Zoogeschichten I – Teil 40

Nachwuchs

Dennis

Sebastian schaute mich schockiert an.

„Komm halt mit, wirst es selber sehen!“

„Stör… ich da nicht?“

„Wieso solltest du? Aber etwas anders Sebastian… du hast vorhin gesagt… du wärst nicht schwul…“

„Bin ich auch nicht.“

„Ich dachte…“

„Da hast du falsch gedacht, mein Lieber. Ich habe nichts gegen Schwule, besser noch, ich versteh mich super mit ihnen und auch wenn ich mich ab und zu zum Kuscheln hinreissen lasse, eine Umarmung oder gar einen Kuss, ich steh absolut auf Mädels.“

„Bissel bi?“

„Ja, ich weiß schadet nie, aber auch wenn du noch so drollig guckst, noch so sehr mit mir flirtest, du hast keinerlei Chancen bei mir“, meinte Sebastian mit einem frechen Grinsen.

Vielleicht sollte ich ihn mal in den Arm nehmen und ihn richtig küssen, damit er merkte, was ihm entging. Aber nein, ich wollte hier nicht den großen Bekehrer oder gar Verführer spielen. Zusammen mit Sebastian erreichte ich das Bärenhaus. Florian und seine Mutter standen am Gatter und schauten in das Bärengehege.

„Da vorne steht er“, meinte ich.

„Wo?“, fragte Sebastian und verrenkte sich den Hals.

„Der Goldige da… der kleine Mann.“

Dieses Bild hätte man festhalten müssen. Sebastian schaute so doof aus der Wäsche, ich konnte nicht anders und fing laut an zulachen.

„Du …“

„Halt, Kind ist anwesend!“

Er gab mir einen Knuff und grinste nun auch.

„Florian“, rief ich und der Kleine reagierte sofort.

Kaum hatte er mich gesehen, rannte er auch schon los.

„Darf ich jetzt die Bärchen sehn?“, rief er mir entgegen.

Seine Mutter grinste verlegen.

„Ja, aber du musst mir versprechen, leise zu sein. Sonst erschrecken die nämlich“, antwortete ich ihm.

„Ich kann ganz leise sein und gut schleichen“, flüsterte Florian und ging geduckt um mich herum.

Sebastian neben mir grinste sich eins weg.

„So, dann komm mal, du Indianer, wir schleichen ins Bärenhaus.“

„Da rein? Da war ich noch nie!“

„Klar, da dürfen auch sonst nur die Pfleger hinein.“

„Mama, ich will auch mal Zoopfleger werden“, meinte Florian zu seiner Mutter.

„Tierpfleger heißt das, Schatz“, berichtigte sie ihn.

„Egal Zoo oder Tiere, dann darf ich auch überall rein.“

Welch eine Logik. Ich nahm Florian an seiner Hand und führte ihn zum Eingang. Sebastian und Florians Mutter folgten uns. Ich entnahm meiner Brusttasche die Codekarte und zeigte sie Florian.

„So, ich heb dich jetzt hoch und du steckst da die Karte rein und wenn es surrt, ziehst du sei wieder raus.“

Als ging es um sein Leben, riss mir Florian die Karte förmlich aus der Hand und streckte seine Arme aus, damit ich ihn hochheben konnte. Das tat ich auch und merkte, dass Florian ein ziemlicher Brocken war.

Ganz artig steckte er die Karte in den Schlitz und als er den Surrton vernahm, zog er sie wieder heraus.

„Darf ich die behalten?“

„Nein Florian, die gehört mir. Die bekommen nur Tierpfleger.“

Mit einem trotzigen Blick wurde er abgesetzt. Als sich aber die Tür öffnete, war das schmollende Gesicht verschwunden. Hoch interessiert trat Florian langsam ein. Drinnen waren Sabine und Michael noch zu Gange, alles vom Transport zu verräumen.

„Ah, da kommt ja unser Held, wo steckst du denn?“, rief mir Michael entgegen.

„Sorry, im Delfinarium gab es einen Notfall. Da wurde ich gebraucht.“

„Der Krankenwagen?“, fragte Michael.

„Ja… Robert… ich erzähl es dir später.“

„Ja, wen haben wir denn da?“, fragte Sabine und bückte sich zu Florian herunter.

„Ich will mal Zoopfleger werden.“

„Tierpfleger!“, sagten Sebastian und Florians Mutter im Chor.

Michael und ich mussten grinsen.

„So, dann testen wir dich gleich mal, ob du auch geeignet bist, Zoopfleger zu werden“, meinte Sabine.

„Mensch, das heißt doch Tierpfleger“, meinte Florian und fing, wie beim ersten Mal, als ich ihn getroffen hatte, zu giggeln an, dass jeder im Raum grinste.

„Okay… Tierpfleger. Gut, hast du schon mal einen Bären gefüttert?“

„Ja… meinen Waunzi zu Hause, der isst mit mir immer eine Banane!“

„Waunzi?“

„Ja, das ist mein kleiner Eisbär. Der schläft sogar mit mir im Bett… muss nicht in den Käfig.“

„Gut. Wenn du das schon kannst, dann machen wir das doch gleich zusammen… okay?“

„Einen Bären füttern?“

„Ja!“

„Einen Richtigen?“

„Ja!“

„Beisst der nicht? Waunzi kann nicht beißen, der hat keine Zähne.“

Ich merkte Florians Unbehagen und nahm ihn an der Hand.

„Wir füttern auch nicht die großen Bären, sondern die Kleinen“, meinte ich und sein Gesicht überstrahlte wieder ein Lächeln.

Sabine ging ins alte Büro und kam mit zwei Trinkflaschen wieder.

„Kriegen die auch Bananen? Ich hab noch eine im Rucksack“, fragte Florian und wollte schon seinen Rucksack abnehmen.

„Nein, die bekommen erst mal die Flasche.“

„Habe ich als Baby auch bekommen, hat mir Mama erzählt.“

„Jetzt bist du ja kein Baby mehr und kannst selber eine Flasche geben.“

Florian streckte seine Hand aus und wollte eine Flasche nehmen.

„Halt, erst mal müssen wir zu den Bären gehen.“

So folgte ein ganzer Tross Sabine zur neuen Aufzuchtsstation. Dass Florian irgendwie laut werden könnte, darum brauchte ich nicht zu bangen. Als er Krümel und seinen neuen Kollegen sah, war er total ruhig und blieb dicht bei mir stehen.

„Hallo kleiner Racker, hast mich schon vermisst?“, rief ich Krümel zu, der sofort seinen Kopf hob und auf mich zu tapste.

Florian versteckte sich hinter meinem Bein und man konnte nur noch sein Gesicht sehen, das neugierig hinter mir vorschaute. Ich hob Krümel hoch, der mich gleich mit seiner Zunge leckend begrüßte.

Ich kniete mich neben Florian, der mich und Krümel ehrfürchtig beobachtete.

„So, das ist Krümel, ein Malaienbär und dem geben wir jetzt die Flasche“, meinte ich.

Florian nickte, sagte aber keinen Ton. Sabine gab ihm die Flasche, die er nur zögernd nahm. Ich nahm Krümel in den Arm und legte ihn auf den Rücken, damit Florian ihm besser die Flasche geben konnte.

Krümel fing natürlich sofort an, gierig daran zu nuckeln.

„Wie der schmatzt!“, meinte Florian und fing wieder mit giggeln an.

Robert

Der Wagen wurde kräftig durchgeschüttelt, unsere Straßen waren eben nicht mehr die Besten. Aber es störte mich nicht, oder besser gesagt, ich merkte es kaum. Durch die Spritze, die mir vorhin der Arzt gegeben hatte, kam ich mir vor wie in Watte gepackt.

„Also junger Mann, so wie sie die Symptome beschrieben haben, denke ich mal, sie haben eine Gehirnerschütterung. Im Krankenhaus werden sie aber noch einmal geröntgt, um ganz sicher zu gehen, dass keine weitere Verletzung vorliegt.“

Er schrieb irgendetwas auf, bevor er sich mir wieder zuwandte.

„Sollen wir irgendjemand informieren, dass sie einen Unfall hatten?“

„Nein… ich habe niemand!“, antwortete ich und senkte meinen Blick.

„Gut… wir sind gleich da“, meinte der Mann und setzte sich auf seinen Platz zurück.

Bisher war ich damit klargekommen, dass ich alleine war, aber seit ich Sebastian und nun auch noch Adrian kennengelernt hatte, wünschte ich mir um so mehr, jetzt nicht alleine zu sein. Was wird Adrian jetzt machen, wie ging es ihm, würde ich ihn wieder sehen?

Alles Fragen, die mir im Kopf herum schwirrten. Ich schloss die Augen und versuchte, an die Delfine zu denken.

Dennis

„So, willst du Krümel auch mal selbst in den Arm nehmen?“, fragte ich Florian.

„Ich darf das?“

„Klar“, meinte ich und reichte Florian den Krümel in den Arm.

Krümel schien das nicht weiter zu stören, Hauptsache niemand nahm ihm seine Flasche weg.

„Wie führt sich unser Neuankömmling?“, fragte ich Sabine.

„Ist bis jetzt noch nicht aus seiner Box herausgekommen“, antwortete Sabine und zeigte auf eine Box, die auf der Erhöhung aufgebaut waren.

Langsam lief ich zur Box und lugte vorsichtig hinein. In einer Ecke zusammengekauert, hatte sich der Malaienbär zusammengerollt und schlief.

„Er schläft. Dann lassen wir ihn schlafen, oder?“

Sabine nickte.

„Und was macht Ferdinand?“

„Der hat sich über eine Schüssel Karotten hergemacht und brummt seitdem zufrieden“, antwortete Michael.

„Ferdinand? Ist das auch so ein Bärchen?“, fragte Florian.

„Nein, das ist ein ausgewachsener Braunbär“, antwortete Michael.

„Darf ich den auch noch sehen?“

„Florian, wir können doch nicht die Leute die ganze Zeit von der Arbeit abhalten“, mahnte ihn seine Mutter.

„Mama… du siehst doch, ich bin doch auch ein Zoopfleger.“

„Tierpfleger“, sagte alle im Chor und Florian fing wieder an zu giggeln.

Robert

Ich erwachte in einem Bett, musste wohl im Krankenhaus eingeschlafen sein.

„Ah Herr Koch, da sind sie ja wieder“, hörte ich eine Stimme.

Ich drehte meinen Kopf und blickte in das Gesicht einer Schwester.

„Wieso… ich bin doch nur eingeschlafen…“

„Nein, sie waren bewusstlos. Aber sie sind soweit stabil, keine Sorge, das wird wieder.“

So ließ sie mich alleine im Zimmer. Ich schaute mich um und war wirklich alleine, das Nachbarbett war leer. Alleine… werde ich das immer bleiben?

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