Zwischen den Stühlen – Teil 1

Die Qual der Wahl

„Hast du dich immer noch nicht entschieden, was du anziehst?“ fragt mein bester Freund Malte mich.

Ich streife gerade das zehnte Shirt über meine Schultern und betrachte

meine schlanke Silhouette skeptisch im Spiegel. Kopfschüttelnd ziehe ich es wieder aus und schmeiße es wütend aufs Bett.

„Nein“, quietsche ich.

Malte verdreht die Augen und zieht genervt die Zimmertür hinter sich zu. So ein Arsch! Er kann ja auch anziehen was er will, schließlich sieht er immer gut aus. Ich durchwühle meinen Kleiderschrank und den Stapel der Shirts, die ich schon anhalte, aber finden tue ich nichts.

Dass ich meine Lieblingshose anziehe steht schon fest, nur zu einer engen Jeans passt nun mal nicht alles. Genervt und mit freiem Oberkörper verlasse ich mein Zimmer und stürme in Maltes“.

„Ich hab nichts anzuziehen“, jaule ich rum.

„Nein, natürlich nicht. Dein Kleiderschrank ist ja auch nicht voll genug“, bekomme ich von Malte zur Antwort.

Dazu gibt es einen musternden und distanzierten Blick von Claas, der im Schneidersitz auf Maltes Bett sitzt. Claas ist Maltes neuer Freund und er mag mich nicht. Was nicht weiter schlimm ist, denn das beruht auf Gegenseitigkeit.

Ich mag ihn auch nicht, um nicht zu sagen, ich hasse ihn. Schließlich nimmt er mir meinen besten Freund weg, da Malte auf einmal nur noch Augen für ihn hat. Und wo bleibe ich bei der ganzen Sache?

„Okay Kimi, dann schau in meinen Kleiderschrank rein. Vielleicht findest du ja da etwas“, schlägt Malte mir nun vor.

Ich grinse Claas triumphierend an und mache mich auch gleich an Maltes Klamotten zu schaffen. Er hat sowieso viel coolere Sachen, als ich, auch wenn ich mehr habe, sind es meist nur Schnäppchen. Malte hingegen verdient so viel Geld, dass er sich überwiegend Markensachen kauft.

Er könnte sich auch locker eine eigene Wohnung leisten, ist aber wegen mir bis jetzt hier in der Wohngemeinschaft wohnen geblieben. Ich greife nach dem Hemd, was ich bei Malte so gerne sehe und zieh es mir an.

„Na, wie sehe ich aus?“, frage ich, wobei ich mich drehe und Malte einen fragenden Blick zuwerfe.

Doch der gibt die Frage einfach weiter und will von Claas wissen: „Wie findest du es?“

„Deine Sachen sind doch immer sexy“, kommt es von Claas, obwohl er mich mit seinen blauen Augen noch nicht einmal angeschaut hat.

Stattdessen steht er auf, umarmt Malte liebevoll und küsst ihn zärtlich. Mein Blick schweift weg, denn das muss ich mir nun wirklich nicht antun. Wenn Claas mich so sexy findet, dann wäre es doch besser, wenn ich…

„Ich zieh doch lieber was anderes an“, sage ich spontan.

„Nichts da“, protestiert Malte, wobei er sich etwas unsanft von Claas getrennt hat.

„Wir sind sowieso schon spät dran. Du bleibst so!“

Und das Ende vom Lied ist, dass Claas ein breites Grinsen auf den Lippen hat, weil ich mich geschlagen geben muss. Wir fahren mit Maltes Auto und Claas schiebt die Sitzlehne zurück und hält mir die Tür auf. War ja klar, dass er vorne sitzen will.

Gerade will ich ansetzen, um mit ihm zu diskutieren, da macht Malte mich an: „Einsteigen!“

Ich zucke vor Schreck zusammen und steige niedergeschlagen Hinten ein, während Claas wieder grinst. Die Autofahrt sollte eigentlich nur eine viertel Stunde dauern, doch es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.

Wenn ich mit Malte alleine zu der Party eingeladen wäre, würde ich viel bessere Laune haben und mich mehr darauf freuen. Aber so muss ich mit Claas in Maltes pinken Mini Cooper sitzen und seine Schwärmerei mit anhören.

„Deine kurzen Haare finde ich echt viel süßer, als die mittellangen. Wenn ich dir den Hinterkopf kraule sind die so schön weich“, kommt es von Claas, während er mit seiner Hand durch Maltes mittelbraune Haare fährt.

Ich fand die längeren Haare besser, die hingen ihm immer so niedlich ins Gesicht, vor allem nach dem Duschen.

„Dann hat sich der überteuerte Friseurbesuch ja gelohnt“, gibt Malte ihm zur Antwort und schenkt ihn sein tollstes Lächeln.

„Du wirkst so gleich viel Männlicher“, haucht Claas ihm jetzt ins Ohr, wobei er sich über die Lippen leckt und mir einen verruchten Blick zuwirft.

Am Liebsten würde ich ihn jetzt würgen, doch leider kommt das in so einem engen Wagen nicht gut. Außerdem müsste ich damit rechnen, dass Malte mich kurzerhand aus dem Auto wirft und ich laufen darf.

„Claas, nicht während der Autofahrt“, ermahnt Malte seinen Freund, da dieser seine Hände nicht bei sich behalten kann.

„Hallo… Ich bin auch noch da!“, protestiere ich und werfe Claas einen giftigen Blick zu.

„Hab dich glatt vergessen“, kommt es unschuldig von dem.

„Ja, du bist so ruhig, da kann man dich glatt übersehen“, lächelt Malte mich über den Rückspiegel hinweg an, wobei seine braunen Augen leuchten.

„Es reicht ja, wenn einer für Unterhaltung sorgt. Auch wenn es eher ein langweiliges Programm ist“, zische ich und schaue dabei Claas an.

Der will auch gleich etwas sagen, doch kommt Malte ihm mal wieder zuvor.

„Kimi, jetzt reicht es aber. Sei nett zu Claas, schließlich ist er auch nett zu dir!“

Wo das denn bitte? Aber was tut man nicht alles, um seinen besten Freund glücklich zu machen. Also verschränke ich die Arme und schmolle erst einmal. Auch den Rest der Fahrt schweige ich und auch Claas ist ruhig geworden, weshalb Malte wohl auch die Musik lauter stellt.

Als wir endlich ankommen, ist es schwierig einen Parkplatz zu finden und Malte lässt uns vorm Eingang raus.

„Geht ihr schon mal rein. Ich schaue weiter hinten nach, ob ich da noch irgendwo parken kann“, sagt Malte, bevor ich die Tür zuschlage.

Na super, jetzt darf ich mit Claas reingehen – wie ich mich freue! Während meine hellgrünen Augen den Mini noch hinterher schauen, der langsam die Straße langfährt, fühle ich mich schuldig, weil ich so lange gebraucht habe.

Auch wenn es ein kleines Auto ist, braucht es trotzdem einen Parkplatz und hätte ich nicht so ewig gebraucht, etwas Passendes zum Anziehen zu finden, wären noch genügend Parkmöglichkeiten frei gewesen.

Als ich mich zu Claas umdrehe, sehe ich den blonden Lockenkopf bereits an der Tür stehen und er hat sogar schon geklingelt. Von warten hält der wohl nichts? Gerade noch rechtzeitig erreiche ich die Tür, bevor sie ins Schloss fällt und gehe hinein.

Drinnen tobt der Bär – Laute Musik, viele Leute und eine volle Garderobe. Da ich keine Jacke zum Aufhängen mitgenommen habe, nutze ich die Gelegenheit, um einen prüfenden Blick in den Spiegel zu werfen, der auch im Flur hängt.

Langsam fahre ich mit meiner Hand durch meine blonden, mittellangen Haare, die wild abstehen und eigentlich immer perfekt sitzen. Für einen Moment überlege ich, ob ich auf Malte warten sollte, entschließe mich dann aber doch weiter zu gehen.

Claas ist auch irgendwo im Getümmel unterwegs und so schiebe ich mich durch die Menge, auf der suche nach einem gekannten Gesicht. Da es ein Freund von Malte ist, der die Party gibt, kenne ich nur wenige, weil Malte einen guten Job hat und ich nur ein kleiner Student bin, der sein Studium und die Wohnung von seinen Eltern finanziert bekommt.

Malte arbeitet bei einer Bank und so nehme ich an, dass auch die meisten hier Tagsüber Anzugträger sind. Claas hat er übrigens dort kennengelernt, da der vor ein paar Wochen umgezogen ist und deshalb auch jetzt bei Maltes Bank arbeitet.

Endlich habe ich jemanden gefunden, den ich kenne oder sollte ich besser sagen, er hat mich gefunden? Dass es aber ausgerechnet mein Ex Freund Till sein muss, passt mir eigentlich gar nicht.

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