Zoogeschichten I – Teil 39

Der Affe im Baum

Dennis

„Ein Affe?“, fragte ich erstaunt.

„Ja, ein Affe der weint!“

„Kannst du mir zeigen, wo der Affe ist?“, fragte ich.

„Klar…, aber wir müssen leise sein, sonst rennt er weg“, tat der kleine Mann gewichtig.

Grinsend lief ich geduckt hinter ihm her. Immer wieder blieb der Junge stehen und schaute mich, mit dem Finger auf dem Mund, an. Sein Eis lief schon an der Hand runter, dann blieb er ruckartig stehen.

Mit seinen Eis verschmierten Fingern zeigte er auf eine große Thuja.

„So, deine Mami wartet und danke, dass du mir den Affen gezeigt hast“, flüsterte ich.

„Fängst du den jetzt wieder ein… brauchst du eine Banane?“, flüsterte er zurück.

Banane?

„In meinem Rucksack hab ich eine Banane“, sagte Florian und drehte mir den Rücken zu, so dass ich an seinen Rucksack kam.

„Die isst du schön selber“, sagte ich leise, „und nun lauf, deine Mama wartet da vorne.“

„Schade, ich hätte dir jetzt gern geholfen.“

Traurige Kinderaugen und schmollende Münder waren schon immer Gift für mich.

„Weißt du was? Komm mit deiner Mama nachher ans Bärenhaus. Mal gucken, ob du dann die Babys dort sehen kannst.“

„Au ja!“, rief er ganz laut, hielt sich aber gleich wieder den Mund zu, um mir wieder das Finger-auf-dem-Mund-zeichen zu zeigen.

Ich nickte und zeigte auf seine Mutter, die schon etwas genervt wartete.

„Tschühüß bis später“, flüsterte er und rannte dann endlich zu seiner Mutter.

Ich musste wieder grinsen und atmete tief durch. Süß, der kleine Racker. Ich drehte mich wieder zur Thuja und lauschte angestrengt. Ich glaubte, ein leises Wimmern zu hören, war mir aber nicht sicher.

Ich lief vorsichtig durch die Wachholderbüsche, bis ich vor der Thuja stand. Das Exemplar war recht groß und so bemerkte ich eine Lücke, durch die man das Innere des Grünzeugs betreten konnte.

Grünzeugs, Tim hätte mir jetzt bestimmt einen Vortrag gehalten, wie man das nennt. Aber es waren keine Blätter – und Nadeln schon gar nicht. Vorsichtig betrat ich also diese natürliche Höhle.

Da saß wirklich … jemand… kein Affe natürlich, was mir schon vorher klar war.

„Adrian?“, sagte ich leise.

Dieser jemand vor mir, hatte mich anscheinend nicht gehört und so fuhr er ziemlich zusammen.

Ein klägliches ‚Ja’ war zu hören.

Ich umrundete langsam den Stamm und fand den Typen mit angewinkelten Beinen dichT an den Stamm gepresst.

„Alles klar?“, fragte ich vorsichtig.

„Wo… bin ich?“

„Im Zoo.“

„Und wie komme ich hier her?“

Ich setzte mich neben Adrian auf den Boden.

„Das weißt du nicht?“

„Nein… vorhin… unter der Dusche… da lag ein nackter Kerl auf dem Boden… blutete am Kopf… ich habe Panik bekommen… bin weggelaufen.“

„Das war Robert.“

„Und warum hat er nackt mit mir geduscht?“

„Du weißt wirklich nichts mehr… oder?“, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf.

„Moment, ich muss nur kurz den Anderen sagen, dass ich dich gefunden habe.“

„Anderen?

„Ja, der halbe Zoo sucht dich.“

„Warum denn… oh Mann… ich weiß überhaupt nichts mehr und mein Kopf tut so weh.“

„An was kannst du dich denn erinnern…?“

„Dass ich mit Gregor… auf der Poolparty war und… scheiße…“

Mir schien, die Erinnerung kam zurück. Laut schluchzend fing Adrian an zu weinen. Ich nahm ihn einfach in den Arm und ließ ihn gewähren, während ich umständlich mein Handy aus der Tasche zog.

Ich drückte auf Roberts gespeicherte Nummer und hielt das Handy ans Ohr. Niemand ging dran, was mich sehr wunderte. So wählte ich Heike an, die auch gleich ans Handy ging.

„Ja?“, hörte ich sie fragen.

„Dennis hier. Ich habe Adrian gefunden, Nähe Bärenhaus… ist Robert bei dir?“

„Gut, endlich… nein wieso?“

„Weil ich versucht habe, ihn anzuklingeln und er nicht ran geht.“

„Das ist nicht Roberts Art. Er trägt sein Handy immer bei sich.“

„Er wollte doch nach dem Umziehen zu euch stoßen.“

„Er kam aber nicht. Du, wir treffen uns im Delfinarium, bring Adrian dort hin.“

„Okay…, kann aber etwas dauern, Adrian hat sich gerade erinnert, was passiert ist.“

„Oh!“

„Ja. Also bis nachher. Tschüss“, sagte ich und drückte das Gespräch weg.

„Was ist … mit Robert?“, kam es von Adrian.

„Er meldet sich nicht.“

„Bin ich daran schuld?“

„Nein Adrian, Robert ist ausgerutscht und auf den Kopf geknallt.“

„Bei Gregor… bin ich schuld“, meinte Adrian und fing wieder an zu weinen.

„Wieso bist du schuld?“

„Ich hätte verhindern müssen, dass er so viel trinkt… dann wäre er nicht im Wasser…“

„Ssscht… komm, wir gehen zurück ins Delfinarium.“

Im Wasser? Ich verstand erst Mal gar nichts.

Adrian ließ sich von mir auf helfen. Ich musste zugeben, Roberts genaue Beschreibung von ihm war mehr als zutreffend. Warum Robert allerdings in kurzer Zeit Adrian so genau angeschaut hatte, wusste ich nicht.

Robert

Mir war so schlecht und mein Kopf dröhnte ohne Ende. Ich versuchte, wieder aufzustehen, erinnerte mich, dass ich neben der Toilettenschüssel lag. Kraftlos zog ich mich langsam hoch, bis ich saß. Ich lehnte meinen Kopf an die Kabinenwand, versuchte, etwas erkennen zu können. Doch das Bild, das ich wahrnahm, war recht verschwommen.

„Robert?“, rief jemand laut.

Ich konnte beim besten Willen nicht antworten, so sehr ich es auch versuchte, aus meinem Mund drang kein Laut. Schritte kamen näher.

„Mein Gott, Robert!“

Das schien Heike zu sein, die nun vor mir kniete.

„Was ist denn passiert?“

„Er hat gebrochen“, vernahm ich eine andere Stimme, die ich aber nicht zuordnen konnte.

„Ich ruf Doc Reinhard an.“

„Ihr habt hier einen Arzt?“

„Ja… Tierarzt!“

„Einen Tierarzt… aber…“

„Ja, hallo hier ist Heike… Robert geht es miserabel, kannst du schnell vorbeikommen… ja ich weiß, aber bis die hier sind, er hat sogar gebrochen… ja gut tu das, aber komm bitte…“

„Kommt er?“

„Ja, aber er ruft auch gleich einen Notarzt an… komm, hilf mir, Robert da raus zu ziehen.“

Ich spürte, wie jemand an meinen Armen zog und dass ich nach oben gezogen wurde.

„Hallo, wo seid ihr?“, hörte ich eine weitere Stimme.

„Dennis wir sind hier, ganz hinten“, sagte Heike.

Langsam wurde mein Sichtfeld klarer. Ich konnte Heike sehen und daneben Sebastian. Ich hörte ein Geräusch von der Linken und Heike stand auf.

„Hallo Adrian“, meinte sie.

„Hier… kennt mich wohl jeder… hallo.“

Ich hob den Kopf und konnte schemenhaft Adrian entdecken.

„Geht es dir gut?“, krächzte ich heiser.

„Ich weiß es nicht… ich weiß gar nichts… nicht mal… warum ich vorhin mit dem da nackt in der Dusche war…“

Wie abfällig sich das anhörte.

Dennis

Robert sah wirklich erbärmlich aus. Heike erklärte den Verlauf des Morgens, nachdem Adrian mit seiner Mutter eingetroffen war, bis zu dem Zeitpunkt, als er mit Robert Duschen ging.

Adrian hörte schweigend zu, nickte immer wieder.

„Das hast du für mich getan?“, fragte Adrian Robert, der immer noch auf seinem Stuhl mehr lag als saß.

Robert nickte.

Weiterreden konnte niemand, denn Doc Reinhard war eingetroffen. Wir machten alle Platz, damit Reinhard sich Robert besser anschauen konnte. Er fragte ein paar Sachen und Robert nickte nur.

„Das hört sich nach einer starken Gehirnerschütterung an, aber gleich kommt der Krankenwagen mit dem Notarzt. Die wissen genau, was zu tun ist. Aber bis dahin sollte sich Robert hinlegen.

Da hier kein Bett zur Verfügung war, legte Heike eine Decke auf den Boden, wo wir Robert drauf halfen. Es dauerte auch nicht lange und der Notarzt war eingetroffen. Adrian zitterte am ganzen Körper.

„Ist dir kalt?“, fragte ich.

„Adrian schüttelte den Kopf.“

Ich nahm ihn wieder in den Arm.

„So Leute, jetzt macht mal Platz“, sagte Heike „und wir zwei gehen ins Personalhaus und warten auf deine Mutter“, meinte sie zu Adrian.

Robert

Ich spürte, wie der Arzt mir eine Spritze gab. Es dauerte nicht lange und in meinem Kopf kehrte langsam Ruhe ein.

„So, das sollte für den Anfang reichen, jetzt können wir ihn abtransportieren“, meinte der Sani.

Heike erledigte noch kurz das Formelle mit dem Arzt, bevor sie mit Adrian verschwand. Dennis nahm Sebastian mit und ich wurde in den Krankenwagen geschoben.

Dennis

„So jetzt muss ich mich noch sputen, ich habe noch ein Date.“

„Mit Michael?“, fragte Sebastian.

„Nein… mit einem ganz goldigen Kerl“, antwortete ich.

„Du bist doch aber noch mit Michael zusammen, oder?“

„Ja bin ich.“

„Ja, aber…“

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