Philipp – Teil 1

Es ist Samstag der 11.01.2003

„Hallo Flo – bin wieder da … – Flo? Floho, wo steckst Du?“

Nichts.

Komisch, eigentlich müsste er längst zu Hause sein. „Florian?“

Keine Antwort.

Ich schälte mich müde aus meiner Rüstung. Sind schließlich Minusgrade draußen und ich hasse den Winter.

Nachdem ich auch die dicken Stiefel aus hatte, begab ich mich in die Küche.

Eigentlich eine Wohnküche.

Es ist ein Altbau und damals war wohl die Küche der Hauptwohnraum.

So ist es bei uns auch geblieben.

Wo steckt nur Flo?

Ich machte mich daran das Abendessen vorzubereiten.

Mal schaun, was wir noch so haben, also das ist noch etwas Käse und …

„dringggg“

Hä? Wer ist denn das? Flo hat doch einen Schlüssel und Gabi auch???

Ich öffnete die Tür und da standen zwei Herren in Polizeiuniform???

„Guten Abend, sind sie Herr Timo Arno Larson?“

„Äh, ja, denke schon, aber ich, äh, ich habe nichts angestellt!?!“

„Dürfen wir einen Moment herein kommen?“

„Darf ich fragen worum es geht?“

„Wohnt hier ein Herr Florian Heinrich?“

Mir wurde mulmig im Bauch – um nicht zu sagen, dass auch meine Knie weich wurden.

„Bitte kommen sie herein.“

Ich war vielleicht für ein paar Sekunden weggetreten, jedenfalls lag ich zusammengesunken am Boden und einer der Polizisten hielt mich im Arm.

„Hallo, Herr Larson?“, „Geht es wieder?“.

„Ja -, bin schon wieder da“.

„Herr Larson, können sie uns sagen, wie wir die Eltern, oder andere Angehörige von Herrn Heinrich erreichen können?“

„Wie bitte?“

„… können sie uns sagen, wie wir Angehörige von Herrn Heinrich erreichen können?“

„Wieso? Was ist denn los?“

„Herr Heinrich hatte einen Unfall und ist …“

„WAS IST MIT IHM?“ unterbrach ich und schrie es heraus.

Der Polizist der mich in den Arm genommen hatte, drückte mich ein wenig und fragte ganz sanft „seid ihr ein Paar?“

„Ja“ entglitt es mir schüchtern und ganz leise – mir liefen die Tränen.

Er nahm mich noch fester in den Arm.

„Hey ist ja schon gut Kleiner, ich verstehe dich.“

„Florian hatte einen Unfall. Der Rettungshubschrauber hat ihn in de UKE gebracht.“ (Anmerkung der Autors: UKE = Universitäts-Klinik Eppendorf in Hamburg)

„Wa … was ist denn passiert? Und wie geht es ihm?“

„Irgend so ein besoffener Trottel hat wohl die rote Ampel unter der U-Bahnstation nicht gesehen. Da hat er dann Florian angefahren. Wie es ihm geht wissen wir auch noch nicht. Wir sollen nur seine Eltern informieren.“

Mir wurde wieder kurz schwarz vor Augen.

„Herr Larson …“

„O.K. bin schon wieder da.

Kann ich Flo besuchen?“

„Herr Larson, wie ich schon sagte, wir wissen noch nichts über Herrn Heinrich.

Können sie uns die Adresse seiner Eltern geben?“

„Florian und ich sind Vollwaisen. Wir lebten bis vor vier Jahren im Pezzalozidorf in Hoisbüttel.“

„Dem Kinderheim?“

„Ja, wir haben beide, seit klein auf, keine Eltern mehr.“ …

„Können wir irgendwas für sie tun?“

„Würden sie mich bitte ins Krankenhaus fahren?“

Der Kollege belaberte irgendwas über sein Funkgerät.

„Das geht leider noch nicht. Herr Heinrich, ich meine, Florian liegt noch in der OP.

Haben sie einen Hausarzt, den wir verständigen können?“

„Äh – ja, der wohnt zwei Etagen über uns.“

12.01.2003

Es war noch dunkel.

Ich fühlte vollkommene Leere.

Ich war noch ein wenig benommen.

Die Droge, die mir Dr. Hackenberg verpasst hatte, zeigte noch ihre Wirkung.

Florian?

Wie von der Tarantel gestochen versuchte ich aus dem Bett zu springen – landete natürlich auf der Nase.

Langsam schaffte ich es doch ins Bad unter die Dusche.

Für ein Frühstück war keine Zeit.

Eine dreiviertel Stunde später war ich bei der Anmeldung der UKE.

„Wo liegt bitte Herr Florian Heinrich?“

„Sind sie ein Verwandter?“

„Nein, sein bester Freund.“

„Dann dürfen sie ihn leider nicht besuchen.“ erfuhr ich gnadenlos von der Dame.

Das darf doch wohl nicht wahr sein.

Wie zur Hölle hieß doch bloß der Bulle von Gestern Abend, der so nett war?

110 gewählt … „Tschuldigung, Larson mein Name, können sie mir sagen, welche Kollegen von ihnen gestern Abend bei mir waren, wegen des Verkehrsunfalls von Florian Heinrich?“

Ja, liebe Leser, ich weiß, im Krankenhaus ist die Benutzung von Handys verboten, aber daran dachte ich in dem Moment nun wirklich nicht.

„Darf ich fragen wieso?“

„Ja, – … – ich brauche Hilfe – schnüff“

„Nun mal ganz ruhig Herr Larson, das waren der Obermeister Petersen und der erste Polizeihauptkommissar Friedrich.“

„Können sie mich mit denen verbinden?“

„Nein leider noch nicht.

Die sind noch nicht im Dienst. Aber ich kann eine Nachricht hinterlassen.

Wie können wir Sie erreichen?“

„01xx-123 45 67!“

„Alles klar, Herr Larson, wir melden uns bei ihnen. Brauchen sie sonst irgendwie Hilfe?“

„Nein, ich denke es geht schon.“

Ich drückte das Gespräch weg und begann zu heulen. Wer kann mich schon verstehen? Wie will mir denn jemand helfen?

Ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war, aber ich spürte eine Hand auf meiner Schulter.

„Sage mal, es geht mich ja nichts an, aber wenn du weiter hier so rumheulst, gibt es in Hamburg seit 1962 die größte Flutkatastrophe“.

So ein Blödmann. „He, kannst Du mich nicht in Ruhe lassen!“

Ich sah in das Gesicht eines jungen Pflegers.

„Hey, bleib cool man! Ich meine es gut!“

Ich fühlte mich total beschissen.

Da machte ich jemanden an, der einfach nur freundlich sein wollte.

„Sorry, war nicht so gemeint, aber … schluchz“

„Wie heißt Du? Ich bin Thobias“

„Timo“

„Hallo Timo, was ist Dein Problem man?“

„Ich möchte meinen Freund besuchen, der hier seid gestern auf Intensiv liegt. Die wollen aber nur Verwandte zu ihm lassen. Er hat aber doch nur mich …“

„Seid ihr Partner?“

Große Augen schauten mich an.

„Ja“ klingt es leise von mir.

„Na, dann schauen wir mal, was sich da machen lässt“ grinste er und deutete mir an ihm zu folgen.

Auf der Intensivstation hatte er sich schnell durchgefragt.

Doch einen Patienten „Florian Heinrich“ gab es hier nicht. – nicht mehr!

„Frag mal in der Pathologie …“

Es war innerhalb kürzester Zeit mein drittes Blackout.

Nur um eines klarzustellen, ich bin echt kein Weichei, aber das hier war nun doch endgültig zuviel.

17.01.2003

Gabi war eben bei mir.

Sie ist meine beste Freundin.

Um mich nicht falsch zu verstehen, sie ist meine Freundin, nicht Girlfriend.

Sie hatte mir geholfen alles für die Trauerfeier vorzubereiten, was nicht eh schon das Bestattungsunternehmen übernahm.

Wenn ich sie nicht hätte …

Sie ist ein Schatz und war in den letzten Tagen immer für mich da.

Eigentlich nicht nur in den letzten Tagen. Wir kennen uns seit dem Sandkastenalter.

Noch zwei Stunden, dann war es soweit.

In der kleinen Kirche in Hamburg-Bergstedt fand die Andacht statt und anschließend auf der anderen Straßenseite die Beisetzung.

Florian – warum Du?

Wer wird mir diese Antwort jemals geben?

Freitag, 14.02.2003 02:10

Der Abflug in Hamburg war pünktlich, wie bei LH-Cargo üblich. Um diese Zeit gab es ja auch keine Staus am Himmel. Der Flug dauerte aber glatte 9 Stunden.

Wie befürchtet (gehofft), war ich Mädchen für alles an Bord und die Crew genoss meinen Service sichtlich. Kaffee, belegte Brote …

Macht mir immer wieder Spaß andere Menschen zu verwöhnen. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich mit allen Leuten so gut klar komme.

Die Reaktion?

Wenn ich was brauche, oder von meinen Kollegen unmögliches verlange … es wird stets möglich gemacht. Sind halt schon echt tolle Kollegen!

*

Da fällt mir ein, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.

Mein Name ist Timo.

Mine Freunde nennen mich aber Tim oder Timmy.

Ich bin 22 Jahre alt, habe dunkelbraune Haare und Augen, bin 1,82 groß und schlank (leicht rot werd).

O.K. ich gebe zu, dass ich in den letzten Wochen ein paar Pfunde zugelegt hatte. Lag wohl auch daran, dass ich keinen Sport mehr gemacht hatte. Ich bringe jetzt satte 76 Kilo auf die Waage. Ich hoffte aber, im Urlaub wieder mein altes Gewicht zu erreichen und den Winterspeck zurückzulassen.

Urlaub – ja, den hatte ich dringend nötig.

Gabi hatte mich davon überzeugt, dass ich so vielleicht etwas Abstand zu Florians Tod gewinnen könnte.

Von Beruf bin ich Lufttransportdisponent.

Kennt ihr nicht – stimmts?

Stellt euch einfach einen Spediteur vor, der weltweiten Lufttransport für Fracht organisiert.

Ich habe bei der Lufthansa gelernt und bin auch dort geblieben.

Zu mir privat – nun ja, meine Erzeuger kenne ich nicht. Ich war knapp zwei Jahre alt, als sie zusammen mit meiner älteren Schwester bei einem Autounfall ums Leben kamen.

Ich wuchs am nördlichen Stadtrand von Hamburg in einem Heim auf – zusammen mit Gabi und Florian, ebenfalls Vollwaisen.

Wir wurden die dicksten Freunde. Ich kann mich nicht erinnern wann es war, aber irgendwann einmal bemerkten Florian und ich, dass da etwas mehr zwischen uns war.

Ihr wisst schon …

Mit Beginn der Berufsausbildung bezogen wir, dank Unterstützung vom Jugendamt eine eigene Wohnung.

Anfänglich eingerichtet mit Second-Hand-Möbeln, aber das war uns eigentlich egal.

Wichtig war doch nur, mit Flo zusammen zu sein …

Bei der Lufthansa dürfen die Angestellten einmal pro Jahr kostenfrei mitfliegen.

Streckenerfahrungsflug nennt man das hier.

Sinn ist eigentlich, Erfahrungen zu sammeln, mit welchen Problemen die Aircrews auf exotischen Flugplätzen im Ausland zu kämpfen haben.

Es ist aber auch eine Möglichkeit günstig in den Urlaub zu fliegen …

*

Der andere Mitflieger … na ja, lasse ich das lieber. Ich bin kein Lästermaul.

Es war also ziemlich genau 5.00AM (Ortszeit) als wir in Atlanta (Georgia) die Parkposition vor dem Frachtterminal erreichten. Nur schemenhaft konnte ich im Dunkeln die Ausmaße des riesigen Flughafens erkennen. Dagegen wirkte Hamburg eher wie ein Sportflugplatz.

Der Mitfliegerkollege sagte nur „Tschüß“ und verschwand. Ich begleitete die Crew noch bis ins Airporthotel und wurde prompt zum Frühstück eingeladen (ging natürlich auf Firmenkosten – psst, bitte nicht weitererzählen!).

Anschließend musste ich dann aber doch sehen, dass ich zum Abflugterminal gelangte.

Schon in der Halle sah ich meinen Flug angeschrieben:

ASA Flt 4681 Dep. 9:55A Gate 32

Na Klasse, scheint ja alles zu klappen. Schon wieder Abflug pünktlich, Zwischenlandung in Albany, GA und Weiterflug nach Dothan, AL.

Was mir absolut nicht in den Kopf wollte: Diese Crew hatte die Tür zum Cockpit offen stehen!?! (This is the way, America executes Flightsafety) hmm?

11:02AM Landung in Dothan, Alabama.

Beim Aussteigen spürte ich sofort wo ich war. Eine extreme Schwüle schlug mir entgegen. Relative Luftfeuchtigkeit um 95% !

Es war sehr dunstig und trüb, aber man konnte die Sonne durch eine dünne Altostratusbewölkung erkennen.

Temperatur eigentlich angenehm, doch verbunden mit dieser Luftfeuchte ziemlich gewöhnungsbedürftig. Der Pilot sagte vor der Landung „70° F“ also einen Tick über 20° C.

So, nun aber schnell in das Abfertigungs-/Empfangsgebäude.

Es war ganz neu. Das Alte hatten sie abgerissen. Alles lief gut organisiert und ich hatte schnell mein Gepäck, als auch schon Bob und Don auf mich zukamen.

Wir hatten uns übrigens vor vier Jahren auf dem Oktoberfest in München kennen gelernt.

Seit dem hatten wir uns jedes Jahr einmal abwechselnd besucht.

Schneeweiße Zähne strahlten mich aus zwei fast schwarzen Gesichtern an. Don hat Uniform an, was mir andeutete, dass er wohl gleich zum Dienst müsse (er ist Fluglehrer auf der Eglin Air Force Base).

Eine stürmische Umarmung presste mir fast alle Luft aus der Lunge. Tja, so sind sie nun mal, die Jungs. Nur mühsam konnte ich mich aus der Umklammerung befreien, wissen die denn nicht, was für ein zarter Twen ich bin :-)?

Nix für ungut. Auf dem Weg zum Parkplatz verabschiedete sich Don tatsächlich und zischte mit seinem Toyota Picup davon.

Bob dirigierte mich zu seinem, nun schon bestimmt 25 Jahre alten Lincoln. Dass diese riesige Kiste immer noch lief?

Kaum waren wir los, bat ich ihn doch die Klimaanlage einzuschalten.

Was machte das Riesenbaby, er kurbelte das Fenster runter „sorry, only the mexican one available“ und grinste was das Zeug hält. Und dann dieser Wahnsinns-Südstaaten-Dialekt, man, was hatte ich den vermisst, in den tausend e-Mails…

Ich fragte Bob wie viel die Karre so an Sprit verbraucht (8-Zylindermaschine mit 6 Litern Hubraum). „… average milage is almost nine and a halve“ – oh shit wie war das noch gleich … grübel … das müssen ja ca. 25 Liter auf hundert Kilometer sein…? Wahnsinn.

Irgendwann hinter De Funiak Springs war ich eingeschlafen. Im Ohr lag aber irgendwie noch der fürchterliche Klang aus dem Mittelwellenradio.

Es war geschafft. Wir waren in einem Trailerpark von Destin in Florida angekommen in dem meine Gastgeber einen überdimensionalen Wohnwagen ihr Eigentum nennen.

Bob half mir schnell beim Gepäck. Ich schaute nur noch schnell auf die Uhr. Ich hatte sie schon kurz nach der Abfahrt auf central time zurückgestellt. Sie zeigte nun kurz nach zwei an. In Deutschland musste es also 21 Uhr durch sein. Ich war demnach seit über 24 Stunden auf den Beinen.

Kein Wunder, dass sich das allmählich bemerkbar machte. War ein anstrengender Tag und doch gerade erst Mittag. Weiter kam ich nicht mehr.

Bob weckte mich nach zwei Stunden und meinte es wäre besser, nun wieder am Leben teilzunehmen, sonst könnte ich in der Nacht nicht mehr schlafen (böser Bob, aber hast ja recht).

Also was liegt an – wie wäre es mit Futter? Guter Bob, zwei riesige Steaks zischten auf dem Grill vorm Trailer und dazu zwei Maiskolben. Na denn mal ran.

Da Bob noch einiges erledigen musste, besuchte ich die Beach. Herrlich – waren zwar kaum über zwanzig Grad, weit und breit kein Mensch zu sehen (wer geht schon im Winter baden, davon abgesehen gehörte Destin eh nicht zur Tourismusregion), aber das Wasser vom Golf war piewarm (schätze 25°). Also nix wie rein ins Vergnügen.

Aaaah, das tat gut.

Beim Rumschnorcheln im kristallklaren Wasser sah ich ein paar silbern glänzende Fischlein, nicht länger als ein Finger und beim Wühlen im weißen Sand fand ich ein paar Sanddollars. Ich glaube die sind artverwandt mit dem besser bekannten Seestern, nur eben fast kreisrund und ohne Arme.

Nach ca. einer Stunde hatte ich genug und brach auf in die mittlerweile Kleinstadt.

Als ich das letzte mal hier war, war es eher noch ein großes Fischerdorf.

Ruckzuck hatte ich auch das alte Bistro (oder besser Fischimbiss) wieder gefunden.

Hunger hatte ich keinen, aber eine Erfrischung durfte schon drin sein.

Kaum eingetreten, wollte mich schon wieder ein baumlanger Sklavenabkömmling zerquetschen.

Verflucht, wie hieß er doch bloß (noch keine 23 und schon Alzheimer?) – „Hi, Mike, nice to meet you – how are you doing?“

„Hey Timboy, back from Germany to become a real man? Are you already 21 to stay for a beer with me?“

„I guess a Dr. Pepper will do, Mike“ brachte ich dann heraus. Und so weiter.

Toll!

Man hatte mich nicht vergessen, aber es fragte keiner nach…

Hatten Bob und Don vielleicht vorgewarnt? Scheint so. Vielleicht ganz gut so.

Wir quatschten über Gott und die Welt. Na, ja, weniger über erstgenannten.

Manchmal musste ich jedoch ziemlich umschreiben. Irgendwie fehlten mir da wohl ab und an ein paar Vokabeln. Na, das sollte sich wohl bald geben.

Jedenfalls musste ich später einige Wörter nachschlagen.

Es wurde gerade 7:00PM als ich mich wieder im Trailer einfand. Schnell noch die letzten Sachen aus dem Koffer in den Schrank geräumt und dann erstmal eine Dusche.

So nun war ich wieder ein Mensch. Draußen begann das tägliche Spektakel eines traumhaften Sonnenuntergangs. Neben dem Grill auf einem Baumstumpf putzte sich ein Pelikan sein Gefieder.

Da ich noch alleine war, begann ich schnell noch in meinem Tagebuch zu schreiben.

Kurz nacheinander fuhren beide Autos vor und Bob rief mich, damit ich beim Ausladen helfe.

Es folgte ein gemütlicher Abend, ein paar Sandwiches, ein paar Geschichten von der Air Force Base und die Planung für Morgen und…

Ich wurde wieder wach, als mich Don gerade hochhob um ins Bett zu bringen. Wieder das breite Grinsen in seinem Gesicht.

Ich ließ ihn gewähren und wurde wie ein Kleinkind auf meinem Kingsizebed abgeladen.

Man, was für ein Tag. Was für Freunde.

Gute Nacht, Ihr Prinzen!

Samstag 15.02.2003

Ein neuer Tag, ein neues Glück. War aber irgendwie ganz schön K.O..

Ich glaube der Zeitunterschied machte sich noch ein wenig bemerkbar.

Bekam nun also zunächst mal von Don sein Handy verpasst. Er braucht es nicht so oft und ich könnte es sicherlich gut gebrauchen, wenn ich irgendwo liegen bleibe.

Mein eigenes (D1) hatte ich daheim gelassen. Es hätte hier eh nicht funktioniert.

Frühstück.

Zum Glück erinnerte man sich, dass ich mir weder aus Haferbrei noch aus Erdnussbutter etwas mache.

Also ein kleines Steak auf Toast mit ´nem Spiegelei drauf.

Jo, damit kann Timo groß und stark werden. Aber der Kaffee – oh je, ich wusste doch, dass die Sache einen Haken hatte…!

(Werde nachher mal im Supermarkt ´ne Gallone Milch besorgen. Zum Glück haben die hier täglich rund um die Uhr geöffnet.)

Aber ein guter Gast verzog natürlich keine Miene.

Hatte Probleme mit dem Akku vom Notebook. Mal sehen ob ich irgendwo ein Netzteil auftreiben kann. Möchte heute sowieso mal nach Pensacola.

Don brachte mich hin.

Er wollte mir außerdem einen Mietwagen organisieren… ich ahnte schon was das heißt…

Boaa eh, echt irre. Hatte nun ein Auto für $ 10 pro Tag von einem Erdnussfarmer auf der Air Force Base und aus einem Pawnshop in Pensacola, ein Netzteil für 110 Volt für mein Notebook.

Nun lud auch der Akku wieder. Das Originalnetzteil sollt eigentlich automatisch umschalten, tat dieses aber offensichtlich nicht. Hoffentlich hatte es keinen Knacks abbekommen?

So, nun konnte der Urlaub beginnen, und ich war nicht auf die ständige Hilfe (Fahrerei) von Bob und Don angewiesen. Das Auto war zwar eine uralte Möhre, zerbeult bis zum geht nicht mehr, aber er lief (gibt’s hier keinen TÜV?).

Eingekauft hatte ich auch noch fürs Abendessen. Mal sehen ob ich das noch hinbekomme. Meine Gastgeber hatten mir das Rezept damals mal beigebracht und ich hatte es, nach und nach daheim abgewandelt.

Eine JAMBALAYA sollte es werden. Es ist original, glaube ich, kreolisch. Eine Reispfanne mit Chickenlegs, einem Langustenschwanz, Kochbananen, Rosinen, Mais, Zuckererbsenschoten, Cayennepfeffer, Thymian und Safran.

Safran war mir zu teuer, hatte Curcuma gekauft.

In Deutschland brachte ich, von Flo inspiriert, so etwas die Richtung einer spanischen Paella durch Zugabe von frischem roten und grünen Paprika, geräucherter Paprikasalami und Knoblauch mit hinein.

Hier musste es Räucherspeck tun (war schon schwer genug den aufzutreiben. Hier essen wohl alle nur Rindfleisch).

Knoblauch – kein Problem, die Jungs brauchten ja morgen nicht zu arbeiten. 🙂

Wao, so ein dickes Lob für meine Kochkunst hatte ich lange nicht bekommen. Und die beiden verstehen echt was vom Kochen.

Vor lauter Begeisterung kitzelten sie mich erstmal kräftig durch, bis ich fast keine Luft mehr bekam.

Dann ließen sie sich aber brav die neue Rezeptur diktieren. War auch echt lecker.

Dafür können die beiden ´zigmal besser Steaks grillen. Ich finde da immer nicht so den rechten Zeitpunkt wo es von „blutig“ in „rosa – also medium“ übergeht. So esse ich es am liebsten.

Muss für Sie eigentlich auch schwer sein, essen sie es doch immer „well done“.

Aber sie drücken einfach nur mit dem Finger aufs Fleisch und wissen bescheid. Vielleicht lerne ich das auch noch irgendwann einmal?

Während die beiden Großen sich auf dem Terrassenvorbau ein oder drei Bierchen reinzogen, schrieb ich schnell das Tagebuch. Der Sonnenuntergang wurde nach dem schweren Gewitter vorhin doch noch malerisch, samt Pelikan.

So, nun wieder schnell zu den Jungs und den Abend ausklingen lassen.

Sonntag 16.02.2003

Der Tag fing ja peinlich an. Wachte so gegen 10:00am auf und war allein???

Oh shit. Hatte ich doch glatt vergessen. Es wart Sonntag und meine Freunde sind gehorsame Baptisten und natürlich in der Kirche. Ich bin ja nicht so religiös, aber schon wegen der einfühlsamen Gospelgesänge war ich gern oft mitgegangen. Na ja, werde ja noch ein paar Tage hier sein…

Schrieb schnell einen Zettel, dass ich Joggen gehe und sie mit dem Essen nicht auf mich warten sollten.

Habe gemerkt, dass ich lange nichts getan habe. War nur eine Stunde weg. Sonst laufe ich eigentlich zwei zum Training. Vielleicht liegt es aber auch an der hohen Luftfeuchtigkeit.

Kaum zurück schickte man mich unter die Dusche und wollte mit mir anschließend Hochseeangeln. Tolle Idee.

Auf dem Weg zum Hafen wurde noch die Kühlbox mit Getränken und Eiswürfeln geladen und ein Chickensandwich von Hardy´s (hiesige Burgerkette a´la Mc Donalds) reingemümmelt. Ja, ja, Junkfood …

Im Hafen mussten wir noch ´ne halbe Stunde warten, als dann ein Freund meiner Gastgeber mit seinen zwei Söhnen auftauchte.

Kannte alle drei noch nicht, aber sicherlich bald.

Wir steuerten auf eine geile Hochseejacht zu. Zwar auch schon etwas betagt und nicht mehr schneeweiß, aber immerhin.

Ablegemanöver und schon volle Fahrt. Geil, und es hatte aufgehört zu regnen.

Es wehte allerdings ganz guter Wind. Brauchte trotzdem keine Jacke, hatte aber vorsichtshalber einen dicken Kapuzensweater übergezogen.

Schon nach 30 Minuten sprach ein Gerät an mit hellen Piepsern. Chris (der Skipper) zog den Gashebel auf Null. „Here we are“ ertönt es und er spuckte seinen Kautabak über Bord. Es ging also los.

Hmmm, habe noch nie auf hoher See geangelt und schon gar nicht mit so riesigen Angeln.

Philipp, der ältere der beiden Jungs versteht meinen Gesichtsausdruck anscheinend sofort, grinste, und nahm sich meiner an.

Da war sie wieder. Die unkomplizierte, tolerante Art der Amerikaner. Von ihm ließ ich es mir auch gerne gefallen, er hatte eine irgendwie sympathische, ja richtig angenehme Ausstrahlung.

Aufmerksam ließ ich mich einweisen, er befestigte ein Stück Tintenfisch an meinem Haken und erklärte mir, dass ich ihn nun einfach über Bord langsam abwinchen sollte, bis ich merke, dass er auf den Grund ist und dann so wieder ca. 1 bis zwei Fuß einhole. Und dann einfach warten.

Es folgten noch ein paar Erklärungen zu der anfänglich kompliziert erscheinenden Mechanik der Winch, aber ich denke ich habs kapiert.

Noch während die beiden Brüder ihre Angeln ausbrachten, bemerkte ich schon eine gewisse Aktivität an der meinen. Ich wartete noch fast ein, oder zwei Minuten, bis ich mit einem kräftigen Ruck die Angel nach oben riss.

Bingo, es war was dran. Behutsam setzte ich die Winch in Gang und kurbelte Fuß für Fuß die dicke Sehne ein. Je mehr ich kurbelte, umso mehr Widerstand leistete mir mein Gefangener.

Mittlerweile erregte ich die Aufmerksamkeit meiner Gefährten und ich erhielt alle möglichen, zum Teil widersprüchlichen Ratschläge.

So sind wohl alle Angler.

Ich bin mir nicht sicher, aber der „Kampf“ dauerte wohl so ca. 5 Minuten bis ich einen wild zappelnden Fisch an Bord zog.

Philipp sprang spontan hinzu, zog sein gewaltiges Fahrtenmesser und verpasste dem Fisch einen kräftigen Schlag auf den Kopf. Er rief mich zu sich und bat um die kleine Zange die in seinem Angelzeugkasten bereitlag.

Er zeigte mir nun wie man den Haken aus dem Maul entfernt, ohne sich selbst dabei zu verletzen.

Was hatte ich gefangen? Es war ein „Red Snapper“ von fast vier Pfund. Er sieht unserem Rotbarsch ziemlich ähnlich, hat aber einen etwas größeren Kopf, der gut ein drittel des ganzen Fisches einnimmt, und riesige Augen. Nicht zu vergessen: rasierklingenscharfe Zähne.

Nur unwirklich vor Stolz nahm ich aus dem Hintergrund den lauten Ruf von Chris wahr „dams luck!“ – heißt wohl soviel wie „das Glück ist mit den Doofen“, oder vielleicht auch „Anfängerglück“. Ein Blick zu ihm zeigte mir jedoch ein strahlendes Gesicht und ich verstand den Scherz.

Schnell war der Fisch geschuppt, ausgenommen und in einer Kiste mit Eis verstaut.

Stolz wie Oskar legte ich mich ins Zeug und versuche meinem jungen Lehrer zu zeigen, was er mir beigracht hatte. Ich erhielt auch prompt anerkenne Blicke. Nur Nick, sein jüngerer Bruder kicherte gelegentlich, was mich aber nicht weiter störte.

Doch es passierte erstmal nichts mehr. Wir holen alle die Angeln ein und fuhren noch etwa 10 Minuten weiter raus bis es wieder piepste.

Auf ein Neues, „Petri Heil!“.

Same procedure as last…

Jetzt waren es Don und Nick fast gleichzeitig. Auch sie holten beide jeder einen Red Snapper. Sie waren zwar nicht ganz so groß, aber groß genug zum Schlachten.

Jeweils mindestens drei Pfund hatten die auch!

Dann wieder Ebbe. Bob und Don zogen sich in die Kajüte zurück um ein Bier zu drücken, als wir noch ein Stück fuhren.

Und wieder, same procedure…

Es tat sich aber nicht wirklich was. Ich hatte zwar das Gefühl, dass irgendjemand an meinem frischen Köder knabberte, aber es kam kein richtiger Zug.

Ich glaubte auch bei Nick so eine höhere Aufmerksamkeit gesehen zu haben, aber auch er entspannte sich gerade als Philipp laut zu schreien begann.

Nun waren meine Sprachkenntnisse kurzzeitig hoffnungslos überfordert.

Nick schob mich sehr unsanft zur Seite und Chris manövrierte seinen Ältesten zum Angelsitz am Heck des Bootes, wo er dann sofort die Angel mit zwei Karabinerhaken sicherte.

Mein Lehrherr hatte zwischenzeitlich die Winch immer nur ablaufen lassen.

Nun kam wieder etwas Ruhe ins Boot und Nick lächelte mich mit einem „sorry, my friend, just starting a big deal“ auf den Lippen an.

Hmm, was sollte jetzt passieren?

Zwischenzeitlich hatte Big Daddy seinen Sohn auf dem Angelsessel angeschnallt und Philipp begann ganz allmählich die Winch aufzurollen.

Den Gesichtausdrücken von Philipp nach, war das keine leichte Sache.

In Schüben leistete ihm sein Fisch solch einen Widerstand, dass ich fürchtete, die Rute würde bersten.

Nick kam zu mir und wies mich höflich an, ihm zu helfen, die anderen Angeln einzuholen, damit sich die Schnüre nicht verhedderten. Schon irgendwie witzig von einem kleinen Jungen zur Arbeit angewiesen zu werden, doch dieser Gedanke kam mir erst später am Tagebuch. Kleiner Junge war wohl auch nicht ganz wahr, ich schätze ihn mal so auf 16 Jahre.

Vor Ort hatte ich sofort Folge geleistet, denn es war logische Notwendigkeit!

Als wir alle Angeln eingeholt hatten, hörten wir von achtern Begeisterungsrufe und das Wort „Swordfish“.

Nick und ich drehten uns um und konnten nur noch sehen, wie etwas großes Graues zurück in den Golf von Mexiko fiel.

Chris zog sich nun eine dicke Havanna aus seiner Weste und setzte ich auf die Reling mit den Worten „o.k. sunny, it´s your turn“. Grinste und steckte seine Zigarre in Brand.

Während Philipp in Schweiß ausbrach holten sich Don und Bob mal wieder ein Bier und brachten Nick und mir ´ne Coke mit, aber wir hatten jetzt keine Zeit für Durst.

Beide fieberten wir mit Philipp.

Nick klärte mich lächelnd auf „it´s his first one“. Ich glaubte ich konnte verstehen was nun in Philipp abging.

Mein Red Snapper vor zwei Stunden war auch mein erster. Aber der ging ganz leicht. Nick zog mich am Ärmel und wir standen nun direkt hinter Philipp.

Ich konnte nicht anders, aber ich legte beide Hände auf Philipps Schultern und drückte fest. Er schaute sich nur kurz um und ich sah ein Funkeln in seinen Augen.

Mittlerweile war sein Fang nur noch ca. 30 Meter hinter dem Boot, als sein Dad nach oben ging und die Maschine anwarf mit kleiner Fahrt voraus. Es ärgerte mich ein wenig und Nick erkannte meinen verständnislosen Gesichtausdruck.

Schnell erfuhr ich, dass der Fisch erst grenzenlos erschöpft eingeholt werden konnte.

Das erinnerte mich kurz an Ernest Hemingway und dem Roman „Der alte Mann und das Meer“.

Ich dankte Nick der begeistert lächelte und verfolgte weiter das Geschehen.

Mittlerweile hatte ich doch meine Coke geöffnet und reichte sie auch Philipp, der dankbar schnell einen kräftigen Zug nahm und sich dann weiter auf SEINEN Fisch konzentrierte.

Endlich war es soweit und Bob und Don kamen mit zwei langen Peekhaken ans Heck.

Der Fisch hatte kapituliert.

Philipp kurbelte nun was das Zeug hielt und der Fisch kam am Heck an die Oberfläche. Es dauerte noch mal mindestens 10 Minuten bis wir ihn an Bord hatten und ihm dann, von Philipp persönlich mit einem gezielten Messerstich das Leben ganz genommen wurde.

Es war ein Schwertfisch von fast zwei Meter Länge. Philipps Blick fiel erst auf seinen Vater und dann auf mich als wolle er fragen „na, wie war ich?“

So begeistert wie ich war konnte mein Gesicht nur erwidern „Spitze“ und ich klopfte ihm auf die Schulter mit den Worten „hey, this is, what i call fishing“, sein Dad viel ein „it´s my son“!

Für heute sollte es genug sein und Chris steuerte das Boot zurück nach Norden. Ich versuchte Philipp beim Ausnehmen des Schwertfisches behilflich zu sein und realisierte mit welchem Stolz er meine Achtung empfand. Nick begann derweil „klar Schiff zu machen“.

Erst jetzt checkte ich, dass Don und Bob in der Kajüte schon wieder versuchten den Biervorrat zu tilgen. Schätze es ist besser, wenn ich nachher den Pickup fahre…

Erfolgreich nach Durchfahren eines üblichen Gewitters erreichten wir wieder den kleinen Hafen in der Choctawhatchee Bay. Es war schon ziemlich spät. Philipps Abenteuer hatte mehr als zwei Stunden gedauert.

Doch bevor sich unsere Wege trennten, gab mir Philipp noch einen Zettel mit Adresse und Telefonnummer und dem Wunsch ich solle anrufen, wenn ich nichts mit meinem Urlaub anzufangen wüsste und er würde mich gerne morgen noch einmal treffen…!?!

„You can take it for granted“ sprudelte ich begeistert hervor.

Ab nach Hause. In unserer Kühlbox lagen zwei Red Snapper. Also war klar, was ich am Abend in der Küche zelebrierte.

Für meine guten Freunde dünstete ich die Fische in reichlich Zitronensaft. Viel mehr braucht man nicht, wenn der Fisch wirklich frisch ist, vielleicht etwas geröstetes Brot dazu…

Doch es war viel zu viel – es blieb einiges übrig.

Ein ganz toller Sonntag neigte sich der beginnenden Nacht mit dem üblichen Sonnenuntergang.

Wo ist der Pelikan?

Hatte ich für die Zeit hier einen neuen Freund gefunden? Philipp dürfte ungefähr in meinem Alter sein. Somit würde ich jemand gefunden haben, der mich besser versteht. Zugegeben, Bob und Don sind ja auch ganz lieb, aber eben auch fast 10 Jahre älter.

Wäre echt toll, weitere Abenteuer mit Philipp zu erleben. So etwas bietet garantiert keine Reisegesellschaft.

Gute Nacht, Ihr Prinzen, habe Euch alle lieb!

Und nun träume ich von diesem ereignisreichen Tag…

Montag 17.02.2003, Washington´s Birthday

Hatte ziemlich lang geschlafen (für meine Verhältnisse) und war ganz erstaunt, nicht allein zu sein.

Oh, nationaler Feiertag (eigentlich „Presidents´ Day, aber alle reden nur von Washington´s Birthday).

Das hatte ich gestern irgendwie gar nicht richtig mitbekommen. Nun erklärt sich auch warum Philipp gestern schon für heute ein weiteres Treffen versprach.

Während meine Freunde sich die obligatorische peanut butter aufs Brot verteilen, bereitete ich mir ein Rührei auf Toast und machte mir einen heißen Kakao sowie frisch gepressten Grapefruitsaft.

Bestens gestärkt fragte ich nach den Plänen für den heutigen Tag. Don und Bob hatten eigentlich nichts Wichtiges geplant. Don deutete jedoch an, dass er mal nach seinem Pickup sehen wollte.

Draußen war alles nass, musste also in der Nacht noch geregnet haben und es war für Florida verdammt kalt. Mittlerweile 47°F, doch Bob sagte es wären in der Frühe gerade 40°F gewesen.

Wo ist mein Skianzug…?

Ich griff also zum Telefon und rief Philipp an. Er war sofort dran und schien sich deutlich zu freuen. Schnell war ein Treffpunkt ausgemacht und er fragte ob ich mit ´nem Skateboard was anfangen könne?

Hey, Wahnsinn, aber wo sollte ich hier ein Board herbekommen. Das Problem war schnell gelöst. Philipp sagte, dass Nick mir seines leihen würde, wenn er selbst mit Inlinern mitkommen dürfe.

Klar durfte er. Wir trafen uns hinter einem Minigolfplatz, wo eine Halfpipe aufgebaut war. Auf dem Weg dorthin fiel mir auf, dass nahezu vor jeder Haustür der Sternenbanner gehisst war.

Sind doch tatsächlich alles kleine Patrioten (oder einfach nur nationalstolz).

Nick dankte ich erstmal für sein Board. Ist es doch zu Hause ein ungeschriebenes Gesetz, sein Board niemals zu verleihen …

Bis zum Mittag hatten wir uns hungrig getobt und begaben uns dann zu meinem Lieblingsimbiss.

Ah, herrlich – und geheizt. Ist immer noch ziemlich frisch, aber allemal angenehmer als im frostigen Germany.

Wir gingen später ein wenig barfuss (!) durchs warme Wasser am Strand spazieren und ich erzählten den Jungs von der typisch deutschen Unsitte „Sandburgen“ am Strand zu bauen. Ich glaube sie haben es nicht wirklich verstanden…

Bei Philipp und Nick daheim angekommen wurde ich eingeladen zum Kaffee (brrr).

Es ist Tradition an diesem Feiertag einen Cherry Pie zu vertilgen.

Ich dachte immer, man würde hierzulande die Pies warm als Nachtisch am Abend genießen.

Schnell erfuhr ich, dass man ursprünglich deutscher Abstammung ist und beibehalten habe, Sonn- und Feiertags am Nachmittag Kaffee zu trinken. Tja und der schmeckte sogar wie Kaffee.

Als ich nun auch noch zum Abendessen eingeladen werde, hielt ich es für besser, Bob kurz anzurufen, sollte sich doch keiner Sorgen um mich machen.

Allmählich verwandelte sich das Wohnzimmer in einen Partyraum. Gegen Sonnenuntergang wurde die Bude dann richtig voll.

Eine Nachbarsfamilie traf noch hinzu und es konnte richtig losgehen. War schon eigenartig.

Da war ich bei fast wildfremden Leuten zu Gast, die ich zum Teil erst gestern kennen gelernt hatte und man behandelt mich, als wenn ich schon immer dazugehört hätte.

Für mich war es wirklich ein riesiger Spaß. Es wurden alle möglichen Party-Spiele durchprobiert. Den größten Spaß hatte ich, als in eine mittelgroße Baby-Badewanne eine Ladung Äpfel ins Wasser gelassen wurde. Nun galt es für alle Mitspieler gleichzeitig soviel wie möglich wieder rauszufischen. Allerdings wurden einem die Hände mit einem Schal auf dem Rücken gebunden.

Einzig verfügbares Fanggerät blieben die Zähne. Ich hätte beinahe gewonnen und war patschnass, doch beim Auszählen zeigte sich, dass Nick wohl noch geschickter war. Er hatte einen Apfel mehr.

Die beiden Mädchen der Nachbarn versagten jedoch kläglich. Ihnen fielen die langen Haare immer ins Gesicht und sie konnten sich ja nicht davon befreien – hihi.

Schnell hatten wir uns wieder abgetrocknet und ich bekam von Philipp einen frischen Schlumpf (Kapuzensweater).

Auf dem Grill zischten nun eine Unzahl von Steaks – Schwertfischsteaks! Hmm – habe ich noch nie gegessen.

Aussehen tun die eigentlich nicht anders als Hai- oder Thunfischsteaks auch.

Nach Zugabe von reichlich groben Pfeffer wurden sie serviert. Salate aller Art standen außerdem am Buffet.

Ich muss gestehen, ich war angenehm überrascht. Ich hatte in Deutschland mal Thunfischsteaks gebraten, die dann allerdings recht trocken und fest waren. Jetzt allerdings biss ich in sehr saftiges zartes Fleisch, welches keinesfalls auch nur annähernd nach Fisch schmeckte. Kompliment. Das schmeckte toll.

Schade, irgendwann wurde es Zeit für mich heimzugehen. Man bot mir zwar an, über Nacht dort zu bleiben, doch so sehr wollte ich die Gastfreundschaft meiner neuen Freunde nun auch nicht strapazieren. Außerdem hatte ich ja auch nichts dabei…

Philipp wollte mir zwar gern mit allem aushelfen, aber irgendetwas in mir sträubte sich

(Warum eigentlich …? Vielleicht bin ich einfach noch nicht so weit – hey Timo, life is going on!).

Eine gewisse Enttäuschung konnte ich beim Abschied dann auch in seinen Augen ablesen.

Auf dem Weg bin ich dann gelaufen, weit im Norden braute sich mal wieder ein Gewitter zusammen, doch hier schien noch der Mond und es war schon wieder ziemlich kalt.

Ich glaube, ich habe in Philipp wirklich einen neuen Freund gefunden. Er ist ein ganz lieber. Kann sehr gut zuhören, ist super sportlich – und – hatte ich schon erzählt wie toll er aussieht?

Am wichtigsten, er scheint auch eine gewisse Sympathie mir gegenüber zu empfinden.

Wir sollten bestimmt noch einiges an Spaß erleben, da war ich mir ganz sicher. Hoffentlich war er jetzt nicht sauer, weil ich nicht über Nacht bleiben wollte.

Im Trailer war es schon dunkel, also auf Zehenspitzen ab ins Bett.

Wieso hatte ich eigentlich in der ersten Nacht so geschwitzt?

Jetzt konnte ich meine Daunendecke von daheim bestens gebrauchen.

Ich schrieb in mein Tagebuch und lausche noch eine ganze Weile dem Zirpen der Grillen.

War immer wieder in Gedanken bei Philipp, denn der sah auch noch verdammt gut aus – oder hatte ich das schon einmal erwähnt? 🙂

Ups, hatte immer noch seinen Sweater an…

Dienstag 18.02.2003

Liebe Leser, im weiteren Verlauf der Story will ich mir mal die Mühe machen und versuchen die wörtlichen Reden ins deutsche zu übersetzen *fg*.

So, nun hatte ich alles fertig und es kann losgehen.

War heute Morgen noch bei Philipp, genauer gesagt bei seiner Ma.

Hatte den Sweater wieder zurückgegeben und meinen wiederbekommen.

Bei einem Kaffee entwickelte sich ein höchst interessantes Gespräch mit Ihr.

Sie erzählte, dass Philipp seit Sonntag zum ersten mal seit langer Zeit wieder richtig fröhlich wäre, ja verglichen zu vorher, schon fast überdreht sei.

Er sollte zuvor schon seit längerer Zeit ziemlich lustlos, in sich gekehrt und zurückgezogen gewesen sein…

Ich hatte hier jetzt noch mehr einen ganz starken Verdacht. Hatte es ihr aber nicht erzählt. Könnte ja auch sein, dass ich mich irrte.

Viel zu schnell wäre doch hier der Wunsch der Vater des Gedanken.

Mal sehen wie das weitergeht.

Eigentlich schade, dass ich nun meine Rundreise startete. Doch was sollte ich hier werktags allein in dem kleinen Ort abhängen und das auch noch bei dem Wetter.

Meine Freunde und auch Philipp mussten ja arbeiten.

Die Rundfahrt hatte ich schon zu Hause mit Gabis Hilfe geplant. Die Route stand in allen Einzelheiten fest und sogar Hotelgutscheine hatte ich mir in einem Reisebüro daheim besorgt.

So kam ich in den Genuss für den Lufthansa-Mitarbeitertarif.

War so dann doch etwas günstiger, als wenn ich hier jeden Tag an einer Rezeption hätte verhandeln sollen.

Ich verschone Euch nun mit dem detaillierten Reisebericht. Nur soviel: es ging zunächst ganz nach Osten zur Atlantikküste. Dann nach Süden bis Key West. Die Rückfahrt führte entlang der Golfküste bis oben zum Panhandle.

Vergnügungsparks tat ich mir nicht an. Nur den Kennedy Space Center nahm ich mit. All die berüchtigten Parks kannte ich schon vom letzten Urlaub.

Das Wetter schien es gut mit mir zu meinen. Die ganzen Tage bis zum frühen Nachmittag Sonne pur.

Nur ab und zu gab es spät nachmittags mal einen Schauer, oder ein Gewitter.

Die Temperaturen hatten nun auch wieder angezogen. Auf Key West waren es sogar 28° C.

Auf der Rückfahrt hatte ich kurz vor St. Petersburg eine Panne mit dem Auto.

Die Lichtmaschine tat es nicht mehr.

Genau genommen durfte ich mich jedoch nicht beklagen. Ein Wunder, dass der alte Wagen überhaupt all das so gut durchstand.

Donnerstag, 27.02.2003

Seit zwei Stunden war nun schon wieder in Destin.

Meine Wäsche steckte mittlerweile schon im Trockner und ich überlegte, was der Zettel an der Kühlschranktür zu sagen hätte.

Natürlich freute ich mich Philipp bald wieder zu sehen, aber da stand ich solle ihn gleich anrufen, wenn ich wieder da bin.

Eigentlich konnte er ja noch nicht zu Hause sein, aber ich hatte ja auch seine Handynummer.

Er wusste auch, dass ich heute wiederkomme.

Ich wählte also seine Nummer und hörte im gleichen Moment vorm Trailer ein Handy klingeln. Sollte das wirklich möglich sein?

Ein Blick auf die Terrasse und dort stand der Blondschopf und die blauen Augen strahlten mich an. Begeistert rannte ich auf ihn zu, während er sein Skateboard losließ und mir um den Hals fiel.

Na, das war ja eine stürmische Begrüßung. Tat aber irgendwie gut. Ja – ich hatte ihn auch vermisst.

Wir setzten uns in das ausgeblichene Gras und ich wollte von meiner Fahrt erzählen, aber er hielt mir einen Finger auf den Mund.

Nun war also er an der Reihe.

Mit einem verführerischen Blick verriet er mir, dass er eine Überraschung geplant hatte.

Na toll, hat mich jemand verplant, ohne mich zu Fragen?

Aber jetzt nicht den Spielverderber mimen.

„Also, was ist es?“

Er verriet nur so viel, dass er sich Urlaub genommen hatte und mit mir zusammen gern nach New Orleans fahren möchte.

In New Orleans war ich schon mal beruflich und außer dem French Quarter mit den vielen Jazz-Kneipen und einer Fahrt auf der Natchez, dem berühmten Raddampfer, fand ich es ehrlich gesagt nicht so prickelnd.

Der Gedanke aber, mit diesem Junge die Fahrt zu machen vertrieb alle Bedenken und das las er meinen Augen ab.

„Schon morgen früh werden wir fahren!“ sprudelte er weiter auf mich ein.

Na, was für ein Glück, dass ich mich gleich um meine Wäsche gekümmert hatte.

Wir alberten noch eine Weile im Gras als nun Bob seinen Wagen parkte. Mit dem breitesten Grinsen begrüßt er uns.

„Na, wann fahrt ihr?“

„He, wissen hier etwa schon alle bescheid?“ begrüße ich ihn auch.

„Scheint so.“ und immer noch dieses Grinsen.

Philipp riet mir nun sachlich, dass ich Klamotten für eine Woche brauche.

Nach dem Frühstück sollte es dann losgehen. Unterkunft gibt es kostenlos.

Er hat da mal in einem Motel gejobbt und die haben auch Zimmer für die Angestellten, die von außerhalb kommen.

Ist schon alles geregelt. Die freuen sich schon auf ein Wiedersehen.

Da war es schon wieder. Also wirklich, die amerikanische Gastfreundschaft fasziniert mich immer wieder aufs Neue.

Ich erwische Philipp dabei, wie er mir total verträumt in die Augen schaute.

Es machte mich total nervös, aber ich versuchte dem Blick stand zu halten.

Ich glaube ein wenig rot geworden zu sein.

Plötzlich piekte er mich leicht in die Seite. Meine heftige Reaktion ermutigte ihn und er begann mich heftig durchzukitzeln.

Mein Geschrei lockte Bob heraus und auch Don, der gerade aus dem Picup stieg mischte sich mit ein.

Gruppenknuddeln hoch drei und ich, das wohl kitzeligste Wesen auf Erden, mitten drin.

Philipp scheint aber auch nicht ganz unempfindlich zu sein. Auch ihm liefen schon Tränen über die Wangen.

Nur den zwei Großen schien es überhaupt nichts auszumachen. Na ja, bei den Muskelpaketen?

Irgendwann lagen wir total erschöpft im trockenen Gras.

Nur langsame normalisierte sich mein Atem.

„Du bist echt lieb“ rutschte es mir dann zu Philipp raus.

Oh man, ich sollte mir die Zunge abbeißen. Was, wenn er ich mich falsch versteht?

Schnell setze ich nach „die Überraschung mir der Fahrt nach New Orleans ist eine prima Idee!“.

Bob und Don spüren das knistern in der Luft und nehmen sich einfach in den Arm und beginnen einen intensiven Kuss.

Jetzt brach das Eis. Philipp hatte wohl allen Mut zusammengenommen. Er nahm meinen Kopf in seinen zarten Hände und hauchte ganz vorsichtig einen Kuss auf meine Stirn.

„Schlaf dich gut aus, das wird morgen ein anstrengender Tag. Gute Nacht Timmy!“

„Hey Philipp, bist Du denn auch …?“

„Yep! Jetzt bin ich mir sicher.“

Philipp, sei bitte nicht böse, aber ich bin mir nicht sicher ob ich das schon kann?“

„Ich weiß, die beiden Riesen haben mir alles erzählt. Lasse es uns langsam angehen, o.k.?

Außer Bob und Don weiß von mir noch niemand etwas. Ich würde das gerne auch noch ein wenig so beibehalten!“

„Geht klar mein Freund. Auch dir eine gute Nacht und träum was schönes.“ brachte ich vorsichtig hervor.

Philipp verabschiedete sich noch von den beiden Großen und schwang sich auf sein Board.

Puh, war ich aufgedreht. Was für eine tolle Idee von Philipp. Die Fahrt mit ihm wird bestimmt interessanter als meine Rundreise. Und ich lag mit meinem Verdacht über ihn doch richtig.

Dieser blonde Engel ist schwul.

Ich schrieb noch ein wenig in mein Tagebuch. Konnte mich jedoch nicht so richtig konzentrieren.

War ganz schön durcheinander. Dieses innere Kribbeln…

Auch das Einschlafen wollte nicht so recht klappen. Irgendwann war ich dann doch in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.

Na ja, ganz so traumlos war er wohl doch nicht, wie ich nach dem Aufstehen sah *g*.

Freitag, 28.02.2003

Kennt ihr das, wenn man sich fühlt wie auf Wolke Nummer 7?

Ich war total durch den Wind.

Nach der Morgentoilette hüpfte ich in meine Lieblingsbaggy. Sie ist zwar an den Fersen schon ganz schön abgetreten, aber das stört einen Skater nicht.

Für meinen Hoody ist es schon zu warm, aber ich packe ihn trotzdem in den Rucksack.

Nun aber ran an den Kühlschrank. Hatte schließlich gestern nichts zu Abend gegessen.

Kaum hatte ich gespült, fuhr auch schon Philipp mit dem Mercury seiner Ma vor.

„Guten Morgen Timmy – fertig?“

„Moment Philipp, will noch eben mein Notebook einpacken. So, nun können wir…“

Nach einer schüchternen, dennoch sehr zärtlichen Umarmung geht die Fahrt los (man, riecht der Junge gut…).

Westwärts, westwärts bis Santa Fe – ne, das war wohl doch ein anderer Film. Aber die Richtung stimmt.

„Sag mal, Timmy, hast du schon mal was von ‚Mardi Gras‘ gehört?“

„Ne, ich stehe nicht auf Drogen. Du etwa?“ kam es total erschrocken aus mir raus.

Hatte ich mich etwa doch in ihm getäuscht. Verdammt, wo war nun schon wieder rein geraten?

Philipp begann herzergreifend zu lachen. Mit dieser Antwort hatte er wohl am wenigsten gerechnet.

„Nein, mach dir keine Sorgen. Mit Drogen habe ich es auch nicht. Nee, das ist die fünfte Jahreszeit hier unten!“

Eine fünfte Jahreszeit? Moment mal – Mardi Gras – New Orleans – da war doch was?

„Ich glaube ich habe es. Ist das nicht die Südstaatenversion von Karneval in Rio?“

„Yep! Aber so solltest du es in New Orleans besser nicht ausdrücken. Das ist dort das Fest überhaupt!“

„Cool. Und da fahren wir nun also hin?“ ich war schon wieder total aufgeregt, während Philipp den Wagen souverän auf dem Interstate Highway 10 einfädelte.

„Yep, here we go …!“

Ich rekelte mich ein wenig zu Recht und begann etwas zu phantasieren, was wir wohl so alles in den nächsten Tagen erleben könnten.

Meine Augen bewunderten dabei den von einer braunen Carhartt-Latzhose verhüllten Körper des schlanken Boys neben mir, bis sie zufielen. Nur noch schwach vernahm ich das monotone Brummen des Motors.

Ich schlief nicht wirklich und schlagartig schärften sich meine Sinne, als …

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