Zoogeschichten I – Teil 38

Ansichten und Einsichten

Dennis

Sabine stand schon vor dem Bärenhaus, als wir mit dem Wagen dort ausrollten. Jürgen stand bei ihr und ich konnte nicht ausmachen, welche Laune sie hatten. Lächeln taten sie jedenfalls nicht.

Michael stellte den Motor ab und stieg aus.

„Hallo beisammen, hier sind wir wieder.“

„Hat auch lang genug gedauert“, kam es von Sabine.

Auch ich stieg nun aus, zog es aber vor, meinen Müll noch zusammen zu räumen, ebenso unsere Sachen.

„Dennis?“, hörte ich Jürgen sagen.

Ich schaute auf, sagte aber keinen Ton.

„Wie kommst du eigentlich drauf, einen weiteren Bären mitzubringen?“

Ich schaute verlegen zu Michael, dann zu Sabine.

„Ich… mir…“, fing ich an zu stottern.

Michael wollte schon etwas sagen, aber Jürgen hob die Hand und er schwieg.

„Normalerweise sollte man so etwas mit der Geschäftsleitung vorher besprechen…“

Jetzt bekam ich sicher meine Abfuhr.

„…, aber es bestätigt mir nur, was für ein großes Herz du für Tiere hast!“

Bitte? Was hatte er da grad gesagt?

„Los, lasst uns abladen, ich will dieses Prachtexemplar sehen“, sagte Jürgen und ein Lächeln zierte sein Gesicht.

Sabine ging zur Tür und rief nach Jemand. Michael grinste mich an und zuckte mit den Schultern, bevor er zum Heck ging, um die Ladetüren zu öffnen. Die Tür des Bärenhauses ging auf und Volker und Fritz kamen heraus und zogen einen Hubwagen hinter sich her.

„Scheinen die Fahrt ja gut überstanden zu haben“, sagte Sabine, die durch die Schlitze beider Kisten geschaut hatte.

„Der Kleine schläft sicher“, warf ich ein, wieder meiner vollen Stimme mächtig.

„Den kann ich reintragen“, meinte Sabine.

Michael zog dessen Kiste vor und Sabine nahm sie ihm ab.

„So und jetzt unser Gevatter Bär“, sagte Michael und stellte die Rampen an den Wagen.

„Meinst du, ich komm mit dem Ding in den Wagen?“, fragte Volker, der am Ende der Rampe stand.

„Wenn nicht, dann müssten wir 600 bis 700kg von Hand über den Boden ziehen.“

Volker rümpfte die Nase und schob das Gefährt die Rampe hoch.

Robert

Heike und Sebastian waren schon weg und somit war ich auch hier alleine. Langsam zog ich Adrian den Neoprenanzug aus. Ich spürte seine kalte Haut, es war wirklich fällig, dass er aus dem Wasser kam.

Ich legte ihm mein Handtuch um die Schulter und quälte mich dann, ihm seine Gummischuhe auszuziehen. Ich drückte Adrian auf einen Stuhl und er setzte sich. Nachdem ich seinen Anzug versorgt hatte, begann nun ich, mich auszuziehen.

Adrians Augen starrten wieder in die Leere, trotzdem fühlte ich mich irgendwie von ihm beobachtet. Als auch ich nur noch in Badehose da stand, schnappte ich mir noch ein weiteres Handtuch und das Duschzeug.

Dann zog ich Adrian vom Stuhl und ging mit ihm in den Duschraum. Erst drehte ich das Wasser auf, stellte die Temperatur so, wie ich dachte, es könnte für Adrian angenehm sein. Dann drückte ich ihn langsam unter die Dusche, aber so, dass sein Gesicht nicht allzu viel ab bekam.

Nun drehte ich auch mir eine Dusche auf, genoss die ersten warmen Strahlen auf meiner Haut. Ich nahm das Shampoo und verteilte es mir auf der Hand. Vorsichtig begann ich Adrians Haare mit Shampoo einzuseifen.

Ständig passte ich auf, dass er nichts in die Augen bekam. Ich drückte sein Kinn nach oben, so dass kein Wasser ins Gesicht laufen konnte und wusch das Shampoo wieder aus. Sein Haar fühlte sich so weich und voll an.

Wieder kam ich ins Schwärmen, wurde aber jäh unterbrochen von dem Gedanken, auch den Rest waschen zu müssen. Es half nichts. Also zog ich Adrians Badehose herunter, die von alleine zu Boden glitt.

Unter der Dusche, mit dem vielen Wasser auf seinem Körper, sah Adrian einfach nur atemberaubend aus. Ich zog ebenso meine Badehose aus und hängte sie an den Warmwasserhahn meiner Dusche.

Ich verteilte das Duschgel auf meiner Hand und stellte die Flasche zurück in die Ablage. Langsam begann ich in kreisenden Bewegungen Adrian einzuseifen. Das Berühren seiner sanften Haut ließ mir fast den Atem stocken.

Natürlich begann sich etwas in – und an – mir zu regen. Ich schaute nach unten und wurde rot. Aber ich sah auch, dass sich bei Adrian ebenso etwas regte und schaute erstaunt wieder auf. Plötzlich fing Adrian an zu schreien.

Ich war so überrascht, das ich heftig zusammenfuhr und einen Schritt nach hinten machte, was ein fataler Fehler war. Irgend etwas lag auf dem Boden, auf dem ich ausrutschte. Ich stolperte nach hinten, fiel gegen die Wand, ein Schmerz durchfuhr meinen Kopf, dann wurde alles schwarz.

Dennis

Volker quälte sich mit Fritz, dieses sperrige Teil in den Wagen zu bekommen. Ich hoffte, er schaffte das auch, denn ich wollte auf keinen Fall hier zum Schwergewichtler mutieren. Mit einem Urschrei stemmte sich Volker noch einmal dagegen und das Ding war drin.

Langsam bockte er die Kiste höher und mit gemeinsamen Kräften zogen wir die Kiste heraus. Nun kam das Problem, die Schräge zu überwinden. Ferdinand in der Kiste wurde nun doch etwas unruhig, die Kiste begann zu schwanken.

„Sollen wir euch helfen?“, hörte ich eine bekannte Stimme. Sebastian.

„Klar, wir können alle Hilfe brauchen“, meinte Michael, der sich neben mir gegen die Kiste stemmte.

So halfen nun auch Sebastian und Heike mit. Mit vereinten Kräften und kräftigem Gestöhne, rollte die Kiste langsam die Rampe herunter.

„Puh, geschafft“, meinte Sabine, „jetzt müssen wir sie nur noch bis zum Käfig schieben.“

Volker und Fritz machten sich ans Werk und schoben mit Michael die Kiste Richtung Eingang.

„Sabine, darf ich dir Sebastian vorstellen, ab heute unser neuer Azubi“, meinte Heike.

„Der Sebastian aus dem Krankenhaus?“, fragte Sabine.

„Sie kennen mich?“, fragte nun Sebastian.

„Ja. Dennis hat mir schon von dir erzählt.“

Ich grinste Sebastian an.

„Könntet ihr mal euren Mädchenkranz auflösen und vielleicht helfen!“, rief Volker.

Sebastian verzog das Gesicht und wir fingen an zu lachen.

„Ich glaube ich schneide mir die Haare kürzer…“, meinte er.

„Ich glaube, Volker meinte damit etwas anderes“, sagte ich grinsend.

Irgendwie arbeitete Sebastians Kopf auf Hochtouren und man konnte sehen, wie ihm ein Licht aufging.

„He Volker, ich bin nicht schwul, nur mal so zur Information“, rief Sebastian Volker hinterher.

„Nicht?“, fragten Heike und ich im Chor.

„Oje“, setzte Heike nach.

Robert

Ich fuhr hoch und gleich durchfuhr mich ein stechender Schmerz im Kopf. Automatisch wanderte meine Hand auf den Hinterkopf, wo ich eine mächtige Beule spürte. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nackt war, im Duschraum auf dem Boden saß und… jetzt kam alles wieder und erschrocken schaute ich auf… Adrian.

Er stand nicht mehr da, wo er vorhin gestanden hatte. Panik überkam mich. Ich wollte aufspringen. Der Schmerz in meinem Kopf bremste mich aber ab. Ich zog mich am Wasserhahn nach oben und drehte das Wasser ab.

Ich wusste nicht, wie lange ich da gelegen hatte und vor Allem, was mit Adrian passiert war. Meinen Kopf mit der Hand abstützend, lief ich in den Umkleideraum, aber auch hier war kein Adrian… seine Kleidung war ebenso weg.

Ich nahm mein Handy vom Tisch und wählte Heikes Nummer. Es dauerte etwas, bis sie dran ging. Etwas beschämend erzählte ich ich,r was passiert war… sie unterbrach das Gespräch. Ich griff nach einem Handtuch und wickelte es um meine Hüften.

Ich hörte draußen die Hallentür und wenig später standen Heike, Sebastian und Dennis vor mir, alle ein wenig aus der Puste.

„Du blutest!“, meinte Heike und griff nach meinem Kopf.

„Und du weißt nicht, wo der Junge ist?“, fragte Dennis.

„Dennis, vor meinem Blackout hat Adrian sich nicht mal von alleine bewegt. Wie soll ich dann wissen, wo er jetzt ist!“

Das war jetzt eine Spur zu heftig, Dennis verzog das Gesicht.

„Sorry Dennis…“

„Schon gut!“

„Nur ein kleiner Kratzer“, meinte Heike und hörte auf, meinen Kopf zu untersuchen.

Sie nahm ein Tuch und legte es unter meine Hand.

„Kannst du dich alleine anziehen, oder soll jemand von uns da bleiben?“, fragte Sebastian.

Oh Gott, nein. Ich werde mich alleine anziehen, meine Hormone hatten heut schon genug Arbeit.

„Nein, geht schon. Sucht ihr lieber Adrian, ich komme dann gleich nach.“

„He, nicht den Kopf hängen lassen, wird schon wieder“, meinte Sebastian und stupste mich kurz an.

„Wie sieht Adrian eigentlich aus?“, fragte Dennis.

Ich gab eine so detailgenaue Beschreibung von Adrian ab, dass mich sogar Heike verwundert ansah. Ich musste lächeln, als mir bewusst wurde, was ich da gerade von mir gegeben hatte.

„Und wie gehen wir jetzt vor? Unser Zoo ist groß!“, sagte Dennis.

„Wenn die mit den Bären fertig sind, sollen sie helfen kommen. Ich versuch, die anderen im Zoo anzurufen, damit sie Ausschau halten. Adrian fällt schon auf, denke ich“, meinte Heike.

Dennis

Ich musste mir eingestehen, Robert sah verdammt verführerisch aus, so, wie er da vor mir, nur mit Handtuch um die Hüften, saß. Wenn Micha da gewesen wäre, der hätte bestimmt darüber einen Kommentar abgelassen.

Etwas ziellos verließ ich das Delfinarium. Sollte ich nicht kurz noch mal bei den Anderen vorbei schauen, schließlich hatte ich ja die Bären mit Michael gebracht und Ferdinand hatte nur auf mich reagiert.

Ich konnte es ja mit der Suche nach Adrian verbinden, dass ich kurz im Bärenhaus vorbeischaute. Am Antilopengehege vorbei bog ich in den Weg zu den Bären. Das Wetter war etwas trübe und deswegen weniger Zoobesucher als sonst da.

Auf dem Weg zu Robert hatte uns Heike erzählt, was mit Adrian geschehen war… zusehen, wie der eigene Freund verbrannte, das war hart. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, dass so etwas mit Michael passieren würde und wie ich darauf reagierte.

Immerhin schien Adrian wieder voll da zu sein, sonst wäre er ja nicht weggerannt. Das war aber auch das einzig Positive, was man der ganzen Sachen hätte abgewinnen können.

Robert

Mühsam stülpte ich meine Jeans über. Noch immer hämmerte mein Kopf wie wild. Heike hatte mir Kopfschmerztabletten da gelassen, bevor sie gegangen war. Ich band meine Schuhe zu und stand langsam auf. Es drehte sich alles ein wenig, mir wurde schwindlig.

Langsam ging ich zum Waschbecken und füllte mir ein Glas mit Wasser. Ich nahm zwei Schmerztabletten, schluckte sie und spülte mit dem Wasser nach. Kurz schaute ich in den Spiegel und erschrak über das bleiche Gesicht, das mir entgegen sah.

Warum hatte er plötzlich geschrieen und warum ist er weggelaufen? Frau Gärleich sollte man auch anrufen… mir wurde schlecht. Ich rannte zum Klo und übergab mich. Kraftlos hing ich neben der Kloschüssel, unfähig, mich zu bewegen.

Ich glaubte, Geräusche zu hören, konnte selber aber nichts sagen. Alles drehte sich, mir wurde wieder schwarz vor den Augen.

Dennis

Plötzlich stutze ich. Mir war, als hätte ich etwas wimmern hören und blieb stehen. Ich schaute mich um, aber bis auf die Tiere in den Gehegen konnte ich nichts erkennen. Sicher war das ein Tier und ich hatte mich getäuscht.

Ich lief weiter und wieder hörte ich dieses Geräusch, das sich anhörte, als würde jemand schluchzen. Abrupt bremste ich ab und lauschte. Nichts… kein Laut war mehr zu hören. Ich konnte nicht mal ausmachen, aus welcher Richtung es kam.

Trotzdem blieb ich auf der Stelle stehen und schaute mich um, ob nicht doch irgendwo etwas war.

„Suchst du was?“

Ich fuhr zusammen, weil hinter mir jemand gesprochen hatte. Da stand ein kleiner Junge mit einem Eis in der Hand.

„Mann, hast du mich erschreckt“, meinte ich.

Der Kleine fing ulkig an zu giggeln, was mir ein Grinsen entlockte.

„Florian, lass den Mann vom Zoo in Ruhe und komm wieder her“, hörte ich eine Frau rufen, welche ich dann auch ein paar Meter weiter sah.

„Ich wollte doch dem Onkel nur sagen, dass da vorne ein Affe im Busch sitzt“, sagte der Kleine trotzig.

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