Liebe auf den ersten Klick – Teil 20

Ich öffnete die SMS. Meine Schwester.

~ Hallo Jack, nun weiß ich wieder, wer der Kerl auf den Bildern ist. Er heißt Kenneth Smith und ist der jüngere Bruder meiner besten Freundin Alisa. Gruß Amelia ~

Ich musste lachen.

„Was ist?“, fragte Noah.

„Eine SMS von meiner Schwester, in der sie mir mitteilt, wer dein Bruder ist.“

„Zu spät“, lächelte Noah, „aber interessant, wen du alles als Hilfe zur Findung meines Bruders genommen hast.“

„Nein, meine Schwester sah die Bilder bei mir in der Wohnung und da ich ein Werbefotos deines Bruders hatte, meinte sie, sie kenne ihn irgendwo her, aber es fiel ihr nicht ein.“

„Und wie verfahren wir jetzt weiter? Willst du Kenneth die Bilder nicht selbst geben?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Wieso?“, fragte Noah verwundert, „du hast ihn doch jetzt endlich gefunden.“

„Ich weiß nicht, ich finde das Ganze plötzlich peinlich und kindisch.“

Was denn? Mir geht es wirklich so. Warum ich plötzlich meine Meinung geändert habe. Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Der Gedanke war plötzlich da, dass es nicht richtig ist und da noch etwas anderes ist.

„Du hast dir doch so viele Mühe gegeben, jetzt würde ich es auch vollends durchziehen!“

Wieder schüttelte ich den Kopf.

„Ich muss weiter, ich will noch einen verletzten Freund hier besuchen, der eigentliche Grund, warum ich hier bin.“

„Kann dich Kenneth denn irgendwo erreichen, falls er sich bei dir persönlich bedanken will.“

Ich war nicht breit meine Nummer oder gar meine Adresse zu hinterlassen.

„Ich bin oft im Bistro One anzutreffen, im Covent Garden.“

„Das kenne ich. Willst du es dir noch einmal überlegen? Kenneth kommt nachher und will mich wieder besuchen, er müsste bald kommen.“

„Nein, schon in Ordnung, vergessen wir die Sache einfach.“

„… Kenneth sucht schon lange… und du bist mir auf Anhieb sympathisch!“

Auch die Kuppelversuche seines Bruders stimmte mich nicht um. Ich erhob mich.

„War nett, dich kennen zu lernen, vielleicht sieht man sich ja irgendwann wieder.“

„Sicher!“, erwiderte er und hob die Hand.

Ich schüttelte sie und wenig später hatte ich sein Zimmer verlassen.

*-*-*

James ging es nicht so gut, der Arzt wollte ihn noch länger im Haus behalten. Per Handy erfuhr ich von Isaak, dass die Ermittlungen gegen Oliver angelaufen waren, dass man ihn schlafend in seiner Wohnung vorgefunden hatte.

Seinen Rausch hatte er ausgeschlafen und konnte sich an nichts mehr erinnern. Gelogen oder wahr. Wie schon gesagt, konnten Isaak und ich uns nicht erklären, dass Oliver so handelte, er war sonst nie so aggressiv gewesen.

Bis zu meiner Wohnung in der Bridle Lane zu laufen, war es zu weit, so beschloss ich die Vauxhall Bridge Road entlang zu laufen, um dann an der Victoria Station, die Untergrundbahn zu nutzen.

Charing Cross stieg ich wieder aus und lief den Rest des Weges zu Fuß. Gut ich hätte auch bei Piccadilly Circus austeigen können, dies war viel näher zu meiner Wohnung, aber ich brauchte jetzt einfach die frische Luft zum Nachdenken.

Ich schlenderte am Oceanic House vorbei. Ich blieb stehen und schaute mir das alte Haus an. Hier war mal Geschichte gemacht worden. In diesem Haus war die White Star Line untergebracht gewesen.

Es war die Reederei, deren Schiffe damals die Olympic, Britannic und die berühmte Titanic waren. Die Geschichte kannte jeder und erklärte auch den Niedergang der Rederei. Jetzt war dort das Texas Embassy Restaurant untergebracht.

Dort bekam man große Fleischportionen, wie es eben üblich war in Amerika. Wer dieses Essen mochte, war hier gut bedient. So ungefähr fiel auch damals mein Bericht aus, als ich diese Lokalität testete.

Ich lief weiter, denn mir wurde langsam kalt. Ich fühlte mich etwas deprimiert. Mit der Entscheidung die Bilder zurück zugeben und die Sache auf sich beruhen zu lassen, war auch der Ansporn der letzten Tage irgendwie weg.

Ich fühlte mich plötzlich leer und ausgebrannt. Meine Arbeit für dieses Jahr war getan und somit war ich für den Rest des Jahres sämtlicher beruflicher Pflichten entbunden. Ich hatte auch keine Lust zu Riley zu gehen, der doch nur wieder viele Fragen gestellt hätte.

Eine halbe Stunde später betrat ich mein Domizil. Achtlos warf ich meine Schlüssel auf die Kommode, hob den Packen Post vom Boden auf und legte ihn dazu. Was sollte ich jetzt machen?

Ich musste weg. Einfach etwas abspannen, mir über mich und meine Situation klar werden. So wie ich immer behauptete, ich brauche keinen Mann mehr, weil ich so die Nase voll hatte davon, von diesem Beziehungsdingens, stimmte nicht mehr.

Ich sehnte mich nach einem starken Arm, in den ich mich lehnen durfte, vermisste es, nach Hause zu kommen und von jemand begrüßt zu werden, der auf mich wartete. Ich stand immer noch im Flur.

Es fröstelte mich leicht. So lief ich direkt ins Wohnzimmer und fuhr den PC hoch. Ohne genau zu wissen, nach was ich Ausschau halten wollte, surfte ich durchs Internet. Plötzlich fiel mir etwas ins Auge.

*-*-*

Zwei Stunden später saß ich im Zug. Ich war mit der Untergrundbahn nach West Ham gefahren und hatte im dortigen Bahnhof, den Zug nach Thorpe Bay bestiegen. Ein kleiner Ort bei Southend gelegen, am Zufluss der Themse ins Meer.

Es war später Mittag, als ich die Station Thorpe Bay erreichte. Ich schulterte meine Tasche und verließ den Waggon. Es stiegen wenige Menschen aus, der Zug war auch relativ leer, war es doch auch die letzte Station vor dem Endpunkt der Strecke.

Ich folgte den wenigen Leuten durch den kleinen Bahnhof und stand nun unentschlossen vor dem Gebäude. Per Internet hatte ich mir an der Themsemündung im Westcliff Hotel ein Zimmer gebucht.

Ich suchte nach einem Taxi und wurde fündig. Ich stieg ein, nannte die Adresse und der Fahrer setzte den Wagen in Bewegung. Der Ort war weihnachtlich geschmückt, trotzdem kamen keine weihnachtlichen Gefühle mehr auf.

Eine viertel Stunde später hielt das Taxi vor dem Hotel. Ich zahlte, verließ das Taxi und betrat das Hotel.

„Guten Abend, was kann ich für sie tun?“, sprach mich der ältere Mann hinter der Rezeption an.

„Mein Name ist Jack Colborn, ich habe ein Zimmer reserviert.“

„Einen Moment bitte… ah ja, da steht ihr Name…, würden sie bitte hier alles ausfüllen?“, meinte er und legte mir ein Formular vor.

Artig füllte ich es aus und gab es ihm zurück. Wie aus dem nichts erschien plötzlich ein junger Mann.

„David, könntest du bitte Mr. Colborn sein Zimmer zeigen?“

Der junge Mann nahm einen Schlüssel entgegen und bemächtigte sich meiner Tasche, die neben mir auf dem Boden stand.

„Würden sie bitte folgen, Mr. Colborn?“

Ich nickte.

„Danke“, sagte ich zu alten Herrn, dessen Namensschild ich als Louis entziffern konnte.

Etwas später und etwas Trinkgeld weniger stand ich am Fenster meines Zimmers. Hinter der Promenade war es schwarz und bis auf die Positionslichter vorbeifahrender Schiffe und vereinzelte Lichtpunkte auf der anderen Seite der Themse war nichts zu sehen.

Ich schaute mich in meinem Zimmer um.

Für ein Einzelzimmer war das Bett sehr großgehalten. Locker hätten darin zwei Leute Platz gehabt. Ich öffnete eine kleine Tür neben dem Eingang und fand mich im Bad wieder. Auch hier war alles sehr großzügig aufgeteilt.

Dieser David hatte mich darüber aufgeklärt, wann die Essenszeiten waren, doch hatte ich jetzt keinen Appetit. Ich griff nach meinem abgelegten Schal und zog ihn wieder an. Ich war jetzt recht lange im Zug gesessen und brauchte jetzt etwas Bewegung.

Ich löschte das Licht und verließ mein Zimmer wieder. Ich nahm auch nicht den Aufzug, sondern lief die Treppe herunter Ich steuerte die Eingangstür an und nickte Louis hinter der Rezeption zu.

Bei der Ankunft war mir nicht aufgefallen, wie kalt der Wind hier blies, so zog ich den Schal tief ins Gesicht und lief einfach los. Durch das schwache Licht der Laterne an der Promenade konnte ich etwas Wasser sehen, wie es unruhig gegen die Peer schlug.

So lief ich weiter an der Promenade entlang, immer die Augen auf den verschiedenen Lichtpunkten auf der Themse. Ich genoss plötzlich diese Ruhe. Niemand kam mir entgegen, nur das Geräuschs des Wassers.

Mein Gedanke fiel auf James, der immer noch im Krankenhaus weilte. War ich zu anspruchsvoll, was die Trennung von James erklären könnte. Nein, ich hegte keine Gefühle mehr für James, vielleicht ein mögen, aber Liebe war es definitiv nicht.

War es das je gewesen? Ich überlegte angestrengt, um ernüchtern fest zustellen, dass ich immer einem Traum nachgerannt war, der mir auch James nicht erfüllen konnte. James war lieb und nett, ab und wann gefühlsvoll, aber nicht dass was ich mir erträumt hatte.

Aber war mein Anspruch etwa zu hoch? Ich wollte doch nur ein Partnerschaft, in der man nicht nur nebeneinander her lebte und nicht jeder seinen Interessen nachging, so wie es bei James und mir oft der Fall gewesen war.

Die Sache zu beenden war die einzig richtige Möglichkeit gewesen, bevor es noch mehr Schaden gegeben hätte. Das er jetzt mit Oliver so aufgelaufen war, tat mir Leid, dass hatte ich ihm nicht gewünscht.

Ich war an einem kleinen Aussichtpunkt angekommen, der sich als ein großer halbrunder Holzsteg entpuppte. Ich lief zur Brüstung und lehnte mich an. Irgendwo draußen auf dem Wasser hörte ich eine Schiffssirene.

Lieb, Geborgenheit und Wärme war alles was ich wollte, was sicher jeder wollte, da war ich mir sicher. Dieser Fiktion eines Mr. Smith hinter her zurennen, kam mir plötzlich wieder so kindisch vor.

Ich wusste nichts von ihm. Gut, wo er verkehrte, wusste ich schon, aber was er für ein Mensch war… Sein Bruder war nett und so wie er von seinem großen Bruder redete, schien er in Ordnung zu sein.

Aber genügte das, um darauf eventuell etwas mehr darauf aufzubauen. Ich musste grinsen, weil ich plötzlich die Stimme Rileys in mir hörte.

„Wenn du es nicht probierst, wirst du es nie wissen.“

Recht hatte er, doch war ich bereit das zu probieren. Mein Handy gab Laut und riss mich aus meinen Gedanken.

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