Bevor ich darauf etwas sagen konnte, wurde die Stalltür aufgezogen. Taylor machte regelrecht einen Satz nach hinten.
„Taylor, hast du schon die zwei Boxen fertig?“, hörte ich James Stimme.
„Bin gerade dabei“, antwortete Taylor und James kam in mein Blickfeld.
„Oh, der junge Herr ist hier. Hallo Jack, freut mich sie wieder zu sehen. Wollen sie ausreiten?“
„Hallo James. Nein ich habe Tiara nur besucht“, meinte ich und gab ihr eine weitere Karotte.
Das komische Lächeln, das James Gesicht zierte, konnte ich nicht recht deuten, aber sicherlich dachte er sich seinen Teil. Er wandte sich wieder zu Taylor.
„Wenn du hier fertig bist, meldest du dich bitte bei Caitlin, sie hat nach dir verlangt!“
„Caitlin? Okay mache ich.“
James nickte und verschwand wieder aus dem Stall.
„Wir sehen uns später!“, meinte ich, drückte ihm Kuss auf den Mund und verließ ebenso das Gebäude.
*-*-*
„Das ist ganz schön viel Schmuck“, meinte Sabrina neben mir.
„Du der Baum ist groß, da werden wir einiges brauchen“, merkte ich an, während ich die nächste Kiste hervor zog und öffnete.
„Hallo Kids, habt ihr alles, was ihr braucht?“, hörte ich Tante Abigails Stimme hinter mir.
„Vielleicht eine Leiter…, Jack ist zwar groß, aber bis ganz rauf kommen wir nicht“, meinte Jayden.
Sabrina fing an zu kichern.
„Jack kann dich ja auf seine Schulter nehmen“, meinte sie und nun fing auch Molly an zu kichern.
„Sonst noch was?“, fragte ich.
„Eine Leiter ist kein Problem“, meinte Tante Abigail nur.
„Was ist in den drei Holzkisten?“, fragte ich, die ich nun hinter den Kartons entdeckte.
„Welche?“, wollte Tante Abigail wissen und trat neben mich.
„Die…, lass mich überlegen…, ah ja, in der großen müssen die Krippenfiguren drin sein und die mittlere enthält die Spitze.“
„Und die Kleine?“, fragte nun Jayden.
Tante Abigail lächelte, beugte sich etwas vor und bekam die kleine Kiste zu greifen.
„Wenn ich mich recht entsinne…, das ist eine ganz besondere Kiste.“
Ich sah nun auch, dass diese Kiste etwas anders aussah, als die größeren. Das Holz war edler und mit Schnitzereien verziert. Sie öffnete den Verschluss und öffnete den Holzdeckel.
„Ja…, das sind unseren Kugeln, die jeder von uns bei der Geburt bekommen hat“, sagte Tante Abigail fast flüsternd.
Nun sah ich auch, dass jede Kugel mit Namen versehen war.
„Hm, ich denke, diese Tradition sollten wir weiter führen und auch für euch Kugeln anfertigen lassen.“
Ich nahm Papas Kugel vorsichtig heraus. Die goldenen Buchstaben mit Isaac stachen von der roten Kugel besonders hervor.
„Boah, sind die schön“, meinte Sabrina neben mir.
„Darf ich Papas Kugel haben“, fragte Molly.
Tante Abigail reichte ihr die ganze Kiste.
„Ich werde mich um die Leiter kümmern“, meinte sie und verschwand.
Ich hatte ihre traurigen Augen bemerkt. Die Kugel meines Vaters legte ich behutsam zurück und zog die restlichen Kisten unter der Treppe hervor. Ich wollte gerade die große Holzkiste hervor ziehen, als die Tür zum Flur erneut aufflog.
„Jemand da…?“, hörte ich eine vertraute Stimme.
Einen Strohballen kam in Sicht und denn dahinter Taylor.
„Hier ist das Stroh für die Krippe“, meinte er nur und blieb vor uns stehen. Ohne den Ballen abzulegen.
„Hallo Taylor“, kam es von Sabrina, die sich sofort grinsend neben ihn stellte.
Mein Schatz wurde schon wieder rot.
„Hallo Sabrina… oh…hallo Mr. Ja…yden…, Mrs. Newbury.“
Er nickte beiden zu und war dabei immer leiser geworden. Ich ging zu ihm hin, nahm ihn den Strohballen ab, den ich neben den Tannenbaum ablegte. Dann griff ich nach seiner Hand, die in einem Handschuh steckte.
„Taylor, ich habe dir schon ein paar Mal gesagt, du gehörst jetzt zur Familie. Molly und Jayden haben sicher auch nichts dagegen, wenn du sie bei Vornamen nennst und das Mr. und Mrs. weglässt.“
„… entschuldige…, das ist alles so ungewohnt und ich weiß immer noch nicht, ob es dem Duke und auch dem Earl recht ist.“
Molly hängte sich bei Sabrina ein.
„Jungs können richtig süß sein, wenn sie schüchtern sind“, meinte sie und beide fingen sie an zu kichern.
„He, seid nicht so gemein zu Taylor“, sagte nun Jayden, worüber ich mich wunderte, dass er für Taylor Partei ergriff.
„Dann lasst uns mal mit dem Schmücken beginnen“, meinte ich nur.
„Ich geh dann mal wieder…“, meinte Taylor neben mir.
Er wollte schon gehen, aber ich ließ seine Hand nicht los.
„Kannst du nicht bleiben und helfen?“, fragte ich etwas enttäuscht.
Als er antworten wollte, kam Tante Abigail wieder in den Eingangsbereich.
„Ah, hier bist du Taylor, könntest du bitte die Leiter bringen, damit auch im oberen Bereich den Baum schmücken kann?“
„Wird sofort erledigt, Mrs…“
Er hielt inne.
„Abigail…!“
Sie lächelte ihn an.
„Ich habe mit James gesprochen. Da im Stall für heute alle Arbeiten erledigt sind und er dich nicht mehr braucht, kannst du dann den anderen helfen, den Baum zu schmücken.“
„… wirklich?
Tante Abigail nickte.
„Ähm danke…, ich hol sofort die Leiter“, und schon war er verschwunden.
„Danke“, strahlte ich meine Tante an.
„Nichts zu danken, junger Mann. Da fällt mir ein, dass da noch etwas fehlt.“
„Was denn?“
„Ich glaube, ich muss mit Taylor noch mal kurz ausleihen…“
*-*-*
„Und die hat Papa wirklich gebaut?“, fragte Molly.
„Ja, zusammen mit Jacks Vater“, antwortete Tante Abigail.
Gemeinsam standen wir vor Taylor, den eine große Krippe in Händen trug.
„Aber jetzt helft Taylor erst mal das Ding hinzustellen, das ist doch sicher schwer.“
Daran hatte ich gar nicht gedacht, ich war nur stolz, etwas von Papa zu sehen. Erst jetzt sah ich, dass Taylor mit Spinnweben verziert war. War wohl schon lange nicht mehr gereinigt worden, da wo die Krippe jetzt lagerte.
„Es geht“, seufzte Taylor, „wo soll ich es abstellen?“
Sofort war ich bei ihm und half ihm die Krippe zu halten.
„Also direkt neben die Treppe würde ich sie nicht stellen, da wird sie zu sehr verdeckt“, meinte Sabrina.
„Aber auf der anderen Seite steht sie wenn du aus der Bibliothek kommst im Weg, nicht das jemand drüber stolpert“, kam es nun von Molly.
„Ich sehe schon, ihr werdet das irgendwie schon hinkriegen, dann kann ich euch ja beruhigt alleine lassen“, meinte Tante Molly.
„Ja, geh ruhig“, sagte ich, „wir sind genug.“
„Ach so, ich habe Caitlin gesagt, sie soll euch Tee machen und von ihrem tollen Gebäck vorbei bringen.“
„Danke“, sagten wir im Chor.
„Und ich dachte, ich kann euch helfen.“
Mum kam die Treppe herunter.
„Nein Mum, wie ich schon deiner Schwägerin versicherte, wir sind genug.“
„Okay, Abigail, was hältst du von einem kleinen Sparziergang?“
„Nichts dagegen einzuwenden. Hier werden wir ja nicht gebraucht!“
Das klang jetzt richtig vorwurfsvoll, aber beide Damen grinsen und liefen gemeinsam die Treppe wieder nach oben.
„Also ich würde vorschlagen, wir schmücken erst den Baum und dann stellen wir die Krippe auf“, meinte Jayden.
„Erst mal stellen wir die Krippe ab“, sagte ich und half Taylor, das Ding zum Boden zu befördern.
„Nehmen wir eine Farbe oder soll der Baum bunt werden“, fragte Sabrina, die nun wieder bei den Kartons stand.
„Es ist zumindest genug von allem da“, meinte Molly neben ihr.
Wir standen nun alle um die Karton herum?
„Hm, ich weiß nicht…“, sagte ich und kratzte mich am Hinterkopf.
„Wie sieht denn die Spitze aus?“, wollte Jayden wissen.
„Moment“, sagte ich und griff nach der Holzkiste.
Dabei übersah ich leider Taylors Fuß und stolperte. Ich sah schon im Geiste, die Spitze in tausend Stücke zerspringen und versuchte mich etwas zu drehen, was zur Folge hatte, dass ich auf dem Hintern landete, was höllisch weh tat.
„Pass doch auf!“, kam es von Sabrina, die mir die Kiste abnahm.
Mit Schmerzverzogenen Gesicht, rieb ich am meinem Hintern.
„Danke auch…“, meinte ich nur.
Natürlich war Taylor neben mir sofort in die Knie gegangen.
„Hast du dir etwas getan?“
„Nein…, geht schon, nur mein Hintern tut etwas weh.“
„Komm, ich helf dir auf“, sagte Taylor lächelnd und zog an meiner Hand.
„Boah, ist die aber schön“, hörte ich Sabrina sagen, „ob das echtes Gold ist?“
„Ich denke schon“, sagte Molly.
„Die sieht voll edel aus…, Jack pass ja auf, wenn du die oben drauf steckst!“
Ich schaute Sabrina an.
„Wer sagt denn, dass ich die oben drauf stecke?“
„Du bist der größte!“
„Und? Jayden braucht nur eine Stufe höher steigen, dann ist er auch so groß wie ich.“
„Darf ich?“, fragte Taylor und entnahm vorsichtig die Spitze aus der Kiste.
Vorsichtig und nur mit einer Hand haltend, kletterte er die Leiter hinauf, bis er fast oben angekommen war. Dann steckte er die Spitze langsam auf das obere Baumende. Strahlend stieg er wieder herunter.
Andächtig standen wir nun da und betrachteten die Spitze.
„Man könnte meinen, die hat Lichter drin, so wie die strahlt“, sagte Jayden.
„Danke Schatz“, hauchte ich Taylor ins Ohr und küsste ihn auf die Wange.
„Abigail schau dir das an, da denken wir, der Baum wird geschmückt und was machen die…knutschen da herum…so geht das aber nicht meine Herren!“
Mum! Sabrina und Molly fingen natürlich wieder an zu kichern.
„Knutschen? Mum, kann es vielleicht sein, dass du nicht weißt, was knutschen ist?“
Ohne auf ihre Antwort zu warten, wirbelte ich Taylor herum, der darauf nach hinten kippte, ich ihn aber auffing. Ich beugte mich über ihn und küsste ihn innig, obwohl Taylor mich hartnäckig versuchte, wegzudrücken. Das hatte zur Folge, dass nun alle anfingen zu lachen.
„Charlotte, ich fürchte, dieser Punkt geht an deinen Sohn“, sagte Tante Abigail und lief die Treppe herunter.
Taylors Kopf, der nun wieder etwas benommen neben mir stand, leuchte fast so rot wie die Christbaumkugeln.
„Ich sag‘s ja, die Jugend, ich werde zu alt für so etwas!“
Frech grinste ich Mum an, die nun dickeingepackt mit Tante Abigail an uns zur Haustür vorbeilief.
„Bis später, Kinder!“, meinte diese und ging hinaus.
Ich winkte Mum zu, aber es kam keine Bemerkung von ihr. Als sie die Tür hinter sich zu gezogen hatte, spürte ich einen Knuff in die Seite.
„Musste das sein?“, sagte Taylor.
Ich grinste ihn nur an.
„Was ist los Jayden?“, hörte ich Sabrina fragen.
Der stand mit offenem Mund da und schaute uns an.
„Ich…, ich habe Jungs…, noch nie so küssen gesehen“, gab er stotternd zur Antwort.
„Dann gewöhn dich dran!“, sagte ich.
*-*-*
Wir hatten uns für goldene und rote Kugeln entschieden. Bunt würde hier nicht her passen. Die Schachteln mit den Kugeln leerten sich langsam und das Endergebnis konnte sich wirklich sehen lassen.
„Schön!“, meinte ich nur.
„So einen tollen Baum habe ich noch nie gesehen!“, flüsterte Taylor neben mir.
Ich lächelte ihn an.
„Wir haben uns immer noch nicht entschieden, wo wir die Krippe hinstellen“, sagte Sabrina.
Keiner von uns wusste so recht die Antwort.
„Was haltet ihr davon? Wir räumen erst die Kartons und die Schachteln weg und wenn alles leer ist, können wir besser entscheiden, wo wir die Krippe hinstellen“, schlug ich vor.
Ein allgemeines Nicken ging durch die Runde.
„Wo kommen die hin?“, fragte ich Taylor.
„Lass mal, die kommen auf den Speicher. Da macht ihr euch nur dreckig.“
„Wir helfen dir, da geht es schneller! Zudem war ich noch nie auf dem Speicher!“
„Ich wusste gar nicht, dass das Haus einen Speicher hat“, sagte Jayden.
So war Taylor überstimmt und schnell waren die Schachteln wieder in den Kartons verstaut. Jeder griff sich eine oder zwei Kisten und nun folgten wir Taylor nach oben. Vor der Wand am Ende der Treppe blieb er stehen.
Er griff nach einem kleinen Hebel, der mir bis jetzt noch nicht aufgefallen war und schon sprang ein Stück der Wand auf.
„Eine Geheimtür…, cool!“, sagte Jayden.
Taylor beugte sich nach vorne und griff durch die Öffnung und schon wurde es dahinter hell. Als ich ihm dann mit meinen Kartons folgte, offenbarte sich vor mir eine kleine Holztreppe nach oben.
Wie im Entenmarsch, liefen die anderen hinter mir her.
„Ich hätte nie gedacht, dass hier hinter der Wand eine Treppe versteckt ist“, sagte Molly zu ihrem Bruder.
„Du echt, ich habe das noch nie gesehen und wir waren früher ja oft hier. Ich dachte, ich kenne jeden Winkel im Haus.“
Daran hatte ich nicht gedacht. Molly und Jayden waren früher ja oft hier und ich wusste nicht mal etwas über die Familie. Oben angekommen, sah ich einen großen Raum, vollgestellt, mit alten Möbeln, Kisten und andere Dinge, die irgendwann mal auf einem Speicher enden.
„Molly, schau mal, da ist die alte Holzeisenbahn. Ich habe mich schon gefragt, wo die abgeblieben ist“, kam es von Jayden, als er seine Kartons abgestellt hatte.
„Und hier steht das Puppenhaus, mit dem ich immer gespielt habe“, sagte Molly.
Ich stand mit Molly nur da und beobachtete die beiden, während Taylor die Kartons schön zusammen stellte.
„Du hast das noch nie gesehen?“, fragte Sabrina leise.
Ich schüttelte den Kopf. Sie setzte sich in Bewegung und schaute sich auch um. Ich dagegen blieb stehen und Taylor kam zu mir.
„Was ist? Nicht neugierig?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Alles klar mit dir?“, fragte nun Taylor
Ich schaute ihm nickend, in die Augen und versuchte zu lächeln.
„Mir wird nur immer wieder bewusst, wie wenig ich über die Familie weiß.“
„Was ist das hier?“, fragte Molly.
Sie zeigte auf eine große alte Holztruhe, die ein dickes Schloss zierte.
„Weiß ich nicht…“, meinte Taylor, „da müssen sie… du ähm Tante Abigail fragen.“
Ich merkte schon, wie schwer sich Taylor mit der Umstellung tat, aber das war etwas, was er nur alleine bewerkstelligen konnte. Ich vermochte ihm nur Hilfestellungen zu geben.
„Leute, unten wartet noch eine Krippe auf uns“, erinnerte Sabrina.
„Sabrina hat Recht, wir sollten unten fertig werden. Wegen der Truhe können wir immer noch fragen“, meinte ich.
*-*-*
„Richtig schön, Kinder“, meinte Tante Abigail, die nun mit Mum vor Tannenbaum stand.
Ein Wagen fuhr vor und Harry, der Hausdiener kam von der Küche gelaufen.
„Der Duke ist zurück“, meinte er nur und öffnete die schwere Holztür.
Draußen war es mittlerweile schon dunkel und kühle Luft strömte herein. Harry half Grandpa aus dem Wagen. Es hatte wieder zu schneien begonnen und es sah so aus, als ob wir dieses Jahr seit langer Zeit mal wieder eine weiße Weihnacht bekamen.
„Nanu, was macht ihr denn alle in der Eingangshalle“, meinte Grandpa.
„Die Kinder haben den Weihnachtsbaum fertig geschmückt und ich finde er sieht richtig toll aus“, antwortete Tante Abigail.
Wir wollten gerade Platz machen, damit sich der alte Herr, den Baum anschauen konnte, als ein weiterer Wagen vorfuhr.
„Nanu, wer kommt denn noch?“, wollte Mum wissen.
„Das wird Papa sein, der war noch einmal in der Stadt, um etwas zu erledigen“, kam es von Molly.
„Er scheint aber noch jemand im Wagen zu haben“, stellte Grandpa fest.
Mittlerweile waren wir alle zur Haustür gelaufen. Onkel Henry war ausgestiegen und ganz Gentleman öffnete er die andere Tür. Die unbekannte Person stieg aus.
„Sophia, das ist aber eine Freude“, sagte Abigail und schritt ins Freie, um ihre Schwester wohl zu begrüßen.
„Das nenn ich mal ein Empfangskomitee, das wäre doch nicht nötig gewesen“, erwiderte Tante Sophia.
„Wer ist das?“, flüsterte mir Sabrina zu.
„Die älteste Schwester meines Vaters…“
„Ist die immer so pompös angezogen?“, fragte Sabrina verwundert und ich zuckte mit den Schultern.