Liebe auf den ersten Klick – Teil 19

Da James in der Nähe vom Westminster wohnte, war das nächst gelegene Krankenhaus, das Gordon Hospital.  Ich erinnerte mich an die Fotografie und fragte mich erneut, warum Mr. Smith diesen Kasten fotografiert hatte.

Ich half dem wimmernden James aus dem Auto, während Issak per Handy einen Kollegen konsultierte, wie er weiter verfahren sollte. Er beendete das Gespräch.

„Kann ich deine Schlüssel haben, James?“, fragte er.

Er nickte.

„Manteltasche…“, kam nur von ihm.

Ich griff in seinen Mantel und wurde auch gleich fündig. Ich warf den Schlüssel Isaak zu.

„Ich treffe mich mit einem Kollegen in James‘ Wohnung, komme aber danach wieder her.“

„Okay, dann bis später.“

Wenig später waren wir schlauer. James‘ Hand war nur verstaucht, aber dafür hatte er zwei Rippen angeknackst und eine leichte Gehirnerschütterung. Oliver musste ihm ganz schön zugesetzt haben.

Irgendwann tauchte Isaak wieder auf, in Begleitung eines Mannes. Einem Polizist in Zivil, wie sich herausstellte. Es wurden Fotos von James Oberkörper gemacht, der sich mittlerweile grün und blau gefärbt hatte.

James ließ alles über sich ergehen, wortlos saß er da, auch als seine Brust mit einem dicken festen Verband versehen wurde. Ein Arzt zog mich zur Seite.

„Wir würden Mr. Randal gerne zur Beobachtung im Krankenhaus behalten. Ich wollte sie noch fragen, was sie mit der Sache zu tun haben?“

„Mein Name ist Jack Colborn, ich bin der Exfreund von Mr. Randal und habe ihn so vorgefunden.“

„Aha…“

Wie auch immer ich dieses AHA auch werten konnte, ich wurde leicht ärgerlich über den Arzt. Isaak kam zu mir.

„Also mein Freund hat alle nötigen Informationen gesammelt, er hat auch Bilder von der Wohnung gemacht. Die Anzeige wird er gleich fertig machen und James unterschreiben lassen.“

„Warum geht das so schnell?“

„Wegen der Geheimhaltung.“

„Bitte?“

„James sagte es doch selbst, Oliver gehört dem englischen Adel an, da läuft das alles etwas anders.“

„Es wird vertuscht?“, fragte ich ungläubig.

„Nein, es wird nur diskreter behandelt, keine Sorge, Oliver bekommt seine Strafe.“

„Gut, kannst du mich noch mal zu Jams‘ Wohnung fahren, damit ich ihm ein paar Sachen holen kann?“

„Ist es so schlimm?“, fragte Isaak verwirrt.

„Sie wollen ihn zur Beobachtung da behalten, denke, wegen der Gehirnerschütterung.“

„Mein Gott, Oliver muss ihm ganz gehörig zugesetzt haben, so kenne ich ihn gar nicht.“

„Bisher dachte ich auch, Oliver wäre einer von der feinen Sorte.“

„So kann man sich täuschen!“

*-*-*

Isaak war nach Hause gefahren, während ich neben James am Bett saß. Er war eingeschlafen. Ein Kaffee schien mir recht, so stand ich leise auf und verließ das Zimmer. Ich machte mich auf den Weg zur Cafeteria, als ich an einer offenen Zimmertür vorbei kam.

Ich blieb abrupt stehen und ging zwei Schritte zurück. Also hatte ich doch richtig gesehen. Da saß Mr. Smith an einem Bett und hatte die Hand eines jungen Mann in der Hand mit dem er sprach.

Ich schloss die Augen, atmete tief durch und… lief weiter. Ich konnte da nicht stören. Wieso, fragst du? Ich kann da doch da jetzt nicht hinein gehen und sagen, hallo Mr. Smith ich habe da ein paar Bilder von ihnen gefunden und möchte sie deswegen besser kennen lernen… Ja ist mir klar, dass du das selbst auch weißt. Ich denke es gehört sich einfach nicht, da zu stören, vielleicht ist es ja sein Freund…

Freund. Stimmt, dieser Gedanke war mir noch gar nicht gekommen. Was, wenn er schon einen Freund hatte, bei dem Aussehen und dem Geschmack wäre das schon naheliegend. Und dann dieser junge Mann, mit dem er anscheinend sehr vertraut war.

Mittlerweile war ich an der Cafeteria angekommen und holte mir einen heißen Tee.

*-*-*

„Na… müde?“, fragte Isaak, der mich wie versprochen vom Krankenhaus abgeholt hatte.

„Nein, aber sehr im Gedanken.“

„Soll ich dich nach Hause fahren?“

„Nein…, wenn es geht würde ich noch etwas mit zu dir gehen, ich möchte jetzt nicht alleine sein.“

Wenig später saß ich im Ohrensessel vor dem offenen Kamin, hatte einen Cognac in Hand und starrte ins Feuer.

„Wo bist du mit deinen Gedanken? Bei James?“

Die Frage war tonlos, was mich aber nicht weiter zum Denken anregte.

„Auch.“

Machte Isaak einen enttäuschten Gesichtsausdruck, oder bildete ich mir das jetzt nur ein?

„Ich hege für James keine Gefühle mehr, aber er wurde zusammen geschlafen und so etwas lässt nicht mal mich kalt…, nein ich habe nur so allgemein nachgedacht, über die ganze Situation der Sache.“

„Lässt du mich an deinen Gedanken teilhaben?“

Ich nahm einen Schluck und verzog etwas das Gesicht.

„Ich habe ihn heute wieder gesehen…“

„Wen?“

„Mr. Smith.“

„Wo, du warst doch nur im Krankenhaus und mit mir heute Morgen frühstücken.“

„Im Krankenhaus…“

„Im Krankenhaus?“

Ich hob meinen Kopf und sah zu Isaak.

„Ja, im Krankenhaus. Ich holte mir einen Tee und wenige Zimmer neben James‘ Zimmer stand eine Tür offen, da sah ich ihn an einem Bett sitzen, befüllt mit einem jungen Mann, dessen Hand er hielt.“

„Seinen Freund?“

„Ich weiß es nicht Isaak, ich habe nicht nach gefragt.“

Ich schaute wieder ins Feuer.

„Ich werde aus dir nicht schlau, dass ist nun zweite Möglichkeit, die du durch deine Finger hast gleiten lassen. Beanspruchst du dein Glück nicht all zu sehr?“

„Isaak, ich fand es einfach unpassend, da zu stören, die waren so vertraut miteinander. Und was meinst du mit Glück?“

„Das Glück, diesem Mr. Smith ständig über den Weg zu rennen. Meinst du wie oft das noch passiert?“

„Ich weiß es nicht.“

*-*-*

Die Nacht hatte ich unruhig geschlafen. Isaak wollte mich nach Hause fahren, aber ich hatte einen Sparziergang in der kühlen Nacht vorgezogen. Ich wollte einfach alleine sein, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Ich hatte beschlossen, die Bilder wieder einzupacken und diesem Mr. Smith zu übergeben. Die Pinnwand in meiner Wohnung war weg und ich bat auch Riley bei meinem morgendlichen Frühstück sie zu entfernen.

Riley war sichtlich enttäuscht von meinem Endschluss, dieser Sache nicht mehr weiter nachzugehen. Er zählte mir unheimlich viele Möglichleiten auf, wer dieser junge Mann im Krankenhaus war.

Auf dem Weg zu James‘ Zimmer im Gorden Hospital kam ich auch an der bewussten Tür wieder vorbei. Ich hielt kurz inne und atmete tief durch. Ich klopfte und öffnete die Tür. Der junge Mann lag im Bett und sah mich erstaunt an.

„Ja?“, fragte er.

„Ich hätte da eine Bitte an sie.“

„Kennen wir uns?“

„Nein, mein Name ist Jack Colborn und…“

Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, als würde ich ihn schon lange kennen. Er schmunzelte die ganze Zeit, bis ich meinen Bericht beendete und ihm den originalen Umschlag mit den Bildern hinhielt.

„Da wird sich mein Bruder aber freuen“, meinte der junge Mann und nahm die Bilder entgegen.

„Ihr Bruder…“

„Ja“, lachte der Kerl vor mir, „Kenneth war traurig, dass er die Bilder verloren hatte, aber ich finde es interessant, mit welchen Eifer sie nach ihm gesucht haben. Sie sagen, sie heißen Jack Colborn?“

Ich nickte. Er redete so, als wäre es das normalste von der Welt, dass einen Fremden, wohlbemerkt ein schwuler Fremder, nach seinem schwulen Bruder sucht.

„Sind sie mit einer Amelia Colborn verwandt?“

„Ja, das ist meine Schwester.“

Er lachte. Es war ein erfrischendes Lachen und nun erkannte ich auch Ähnlichkeiten mit seinem Bruder.

„Wie klein doch die Welt ist. Amelia ist die beste Freundin meiner Schwester, sie kennen sich schon seit dem Studium.“

„Wirklich?“

Ich revidierte den Fremden.

„Wenn ich es dir sage, mein Name ist übrigens Noah und bin der Jüngste der Smith Sippe.“

Wie, als wäre es ganz normal, war zum du übergegangen und ich setzte mich zu ihm.

„Wieso bist du hier?“

„Ich hatte einen kleinen Zusammenprall mit meinem Nachbarn.“

„Heftig!“

Das erklärte auch den Verband an seinem Kopf.

„Bist du extra wegen den Bildern zu mir gekommen?“

„Auch“, antwortete ich, während sich mein Handy mit einer Mitteilung bemerkbar machte.

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