille in der Küche, für einen ganz kleinen Moment, dann setzte Sofia ihre Arbeit fort, der Türgong ging und Noah blätterte weiter in seinem Bilderbuch.
„Ich schau, wer an der Tür ist“, meinte Mike und erhob sich.
„Dann werde ich mich mal in mein Büro verziehen“, kam es von Levi.
„Wäre es möglich mit der Schule einen Termin auszumachen, damit ich an das Lernmaterial komme?“, fragte ich.
„Wollen wir nicht erst den Test machen lassen?“
„Wir können doch zweigleisig fahren, je früher wir beginnen, umso schneller kann geholfen werden“, meinte ich.
„Der Maler“, meinte Mike nur, als er an der Küche vorbei lief.
Ein kleiner Trupp Leute folgte ihm.
„Ich gebe dir dann nachher Bescheid“, meinte Levi.
Er gab erst Noah einen Kuss auf den Kopf, dann mir, bevor er ebenso die Küche verließ.
*-*-*
Das was Mike erzählt hatte, ließ mir den ganzen Tag keine Ruhe. Immer wieder hielt ich inne und dachte über das Gesagte nach. Wäre es besser gewesen, wenn es anders gelaufen wäre? Aber Mum sagte immer, dass alles seinen Grund hätte und wir irgendwann merken würden, für was es gut wäre.
„Darf ich an deinen Gedanken teil haben?“, riss mich Levi aus den Gedanken.
Er stand in meiner Tür und ich sah auf meine Uhr. Mittagessen!
„Überall und nirgendwo“, antwortete ich.
„Kommst du essen? Mike bringt Noah mit herunter.“
Ohne Worte stand ich auf, ging zu ihm hin und umarmte ihn.
„Ist alles in Ordnung mit dir?
Ich zuckte mit den Schultern.
„Macht dir das zu schaffen, was Michael erzählt hat?“
Ich nickte und spürte plötzlich seine Hand auf meinem Kopf, wie er mich streichelte.
„Marcus, das ist in der Vergangenheit passiert, daran kannst du jetzt auch nicht mehr ändern.“
„… aber ich hätte merken müssen, dass es Mike nicht gut geht!“
Levi drückte mich etwas von sich weg und hob meinen Kopf an, so das er mir in die Augen schauen konnte.
„Er wird schon seine Gründe gehabt haben, warum er es vor dir verheimlicht hat, aber vorwerfen darfst du es ihm auch nicht.“
„Tu ich nicht, es tut nur irgendwie weh. Es ist so viel schief gelaufen in der Vergangenheit.“
„Wie gesagt, du kannst es nicht mehr ändern, sondern nur das Beste daraus machen und nicht jeder bekommt die Chance für einen Neuanfang.“
Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und gab Levi einen Kuss.
„Wir haben beide wohl zu dicht am Wasser gebaut.“
Ich nickte.
„Wie sagst du immer, gemeinsam schaffen wir das!“
Ein anderer Gedanke baute sich in mir auf. Wenn dieser Jakob wirklich für den Unfall verantwortlich ist, würde er niemals genug bestraft werden, für das, was er alles angerichtet hat!
*-*-*
„Hallo Robert. Läufst du wieder mit uns?“, fragte ich, als wir Ella vor der Schule in Empfang nahmen.
„Wenn ich darf?“, bekam ich als Antwort.
„Warum solltest du nicht dürfen? Der Garten ist übrigens fertig, wenn ihr wollt, könnt ihr ihn euch gleich anschauen.“
„Wirklich fertig?“, kam es von Ella.
„Ja, meine Eltern waren persönlich da und haben die Holzmöwe aufs Dach gesetzt.“
„Deine Eltern?“
„Ja, mein Vater hat das Ding schließlich geschnitzt!“
Ich ertappte mich, wie stolz ich darüber war.
„Das muss gefeiert werden, also ich meine, die Einweihung des Gartens!“, grinste Ella.
„Nächste Woche, an eurem Geburtstag!“
„Och erst?“
„Ja, das hat euer Bruder so beschlossen!“
„Noah?“
Ella schaute ihren Bruder an, der die ganze Zeit strahlend neben ihr her lief.
„Nein Levi!“, antwortete ich lächelnd.
Das Lächeln verging mir aber, als ich mich zu den andern drehte und mir ein dunkler Geländewagen auffiel, den ich schon an der Schule gesehen hatte. Er war mir auch nur ins Blickfeld gerückt, weil er so vor Dreck stand, dass man nicht mal die Kennzeichen lesen konnte.
Ins Innere konnte man auch nicht schauen, dafür waren die Scheiben zu sehr verdunkelt. Ich zückte das Handy und wählte Levis Nummer.
„Hallo Schatz, schon solche Sehnsucht nach mir, dass du jetzt schon unterwegs anrufst?“
„Nein…, das heißt… egal… Levi ich glaube uns folgt ein Wagen?“
„Was? Bist du dir sicher?“
- Es ist fast kein Verkehr und der Wagen überholt uns nicht!
„Gut wo seid ihr jetzt?“
„Etwa zweihundert Meter bis zur Praxis…“
„Gut, ich verständige Cpt. Davis und ihr schaut, dass ihr schön dicht zusammen bleibt.“
„Okay, bis gleich…“
Ich drückte das Gespräch weg und ließ das Handy verschwinden.
„Ist was Marcus? Du schaust so besorgt?“
„Alles in Ordnung, mir ist gerade nur etwas eingefallen, was ich vergessen hatte“, log ich.
Ich redete, denn ich wollte die Kids auf keinen Fall in Panik versetzten. Wir erreichten gerade die Praxis, als ein Streifenwagen mit Sirene sich schnell näherte. Er breschte an uns vorbei und kam direkt vor dem Geländewagen zum Stehen.
Zwei Uniformierte sprangen heraus, mit gezückter Waffe. Ihre Aufforderung zum Aussteigen, war bis zu uns hören. Levi kam uns entgegen gerannt.
„Mit euch alles in Ordnung?“
„Was ist denn los?“, wollte Ella wissen.
Noah bekam natürlich Angst und klammerte sich plötzlich an Levi, Elijah wollte schon zurück laufen, um besser sehen zu können, aber ich hielt ihn zurück.
„Kommt weiter!“, sagte Levi und zog Noah mit sich.
„Kann mir jemand sagen, was hier los ist?“, fragte Ella noch mal.
Levi blieb stehen und drehte sich zu uns.
„Schwesterchen, ich erkläre euch alles, wenn wir zu Hause sind. Okay?“
*-*-*
Geschockt saßen die Kids am Tisch. Levi hatte versucht zu erklären, was bisher passiert war. Alle schwiegen betroffen.
„Kann Ella dann überhaupt noch in die Schule gehen?“, fragte Evelyn.
„Klar kann sie“, sagte ich, als ich das Wohnzimmer betrat.
Cpt. Davis hatte angerufen, so war ich in den Flur gelaufen.
„Übrigends falscher Alarm, Cpt. Davis hat erzählt, dass da ein älterer Herr im Wagen saß und Probleme mit seiner Gangschaltung hatte, deswegen fuhr er so langsam hinter uns her. Tut mir leid, wenn ich euch so erschreckt habe…“
Levi atmete tief durch.
„Du musst dich nicht entschuldigen Marcus!“, meinte Ella und schaute ihren Bruder an.
„Ja Markus, lieber vorsichtig sein, bevor noch etwas passiert?“, sagte Levi.
„… und sie meinen wirklich, daran ist Ellas Großvater schuld?“
Diese Frage stellte nun Robert.
„Also… ich meine, alles was passiert ist… auch der Unfall damals…“
Ich legte meine Hand auf seine Schulter und spürte, wie er zitterte.
„Robert, dass wissen wir nicht genau, bisher konnte ihm niemand etwas nachweisen…“
„Aber…, aber wir waren bisher jeden Sonntag bei ihm, warum hat er da nichts gemacht?“
Ella schaute ihren Bruder ängstlich an.
„Weil entweder ich oder Großmutter bei euch war.“
Das Zittern unter meiner Hand war stärker geworden.
„Was kann sich dieser… Mensch noch alles erlauben…, mein Bruder liegt in Koma und Phillip ist behindert…“, hörte ich Robert leise sagen.
Seine Stimme klang weinerlich. Evelyn und Elijah schauten Robert geschockt an. Sie hatten das bisher noch nichts gehört und Ella hatte wahrscheinlich auch nichts erzählt.
„Robert, wie gesagt, man kann ihm nichts nachweisen und es gibt da auch noch jemand anders, der…“
„Levi!“, unterbrach ich meinen Freund und schüttelte den Kopf.
Wir hatten die Kinder schon genug geängstigt, von Jakob sollte er nicht auch noch erzählen.
„… und wie geht es jetzt weiter?“, fragte Elijah.
Noah hatte sich wieder beruhigt, er lag wie gewohnt vor dem Fernseher. Ob er wirklich nichts mitbekam, konnte ich beim besten Willen nicht sagen.
„Dann war das Paket mit der roten Farbe für Marcus, auch von Großvater?“, kam es ärgerlich von Ella.
„Nein, der Täter wurde beim abgeben des Paket gefilmt und es war definitiv nicht dein Großvater“, versuchte Levi seine Schwester zu beruhigen.
„Levi, ich verstehe aber nicht, wenn es wirklich Großvater war…, warum bekommt dann alles Marcus ab? Er hat doch mit allem nichts zu tun!“
Klar dass Ella mit dieser Frage kommen musste.
„So gesehen, gehöre ich jetzt zu eurer kleinen Familie…“
„Hä…? Du arbeitest hier als Manny…“, meinte Elijah vorwitzig.
„… und ist der Freund meines Bruders“, fügte Ella hinzu.
Alle Achtung, sie hatte es niemanden erzählt.
„Was, ihr zwei seid zusammen?“, kam es entzückt von Evelyn.
Ihre Tonlage war hoch, was sogar Robert ein Lächeln bescherte. Sie hob ihre Hände vor die Brust und strahlte über das ganze Gesicht. Verwundert schaute ich zu Ella.
„Evelyn ist BL Fan“, erklärte Levis Schwester.
„BL?“, fragte nun Levi selbst.
„Boylove!, Habt ihr noch nie die Filme geschaut, wenn zwei Jungs sich lieben?“, fragte ein grinsender Elijah.
Levi schaute zu mir, aber ich schüttelte den Kopf.
„Aber noch mal meine Frage, wie geht es jetzt weiter?“, wollte Elijah wissen.
Das Lächeln aller verschwand wieder.
Ganz gegen meine Gewohnheit, war ich nach dem Mittagessen nach oben gegangen und hatte mir die Fortschritte des Dachgeschosses angeschaut. Der Maler war mit der Verspachtelung, der entstandenen Löcher fertig und hatte bereits mit der Grundierung angefangen.
Auf der anderen Seite, dem Gästezimmer, wurde bereits die Trenndecke eingezogen. Mikes Leute waren wirklich fleißig gewesen. Nie hätte ich gedacht, dass dieses Vorhaben, den Kids mehr Freiraum zu schaffen, so schnell in die Tat umgesetzt wurde.
Ich merkte schnell, dass ich hier nur im Weg stand, so verzog ich mich wieder. Ein Stock tiefer war Levi am Telefonieren, so wollte ich ihn auch nicht stören. Eine weitere Treppe und ich war wieder auf meinem Stockwerk.
Ella saß wie immer an ihrem Schreibtisch, mein Weg führte aber zu Noah. Er saß auf dem Boden und spielte mit seinen Autos. Wenn wir Noah weiterhin fördern wollten, musste der Junge ebenso über einen Schreibtisch verfügen. Im neuen Zimmer wäre dann auch entsprechend Platz dafür.
Ich ließ mich neben Noah nieder. Gerne hätte ich gewusst, was in dem Kopf des Jungens vorging. Sicher war, das er mich wahr nahm, aber er reagierte eben nicht wie andere Kinder oder Jugendliche in seinem Alter.
„Noah hast du dir schon überlegt, in welcher Farbe wir dein neues Zimmer streichen?“
Erschaute kurz auf, starrte nach oben, bevor er sich wieder seinem Traktor widmete.
„Blau“, hörte ich ihn plötzlich sagen, „Noah liebt blau!“
„Blau wie der Himmel, oder blau wie das Wasser?“
„Wasser, Levi mag Wasser, Noah auch!“
Das hatten die Brüder gleich.
„Noah, wollen wir Levi fragen, ob wir zusammen schwimmen gehen?“
Fragend schaute mich der Junge an.
„So wie in der Badewanne nur viel größer.“
„Noah kann nicht schwimmen.“
„Noah kann schwimmen lernen!“
Wir konnten dieses Spiel jetzt noch ewig weiter spielen, aber darauf hatte ich keine Lust. Aber einen Familienausflug planen, darauf schon. Es wäre eine neue Erfahrung für Noah und wenn man dann noch Mike einladen würde, ein zusätzlicher Spaßfaktor.
Ich hing schon am Handy, um etwas Passendes zu finden, als levi im Zimmer erschien.
„Habe gerade mit der Schule telefoniert und ihnen die Sachlage erklärt und habe nächsten Dienstag einen Termin bekommen.“
„Danke!“
„Was macht ihr gerade?“
„Wir planen den nächsten Familienausflug.“
„Marcus will mit Noah schwimmen gehen“, kam es von dem Jungen.
Levi ging neben seinem Bruder in die Hocke.
„Will mein kleiner Bruder denn schwimmen gehen?“
„Marcus will Noah schwimmen bei bringen.“
„Wann wollt ihr das machen?“, fragte Levi nun mich.
„Natürlich an einem Sonntag.“
„Schon etwas gefunden?“
„Besonders Kinderfreundlich, mit vielen Rettungsschwimmern gäbe da den DreamWorks Water Park drüben bei North Bergen.“
„Etwas weit, aber könnte interessant sein.“
„Es gibt hier in der Gegend noch das Metropoltian Rereation Center…“
„…nein, da war ich schon, die haben nur einen kleinen Pool und der ist an einem Sonntag sicher überfüllt!“
„Okay, dann den Water Park. Soll ich Mike mit einrechnen?“
„Wäre nicht schlecht, zwei Augen mehr, die auf unseren Kleinen aufpassen.“
„Vielleicht auch vier, er könnte ja noch jemand mitbringen“, grinste ich Levi frech an.
„Gibt es zu, du möchtest sicher Jordan kennen lernen?“
„Du nicht?“
„Doch! Dann solltest du Mike fragen, ob er Zeit hat!“
„Was soll er mich fragen?“, hörte ich es aus dem Flur.
„Ob du beim nächsten Familienausflug dabei bist?“, rief ich zurück.
Mike erschien an der Tür.
„Jetzt am Sonntag? Wo soll es denn hingehen?“
„DreamWorks Water Park!“, antwortete Levi.
„Wirklich? Da wollte ich schon immer mal hin, die haben so geile Rutschen!“
Seine Augen leuchteten plötzlich.
„Kommt Onkel Jordan auch?“, fragte Noah plötzlich.
Für eine Sekunde war es Muks Mäuschen still in Noahs Zimmer, dann fingen Levi und ich laut an zu lachen.
„Onkel… Jordan“, blabberte Mike nach.
„Ja Brüderchen, bring Onkel Jordan mit“, lachte ich.
Mike verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.
„Ich weiß nicht recht…“
„Wieso plötzlich so schüchtern?“, wollte ich wissen.
„Du bist gut, so gut kenne ich Jordan noch nicht…“
„He komm, das macht sicher viel Spaß und ihr könnt euch dabei besser kennen lernen“, meinte Levi.
„Hast du ihm von uns erzählt?“, fragte ich.
„Etwas, nicht viel…“
„Dann schreib ihm doch, das Levis kleiner Bruder gefragt hat, ob Onkel Jordan auch mit geht.“
„Meint ihr wirklich?“
Levi und ich nickten beide. Mike schaute unsicher zwischen uns hin und her, holte aber dann doch sein Handy hervor. Langsam tippte er etwas ein und nach ein paar Sekunden drückte er zögernd senden.
„Was hast du geschrieben?“, wollte ich wissen.
„So wie ihr gesagt habt… ob Onkel Jordan mitgeht…“
Levi fing wieder an zu lachen.
„Auf die Antwort bin ich gespannt.“
*-*-*
Es war keine Antwort gekommen, so ging Mike weiter seiner Arbeit nach. Auch Levi war wieder nach oben gegangen, während ich mit dem Abendessen in der Küche begann. Noah war mit herunter gekommen und saß am Tisch.
Er schien nachdenklich zu sein, die ganze Zeit hatte er nichts gesagt. Der sonstige Redeschwall war zum Erliegen gekommen. Leider kannte ich nur einen Bruchteil seiner Welt und konnte ihn dadurch nicht einschätzen.
Er saß vor seinem Buch, sah aber mehr in die Luft, als in sein Buch. Ich schnitt die Kirschtomaten klein, die ich später für den Auflauf brauchte.
„Kann man Schiffe an die Wand malen?“, fragte Noah plötzlich.
Die Frage erstaunte mich jetzt.
„Klar kann man Schiffe an die Wand malen. Du kannst alles an die Wand malen, was du möchtest.“
„Noah möchte ein Wasserbild haben, so wie das Foto vom Fluss.“
Machte er sich tatsächlich Gedanken, wie sein Zimmer aussehen sollte? Ich überlegte kurz.
„Kann Noah das auf ein Blatt malen?“
Ohne einen Ton zu sagen stand er auf und verließ die Küche. Nach den Geräuschen lief er die Treppe hinauf. Ich schnappte mir den Schinken und schnitt ihn in Streifen. Draußen hörte ich Noah wieder die Treppe herunter kommen.
Wenige Sekunden später setzte er sich wieder an den Küchentisch. Er hatte nicht nur seine Malkiste und einen Block gebracht, nein, es waren auch die feinen Stifte aus meinem Zimmer dabei.
Woher wusste er, wo die lagen? Beobachtete er mich so genau, wenn ich die Dinge verräumte? Es war mir bisher nie aufgefallen, dass Noah mich beobachtete. Dann kamen noch die kleinen Bilder zum Vorschein, die wir am Hudson River gemacht hatten und ich für ihn gedruckt hatte.
Das alles breitete er auf dem Küchentisch aus. Die Pastanudeln waren fertig, so konnte ich Noah nicht weiter meine volle Aufmerksamkeit schenken. So schüttete ich meine Nudeln ab und stellte den Topf wieder auf die Flamme.
Ein kurzer Blick zu Noah zeigte mir, dass er sich einen Bleistift geschnappt hatte und zu malen begann. Es hatte keinen Sinn ihm weiter zuzuschauen, sonst würde das Essen nie fertig.
Ich machte etwas Fett in den Topf, der Sekunden später anfing etwas zu rauchen.
Der Topf war schon zu heiß. Ich stellte die Flamme kleiner, warf die Zwiebeln in den Topf und begann zu rühren, damit sie mir nicht anbrannten. Als die Zwiebeln glasig waren, folgte der Knoblauch, der Paprika und Zwiebelauch.
„Das riecht gut“, kam es von Noah und ich musste lächeln.
Ich drehte meinen Kopf zu ihm und sah, das er am radieren war.
„Hast du etwas falsch gemacht?“, fragte ich.
„Nein, Noah gefällt das nicht!“
„Lass dir Zeit!“, meinte ich nur und widmete mich wieder meinem Topf.
Nachdem ich das Gemüse gewürzt hatte, ließ ich es in aller Ruhe Farbe bekommen. Dann goss ich das Ganze mit Sahne auf, löffelte den Frischkäse hinein und begann wieder zu rühren
Den Tomatenmark hatte ich vergessen, so drückte ich gut zwei Esslöffel hinzu und verrührte ihn.
Dann gab ich die Nudeln, den Schinken und die Kirschtomaten hinzu und vermengte alles, bevor ich es in die Auflaufform schüttete. Plötzlich stand Noah neben mir und hielt mir seinen Block entgegen.
Überrascht sah ich auf Noahs Zeichnung. Deutlich konnte man erkennen, dass es sich um die Flusslandschaft vom Hudson River handelte. Sogar ein paar Häuser im Hintergrund hatte er gemalt.
Ich hätte mir gerne das Bild noch genauer angesehen, aber meine Finger waren schmutzig vom Kochen und ich wollte keine fettigen Fingerabdrücke hinterlassen. Total fasziniert versuchte ich alles zu erfassen, was er gemalt hatte.
„Sind das zu viel Boote?“, fragte Noah.
„Nein, auf dem Hudson River sind doch auch immer viele Boote unterwegs.“
„Wenn du die zwei…“, ich zeigte auf zwei Boote, „ …kleiner malst, dann sind sie weiter weg“
Ohne etwas zu erwidern, setzte sich Noah wieder. Dies musste Levi sehen, denn es war unglaublich, was da Noah gezeichnet hatte. Ich wischte mir notdürftig die Finger ab, schnappte mir mein Handy und schickte Levi eine Nachricht, ob er in die Küche kommen könnte.
Da im Treppenhaus gerade viel Bewegung herrschte, konnte ich nicht ausmachen, ob levi reagierte. So streute ich noch den Käse über den Auflauf und stellte die Form dann in den vorgeheizten Ofen.
„Ist etwas?“, vernahm ich plötzlich Levis Stimme an der Tür.
Ich zeigte auf Noah, aber sagte nichts. Levi lief zu seinem Bruder.
„Was macht Noah?“
„Noah malt Bild für seine Wand.“
„Welche Wand?“
„Marcus hat gefragt, was für eine Farbe Noah für sein Zimmer haben will.“
Ich lächelte Levi an, der mich fragend anschaute.
„Wollte nur wissen, welche Farbe wir Noahs neues Zimmer streichen sollen. Da kam er die Idee mit dem Bild.“
„Das ist seine Idee?“, fragte Levi Noah.
„Noah will blaues Zimmer mit Schiffen!“, kam es von dem Jungen.
Ich nickte Levi zu. Fassungslos stand levi am Tisch und ich begab mich zu den beiden.
„Wir könnten eine Wand nach Noahs Vorlage anmalen, so hat er den Fluss in seinem Zimmer.“
Levi begann an zu lächeln.
„Die Idee gefällt mir.“
„Ich weiß nur nicht, ob so etwas von der Malerfirme gemacht werden kann, oder ich jemand dafür suchen muss.“
„Egal, den Wunsch möchte ich Noah erfüllen.“
„Gut, dann kümmere ich mich auch darum.“
„Danke!“, meinte Levi und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Braucht das Essen noch lange, ich bekomme langsam Hunger.“
„Eine halbe Stunde ungefähr und wir können Essen!“, antwortete ich.
Levi schaute erneut auf seinen Bruder.
„Ich glaube, wir essen heute drüben, ich möchte ihn ungern unterbrechen.“
„Auch das ist kein Problem“, grinste ich Levi an, „hast du noch viel zu tun.?“
„Nein, bin so gut wie fertig. Den Termin mit nächsten Dienstag hab ich dir gesagt?“
„Ja hast du.“
„Okay, ich fahr oben alles herunter und komm dann!“, und schon war er wieder verschwunden.
Die Arbeiten im Haus näherten sich heute dem Ende. Nach und nach verließen die Arbeiter das Haus. Auch die Herren der Gartenfirma verabschiedeten sich, sie waren heute fertig geworden, Die Rechnung würde dann zugestellt werden.
Morgen noch und dem Wochenende stand nichts mehr im Wege. Ich durfte nicht vergessen, mich noch einmal mit Vanessa kurzzuschließen, damit morgen Abend am Flughafen nichts schief lief.
Endlich Freitag und endlich Wochenende. Mir war noch nie bewusst geworden, dass ich mich so über ein Wochenende freuen könnte. Wie jeden Freitag um diese Zeit stand ich mit Noah, vor der Schule, um Ella abzuholen.
Sie wusste nicht von unserer abendlichen Aktion, wie Noah, wollte levi sie auch damit überraschen. Da Noah neben mir anfing zu winken, musste Ella das Schulgebäude verlassen haben.
Wenig später tauchte sie mit ihren Freunden vor uns auf.
„Hallo Marcus, meinst du mein Bruder lässt mich heute Abend mit dem Anderen Film schauen gehen?
„Ähm… da solltest du wirklich mit deinem Bruder drüber reden…“
Fragend schaute mich Ella an. Na sauber, ich konnte nur hoffen, dass dies nicht zu einem weiteren Familienkrach führen würde. Verlegen lächelte ich zurück. Das war wirklich Levis Sache, nicht meine.
Es war meine Idee gewesen, aber hauptsächlich wegen Noah, dass er mal etwas anderes sieht. Das Ella eventuell andere Pläne hatte, daran hatte ich nicht gedacht. Sie war ein normaler Teenager, die außer ihrer Schule keine anderen Aktivitäten hatte.
So war es nur natürlich, dass sie den Wunsch äußerte sich mit Freunden zu treffen. Wie Levi das Ganze sah, war eine andere Sache. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er darauf bestand, dass Ella mitgehen würde.
Levi hatte selbst auf vieles verzichten müssen, seit er die Vormundschaft für seine Geschwister hatte übernehmen müssen. Dann noch der Ärger mit dem Großvater.
„Du bist so schweigsam“, riss mich Ella aus dem Gedanken.
„…oh sorry, ich war einfach nur im Gedanken.“
Das schien ihr zu genügen, denn sie führte ihr Gespräch mit Evelyn über Klamotten weiter. Kurzzeitig trafen sich Roberts und mein Blick. Verschüchtert schaute er weg. Noch so einer, dessen Gedankenwelt ich nicht erfassen konnte.
„Ist Levi schon zu Hause?“, fragte nun Noah.
„Weiß ich nicht Noah, aber er hat versprochen sich zu beeilen“, beantwortete ich die Frage des Jungen.
Die Anwesenheit von Levi war notwendig gewesen, so war er direkt nach dem Essen in die Firma gefahren. Mittlerweile hatten wir das Haus erreicht, man verabschiedete sich und macht aus, in Kontakt zu bleiben, wegen der bevorstehenden Party.
War mein Vorschlag Oma Frida vom Flughafen abzuholen, doch keine gute Idee gewesen. Als ich die Treppe zur Haustür hinauflief, bemerkte ich auf der Straße Levis Wagen, der sich uns schnell näherte.
Er parkte in einer der freien Parknischen und lief wenige Sekunden später auf uns zu.
„Hallo zusammen!“, rief er lächelnd.
Ob diese gute Laune noch lange anhalten würde, war fraglich. Mit gemischten Gefühlen, betrat ich das Haus und entledigte mich meiner Jacke. Noah war schon vorgegangen und im Wohnzimmer verschwunden, denn dahin waren wir nach dem Mittagessen miit den Malsachen umgezogen.
Er hatte angefangen, alles mit Farbe auszumalen.
„Wie war die Schule?“, hörte ich hinter mir Levi fragen.
„Eigentlich wie immer, das heißt, in Mathematik haben wir einen neuen Lehrer bekommen“, war Ellas Antwort.
„Gut nicht gut?“, fragte Levi und verschloss die Haustür.
„Kann ich dir nicht sagen, er scheint aber sehr streng zu sein ,hat die Klasse ein paar Mal ermahnt, sich doch besser auf die Aufgabe zu konzentrieren.“
„…ich wollte eigentlich fragen…“, diesen Satz hatten die Geschwister fast gleichzeitig gesagt.
„Erst du…!“, grinste Levi.
Ich war im Türrahmen zum Wohnzimmer stehen geblieben und beobachtete die beiden.
„Ich wollte fragen, ob ich heute Abend mit Evelyn und Elijah zu Robert darf, wir wollen gemeinsam einen Film schauen?“
„Heute Abend?“
Das fröhliche Gesicht von Levi war verschwunden. Würde er jetzt laut werden?
„Warum gerade heute Abend?“, kam Levis Rückfrage etwas harsch.
Ella wich etwas zurück.
„Warum habe ich mir so etwas schon gedacht“, war Ellas trotzige Reaktion darauf.
Sie schnappte sich ihre Sachen und lief die Treppe hinauf.
„Stopp Ella, so habe ich das doch nicht gemeint!“
Auf der fünften Treppenstufe blieb sie stehen und drehte sich um.
„Hast du Angst, mir passiert etwas?“
„Nein Ella, ich habe nur etwas mit euch vor und es wäre wichtig, dass du dabei wärst… kannst du Robert nicht fragen, ob er das auf morgen verschieben kann?“
„Was ist so wichtig, dass du mich dabei haben willst?“
Nun schaute Levi zu mir. Er tat mir Leid, wollte er doch seine Geschwister überraschen. Etwas gedrückt lächelte ich und nickte ihm zu.
„… eigentlich wollte ich euch überraschen und zum Flughafen fahren…“
„Flughafen?“
„ja, Oma Frida kommt und ich wollte mich euch sie abholen.“
„Oma Frida kommt?“, fragte nun Ella lächelnd.
Sie war wieder drei Stufen weiter herunter gekommen.
„Ja, sie wollte uns besuchen, bei eurem Geburtstag dabei sein!“
Grinsend schaute ich Levi an. Das war nur die halbe Wahrheit. Laut Vanessa wollte sie wissen, wem ihr Enkel den Kopf so verdreht hat. Ella drehte sich auf der Treppe um und rannte nach oben.
„Ich ruf gleich Robert an, ob er das verschieben kann!“, rief sie noch, bevor sie im oberen Stockwerk verschwunden war.
Levi schaute zu mir und lächelte wieder.
„Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass sie so regiert‘“, meinte er und kam zu mir.
„Ich auch nicht“, entgegnete ich lächelnd, „sie kam aus der Schule und fragte, ob du sie heute Abend weglassen würdest.“
„Und was hast du gesagt?“
„Dass sie das lieber mit dir direkt besprechen sollte.“
„Warum hast du ihr nicht gleich gesagt, was wir vorhaben?“
„Weil es deine Überraschung sein sollte!“
„Danke“, meinte Levi und gab mir einen Kuss.
*-*-*
Der JFK Flughafen war leicht für uns zu erreichen, dennoch fuhren wir etwas früher los, hauptsächlich wegen Noah. Er hatte sich anfangs gewehrt mitzugehen. Nur durch gutes ‚Zureden von Ella, war er überhaupt dazu zu bewegen, ins Auto einzusteigen.
Über die Futron Street ging es quer hinüber zu Howard Beach, auf dessen Areal der Flughafen lag. Der Verkehr war mäßig um diese Zeit, so kam Levi recht zügig voran. Wie vorher vermutet klebte Noah an der Scheibe und zog alles in sich auf.
Es war am Dunkel werden und die vielen Lichter draußen schienen ihn zu faszinieren. Als wir dann die 767 befuhren, die Zufahrt zum Flughafen, waren schon die ersten Flugzeuge zu sehen.
„Noah schau, da landet gerade ein Flugzeug“, meinte Levi und zeigte nach vorne.
Noahs Kopf erschein zwischen uns beiden.
„Ist da Oma Frida drin?“
„Nein, da noch nicht, Oma Frida kommt in einer halben Stunde!“
„Ist Tante Vanessa auch da?“, kam es von der Rückbank, wo Ella saß.
„Ja natürlich, wo sonst soll Oma Frieda denn wohnen?“, beantwortete Levi ihre Frage.
„Tante Vanessa ist da?“, fragte nun ein freudenstrahlender Noah.
„Ja!“, antwortete ich.
Es dauerte natürlich noch eine Weile, bis wir die geeignete Parkfläche erreichten, weswegen Noah leicht anfing zu nerven. Er fragte ständig, wann wir endlich da sind. Eine weitere Maschine, die im Landeanflug war, ließ ihn dann aber verstummen.
„Wo treffen wir Vanessa“, fragte ich bei Aussteigen.
„Sie meinte, sie wartete direkt am Eingang auf uns.“
Es dauerte noch eine Weile bis wir laufend den Eingang, des riesigen glasrunden Terminals erreichten.
„Da ist Tante Vanessa“, rief Ella und zeigte auf den Eingang.
Der Einlass war zwar gut beleuchtet, aber bei der Flut von Menschen, die ihn betraten oder verließen, war es schwierig Vanessa zu finden. Erst als sie uns wild zuwinkte, erkannte ich sie.
Noah hüpfte darauf hin auf und ab, blieb aber brav an der Hand seines Bruders. Bei Vanessa angekommen, ließ er sich aber lange umarmen. Auch wir anderen wurden begrüßt. Nun an der Hand von Vanessa, konnte es weiter gehen.
„Zu welchem Terminal müssen wir?“, fragte Ella, die auf das große Display der Ankunftszeiten schaute.
„Terminal Neun – 42!“
„Dann sollten wir uns auf den Weg machen“, sagte Levi.
Auf dem Weg wechselte Noah wieder zu Levi, ihm schienen es wohl doch zu viele Menschen, die hier um die Uhrzeit noch unterwegs waren. Als wir das Gate dann endlich erreicht hatten wurde Oma Fridas Maschine angekündigt.
„Noah schau“, meinte Ella und zeigte durch die Scheibe nach draußen.
Trotz der hereinbrechenden Dunkelheit konnte man die Maschine noch deutlich sehen.
„Ist die groß!“, meinte Noah.
Er klebte regelrecht an der Scheibe.
„Die wird noch größer!“, sagte ich, „warte bis sie hier her rollt.“
Mit großen Augen schaute Noah mich an, bevor er wieder den Kopf Richtung Scheibe drehte. Die Landung schien normal zu verlaufen und die Maschine rollte auf dem Rollfeld aus, bevor sie dann zum Terminal abbog.
Langsam kam sie näher und wurde wirklich größer. Das merkte man daran, dass Noah langsam zurück wich und irgendwann hinter seinem Bruder stand. Ich konnte nicht anders und lächelte.
Aber ich dachte, es hatte den gewünschten Effekt, dass Noah mal etwas anderes sieht.
„Sitz da Oma drin?“, sagte Noah leise und zeigte an Levi vorbei auf das Flugzeug, welches nun bedrohlich nahe vor uns zum Stehen kam. Ich schnappte mir seine Hand und zog ihn ans Fenster.
„Wenn deine Oma einen Fensterplatz hat, kann sie dich vielleicht schon sehen.“
„Wie kommt Oma da jetzt raus?“
Eine logische Frage, wenn man das noch nie gesehen hatte. Der Auslagearm setzte sich in Bewegung und fuhr mit seinem Kopfstück Richtung Tür.
„Siehst du, da fährt eine… Brücke hin“, anders wusste ich es nicht zu erklären, „… und wenn die am Flugzeug fest gemacht ist, können die Leute herrüber laufen und kommen dann da drüber hinter der Glasscheibe heraus.“
Ich zeigte auf den Ausgang der Gangway, wo bald viele Leute heraus kommen würden. Noah zitterte leicht, also hatte er Angst.
„Hat Oma gesagt, wie lange sie bleibt?“, wollte Ella von Vanessa wissen.
„Dazu hat sie sich noch nicht geäußert, aber ich denke, sie wird uns schon eine Weile erhalten bleiben, wo ihr euch doch so selten seht. Aber sie ist sicher nur wegen eurem Geburtstag gekommen.“
Dabei sah Vanessa Levi grinsend an, der doch tatsächlich etwas rot wurde.
„Egal, ich freu mich dass sie da ist!“, kam es von Ella.
Ich widmete mich wieder noch, der immer noch fasziniert auf die Maschine schaute.
„Siehst du den kleinen Wagen mit den vielen Hängern?“, fragte ich.
Noah nickte.
„Da kommt das Gepäck der Leute drauf, auch der Koffer von Oma.“
„Das ist hoch, werfen die das runter?“
Ich brauchte kurz, bis ich verstand, was er meinte.
„Nein, siehst du da hinten den LKW, mit dem komischen Ding oben drauf, das ist ein Förderband.“
„Noah hat kein LKW, der so aussieht… Marcus, was ist ein Förderband?“
„Du wirst es gleich sehen. Da schau, der LKW fährt nun auch an die Maschine. Dann machen die Leute hinten die Tür auf und legen dann die Koffer auf das Band. Das fährt dann alleine runter und unten können Leute das dann abladen.“
„Und dann?“
„Dann fährt der Wagen mit den vielen Anhängern voll mit Koffern, rüber zu dem Haus. Dann können wir den Koffer von deiner Oma dort abholen, aber jetzt gehen wir da rüber und warten, dass deine Oma heraus kommt.“
„Besser hätte ich das auch nicht erklären können“, hörte ich Vanessa zu Levi sagen.
So lief unsere kleine Gruppe zum Ausgang des Gates.
„Das ist aber eine Überraschung, dass ihr mich alle abholt!“
Schien wirklich gelungen, dass Strahlen im Gesicht der älteren Dame war echt. Eigentlich hatte ich mir Frida anders vorgestellt, so wie man sich halt eine Oma vorstellt. Mein Gegenüber war aber anders.
Ihr Kleidungsstil war zwar schlicht, aber dennoch vornehm und modern. Immer noch umarmte sie Noah.
„Mutter, darf ich dir Marcus Brown vorstellen, der Mann…“
„… der Mann, der alles auf den Kopf gestellt hat… hallo Marcus!“, unterbrach Frida ihre Tochter Vanessa, „ich habe schon sehr viel von ihnen gehört.“
Ich schüttelte ihre Hand, die sie mir entgegen hielt. Ihr Händedruck war fest und alle begannen zu grinsen.
„Ich hoffe nur Gutes! Hallo Mrs. Williams!“
„Sage doch Frida zu mir. So wie ich gehört habe, gehörst du ja jetzt zur Familie!“
Dabei grinste sie Levi an. Die alte Dame brachte es doch tatsächlich fertig, dass ich rot wurde. Darauf etwas zu äußern, konnte ich nicht.
„Wir sollten dein Gepäck abholen“, meinte Levi, um vom Thema abzulenken, denn sein Gesicht hatte auch an Farbe gewonnen.
Noah neben mir gähnte.
„Ja, der Junge sollte ins Bett, das ist nicht seine Zeit!“, fügte ich Levis Bitte hinzu.
„Stimmt, wir haben in den nächsten Wochen noch genug Zeit um zu reden!“, meinte Frida.
„Wochen?“, kam es leicht entsetzt von Vanessa.
Ich musste mir ein Grinsen verbeisen.
„Ich muss doch die Fortschritte dieser Familie selber sehen!“
„Dann gehen wir noch mit dein Gepäck holen und fahren dann nach Hause“, erklärte Levi.
*-*-*
Jetzt war ich selbst müde. Einen schlafenden Noah in sein Zimmer zu tragen, ihn umzuziehen und schlafen legen, war doch mit einigen Mühen verbunden. Danach war ich in mein Zimmer gewandert, ging duschen um dann frisch gestriegelt, im Schlafanzug oben in Levis Zimmer zu erscheinen.
Der hatte schon seine Augen geschlossen, so beeilte ich mich schnellst möglichst ins Bett kommen. Aber Levi schlief noch nicht, denn sobald ich mir es im Bett bequem gemacht hatte, forderte Levi seine Kuscheleinheiten ein.
Diese körperliche Nähe tat gut, sie ließen all die vielen Sorgen in meinem Kopf verschwinden.
„Steht außer dem morgendlichen Einkaufsmarathon noch etwas auf dem Plan?“, wollte ich wissen.
Levi öffnete seine Augen nicht, sondern blieb mit seinem Kopf auf meiner Brust liegen.
„Ich gehe mal davon aus, dass Oma Frida morgen den ganzen Tag uns zu Leibe rückt.“
„Du willst sie mit zum Einkaufen nehmen?“
„Das nicht gerade, aber ausreden kann ich es ihr auch nicht, wenn sie mit will.“
„Ich kann auch zu Hause bleiben, im Wagen wird sonst zu eng.“
Levi hob seinen Kopf an und schaute mir in die Augen.
„Was ich soll auf meinen Freund verzichten? Nein, das will ich nicht.“
Schwer ließ er seinen Kopf wieder auf meine Brust plumsen. Ich atmete schwer aus. Wieder hob er seinen Kopf.
„Oh, sorry… habe ich dir weh getan? Also ich meine deine Rippen, sind doch jetzt in Ordnung, oder?“
„Keine Sorge, alles im grünen Bereich, ich spüre keine Schmerzen mehr in der Gegend.“
Dieses Mal sank sein Kopf wesentlich langsamer auf meine Brust.
„Dann bin ich ja beruhigt.“
„Willst du morgen Abend essen gehen, oder sol ich etwas feines Kochen?“
„Es ist Wochenende, du hast frei, warum willst du dann etwas Kochen?“
Unweigerlich musste ich grinsen. Meine Freizeit, oder wie er es nannte mein freies Wochenende, hatte sich in Luft aufgelöst, seit ich offiziell sein Freund wurde, aber es störte mich auch nicht weiter.
„So habe ich das?“, grinste ich.
Wieder schnellte sein Kopf nach oben, aber bevor er etwas sagen konnte, erstickte ich ihn mit einem Kuss. Dieser Kuss hatte aber zur Folge, dass nun Levi seinerseits aktiv wurde. Seine Hand ging auf Wanderschaft und verschwand unter meinem Shirt.
Natürlich ließ mich das nicht kalt. Unser ausgedehnter Kuss wurde intensiver und irgendwann flogen unsere Hüllen aus dem Bett. Hart drückte Levis Erregung gegen meine unter Region, aber mir ging es nicht anders.
Levis Berührungen waren wir kleine elektrische Funken, die mich immer mehr auf Touren brachten. Automatisch machte ich die Beine breit und Levis Augen wurden groß. Wir haten uns nie darüber unterhalten, wer Top oder wer Botton war.
Ich wollte ihn einfach in mir spüren und ihm ganz gehören.
„Bist du sicher?“, hörte ich ihn leise sagen.
Aber auch darauf sagte ich nichts, sondern küsste ihn weiter. Für ihn wohl das Zeichen, dass ich nichts dagegen hätte, denn sofort spürte ich seine Finger an meinem Hintern.
*-*-*
Als ich erwachte, war es draußen schon hell. Ich drehte mich zu Levis Seite, aber sie war leer. Dafür stand die Badtür offen und ich hörte das Duschwasser brausen. Nach dieser Nacht hatten wir es beide nötig unter die Dusche zu kommen, denn nach unserem Liebesspiel war ich einfach nicht mehr fähig dazu und war eingeschlafen.
Dass Levi so potent war, hätte ich nie gedacht und war auch über mich überrascht. Ein unangenehmes Gefühl machte sich breit, denn auf meinem Bauch war von Levis letzter Ladung alles eingetrocknet.
Nachdem er mich gleich zweimal hintereinander abgefüllt hatte, anders konnte ich es nicht nennen, war er einfach auf mich gestiegen und hatte seine Füllung eingefordert. Dass er dabei selbst noch mal so heftig von alleine kam war crazy.
So waren wir beide danach vor Erschöpfung eingeschlafen. Als ich die Bettdecke zurück schlug, sah ich die Überreste unserer nächtlichen Aktion. Da war wohl eine Garnitur neue Bettwäsche fällig.
Etwas anderes machte sich auch bemerkbar, ich musste dringend auf die Toilette. Sollte ich mir etwas überziehen und nach unten gehen? Ich entschied mich für den einfacheren Weg, stand auf und lief zu Levi ins Bad.
„Morgen!“, meinte ich.
Die Duschtür wurde etwas aufgeschoben und Levis Gesicht kam zum Vorschein.
„Morgen mein Schatz, hast du gut geschlafen?“, erwiderte er tropfend.
„Wie ein Engel“, grinste ich und setzte mich auf die Toilette.
Die Tür schloss sich wieder.
„Du kannst gleich duschen, ich bin dann fertig.“
„Danke“, meinte ich, obwohl es mit plötzlich unangenehm war, hier zu sitzen.
Es war das erste Mal, dass ich so etwas machte und dazu kam hinzu, dass ich gerade gefühlt auslief, nicht nur vorne, auch hinten. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen, denn irgendwie schämte ich mich.
Die Dusche wurde abgestellt und ich hörte wie die Duschtür aufgeschoben wurde. Langsam schaute ich auf.
„Alles okay?“, fragte Levi, der nach dem Handtuch griff.
„Was hast du mit mir letzte Nacht gemacht…, dass das hört ja nicht mehr auf!“
„Ähm… was…?“
Stellte er sich jetzt dumm, oder wusste er nicht, wovon ich gerade sprach. Plötzlich schaute er verlegen drein.
„Sorry… ich weiß auch nicht, aber ich bin noch nie so heftig gekommen!“
„Das habe ich gemerkt.“
„Böse…?“, fragte er unsicher.
Ich stand auf und drückte die Spülung. Ich trat an ihn heran und grinste.
„Wieso sollte ich böse sein…? Es war unser erster gemeinsamer richtiger Sex und es war… galaktisch.“
Levi ließ sein Handtuch fallen und nahm mich in den Arm. Sein aufgeheizter Körper vom Duschen fühlte sich geil an. Sofort schoss Blut in meine untere Region.
„Ich hätte nie gedacht, dass Sex so schön sein kann!“
„Wenn man liebt ist alles schöner!“
Es folgte ein Kuss.
„… ich sollte… unter Dusche und mich um das Frühstück kümmern.“
„Darum brauchst du dich nicht kümmern… Ella und Noah kümmern sich darum“, lächelte Levi mich an.
„Ja?“
Levi nickte und schob mich in die Dusche.
*-*-*
Als ich unten in der Küche ankam, war der Tisch bereits gedeckt und Noah saß auf seinem üblichen Platz. Levi und seine Schwester, waren am Küchenbuffet zu Gange.
„Guten Morgen! … kann ich noch irgendwas helfen?“
„Nein setz dich!, Wir sind fast fertig!“, meinte levi und schob mich zum Tisch.
Ich ließ mich neben Noah nieder.
„Morgen Noah!“
„Morgen Marcus!“, erwiderte der Junge.
„Was machst du?“
„Malen…“
„Das sehe ich, aber was malst du?“
„Haus?“
„Welches Haus?“
Unserer kleine Unterhaltung wurde vom Türgong unterbrochen. Nanu, wer kam am Samstag um diese Zeit?“
Ich habe es befürchtet…!“, hörte ich Levi sagen.
„Was?“, fragte ich neugierig.
„Ich sage nur Oma Frida!“
An sie hatte ich gar nicht mehr gedacht.
„Ich mach auf“, meinte ich und erhob mich.
Im Flur angekommen, konnte ich zwei Personen entdecken. Aber für Oma Frida und auch Vanessa, ich vermutete, dass sie zusammen kamen, waren die Personen vor der Tür zu groß. Es klingelte erneut.
So öffnete ich die Haustür und war überrascht, Mum und Mike dort vorzufinden.
‚“Guten Morgen ihr zwei…“
„Morgen du einer“, kam es von Mike und schob sich an mir vorbei.
„Was führt euch hier her?“, fragte ich etwas verwirrt und wollte Mum ihren Mantel abnehmen.
„Brauchst du nicht! Es ist nur ein Kurzbesuch, ich will mit Michael noch einkaufen gehen. Ich möchte Levi etwas geben, dann sind wir auch schon wieder weg!“
„Okay!“, meinte ich und folgte ihr in die Küche.
Nach einer kurzen Begrüßung, erklärte meine Mutter Levi etwas, was ich nicht richtig verstand, weil Mike mich ablenkte.
„Wann sollen wir morgen hier sein?“
„Hm…?“
Er hatte meine volle Aufmerksamkeit.
„Wir? Kommt Jordan also mit?“
„Ja, er möchte doch unbedingt seinen Neffen kennen lernen!“
Ich grinste breit.
„So, dann sind wir wieder weg…, wünsche euch ein schönes Wochenende!“, hörte ich Mum sagen.
Mike stand auf und gesellte sich zu Mum. Ich brachte die beiden zur Tür und als wäre es abgesprochen, kam uns Vanessa und Oma Frida entgegen, als ich die Tür öffnete.
„Hallo Nora, dich hätte ich hier gar nicht erwartet“, begrüßten sich die zwei Frauen.
„Hat sich so ergeben, habe nur etwas für Levi vorbeigebracht!“
„Darf ich dir meine Mutter vorstellen, Frida Williams.“
Vanessa trat etwas zur Seite, so dass ihre Mutter noch einer Stufe der Treppe erklimmen konnte und hinter mir versammelte sich die kleine Familie Scott.
„Mutter, das ist Nora Brown, die Mutter von Marcus und daneben sein Bruder Michael.“
Man begrüßte sich mit Hände schütteln und verabschiedete sich auch wieder. Mum schien es eilig zu haben. Alles standen sie auf der Treppe und schauten Mikes Auto hinter her.
„Ich habe Hunger“, unterbrach Noah die kurze Stille.
„Dann werden wir jetzt frühstücken“, meinte Levi, packte seinen Bruder an den Schultern und schob ihn in das Innere des Hauses.
„Marcus hast du noch ein Frühstück für zwei ältere Damen?“, fragte Vanessa.
„Aber sicher doch“, lächelte ich sie an.
„Wie lange ist Marcus schon hier?“, fragte plötzlich Oma Frida.
„Ein paar Wochen“, antwortete Vanessa, „warum fragst du?“
„Nur so…!“, kam es von der alten Dame und betrat endlich das Haus.
„Frida, darf ich ihnen ihren Mantel abnehmen?“, fragte ich.
„Gerne! …aber warum so förmlich, du bist der Freund meines Enkels.“
„Er ist die Manny im Haus, Mutter“, meinte Vanessa grinsend.
„Die WAS?“
„Manny! Eine männliche Nanny!“
„Ach was! Er ist Marcus und sonst niemand!“
Die Frau gefiel mir. Ich folgte den zwei Damen in die Küche und nahm war, dass Levi wohl schon zwei Gedecke mehr aufgelegt hatte.
„Kaffee?“, fragte ich.
Während Vanessa die Frage mit einem Ja beantwortete, schüttelte Frida den Kopf.
„Kaffee dreht mich immer so auf“, kam als Begründung gleich hinter her. Habt ihr Tee?“
„Seit wann trinkst du Tee?“, wollte Vanessa wissen.
Während Levi und Ella nur da saßen und grinsten, kaute Noah teilnahmslos auf seinem Toast.
„Schon eine ganze Weile, es tut mir richtig gut.“
Ich schaute zu Levi.
„Haben wir Tee da?“
Bisher hatte noch nie jemand Tee getrunken, seit ich in diesem Haus arbeitete.
„Zweites Regal oben rechts…“
Ich folgte Levis Erklärung und fand auch gleich den gewünschten Tee in Form von Beuteln.
„Grüner, schwarzer oder Pfefferminztee?“, lass ich vor.
„Grüner Tee bitte und wenn du da hast, dann bitte eine Scheibe Zitrone dazu.“
Levi wollte schon etwas sagen, aber ich schüttelte den Kopf. Ich tat wie geheißen und wenig später servierte ich ihren grünen Tee mit Zitrone. Dann ließ ich mich endlich selbst nieder.
„Was habt ihr heute vor?“, wollte Vanessa wissen.
„Es ist Samstag, da ist Einkaufen angesagt“, antwortete Levi und hielt die lange Einkaufsliste in die Höhe.
Diese Antwort schien Vanessa nicht so zu gefallen. Missmutig schaute sie ihren Neffen an.
„Wir können gerne heute Mittag oder heute Abend essen gehen, aber die Einkäufe sind notwendig!“
„Wir können doch mitgehen“, kam es von Oma Frida, „vielleicht finde ich ja auch etwas.
Das hatte ich befürchtet und somit wurde es für sechs Personen und dem Einkauf zu eng im Auto.
„Wäre kein Problem“, meinte ich, „dann kann ich das Mittagessen vorbereiten, wenn ihr Einkaufen seid.“
Enttäuscht schaute mich Levi an.
„Kommt gar nicht in Frage, dann müssen wir eben mit zwei Wägen fahren“, meinte mein Freund trotzig.
„Ich will bei Oma mitfahren“, meldete sich Noah zu Wort.
„Darfst du“, meinte Vanessa, „dann fahr ich eben auch. Hast du heute nicht deinen freien Tag?“
Die Frage war wohl an mich gestellt.
„Ja, am Wochenende hat er frei“, erklärte Levi.
Seine Laune sank, das spürte ich deutlich.
„Ich frage ja nur, weil er kochen wollte.“
„Vanessa seit sich unsere Situation etwas geändert hat, arbeite ich auch am Wochenende, sehe aber dies selbst nicht als Arbeit an und jetzt etwas für uns vier oder jetzt sechs etwas zu kochen, macht mir auch Spaß!“
Die Atmosphäre, die gerade herrschte gefiel mir nicht. Dachte ich doch, der Besuch der Großmutter würde die allgemeine Stimmung etwas heben, war gerade das Gegenteil im Gange.
„Aber da mich Levi unbedingt dabei haben will, können wir auch essen gehen.“
Vanessa schaute zwischen Levi und mir hin und her.
„Oma, wie war dein Flug, du hast noch gar nichts von dir zu Hause erzählt“, änderte plötzlich Ella das Thema.
„Was soll ich groß von zu Hause erzählen, es ist wie immer sehr ruhig und angenehm und der Flug war in Ordnung, naja der Service ließ etwas zu wünschen übrig. Die Herren und Damen waren wohl etwas überfordert mit den vielen Bestellungen.“
„Wie weit liegt Miami weg?“
Diese Frage hatte ich gestellt.
„Etwas mehr als 2000 Kilometer“, antworte Levi.
„Und eine Flugstrecke dauert drei Stunden“, erklärte Vanessa.
„Doch so viel, hätte ich nicht gedacht“, meinte ich, „da ist leider nichts mit schnell mal besuchen drin.“
„Apropos besuchen, fahrt ihr morgen wieder zu eurer Großmutter?“, wollte Vanessa wissen.
„Nein!“, kam es sofort von Ella.
Verwundert schaute Vanessa Levi an.
„Wir haben unser Sonntagsprogramm etwas geändert und unternehmen etwas zusammen. Morgen gehen wir zum Beispiel alle zusammen Schwimmen“, erklärte Levi.
Dazu sagte Vanessa nichts.
„Marcus bringt Noah das Schwimmen bei“, meldete sich erneut Noah zu Wort, „und Onkel Mike und Onkel Jordan gehen auch mit.
Auch wenn er vorhin völlig abwesend schien, hatte er wohl das Gespräch zwischen mir und Mike mitgehört.
„Onkel Jordan?“, fragte Vanessa
„Ein Freund meines Bruders…“
„Aha… und wo geht ihr hin? Hier in der Nähe… wie heißt das… Metropoltian Rereation Center, glaube ich…“
„Nein wir fahren rüber nach North Bergen zum DreamWorks Water Park? Die haben viel für Kids und auch viele Bademeister!“, lächelte ich.
„Dann machen wir uns einen schönes Sonntag zu zweit“, sagte Vanessa zu Oma Frida, die bejahend nickte.
„Wie sieht es nächste Woche aus“, fragte Levi, „ist Oma Frida alleine zu Hause, wenn du arbeiten gehst?“
„Nein, ich habe mir zwei Wochen Urlaub genommen.“
„Geht das so einfach?“, wollte ich wissen.
„Eigentlich ja, ich bin schließlich die Chefin, aber es mussten schon ein paar Termine verschoben werden.“
*-*-*
Das Frühstück hatte sich doch etwas in die Länge gezogen, der Redebedarf war plötzlich groß. Nun schob ich aber den Wagen neben Levi her, der in seine Einkaufsliste vertieft war. Während der Herfahrt war er schweigsam gewesen.
„Levi?“
„Hm?“
„Mir hätte es wirklich nichts ausgemacht, zu Hause zu bleiben.“
„Mir aber schon, denn du gehörst jetzt zur Familie und außerdem will ich dich bei mir haben!“
War er böse deswegen?
„Ich meinte auch nur…“
Er blieb stehen und drehte sich zu mir, dann nahm er meine Hände.
„Du bist mittlerweile mit das wichtigste in meinem Leben und ich möchte keine Sekunde davon missen, wenn es nicht so verfrüht wäre, hätte ich dir schon lange einen Heiratsantrag gemacht, denn für mich steht fest, dass ich nur mit dir alt werden möchte.“
Ich war sprachlos und schaute ihn mit glasigen Augen an.
„Was ist mit euch beiden?“, riss uns Ella aus den Gedanken.
„Och ich musste deinem vielleicht zukünftiger Schwager, etwas denn Kopf zu recht setzten!“, antwortete Levi.
Ella fing an zu kichern, „… vielleicht zukünftiger Schwager…, wie sich da anhört.“
Ich hatte immer noch nicht meine Stimme gefunden, so umarmte ich Levi einfach. Ein leises „ich liebe dich“ drang über meine Lippen.
Levi drückte mich etwas von sich weg und begann zu lächeln.
„Ich dich auch! Ella was sagt der Einkaufszettel?“
„Fleischabteilung!“
„Dann auf in die Fleischabteilung!“
Wie unromantisch!
*-*-*
Vanessa und Oma Frida waren nach Hause gefahren, denn sie hatten einfach zu viel eingekauft und wollten es nicht die ganze Zeit im Wagen zwischenlagern, so machte man aus, am ‚Abend gemeinsam essen zu gehen du dieses Mal in der Nähe von Vanessas Wohnhaus, ein Restaurant in der die Familie noch nicht gewesen war.
Die Einkäufe verräumt, hatte sich jeder irgendwie zurückgezogen. Sogar Noah war alleine in sein Zimmer gegangen. Vielleicht hing ihm die vergangene kurze Nacht nach. Levi dagegen war in sein Büro gestürmt, nachdem er eine Nachricht erhalten hatte.
Er wolle kurz telefonieren, aber dann wieder herunter kommen. So stand ich alleine in der Küche, hatte mir einen Kaffee heraus gelassen und überlegte, ob ich noch etwas essen sollte. Bis zum Abend war noch lang.
Ich entschied mich für einen Toast, der ging schnell und sättigte auch. Als ich das Teil mit Käse belegte, kam Levi herein geschneit.
„Etwas Wichtiges?“
„War nur Jordans Vater.“
Ich überlegte kurz, wo ich diese Person hinstecken sollte und mir fiel ein er war Lieferant für Papier.
„Was wollte er am Samstag?“
„Er fragte ob er heute noch eine Lieferung bringen kann, sonst würde es am Montag für ihn eng werden. Lust auf eine kurze Spritztour in die Firma.“
„Warum nicht“, lächelte ich Levi an, „ich habe nichts vor. Was machen wir mit Noah, mitnehmen?“
„Der schläft, ich habe Ella schon Bescheid gesagt, aber ich denke auch, dass tut Noah gut und heute Abend geht es sicher auch länger.“
„Okay, dann mal los!“
*-*-*
Es war genauso viel Verkehr wie unter der Woche, naja vielleicht ein paar LKW weniger. Nach ungefähr zwanzig Minuten kamen wir am Firmengelände an.
„Hm komisch, notmalerweise müsste das Tor verschlossen sein“, meinte Levi und stieg aus, um es komplettaufzuschieben.
Ich schaute mich um, konnte aber niemand weiteres sehen. Außer einem alten Fahrrad, neben dem Eingang konnte ich nichts entdecken. Levi ließ den Wagen anrollen und fuhr bis direkt zum Eingang des Hauptgebäudes.
„Levi, die Eingangstür sieht komisch aus…“, meinte ich.
Levi machte den Motor aus und steig wie ich aus dem Wagen.
„Für mich sie das aus, als hätte jemand versucht das Schloss aufzubrechen“, sprach ich weiter.
Levi schaute mich an und wollte die Tür öffnen.
„Halt Levi…, wegen den Fingerabdrücken.“
Levi grinste.
„Du siehst zu viele Krimis.“
„Nein, ich denke da an eine gewisse Person, die uns nach dem Leben trachtet.“
Das Gesicht meines Freundes wurde ernst.
„… du meinst Jakob…?“
„Ich weiß es nicht Levi, aber ich würde vorsichtshalber Cpt. Davis anrufen.“
„Meinst du wirklich?“
Ich nickte.
*-*-*
Dass Cpt. Davis, gleich mit so einem großen Polizeiaufgebot anrückte, hätte ich nicht gedacht. Während Levi sich um Jordans Vater kümmerte, der mittlerweile auch eingetroffen war, stand ich angelehnt an unserem Wagen.
Ich hatte Vanessa verständigt, dass sie sich doch bitte um die Kids kümmern sollte. Ich wollte nicht, dass sie jetzt alleine im Haus waren. Die Eingangstür ging auf und Cpt. Davis trat aus. In der Hand trug er etwas vor sich her.
„Marcus, wie kommt es, das sie beide n der Firma sind?“
„Reiner Zufall, ein Lieferant hat angerufen, ob er heute noch liefern kann. Levi sagte zu und wie beide sind hier her gefahren.“
Cpt. Davis hielt das Ding in die Höhe.
„Was ist das?“
„Eine Vorrichtung um einen Brandbeschleuniger in Brand zu setzen, versehen mit einem Timer!“
Mit großen Augen schaute ich ihn an.
„…Brandbeschleuniger…, heißt das… jemand wollte die Firma abfackeln?“
Cpt. Davis nickte.
„Der Timmer ist auf morgen eingestellt, wenn andere Leute in die Kirche gehen.“
Fassungslos schaute ich zu Levi hinüber, der gerade Mr. Franklin half, die Ware abzuladen.
„Wissen sie, ob die Firma Videoüberwacht ist, oder über eine Alarmanlage verfügt?“
Das Teil, welches Cpt. Davis in Händen trug, wurde von einem Kollegen eingetütet. Ich schüttelte den Kopf.
„Ich kenne mich hier nicht aus, da müssen sie schon Levi fragen.“
In diesem Augenblick befuhr ein weiterer Wagen, das Gelände. Als es näher kam, konnte ich Katie im Wagen entdecken. Hatte Levi sie verständigt?
„Da kommt Mrs. Clark die Sekretärin von Levi gefahren, die müsste eigentlich Bescheid wissen.“
Katie stellte ihren Wagen neben Levis Fahrzeug ab und stieg aus.
„Mein Gott, was ist denn hier passiert?“
„Jemand wollte das Gebäude in Brand stecken…“, erklärte Cpt. Davis.
Entsetzt schaute uns Katie an.
„Wer macht denn so etwas?“, meinte Katie und hielt entsetzt ihre Hand vor dem Mund.
Ich schaute zu Cpt. Davis, er schien wohl das gleiche zu denken.
„Warum sind der Chef und sie überhaupt hier?“, wollte Katie wissen.
„Mr. Franklin hat telefonisch angefragt, ob er schon heute liefern kann, am Montag würde es eng werden… so sind wir her gefahren.“
„Ja er weiß, wir sind auf die Lieferung für einen Auftrag angewiesen.“
„Wie lange kennen sie Mr. Franklin?“, wollte nun Cpt. David wissen.
„Georg Franklin? Er hat schon mit seinem Vater damals Levis Eltern beliefert.“
„Mrs. Clark, wissen sie, ob die Firma über eine Videoüberwachung und eine Alarmanlage verfügt?“
„Beides ist vorhanden…, die Alarmanlage sogar erneuert, auf Geheiß von Levi!“
Davon wusste ich nichts, da Levi wenig über die Firma redete.
„Können sie mich dort hinführen?“
„Aber selbstverständlich!“
So verschwand Katie mit Cpt. Davis im Gebäude. Das Aufheulen des LKW Motors hinter mir ließ mich herum fahren. Die beiden schienen wohl fertig, das Gefährt zog an und Levi kam auf mich zu gelaufen.
„Das wäre erledigt, da können wir am Montag beruhigt weiter fertigen“, meinte Levi und schaute dabei auf die Papiere, die er bei sich trug.
Ich zitterte am ganzen Körper, weil mir die Tragweite des ganzes bewusst wurde. Wie sollte ich ihm das sagen? Würde er austicken?
„Was ist?“, fragte Levi, als er in mein Gesicht schaute, „hat Cpt Davis etwas gefunden?“
„Jemand … wollte deine Firma in Brand stecken…!“
„WAS?“, kam es entsetzt von Levi.
Anscheinend wurden seine Knie weich, denn er fing an zu schwanken. Ich griff nach ihm und hielt in fest.
„Warum… warum lassen sie mich nicht in Ruhe“, hörte ich ihn wimmern.
„Es ist nichts passiert…, Cpt. Davis lässt sich von Katie dein Überwachungssystem zeigen.“
Plötzlich zuckte Levi in meinem Arm und drückte sich weg.
„Stimmt, warum ging die Alarmanlage nicht los?“
Er schnappte sich meine Hand und zog mich ins Gebäude.
*-*-*
„Wer verfügt alles über diese Codekarte?“, fragte Cpt. Davis.
Die Alarmanlage war ausgeschaltet und dies ging nur eben mit dieser Codekarte.
„Alle aus unserem Büros, die Vorarbeiter und der Chef der Papierlagerung“, erklärte Katie.
Levi zog etwas aus seiner Tasche und hielt es Cpt. Davis hin. Es schien die besagte Codekarte zu sein.
„Ich brauche alle Namen, die über diese Karte verfügt, weil jemand muss die Anlage ausgeschaltet haben“, sprach Cpt. Davis weiter.
„Nicht nötig, ich kann Abfragen, wer sie zu letzt genutzt hat“, meinte Levi.
„Das geht?“, wollte Katie wissen, „das habe ich gar nicht gewusst!“
„Das weiß auch nur ich und der Chef der Firma, der die Anlage montieren ließ. Ich hoffe du bist mir nicht böse, Katie?“
„Aber nicht doch, du bist der Chef!“
Katie schien ihm das wirklich nicht krumm zu nehmen, denn ihr Lächeln war echt. Levi lief an seinen Schreibtisch und fuhr seinen Computer hoch. Danach tippte er einiges ein und begann zu lesen. Plötzlich bekam er große Augen und ließ sich auf seine Stuhl fallen.
„… Susan…“, stammelte er.
„Susan?“, fragten Cpt. Davis und ich gleichzeitig.
„Susan Baker von der Finanzbuchhaltung, die ständig ihre Abwesenheit mit Krankmeldungen begründet…“, erklärte Katie.
Ob es sich um die junge Dame handelte, über die bei meinem letzten Besuch geredet wurde. Ein Gedanke kam ir in den Sinn. Mit dem Aussehen von Jakob wäre es ein leichtes, diese junge Dame zu verführen, um an die Codekarte zu kommen.
„Ich bräuchte die Adresse…“, meinte Cpt. Davis, der sich dann zu Levi wandte.
„Können sie einsehen, wann die Codekarte genutzt wurde.“
Levi schien immer noch geschockt zu sein, nur langsam setzte er sich in Bewegung.
„…0, 35 Uhr….!“
„Die Videoüberwachung…?“, zu Katie gewandt.
Sofort fing Katie über ihre Tastatur zu jagen. Levi stand auf und kam zu ihrem Schreibtisch. Auch ich versuchte einen Blick auf ihren Monitor zu erhaschen. Noch sah mir nur das Tor, das nur schwach ausgeleuchtet war.
Oben rechts konnte ich die Uhrzeit der Aufnahme entdecken, 00.34.35 Uhr stand und die Sekunden liefen weiter. Es wurde plötzlich heller und die Front eines Wagens wurde sichtbar. Ich zuckte leicht zusammen, als unerwartet jemand ins Bild trat.
Deutlich konnte man sehen, wie er die Karte zückte und vor den Scanner hielt. Eine zweite Person erschien und schob das Tor auf. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung und befuhr das Gelände.
„Drei Personen…“, hörte ich Cpt. Davis leise sagen, „gibt es noch andere Stellen, die Überwacht werden?“
Katie gab etwas ein und die Fronttür zum Gebäude erschein, mit derselben Zeitangabe. Auch hier, wie schon am Tor wurde es heller und ein Wagen fuhr. Die Fahrertür öffnete sich und ein Mann stieg aus.
Ich hörte wie Levi scharf seine Luft ausblies. Die zwei Männer vom Tor tauchten auf, der Kofferraum wurde geöffnet und zwei Taschen kamen zum Vorschein. Ebenso ein Brecheisen. Das Ganze war irgendwie komisch.
„Wenn sie doch eine Codekarte haben, warum brechen sie dann die Tür auf?“, wollte ich wissen.
„Jeder Bereich ist doppelt abgesichert, man braucht auch noch einen Schlüssel, für die betreffende Tür“, erklärte Katie.
„Und diesen Schlüssel besitzt diese Susan nicht?“, fragte nun Cpt. Davis.
„Nein, sie besitzt nur den Schlüssel zu ihrem Büro, der Finanzabteilung, lediglich Levi und ich besitzen einen Schlüssel für alle Abteilungen.“
Lieutenant Trevor erschien im Zimmer.
„Entschuldige die Verspätung, aber wir haben Ärger mit der Überwachung…“
Fragend schaute ich den Cop an.
„Später!“, meinte Cpt. Davis, „diese junge Dame ist festzunehmen und aufs Revier bringen.“
Er reichte seinem Kollegen einen Zettel.
„Katie, könntest du mir bitte noch einmal die Stelle vorspielen, wo dieser Typ aus dem Wagen steigt?“, fragte plötzlich Levi.
„Aber sicher doch.“
„Haben sie etwas erkannt?“, fragte Cpt. Davis.
Levi hob die Hand und starrte auf den Monitor. Erneut spielte Katie die Sequenz ab, wo das Auto hält und der Typ aussteigt.
Erneut atmete Levi tief aus.
„Das ist Jakob…“, sagte er darauf leise.
„Bist du dir sicher?“, fragte ich.
„Eindeutig, weil nur Jakob seine Wagentür schließt. Er ekelte sich immer vor dem Dreck am Wagen, so schloss er die Tür immer nur mit Zeigefinger und Ringfinger, in dem er sie an der Spitze zudrückt!“
Katie spielte das Teilstück noch einmal ab und es stimmte, der Mann auf dem Monitor schloss genau wie Levi es beschrieben, die Tür des Wagens.
„Trevor… auch einen Haftbefehl für Jakob Hall. Wer weiß, was er noch alles geplant hat.“
*-*-*
Groß beruhigt hatte ich mich immer noch nicht. Lieutenant Trevor hatte berichtet, dass bei der Überwachung etwas schief gelaufen war und Jakob Hall jetzt ungeniert weiter machen konnte.
Die Beweggründe dieses Mannes, verstand ich immer noch nicht. Warum haste er die Scotts so sehr, dass er sogar zu einem Mord, oder Zerstörung der Firma bereit war. Das hatte mit verschmähter Liebe nichts mehr zu tun.
Levi hatte auf der ganzen Rückfahrt nichts gesprochen. Seine Knöchel waren weiß, so fest umklammerte er das Lenkrad. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, so legte ich meine Hand auf den Schenkel.
Eine einzelne Träne lief über seine Wange.
„Du magst mich vielleicht für verrückt halten, aber so langsam glaube ich, dass auch Großvater mit der ganzen Sache zu tun hat.“
Entsetzt schaute ich Levi an.
„Aber er hat doch…“
„Was ist“, fiel mir Levi ins Wort, „wenn er Großvater genauso manipuliert hat?“
Der Gedanke war mir noch nie gekommen.
„Aber warum soll er deinen Großvater manipulieren, nur sich an dir zu rächen?“
„Rächen? Für was?“
„Dass du ihn abserviert hast, nichts mehr mit ihm zu tun haben willst?“
Levi schien zu überlegen.
„Glaubst du wirklich? So fest war unsere Bindung jetzt auch nicht. Es muss einen anderen Grund haben, warum er all dies macht.“
„Öhm, es ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber vielleicht will er das Geld.“
„Welches Geld, dass meiner Familie?“
„Du sagtest, dein Großvater wäre vermögend…“
Levi schaute kurz zu mir herüber.
„Da passt Ella nicht hinein!“
„Wie meinst du das? Was hat das mit Ella zu tun?“
„Du vergisst, er wollte das Sorgerecht für Ella. Wie würde das in Jakobs Plan passen?“
„Stimmt, daran habe ich nicht mehr gedacht. Aber es passt so schön…, er räumt alles aus dem Wag, was ihm schaden könnte.“
„Dann wären wir alle in Gefahr…!“
Ängstlich schaute ich Levi an.
„Ich glaube, wir sollten diesen Gedanken ganz schnell vergessen…, die Tragweite, was noch alles passieren könnte ist einfach zu viel.“
„Ich bin mir aber sicher, dass Jakob alles geplant hat, mittlerweile traue ich ihm das alles zu.“
Was das betrifft muss er wirklich ein Genie sein, oder sehr viel Glück haben. Was ich nicht verstand, warum ihm so viele Fehler unterliefen. Jeder wusste, dass überall Überwachungskameras hingen und dieser Fehler war ihm jetzt schon zum zweiten Mal unterlaufen.
Mittlerweile waren wir zu Hause eingetroffen. Ich sah Vanessas Wagen vor dem Haus geparkt, aber Mikes Pickup stand da hinter. Warum war er hier? Levi musste etwas suchen, bis er eine freie Stelle zum Parken fand.
Warum war es heute hier so voll? Gemeinsam steigen wir aus und liefen beide zum Haus. Unsicher schaute ich mich um, ob irgendetwas Verdächtiges zu sehen war. Aber die Straße war wie immer normal belebt.
Levi lief gleich zwei Stufen die Treppe hinauf und schloss auf. Ich folgte ihm ins Haus. Aus dem Wohnzimmer konnte ich laute Stimmen hören. Ich entledigte mich meiner Jacke und lief Levi hinterher, der gerade ins Wohnzimmer lief.
„Da seid ihr ja endlich“, hörte ich Oma Friedas Stimme.
Als ich das Wohnzimmer endlich betrat, war icvh doch ein wenig überrascht. Alles saßen am Esstisch, Kaffeegeschirr und Kuchen erfasste ich und in der Mitte irgendein Spiel. Mum schaute mich fragend.
„Hallo zusammen“, sagte Levi lächelnd, als wäre nichts passiert.
Ich nickte nur und stellte mich hinter Noah.
„Levi, Oma mogelt immer, sie gewinnt immer!“, beschwerte sich Noah.
„Stimmt gar nicht!“, meinte darauf Oma Frida.
„Dann musst du auch mogeln!“, sagte Levi grinsend.
Mum stand auf und zog mich aus dem Wohnzimmer.
„Was ist passiert, Vanessa konnte oder wollte nichts sagen. Warum kommt ihr so spät zurück?
„Jemand wollte die Firma abfackeln!“
Entsetzt schaute mich Mum an.
„Weiß man denn schon näheres?“, fragte sie leise.
„Auf dem Überwachungsvideo war dieser Jakob zu sehen…“
Mums Augen wurden groß.
„Aber wie ist er in die Firma gekommen, sie wird doch sicher überwacht?“
„Er hatte Hilfe aus der Firma!“
*-*-*
Der Vorfall hatte natürlich Einfluss auf unser weiteres Handeln. Das Abendessen vergrößerte sich und mir war es ein Rätsel, wie Levi so schnell einen Tisch für die Menge von Leuten her bekam.
Es wurde nicht nur mein Vater sondern auch noch meine zwei älteren Brüder eingeladen. Levi begründete es nicht nur damit, dass er Oma Frida alle vorstellen wollte, sondern auch als Dank, dass meine Familie sich so sehr einsetzte.
So saßen wir in großer Runde beim Italiener. Oma Frida war sehr angetan, mitzuerleben, wie Noah sich mit meiner Familie gut verstand. Sie war teilweise genauso fassungslos, wie die andern vorher, die Noah mit seinem Handeln überraschte.
Einziger Nachteil dieser ganzen Sache war, dass nun Oliver und William ebenso mit uns am Sonntag das Schwimm Center besuchen wollten. Besonders Mike war davon nicht angetan, würden seine älteren Brüder doch mitbekommen, dass er ebenso für einen Mann schwärmte.
Der Abend war dennoch lustig, auch wenn einige Witze auf mein Konto gingen. Trotzdem war ich froh, als wir endlich das Haus erreichten. Noah war wie immer eingeschlafen, so entschloss sich Levi in huckepack hochzutragen.
Ella fand den Abend ebenso gelungen und war irgendwie noch zu aufgedreht, um gleich schlafen zu gehen. So zog sie sich etwas Gemütliches an und erschein im Wohnzimmer. Auch ich hatte mich umgezogen und war überrascht sie im Wohnzimmer vorzufinden.
„Noch nicht müde?‘“
Sie schüttelte den Kopf. Ich stellte den Rotwein und die Gläser ab.
„Möchtest du auch etwas?“
„Haben wir noch Saft da?“
„Kommt sofort“, grinste ich.
„Warte Marcus, ich kann ihn auch selbst holen!“
„Okay…“, meinte ich und ließ mich nieder.
Wenige Augenblicke später erschien sie wieder. Etwas nervös sah sie mich an.
„Hast du etwas auf dem Herzen?“
Sie neigte den Kopf hin und her.
„Ich… ich wollte mich einfach bei dir bedanken…“
„Für was?“
„Für all das, was du für uns getan hast! Es fühlt sich gut an und vor allem richtig!“
„So viel habe ich auch nicht gemacht und zudem ist das mein Job.“
„Komm Marcus, ich kenne mich zwar nicht groß in deiner Berufswelt aus, aber du machst mehr, als du tun müsstest.“
„Das liegt vielleicht daran, dass ich mit deinem Bruder zusammen bin.“
Sie kicherte ein wenig.
„Ich denke eher, weil du uns für voll nimmst…, ich weiß es sonst nicht anders zu sagen. Bei dir habe ich das Gefühl, dass du mich ernst nimmst, mir zuhörst, wenn ich ein Problem habe.“
Die Tür ging auf und Levi kam herein.
„Nanu, du liegst noch nicht im Bett?“
„Nein, ich bin noch viel zu wach, um einschlafen zu können. Der Abend war wunderschön und zudem wollte ich mich bei Marcus bedanken, weil er so viel für uns macht!“
Es tat gut Ella so reden zuhören. Sie war schon so erwachsen für ihr Alter. Ihre Eltern wären sicher stolz auf sie gewesen. Levi befüllte beide Gläser mit Rotwein und ließ sich dann ebenso nieder.
„Und jetzt denkst du sicher, ich soll das auch machen!“
„Bloß nicht!“, rutschte es mir aus.
Ella kicherte wieder.
„Nein das habe ich nicht gedacht, nur, dass du seid du mit Marcus zusammen bist, viel umgänglicher geworden bist.“
„So bin ich das?“
„Japp“, antwortete seine Schwester und trank einen Schluck ihres Saftes.
„Dann willst du sicher auch wissen, was ich über Robert denke.“
Plötzlich verschwand Ellas Lächeln.
„Wie kommst du jetzt auf Robert?“
„Ist da zwischen euch nicht ein bisschen mehr, als ein Schulkamerad?“
Ich wusste nicht, warum Levi jetzt das Thema anschnitt, aber dafür interessieren tat ich mich auch.
„… und wenn es so wäre“, begann Ella trotzig, „willst du mir das verbieten?“
Levi hob seine Hände.
„Das habe ich nie gesagt, Schwesterherz…, ich will nur, dass du auf dich aufpasst!“
Ella löste sich etwas und ließ sich wieder zurück gleiten.
„Ich mag Robert, er ist ein netter Junge, auch wenn er einiges mit sich herum schleppt.“
„Wie meinst du das?“
„Hm…, ich denke, er fühlt sich schuldig für den Unfall seiner Mutter, dass sein älterer Bruder im Krankenhaus liegt und sein jüngerer Bruder behindert ist.“
„Den Tod eurer Eltern… nicht zu vergessen…“, warf ich ein.
„Denkst du wirklich? Dafür kann er doch nichts!“, meinte Ella.
„Du hast selbst erlebt, wie dich Robert am Wasser gebaut hat, wie schnell er traurig wird!“
„Aber wie können wir ihm helfen?“
„Ich für meine Person“, redete Levi weiter, „kann ihm nur zeigen, dass er von mir keinerlei Vorwürfe zu erwarten hat, dass er hier immer willkommen ist.“
„Und was soll ich dann tun?“
„Für ihn da sein, wenn er dich braucht“, beantwortete ich Ellas ‚Frage.
Nachdenklich schaute Ella auf ihren Saft.
*-*-*
Die Nacht war kurz. Schon früh standen wir auf, wollten wir doch rechtzeitig im Center eintreffen. Unserer Trupp hatte sich auch noch vergrößert. Noch am Abend wurde Robert per Nachricht übers Handy gefragt, ob er mitkommen wollte.
Es klingelte, als ich gerade meine Kaffee trank. Der Rest der Familie hatte sich noch nicht eingefunden. So stand ich auf und lief zu Haustür. Vor der Tür stand eine einzelne Person, schien Robert zu sein.
Hallo Robert“, begrüßte ich den Jungen, als ich die Tür öffnete.
„Hallo Mr. Brown..“
„Marcus…, Marcus ist mein Name!“
Er schenkte mir ein kleines Lächeln.
„Komm herein, die anderen sind noch nicht fertig. Hast du schon gefrühstückt?“
Robert trat ein und schüttelte den Kopf.
„Ich habe morgens nicht so viel Appetit…“
Das erinnerte mich stark an Ella, die auch jeden Morgen ohne Frühstück das Haus verließ
„Du solltest aber etwas essen, tut deiner Gesundheit gut!“, meinte ich und geleitete ihn in die Küche.
„Sagt Mama auch immer…., aber irgendwie bekomme ich kein Bissen herunter. Ich hole mir dann immer zur ersten Pause in der Schule etwas.
„Setz dich! Das ist schon mal gut… auch einen Kaffee?“
„Ich trinke keine Kaffee…, wenn sie Tee hätten?“
Tee schien auch iimmer beliebter zu werden.
„Schwarzer, grüner oder Pfefferminztee?
„Pfefferminz…“
Ich wollte darauf etwas erwidern, aber im Flur war Gepolter zu hören.
„Noah… leiser!“
Das war Levis Stimme und ich nahm auf Roberts Lippen ein kleines Lächeln war.Abrupt hörte das Getrampel auf und wenig später erschien Noah. Als er Robert bemerkte, blieb er plötzlich auf der Stelle stehen.
Unsicher sah er mich an.
„Hallo Noah“, meinte Robert.
Noah lief dicht an mich heran, bevor ich ein leises Hallo vernehmen konnte. So dicht an mich gepresst, war es schwierig, dass heiße Wasser einzugießen.
„Was ist los, das ist doch nur Robert, denn kennst du doch!“, meinte ich, „möchtest du wieder deine heiße Schokolade.“
„Noah will Milch“, sagte Noah leise.
„Okay, dann Milch, dann setz dich hin!“
Unmerklich schüttelte der Junge den Kopf.
„Vielleicht ist es, weil Noah mich noch nie ohne Schuluniform gesehen hat. Ich weiß noch wie Phillip reagiert hat, als ich zum ersten Mal die neue Schuluniform trug…, er wollte sich gar nicht beruhigen.
Stimmt, bisher hatte ich Robert auch immer in Schuluniform gesehen. Jetzt trug er eine helle Jeans und einen Pulli. Ella und Levi schienen herunter zu kommen, deutlich konnte ich ihre Stimmen hören.
Levi stutzte kurz, als er Robert bemerkte.
„Guten Morgen Robert, du bist aber früh hier.“
„Meine Schuld, ich habe keine feste Zeit angegeben“, meinte Ella, „… morgen Robert!“
„…Morgen…“, sagte Robert leise.
Fürchtete er sich vor Levi? Ich drückte Noah sanft von mir weg. Levi sah mich verwundert an, aber ich schüttelte leicht meinen Kopf. Mein Freund schien zu verstehen und schnappte sich Noah,
„Was willst du? Toast mit marmelade oder ein Müsli“, fragte er liebevoll und drückte Noah auf den Stuhl.
„Noah will Toast…“
„Ich auch!“, kam es von Ella grinsend.
„Du kannst ihn dir selber machen!“
Ella fing an zu kichern.
„Noah will auch selber machen!“
Überrascht schaute ich Noah an.
„Das will ich sehen!“, meinte Levi.
*-*-*
Wenig später und einige Lachern saßen wir im Auto. Noah war mit einem neuen Tshirt versehen, das alte hatte er mit Marmelade versehen.
„Was werden deine Brüder sagen, wenn sie Jordan sehen?“, riss mich Levi aus dem Gedanken.
„Hm… schwer zu sagen! Normalerweise kommen dann blöde Sprüche.“
„Du weißt es nicht?“
„Du hast sie in den letzten Wochen selbst erlebt…, sie haben sich irgendwie verändert.“
„Aber das ist doch gut!“
„Ich weiß nicht recht, wie schon gesagt, ich bin gerade dabei, meinte Familie neu kennen zu lernen.“
„Wie meinst du das?“, fragte Ella von hinten.
Ich seufzte.
„Ella, es gibt Dinge, die du nicht wissen musst“, kam es mahnend von Levi.
„Nicht schlimm Levi, ich beantworte gern ihre Fragen.“
Mein Freund zog seine Stirn in Falten und ich drehte meinen Kopf wieder zu Ella.
„Meine Brüder und ich haben uns irgendwie auseinander gelebt, nicht mehr so viel gemeinsam gemacht…, irgendwann hat jeder andere Interessen, wenn man älter wird.“
Sie schien nicht zu verstehen, ihr Blick war immer noch fragend.
„Aber Levi ist auch älter, kümmert sich aber um uns.“
„Das ist auch etwas anders, Ella“, kam es von Levi.
„Das verstehe ich nicht…“
Auch wenn nun Oliver und auch William mitgingen, waren die älteren nicht sehr begeistert, dass wir schwimmen gingen. Natürlich wurde beim Abendessen auch über den Vorfall geredet.
Die Fahrt dauerte doch etwas länger, als ich dachte. Trotz Sonntag war der Verkehr stark und ich war froh, als wir die große Straße verließen. Die nächste Überraschung kam, als wir den Parkplatz befuhren.
Ganz gegen meine Erwartungen, war dieser nur zu einem Viertel gefüllt. Schon einmal gut für uns, dann war es drinnen auch nicht so voll. Schnell war ein günstiger Parkplatz gefunden. Als nächstes galt es, die anderen zu finden.
William ich entdeckte als erstes, der am Eingang stand. Von einem Pfosten verdeckt, kam nun auch Oliver in Sicht. Zu meiner Überraschung trug er keinen Gips mehr. Ich war mir gerade nicht sicher, ob er ihn beim Abendessen gestern noch trug.
Oder hatte er den am Sonntagmorgen noch entfernen lassen? Welcher Arzt tat so etwas. Auf alle Fälle zierte die Stelle, wo er den Gips vorher trug, sehr helle Haut. Der Rest war braungebrannt.
„Marcus?“, hörte ich meinen Namen rufen.
Ich drehte mich um und sah Mike mit Jordan auf uns zu kommen.
„Da sind wir ja vollzählig“, meinte Levi neben mir.
Ich beugte mich etwas zu ihm.
„Hatte Oliver gestern seinen Gips noch?“
Levi schaute mich komisch an.
„Warum fragst du?“
„Weil er heute Morgen keinen mehr an der Hand hat.“
„Das kann ich dir nicht einmal sagen, so genau schaue ich deinen älteren Bruder nicht an, mich interessiert da ein gewisser jüngerer Bruder.“
Schelmisch grinste mich Levi an.
„Ach du!“, meinte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Guten Morgen!“, sagte Mike laut, als er uns erreichte.
„Morgen Onkel Mike!“, rief Noah, riss sich los und lief zu ihm.
„Hallo Noah! Habe gehört heute ist dein großer Tag“, meinte Mike und nahm ihn in den Arm.
„Großer Tag…?“, brabbelte Noah nach.
„Du lernst heute schwimmen und Onkel Mike hilft dir dabei!“
Da hatte sich mein Bruder aber etwas vorgenommen. Mike wandte sich zu uns.
„Darf ich euch Jordan vorstellen?“
Levi fing an zu lachen.
„Ich könnte nein sagen…!“
Nun musste ich auch grinsen.
„… hallo Jordan, nett dich kennen zu lernen.“
Beide schüttelten sich die Hand.
„… und das ist Marcus, mein kleiner Bruder.“
„Hallo Marcus, ich habe schon viel von dir gehört.“
„Soooo?“, ich schaute zu Mike, aber der grinste nur.
„Das hinter mir ist meine Schwester Ella und ihr Freund Robert“, erklärte Levi.
„Lass uns rein gehen, wie ich sehe sind unsere Bodyguards schon da“, meinte Mike.
Damit meinte er wohl Oliver und William. So lief unser kleiner Trupp zum Eingang, wo man sich kurz noch einmal begrüßte. Nach dem Zahlen des Eintritts ging es in die Umkleidekabinen.
Danach traf man sich wieder. Ich kam mir ein bisschen komisch vor. Da liefen neben mir vier muskulöse Typen und Levi und auch Robert machten ebenso keine schlechte Figur. Natürlich zogen wir die Blicke der Anwesenden auf uns.
Robert schien dies auch zu merken, denn er wurde rot im Gesicht und guckte verschüchtert auf den Boden. Ella fand das wohl alles lustig, denn sie kicherte die ganze Zeit. Nachdem man sich auf einen Platz geeinigt hatte, wurde dieser großzügig besetzt.
Der Pool war sehr lange, auch wegen den Wellen, die am Anfang doch recht hoch schienen. Während ich es mir auf meinem Liegestuhl bequem machte, rannte Mike mit Jordan zu den Rutschen. Wie kleine Kinder dachte ich für mich und musste grinsen. Mein Blick fiel auf Noah, der total verschüchtert zwischen Levi und Ella saß.
Auch wenn ein gewisser Onkel Mike ihm versprochen hatte, ihm das Schwimmen bei zu bringen, schien dies nicht gerade aktuell sein. Ich stand auf und ging zu ihm hin.
„Komm“, meinte ich nur und streckte ihm die Hand entgegen.
Nur zögerlich griff er nach meiner Hand und stand endlich auf. Natürlich war mir bewusst, dass er Angst haben musste. Auch wenn diese große Halle nicht zu voll war, für ihn war sie es.
Ich legte meinen Arm um ihn und spürte, dass er leicht zitterte.
„Was hältst du davon, wenn wir einfach mal nach da vorne gehen wo das was ganz flach ist.“
Darauf sagte Noah nichts, so lief ich einfach los. Zumindest setzte sich der Junge in Bewegung. Am Ende des riesigen Pools angekommen, ging es ganz flach ins Wasser. Keine Treppe oder anders Hindernisse.
Die Wellen, die auf der anderen Seite produziert wurden, liefen hier ganz flach aus. Am Rand sah ich einen Stapel Schwimmbretter und griff mir eins.
„Noah, du musst keine Angst haben, ich bin die ganze Zeit bei dir. Stell dir einfach vor, dass ist wie zu Hause in der Badewanne… nur etwas größer!“
Dies schien zu helfen, sein Griff wurde etwas lockerer. Im Hintergrund konnte ich deutlich Mike johlen hören.
„Onkel Mike…“, sagte Noah leise.
„Ja, Onkel Mike übertreibt es mal wieder“, meinte ich nur.
Dafür standen wir schon mal im Wasser.
„Wollen wir uns setzten?“, fragte ich einfach.
Noah nickte. Ich führte ihn weiter ins Wasser, bis wir ungefähr Kniehoch im Wasserstanden, dann ließ ich mich einfach nieder. Das nasse Element war angenehm temperiert, so dürfte dies auch kein Problem sein.
Nur zögerlich ließ sich Noah nieder, immer wieder um sich schauend. Plötzlich tauchten ‚Ella und Robert auf. Wo sie den kleinen Ball her hatten wussten.
„Na Noah, gefällt dir das?“, fragte Ella.
Der Junge schaute seine Schwester an, sagte aber nichts.
„Wollen wir etwas mit dem Ball spielen?“, fragte nun Robert. Ich weiß nicht wie viel Erfahrung Robert hatte, aber durch seinen Behinderten Bruder musste er über ein gewissen wissen verfügen.
Beide ließen sich in einem gewissen Abstand nieder, dann warf Robert Ella den Ball zu. Bei dieser Nähe war es natürlich kein Problem den Ball zu fangen, aber Ella ließ ihn absichtlich fallen und Wasser spritze auf.
Sie schnappte den Ball und schon kam er in unsere Richtung geflogen. Weil sie Noah immer noch nicht bewegte, fing ich den Ball.
„Komm schmeiß du zu Robert“, sagte ich nur und streckte Noah den Ball entgegen.
Mit großen Augen sah mich Levis Bruder an, nahm aber ganz langsam den Ball und tatsächlich warf er den Ball Richtung Robert.
Robert musste sich ganz schön strecken, denn die Richtung stimmte nicht ganz. Das widerholte sich ein paar Mal, bis Noah plötzlich anfing, selbst den Ball zu fangen. Ich schaute zu Ella und machte das Daumen nach oben ‚Zeichen.
Sie lächelte nur. Auch wenn Noah nur langsam auftaute, es schien ihm Spaß zu machen. Leider war die Freude nur von kurzer Dauer, denn beim nächsten Mal rutschte Noah aus und kam mit dem Kopf unter Wasser.
Schon dachte ich, dass er jetzt total in Panik geraten würde, und wollte zu ihm hechten, aber Noah tauchte auf wischte sich über das Gesicht und lächelte. Ich atmete tief durch und war froh, dass ich dies nichts auszumachen schien.
Und schon warf er den Ball wieder zu Robert.
„Danke!“, hauchte es von hinten in mein Ohr.
Mein Körper überzog eine Gänsehaut. Hinter mir kniete Levi und grinste mich an.
„Darf ich mitspielen?“, rief er und hechtete Richtung Noah. Natürlich spritzte das Wasser auf und Noah lachte laut.
Mein Freund schnappte sich seinen Bruder und knuddelte ihn. Dann kam auch schon der Ball geflogen und Levi versuchte Noah den Ball zu klauen. Ich ließ mich einfach nieder und beobachtete grinsend die beiden.
Ich erwischte mich aber auch dabei, wie ich meine zwei älteren Brüder beobachtete, wie sie nun auch zu den Rutschen liefen. Bei diesem Body wunderte es mich wirklich, dass beide noch ohne Freundin waren.
Was machte ich hier, jetzt schaute ich schon meinen Brüdern hinter her. Doch bevor ich diesen Gedanken weiter frönen konnte, wurde ich von hinten gepackt und unter Wasser gedrückt.
„Eh, was soll das?“, beschwerte ich mich, als ich wieder Luft bekam.
Mike natürlich. Er packte mich erneut und zog mich weiter ins tiefere Wasser, vorbei an Noah und Levi.
„Sitzt hier faul herum… hab ein wenig Spaß!“
Hier war das Wasser tief genug um noch von der auslaufenden Welle überspült zu werden. Erneut schnappte ich nach Luft, der Arm um meinen Bauch fühlte sich angenehm an, erinnerte es mich doch an früher.
Und schon kam die nächste Welle, deren Schaumkrone meinen Kopf überspülte. Nur kurz nahm ich war, dass Noah im Arm seines Bruders zu uns schaute.
„Mike es reicht“, meinte ich und versuchte mich aus seinem Klammergriff zu lösen.
Aber er war eindeutig der kräftiger und zog mich noch weiter hinein. Die nächste Welle kam, aber dieses Mal konnte ich mich etwas abstoßen und wurde nicht unter Wasser gedrückt. Mittlerweile schwammen wir an der Oberfläche des Wassers hier wurde es tiefer.
„Komm sei nicht so#“, meinte Mike, der sich sicherlich ganz schön ins Zeug legen musste, gegen die Wellen zu schwimmen und mich mitzuziehen.
Plötzlich ließ er mich los.
„Danke!“, meinte er zu mir.
Fragend schaute ich ihn an. Warum bedankte sich plötzlich jeder bei mir?
„Warum danke?“
Hier hatten die Wellen noch keine Schaumkronen, so wurden wir beider nächsten Welle nur angehoben.
„Dass du mir das hier ermöglich hast.“
„Ich habe doch gar nichts gemacht?“
„Ohne dich wäre ich nie auf die Idee gekommen, mit Jordan hier her zu gehen.
Der genannte kam gerade auf uns zu geschwommen.
„Dann nutz die Gelegenheit!“, grinste ich und machte mich einfach auf den Rückweg.
Mit der Strömung zu schwimmen brachte mich auch wieder schnell zu Noah und Levi zurück Der Junge stand immer noch da.
„Ist Marcus in Ordnung?“, hörte ich ihn fragen.
„Ja, Marcus ist nichts passiert, Onkel Mike hat nur Spaß mit ihm gemacht“, antwortete Levi.
„Na, wie ist es da vorne?“, fragte er nun mich..
„Tief!“, grinste ich.
Froh wieder Boden unter den Füssen zu haben, kniete ich nun neben Noah, der immer noch stand und nach Mike schaute. Dass er dabei nun bis zum Bauch im Wasser stand störte ich anscheinend nicht.
„Willst du noch bleiben, oder gehen wir raus, Noah?“, fragte Levi.
„Noah will bleiben!“
„Sollen wir ein bisschen schwimmen üben?“
Ich ruhte auf meinem Liegestuhl, als Oliver und William sich wieder blicken ließen.
„Wir sollten dass öfter machen, mir tun zwar alle Knochen weh, aber es tut auch gut.“, meinte William, der nach seinem Handtuch griff und sich abtrocknete.
„Wenn wir mehr Zeit hätten, aber Abends bin ich viel zu geschafft, mich irgendwo hinzubewegen“, sagte Oliver und ließ sich neben mir nieder.
„Du gehst aber oft einen Trinken“, widersprach William.
„Das war doch nur am Wochenende!“
„Die Sache mit Aiden war auch unter der Woche.“
Ich wunderte mich, warum Oliver jetzt schwieg.
„Aiden… Aiden ist ein Kapitel für sich…, darüber möchte ich nicht reden.“
„Geht dir das so nahe?“
„Was soll ich groß sagen, ich dachte er wäre mein bester Freund.“
„Und dann enttäuscht er dich so. Hat er sich denn noch einmal gemeldet?“
„Nein und ich will ihn auch nicht wieder sehen!“, kam es trotzig von Oliver.
„Auch wenn ich ewig an ihn erinnert werde!“, er zeigte auf seinen Arm, „ich hätte nie gedacht, dass er so ein homophobes Arschloch ist.“
„Du solltest endlich mit der Sache abschließen!“
„Leichter gesagt als getan…! Wenn ich mir meinen kleinen Bruder ansehe“, damit war wohl ich gemeint, „wie glücklich er ist und jetzt auch Mike…“
Beide schauten in das Becken, wo Mike und Jordan immer noch herum tollten. Ich nahm meine Wasserflasche und trank einen Schluck.
„… frage ich mich, ob da mehr war…, also ich meine… Aiden und ich verstanden uns so gut…“
„Du und Aiden? Sorry Bruder, dass glaube ich nicht!“Du magst zwar recht haben, denn seit ich Levi und Marcus ständig sehe, denke ich auch darüber nach wie es wäre, wenn ich einen Freund hätte.“
Hörte ich richtig? Ich verschluckte mich und spuckte das Wasser in einem Hustanfall wieder aus.
„Mensch Marcus, kannst du dich nicht benehmen?“, lachte Oliver.
„Was denn? Wenn ihr solche Brüller loslasst!“, meckerte ich, als ich mich etwas beruhigt hatte.
„Was ist denn hier los?“, fragte Levi, die nun auch endlich aus dem Wasser kamen.
Noah hatte schon blaue Lippen.
„Dein möchte-gern-Schwager Oliver überlegt, ob er nicht die Seiten wechseln soll“, sagte ich süffisant.
„Oliver?“, fragte Levi verwundert und begann seinen kleinen Bruder trocken zu rubbeln.
„Das habe ich nicht gesagt!“, kam es gleich von Oliver, „jedenfalls nicht so!“
„Robert… dein Handy blinkt“, hörte ich Ella sagen.
Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie Robert das Handy nahm, etwas lass und dann das Handy fallen ließ.
„Ist alles in Ordnung Robert?“, fragte Ella.
Der Junge ließ sich auf seine Liege fallen, oder zog es ihm die Beine weg? Seine Augen waren glasig. Ella hob das Handy auf und bekam große Augen.
„Seine Mutter schreibt ihm, dass er zu Hause niemand antrifft, sie sind alle im Krankenhaus.“
„Ist etwas passiert?“, fragte Levi besorgt.
„Finley ist aufgewacht“, sagte Robert leise.
*-*-*
Mit Engelszungen konnten wir meine drei Brüder überreden, doch im Schwimmcenter zu bleiben, während wir zum Krankenhaus fuhren. Das hätte noch gefehlt, wenn wir mit dem ganzen Trupp einfielen.
Alleine wir waren ja so zu sagen Fremde, auch wenn wir die Familie kannten und Levi einmal mit Finley befreundet war. Die ganze Fahrt über schwieg Robert, nur vereinzelt liefen Tränen über seine Wangen.
„Schade, dass wir nicht mehr erfahren konnten, es geht leider keiner ans Handy“, meinte Levi
„Du wirst es schon früh genug erfahren, wie es deinem Finley geht“, meinte ich grinsend.
„Wieso meinem Finley, bist du jetzt eifersüchtig oder was?“
„Schreitet nicht!“, kam es von Ella, „findet ihr nicht, dass ist jetzt unpassend?“
„Sorry Ella! Ich habe mich falsch ausgedrückt und bin auch nicht eifersüchtig.“
Levi warf mir einen sauren Blick zu. Aber er schwieg! Kein Sterbens Wörtchen kam mehr über seine Lippen und es dauerte schon eine Weile, bis wir wieder Brooklyn erreichten. Der Schuss ging wohl nach hinten los, so hatte ich das wirklich nicht gemeint.
Das Krankenhaus selbst, befand sich auf der anderen Seite von Brooklyn. Als wir das Brooklyn Medicalcenter dann schließlich erreichten, wollten die anderen schon aussteigen.
„Findet ihr nicht, Robert sollte da alleine hin eingehen? Es ist seine Familie!“, sagte ich.
„Also ich lass Robert jetzt nicht alleine“, kam es von Ella und schon war sie draußen.
Noah hatte von all dem nichts mitbekommen, saß in der Mitte und schlief.
„Gut, dann geht, ich bleibe bei Noah, bis er aufwacht!“
Nun stieg auch Levi aus, immer noch schweigsam. Hatte ich ihn jetzt so verärgert? Noah rührte sich nicht, auch als Levi die Tür zu warf. Ich seufzte und schaute Levi hinter her, wie er den Kids folgte.
*-*-*
Irgendwann entschloss ich mich dann doch Noah zu wecken. Levi und Ella waren immer noch nicht zurück gekommen. Der Junge war echt im Tiefschlaf, denn ich hatte meine Mühe ihn zu wecken.
Das Schwimmen musste ihn wohl sehr geschafft haben. Mein Handy fippte. Mike.
„Hallo Mike…“
„… Hi! Wie geht es Finley?“
„Weiß ich nicht, sitze im Auto.“
„Wieso sitzt du im Auto?“
„Weil Noah bis jetzt geschlafen hat, ich kann ihn ja schlecht alleine hier lassen!“
„Dann geh gefälligst rein und teile mir dann mit, wie es Finley geht!“
„Sag mal, bin ich dein Privatsekretär, oder was?“
„Nein, mein mich liebender Bruder, der Informationen für mich einholt“, hört ich Mikes kichernde Stimme in der Leitung.
„Okay ich geh hinein, aber ich kann dir nicht versprechen, irgendwelche Informationen zu bekommen!“
„Mir egal wie du das anstellst! Ich rufe Charlotte jetzt noch an, die sollte es auch wissen!“
„Wie kommst du jetzt auf Charlotte?“
„Das erkläre ich dir später…“
Was wusste er, was ich nicht wusste?“
„… ich denke aber, sie hat ein Recht es zu erfahren!“
„Wie du meinst, dann bis später!“
Ich drückte das Gespräch weg.
„Marcus, wo ist Levi?“, machte sich Noah plötzlich bemerkbar.
„Da drinnen!“
Noch leicht angesäuert, hatte ich mich wohl im Ton vergriffen. Noah zuckte etwas zurück. Ich atmete tief durch.
„Sollen wir Levi suchen gehen?“, fragte ich ein paar Töne liebevoller.
Noah nickte.
„Komm dann lass uns aussteigen, aber schön bei mir bleiben!“
Ich zog den Schlüssel ab, denn Levi hatte stecken lassen, stieg aus und schloss den Wagen. Noah schnappte sich meine Hand. Gemeinsam betraten wir das Krankenhaus.
„Wo ist Levi?“, fragte Noah.
„Gute Frage, ich denke, wir müssen nachfragen!“
So lief ich mit Noah an der Hand an den Empfang.
„Was kann ich für sie tun?“, fragte eine freundliche Schwester hinter dem Schalter.
„Könnten sie mir vielleicht sagen, wo sich das Zimmer von Finley Parker befindet?“
„Einen Moment…“
Sie gab etwas am Computer ein, dann schaute sie wieder auf.
„Zimmer 316 im dritten Stock. Wenn sie den Aufzug nutzen wollen, da drüben rechts.“
„Vielen Dank!“
Noah gähnte neben mir. So zog ich ihn zum Aufzug.
„Weißt du wo Levi ist?“
„Ja und wir sind gleich bei ihm.“
Natürlich war mir aufgefallen, dass sich Noah unwohl fühlte, sonst würde auch nicht so nach Levi fragen. Ich wollte ihn den Knopf betätigen lassen, aber da wir nicht alleine im Aufzug waren, verfiel er seiner alten Angewohnheit und versteckte sich hinter mir.
So drückte ich den dritten Knopf und war froh, dass sich der Aufzug endlich in Bewegung setzt. Oben angekommen, versuchte ich mich an Hand der Schilder zu orientieren, in welche Richtung wir mussten.
Endlich angekommen, schaute ich erst durch das schmale Fenster der Tür. Levi und Ella standen etwas abseits, während die Familie am Bett war. Ein kleiner blonder saß auf dem Bett. Finley selbst war leider verdeckt.
So klopfte ich an und betrat mit Noah das Zimmer.
„Entschuldigung die Störung… Levi, dein Bruder will unbedingt zu dir!“
Ich nickte dem Ehepaar zu, während Noah zu Levi lief. Dann wollte ich das Zimmer verlassen.
„Bleib bitte!“, kam es von Levi.
Ich wäre lieber gegangen, denn ich war eindeutig fehl am Platz.
„Finley, das ist Marcus unsere Manny und mein… Freund.“
Langsam drehte ich mich wieder um und bemerkte, dass alle Augenpaare auf mich gerichtet waren.
„Was ist eine Manny?“, kam es vom Bett.
Der Mann, wohl der Vater, trat etwas zur Seite, dass ich etwas freie Sicht bekam.
„Eine männliche Nanny“, erklärte Robert grinsend.
Es war das erste Mal, dass ich Robert so sah und bemerkte, dass die gleiche Version, nur älter im Bett lag. Sie sahen sich sehr ähnlich.
„Hallo…“, war alles was ich heraus brachte.
Jetzt beneidete ich Noah, der sich wie immer hinter seinem Bruder versteckte.
„Dein Gesicht kommt mir bekannt vor…., kennen wir uns?“, fragte Finley.
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich denke nicht, das heißt ich weiß es nicht, ich kann mich nicht erinnern…“, fing ich an los zu reden.
„Das ist der jüngere Bruder von Michael…“, unterbrach mich Levi.
„Michael Brown? Wirklich? Wie klein doch die Welt ist!“
Ich wusste nicht, was darauf sagen.
„Phillip, willst du eine heiße Schokolade?“, fragte plötzlich Mr. Parker.
Der Junge auf dem Bett nickte eifrig.
„Lassen wir die jungen Leute kurz alleine“, meinte sie zu ihrem Mann der zu nicken begann.
Erst jetzt bemerkte man die Behinderung des Jungen, der sich unbeweglich vom Bett heben ließ. Auf den Boden gesetzt sah man deutlich an den ungelenkigen Bewegungen, das er behindert war.
„Bis gleich!“, meinte Mrs. Parker und schon waren die drei draußen.
Langsam bewegte ich mich zu Levi.
„Wie geht es Mike, wie geht es ihm jetzt? Habe ich etwas verpasst?“, wollte Finley wissen.
Auch er hatte Mike gesagt, so waren die beiden doch recht gut befreundet.
„Gut, er wohnt noch zu Hause und arbeitet im Betrieb unserer Eltern…“
„… er ist immer noch dort?“
Das kam traurig herüber.
„Möchtest du ihn sprechen?“
„Geht das?“
Ich nickte und zog mein Handy hervor.
„Da will dich jemand sprechen“, sagte ich als Mike sich meldete.
„Wer?“
Ich hatte die Lauttaste gedrückt und hielt es Finley hin.
„Mike altes Haus, wo treibst du dich herum?“
Von Mike kam kein Ton.
„Mike, bist du noch dran?“, fragte nun ich.
„Ja… Finley bist du das wirklich?“
„Wer sonst? Robert mit Stimmbruch?“
Nun mussten alle grinsen.
„Ich glaube es nicht…, auf diesen Augenblick warte ich schon acht Jahre…! Deine Stimme ist unverkennbar!“
„Tut mir leid, mir ist da ein kleines Missgeschick dazwischen gekommen.“
Kleines Missgeschick, Finley hatte wirklich Humor. Dieses Missgeschick, wie er es nannte, rannte irgendwo da draußen herum und leider wusste niemand, was er als nächstes vor hatte.
„Wenn du nichts dagegen hast, komme ich dich heute Abend besuchen“, kam es aus dem Handy.
„Wird dir das nicht zu viel?“
Diese Frage kam von Robert.
„Mike, mein kleiner Bruder hat Recht. Ich bin gerade mal sechs Stunden wach und ha einiges zu verdaue…, können wir das auf morgen verschieben?“
„Kein Problem, Alter ich bring dann och jemand mit, der dich auch sehr vermisst hat.“
„Mich vermisst? Das haben wohl einige.“
„Okay, ich mach dann mal Schluss, mein Freund und ich wollen noch ein bisschen rutschen gehen!“
„Freund… Rutschen…?“, fragte Finley verwirrt.
„Lass das meinen Bruder erklären…, bis morgen, Bye!“
Und schon war das Gespräch unterbrochen.
„Mike war mit uns und deinem Bruder schwimmen…, wir haben Robert direkt hier her gebracht“, erklärte ich.
„Und warum betont er das Freund so?“
„Ja… Mike hat da jemanden kennen gelernt…“, grinste nun Levi.
„Ach so!“
War da eine gewisse Enttäuschung, dies ich da in Finleys Gesicht entdecken konnte?
*-*-*
„Über was denkst du nach?“, fragte Levi.
Wir lagen eng aneinander gekuschelt in seinem Bett. Natürlich endete der Tag nicht mit dem Krankenhausbesuch, am Abend forderte Oma Frida unsere Aufmerksamkeit. All das ließ uns heute recht früh ins Bett gehen, wir waren einfach müde.
„Das heute…, war crazy.“
„Ein weiterer Crazy-Day in unseren noch frischen Beziehung…?“
„… und ich befürchte, es wird nicht der letzte sein.“
„Eine Frage liegt mir schon seit heute Mittag auf der Zunge…,, als du Finley erzählt hast, Mike habe einen Freund, habe ich da Enttäuschung auf seinem Gesicht gesehen, oder war das Einbildung?.“
„Das hast du also auch bemerkt?“
„Ja!“
„Das ist verwirrend…“
„Wieso?“
„Wenn man das Gehörte alles zusammen nimmt, würde ich vermuten, das Charlotte und Finley ein angehendes Paar waren, aber Finley in Mike verliebt war…“
„… und der hat durch seinen Selbstfindungsprozess es nicht mitbekommen…“
„Genau!“
„Was willst du tun?“, grinste Levi.
„Ich…, gar nichts! Das geht mich nichts an… zudem hat Mike ja jemand kennen gelernt!“
„Ja Jordan, ein wirklich leckeres Kerlchen, was sich da Michael heraus gesucht hat.“
„Ich habe noch immer nicht die Sprüche meiner Brüder verdaut, da halse ich mir noch etwas Neues auf!“
„Was genau haben sie denn gesagt, dass du dich so verschluckt hast?“
„Oliver ist sich nicht sicher, ob er für seinen Ex-besten Freund Gefühle hegte und William ist neidisch auf uns, weil wir so glücklich sind… nun überlegt er, ob er sich vielleicht einen Freund zulegen soll.“
„Was? Wäre das keine herbe Enttäuschung, wenn dein alter Herr vier schwule Söhne hätte?“
Ich konnte nicht anders und begann zu lachen, weil mir dieser Gedanke noch nie gekommen war.
„Die zwei sollen sich schön ihre Freundinnen suchen und Mike… ein Thema für sich, er sagt ja selbst, er steht eigentlich auf Frauen!“
„Was für ein Wirrwarr!“
„Da hast du leider Recht! Aber wir sollten jetzt wirklich schlafen, morgen ist wieder ein langer Tag plus Oma Frida.“
„Wenn das so weiter geht, muss ich glaub ich mit Tante Vanessa reden, dass das nicht überhand nimmt.“
„Lass Oma Frida doch, ihr seid ihre einzigen Enkel…“
„Das stimmt schon, aber auch ich möchte meine Ruhe! Ich habe mich so sehr daran gewöhnt, abends mit dir zusammen zu sein!“
„Warum hat Tante Vanessa nie geheiratet?“
„Das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen!“, meinte Levi und löschte sein Licht.
Im Dunkeln bekam ich noch einen Kuss.
„Gute Nacht mein Schatz, schlaf gut!“
„Gut Nacht Levi!“
*-*-*
Ich stand wie jeden Morgen in der Küche bei Sofia und half das Frühstück richten.
„Bin wieder da!“, hörte ich Levis Stimme im Flur
Sofia grinste mich an.
„Ja, dann setzt dich zu deinem Bruder, dann können wir endlich frühstücken!“, sagte ich, ohne mich umzudrehen.
„Ja Mr. Manny!“, sagte Levi direkt hinter mir.
Sofia fing an zu kichern und ich zuckte zusammen, da ich nicht gesehen hatte, das Levi bereits in die Küche gekommen war.
„Kann ich einen Kaffee bekommen?“, fragte mein Freund und setzte sich.
„Klar Boss, wie sie wünschen!“, antwortete ich und zog eine Tasse aus dem Regal.
Sofia schüttelte lächelnd den Kopf.
„Nach dem Frühstück muss ich in die Firma.“
Ich drehte mich zu ihm.
„Du denkst daran, dass wir morgen einen Termin haben?“
„Auch deswegen fahre ich heute in die Firma, das ich morgen Zeit habe.“
„Okay, wollte nur noch einmal daran erinnern.“
„Steht noch etwas an, ist alles klar fürs Wochenende?“
Damit meinte Levi sicher den Geburtstag. Ich schnappte seinen Kaffee und lief zum Tisch.
„Soweit ja, kommt nichts mehr dazwischen, können wir einem herlichen Abend entgegen sehen.“
Levi schaute mich durchdringend an und ich konnte mir denken, über was er nachdachte.
„Außerdem laufe ich nachher mit Noah zur Post, er möchte noch unbedingt die Einladungen verschicken, die wir gebastelt haben.“
„Das sind aber ganz schön viele!“
„Noah hat sich auch sehr angestrengt.“
„Zweiundzwanzig und falls Onkel Jordan auch kommen soll, sogar dreiundzwanzig.“
Bei Onkel Jordan fing Levi an zu grinsen.
„Du hast ganz schon viele Onkel, junger Mann!“, sagte Levi und piekte seinen Bruder in die Seite, der aufjaulte.
„Noah mag Onkel Jordan, der kann gut schwimmen!“
„Du hast nichts dagegen?“, fragte ich Levi.
„Ach wo, auch wenn es vielleicht bisschen eng werden könnte, ich freue mich, dass Noah so aufgeschlossen ist. Bisher hatten wir immer nur kleine Geburtstage…“
„Mit Clown…“, kam es von Noah.
Also erinnerte sich Noah an seine Geburtstage.
„Ja mit Clown!“, sagte Levi und wuschelte seinem Bruder durchs Haar.
*-*-*
Während ich mit Noah auf dem Weg zur Post war, fuhr Levi in die Firma. Über den Einbruch und was Jakob getan hatte, war kein Wort mehr gefallen. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, mich davon nicht beeinflussen zu lassen, fühlte ich mich dennoch etwas unwohl.
Noah schien dies zu spüren, denn er lief ganz eng an mir. Jedes Auto, das an uns vorbei fuhr, wurde genau angeschaut. Eigentlich war die Poststation einfach zu erreichen. Von der Henry Street über die Pierrepont Street bis zur großen Straße.
Die mussten wir überqueren, dann noch durch den Columbus Park und schon waren wir am Brooklyn Post Service Center. In dem großen alten Gebäude waren aber auch noch andere Dinge untergebracht, wie zum Beispiel das Brooklyn Postal Museum.
Noah schien hier auch noch nicht gewesen zu sein. Ängstlich schaute er sich um. Ich zog ihn zum Schalter. Erst als es daran ging, die Briefmarken drauf zu kleben, taute er etwas auf. Das Einwerfen der Brief dauert dann fast genauso lang, weil Noah darauf bestand, jeden einzeln einzuwerfen.
Ich war froh, dass da die Einladungen für Ellas Freunde nicht dabei waren, aber so waren es auch schon genug. Endlich fertig, verließen wir das Gebäude wieder. Im Park machten wir einen kurzen Zwischenhalt und Noah trank etwas, während er die Vögel beobachtete.
Dann überquerten wir wieder die breite Straße, bevor wir in die ruhigere Pierrepont Street bogen. Je weiter wir hineinliefen, umso kleiner wurden die Gebäude. Wo am Anfang noch achtstöckige Geschäftshäuser standen, waren hier nur noch drei oder vierstöckige Wohnhäuser, die ab und wann ein kleines Geschäft beherbergten.
Für mich gab es wahrscheinlich genauso viel zu sehen, wie für Noah, weil ich mich immer noch zu wenig auskannte. Der Junge selbst, war wieder etwas aufgetaut und lief nun locker an meiner Hand.
„Noah hat Hunger…“
„Es gibt bald Mittagessen. Sofia hat sicher wieder etwas Tolles gekocht.“
„Noah möchte auch kochen lernen.“
Das überraschte mich jetzt.
„Warum willst du kochen lernen?“
„Noah will für Levi und Ella und Marcus auch etwas Tolles kochen!“
Ich musste schmunzeln.
„Dann sollten wir dir aber eine eigene Schürze kaufen.“
„Noah gefällt Schürze von Sofia, da sind schöne Blumen drauf.“
„Also eine Schürze mit Blumen. Oder doch vielleicht mit Tieren, das jeder weiß, das ist deine Schürze.“
„Was für Tiere?“
„Das kannst du dir heraussuchen, welches Tier magst du?“
„Noah liebt Tiger!“
Stimmt im Zoo konnte ich ihn fast nicht von Tigergehege wegbewegen.
„Dann eine Schürze mit großen Tigerkopf?“
Noah nickte und lächelte dabei. Wir bogen wieder in die Henry Street ein und ich war froh, dass Noah bis jetzt noch nicht angefangen hatte zu nörgeln. Artig lief er neben mir her. Das Haus konnte man schon erkennen, weil dort Handwerk Sachen zum LKW trugen.
Mike schien wohl auch fertig zu sein. Wir überquerten die nächste Querstraße und dann sah ich ihn, der Typ mit dem schwarzen Kapuzenshirt. Er stand hinter einer der großen Bäume und beobachtete das Haus,
Abrupt blieb ich stehen und zog mein Handy hervor.
„Mike?“, sagte ich als die Verbindung stand.
„Hi Brüderchen, was ist?“
„Mike, wir sind ungefähr noch fünfhundert Meter vom Haus entfernt und ich habe den Typ in schwarz entdeckt!“
Ich weiß nicht, wie lange Noah und ich da gestanden hatten, aber plötzlich fing Noah an zu nörgeln. Vielleicht weil er auch wusste, dass wir fast zu Hause waren.
„Noah will heim!“
„Noah gleich…“
Nun fing er auch noch in die Richtung an zu ziehen. Ich schaute wieder zur Kreuzung, wo der Typ eben gestanden hatte und erschrak, denn er schaute in diesem Augenblick in unsere Richtung.
Schon gefasst, dass er uns entdecken würde und weg rennen, machte er etwas anderes, er kam direkt auf uns zu. Zu Docs Weisers Arztpraxis standen wir zu weit weg, unser Weg würde sich schneiden.
„Noah will heim…!“, sagte der Junge abermals und versuchte sich los zu reisen.
„Noah, da ist ein böser Mann, wir können nicht heim!“
Augenblicklich stoppte der Junge und sah mich komisch an. Der Typ hatte die Kreuzung überquert und war jetzt genau zwischen und der Praxis. Was sollte ich machen? Hier war niemand, weit und breit, nicht mal ein Auto fuhr an uns vorbei.
Langsam zog ich Noah rückwärts, da der Abstand zu uns sich immer mehr verkürzte und ich sah noch etwas, der Typ hielt ein Messer in der Hand. Spinnt der? Ich drückte Noah Hinter mich und ging auf ‚Abwehrstellung.
Meinen Rucksack hatte ich abgenommen und hielt ihn in der Hand.
„Noah, du bleibst hinter mir!“
„Noah hat Angst…“
Er hatte nun wohl auch den Typen entdeckt, der immer näher kam. Plötzlich hob dieser das Messer und fing an zu schreien. Seine Gangart wurde schneller, direkt auf uns zu. Dann ging plötzlich alles sehr schnell.
Ich nahm Reifenquietschen wahr und sah hinter dem Typ jemand, der gerannt kam. Dieser jemand war niemand anders als Mike. Noah fing an zu schreien und plötzlich kamen von allen Seiten Leute gelaufen und gemeinsam stürzten sie sich auf den Typen.
Noah schrie immer noch und ich nahm ihn in den Arm, versuchte seine Augen zu bedecken. Mike war in einem Hechtsprung von hinten gegen den Typen geknallt und dieser zu Boden gegangen.
Die anderen schienen Cops zu sein, denn sie zogen Waffen und überwältigten den Mann. Sie pressten ihn gegen den Boden. Noah weinte fürchterlich, wehrte sich plötzlich gegen mich. So versuchte ich ihn eisern festzuhalten.
„Ist euch etwas passiert?“
Mike hatte und erreicht.
„Nein, aber Noah…“
Sofort Mike vor Noah auf die Knie und legte seine Hand auf dessen Rücken.
„Noah! Ich bin es Onkel Mike! Dir kann hier nichts mehr passieren!“
Aber Noah beruhigte sich nicht. Er heute und zitterte wie verrückt. Im Hintergrund sah ich, wie der Mann weggeführt wurde. Aber auch etwas anderes nahm ich war, da kam noch jemand gerannt. Levi!
*-*-*
Zitternd lag Noah in Levis Armen. Irgendwie hatten wir es geschafft den Jungen ins haus zu kriegen. Mike kam zurück und reichte mir ein Glas Wasser. Levi streichelte zärtlich über den Kopf des Jungen.
Ich selbst zitterte selbst, zu aufregend war die ganze Sache gewesen.
„Es ist alles gut“, vernahm ich Levis sanfte Stimme.
Im Flur wurde es lauter und Mike lief wieder hinaus, plötzlich war wieder Ruhe und Mike betrat erneut das Wohnzimmer. Hinter ihm erschienen Cpt. Davis und Lt. Trever. Er schaute erst zu Levi, dann zu mir.
„Es tut mir leid, dass wir so spät reagiert haben, aber es ist ja Gott sei Dank nichts passiert!“
„Nichts passiert? Schauen sie sich meinen Bruder an, der hat sich zu Tode geängstigt!“, fuhr ihn Levi an.“
„Mr. Brown….entschuldigen sie ich…
„Was ist mit meiner Schwester? Wenn ihr auch jemand auflauert?“
An sie hatte ich in der Aufregung nicht mehr gedacht.
„Es sind bereits Kollegen an der Schule, die ihre Schwester abholen!“
„Wann hat das alles ein Ende, wenn wir nicht mal mehr vor dem Haus sicher sind?“
Cpt Davis schien darauf nichts zu sagen, er schwieg. Tränen liefen über Levis Wangen.
„Wo sind sie?“, hörte ich plötzlich Vanessa Stimme im Flur.
Wer hatte sie denn gerufen? Sie erschien in der Tür, sah Levi und Noah und stürzte auf sie.
„O Gott, ist euch etwas passiert?“
Levi schüttelte den Kopf und dann sah Vanessa zu mir.
„Konntest du nicht besser aufpassen!“, fuhr sie mich an.
„Marcus kann gar nichts dafür, der Typ hat ihnen aufgelauert“, kam es fast genauso laut von Mike.
Ich legte meine Hand auf Mikes Arm und schüttelte den Kopf.
„Er hätte das Haus nicht verlassen dürfen!“
„Mrs. Williams beruhigen sie sich doch, Mr. Brown kann wirklich nichts für den Vorfall!“, versucht nun auch Cpt. Davis Vanessa zu beruhigen.
Oma Frida stand immer noch schweigend an der Tür und Levi sagte darauf auch nichts.
War es wirklich mein Fehler, hätte ich im Haus bleiben sollen? Aber wir waren doch auch schwimmen… am Wochenende wollten wir Geburtstag feiern. Ich schloss die Augen und atmete tief durch.
Nie hätte ich gedacht, dass man uns am helligten Tag angreifen würde. Auch wusste ich nicht, wemm der Angriff galt, Noah – mir oder uns beiden. Mir wurde übel bei dem Gedanken, was hätte alles passieren können.
Ich stand auf, drückte mich an Oma Frida vorbei und lief zu Haus hinaus. An der Treppe unten blieb ich stehen. Ich versuchte normal zu atmen, aber es gelang mir nicht Recht. Was hatte ich da nur getan?
„Marcus?“
Ich beugte mich nach vorne, stütze mich auf den Knien ab.
„Marcus?“, hörte ich es erneut rufen und plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Rücken.
„Geht es dir nicht gut?“
Ich richtete mich auf und schüttelte den Kopf.
„Ich bin eine totale Fehlbesetzung, ich hätte diesen Beruf nie ergreifen dürfen..“
„Jetzt rede doch nicht so ein Scheiß, du hast nichts falsch gemacht!“
„… aber Noah könnte tot sein!“, fuhr ich Mike an.
Dann machte Mike etwas, womit ich nicht gerechnet hätte. Er holte aus und gab mir eine Ohrfeige. Ich hielt meine Wange und schaute ihn geschockt an.
„Du hast nichts falsch gemacht und bist auch nicht schuld!“, fuhr mich Mike an.
Tränen fingen an über meine Wange zu laufen.
„Der Typ hätte uns genauso gestern beim Schwimmbad anfallen können!“
„… aber…“
„Nichts aber“, fiel er mir ins Wor, „du gehst da jetzt wieder hinein und…“
„Nein!… nein ich kann da jetzt nicht hinein…, bring mich bitte heim!“
Meine Stimme war brüchig und flehend.
„Aber du kannst doch nicht einfach gehen.“
„Bitte Mike.. bitte…“
*-*-*
Ich lag zu Hause auf der Couch und starrte ins Leere. Mike war wieder zurück gefahren und hatte mich bei Mum gelassen. Sie sagte nichts und saß einfach nur bei mir. Die Tränen waren getrocknet, es kam nichts mehr.
War das jetzt wirklich das Ende? Ich konnte mich dort unmöglich noch einmal blicken lassen. Levi war sicher sauer, weil ich sein Bruder nicht beschützen konnte. Es war alles aus. Wegen dem Arschloch Jakob Hall, hatte ich von einer Sekunde auf die andere alles verloren.
Nun rannen doch wieder die Tränen, es presste sie förmlich hinaus.
„Marcus bitte… beruhige dich doch“, hörte ich Mum sagen.
Sie strich mit ihrer Hand über mein Haar.
„… ich …. Ich hätte nicht so leichtsinnig sein dürfen.“
Ihre Hand stoppte abrupt.
„Marcus, du trägst keine Schuld an der Sache, wenn einer Schuld ist, dann dieser Großvater oder dieser Jakob, du bist nicht schuld!“
„… es ist alles aus…“, weinte ich.
„Nichts ist aus! Ich kann mir nicht vorstellen, dass Levi dir böse ist.“
„… aber Vanessa…“
„Vanessa ist eine Sicherung durch gebrannt!“
Es klingelte an der Tür und fuhr zusammen. Mum stand auf und ließ mich alleine.
„… ich weiß nicht, ob es gut ist, dass ihr jetzt da seid, Marcus ist total fertig.“
Das war Mum, wer war dan an der Tür. Ich wollte mich aufrichten, aber irgendwie hatte mich meine Kraft toal verlassen.
„… was habt ihr gemacht?“
„Es tut mir leid, Nora, ich hab nur Noah gesehen und bin ausgetickt. Es war fast genauso wie damals, als meine Schwester starb, da war Noah genauso.“
War das Vanessa?
„Wo ist er?“
Levi? Warum war er hier, wollten sie mich raus schmeißen?
„Der liegt im Wohnzimmer und heult sich die Seele aus dem Kopf!“
Erneut versuchte ich aufzustehen, aber irgendwie brachte ich es nicht fertig.
„Ist euch schon mal der Gedanke gekommen, dass er genauso unter Schock steht wie Noah?“
Mum Stimme war lauter geworden. Dann wurde irgendwie alles dunkel um mich herum.
*-*-*
Als ich die Augen aufschlug, wusste ich erst nicht, wo ich war. Das Zimmer war verdunkel, aber durch die Ritzen des Rollladens kam Licht herein. Beschwerlich richtete ich mich auf. War das Mikes Zimmer?
Ich war also immer noch zu Hause, aber konnte mich nicht erinnern, wie ich hier her kam. Die Tür wurde langsam geöffnet und plötzlich stand Levi vor mir. Mit großen Augen schaute ich ihn an.
„Du bist wieder wach?“
Er kam ans Bett gestürzt und kniete vor mich hin. Er schnappte sich meine Hand und legteseinen Kopf darauf.
„Entschuldige Marcus…“, begann er zu weinen.
Ich war nicht fähig irgendetwas sagen, schaute ihn nur an. Er schaute auf, Tränen liefen über seine Wangen.
„… es… es tut mir so leid Marcus… Vanessa hat es nicht so gemeint…, du bist nicht schuld!“
Die Bilder kamen zurück, wie der mann mit dem Messer auf uns zu stürzte. Ich atmete tief durch.
„… wie“, ich musste husten, meine Stimme war belegt, „…wie geht es Noah?“
„Dem geht es gut, er hat sich wieder beruhigt… Oma Frida und Ella sind bei ihm und…“
„Ich war zu leichtsinnig…“, fiel ich ihm ins Wort.
Levi setzte sich auf, griff nahcm ir und umarmte mich.
„Nein, warst du nicht! Wir haben gesagt, wie lassen uns von Jakob nicht beeinflussen!“
„…er wird es wieder versuchen… das weißt du?“
Levi ließ mich los und schaute mich an.
„Ich weiß nicht was Jakob vorhat, niemand weiß das. Cpt Davis hat gesagt, das man angestrengt nach ihm fandet.“
„Was bringt das… New York ist groß, er kann überall untertauchen…“
Es klopfte.
„Ja?“, meinte ich und versuchte mich richtig hinzusitzen.
Die Tür ging auf und Dad schaute herein.
„Hallo Marcus, geht es dir wieder besser?“
Warum war Dad hier? Ich nickte leicht.
„Ihr solltet herunter kommen… Cpt. Davis ist da und hat noch jemand mitgebracht…“
„… mitgebracht“, stammelte Levi ihm nach, „…wer?“
„Dein Großvater!“
Levi schaute genauso geschockt wie ich zu Dad.
„Was will der hier?“, kam es giftig von Levi.
„Du solltest selbst mich ihm sprechen…, glaub mir, es ist besser so!“
„Ich will ihn nicht sehen!“
Dad trat näher zu Levi und beugte sich etwas vor.
„Glaube mir bitte und rede mit deinem Großvater, es ist wichtig!“
Levi schaute zu mir und ich sah die Hilflosigkeit in seinen Augen. Ich befreite mich aus meiner Decke und versuchte aufzustehen.
„Willst du wirklich?“, kam es leise von Levi.
„Ich lass dich jetzt nicht alleine!“
„Ihr seid nicht alleine, wir sind auch noch da!“, meinte Dad und zog Levi hoch.
Beide liefen wir Dad hinter her, die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, wo sich die anderen befanden. Levi blieb auf der letzten Stufe stehen, als er seinen Großvater entdeckte.
Fortsetzung in Manny 5 – 2025!
Pitstories wünscht euch schönes Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr. Ich hoffe ich bekomme Teil 5 bald fertig, damit ihr wisst, wie die ganze Geschichte um Levi und Marcus weiter geht.
Bis dahin bleibt gesund euer Pit