Adventskalender – Suddenly royal II – 16. Türchen

„Mr. Hamilton, würden sie bitte meinen Sohn aussprechen lassen!“

Mum hatte nun auch einen recht strengen Ton drauf.

„Ich verstehe sie, aber bitte hören sie sich ihn an, sie können uns dann immer noch vor die Tür setzten!“

„Großvater…, was ist los?“, kam es verständnislos von Gregory.

„Ach mein Junge“, flüsterte Mrs. Hamilton leise und begann zu weinen.

Mum machte etwas für mich Überraschendes. Sie griff nach der Hand von Mrs. Hamilton.

„Du hast fünf Minuten!“, herrschte mich Gregorys Großvater an.

Er wandte sich ab und lief zum Fenster.

„Mr. Hamilton, sie müssen mir glauben, ich verstehe sie voll und ganz…, ich habe selbst von der ganzen Sache vor kurzem erfahren.“

„Das soll ich glauben, ihr reiches Pack, seid doch alle gleich! Als Gregory mir deinen Namen nannte, habe ich gleich gewusst, wo das hinführt, aber meine Frau meinte, ich solle abwarten.“

„Sie tun meinem Sohn Unrecht, Mr. Hamilton. Er wusste bis vor kurzen nicht, von welcher Familie sein Vater abstammte, der kurz nach seiner Geburt, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist! Weder, dass die Familie adelig ist, noch dass er selbst einen Titel besitzt.“

Mit großen Augen schaute mich Gregory an.

„Darf ich den Grund erfahren?“, kam es nun sichtlich ruhiger von Mr. Hamilton.

„Weil ich nach dem Tod meines Mannes, aus privaten Gründen, nichts mehr mit dieser Familie zu tun haben wollte. So habe ich meinen Sohn alleine groß gezogen. Wir wohnen in London, in einer kleinen Wohnung und ich führe eine kleine Schuhboutique, die uns bisher ernährt hat.“

Ungläubig schaute er zwischen Mum und mir hin und her.

„Darf ich mal erfahren, um was es hier geht?“, fragte nun Gregory sauer.

Ich hatte mir ja vieles ausgemalt, aber dass es so heftig verlief, hatte ich mir nicht vorgestellt.

„Darf ich es ihrem Enkel erklären?“, fragte ich Mr. Hamilton.

„Edward, bitte!“, kam es von Gregorys Großmutter.

Mr. Hamilton schloss die Augen und atmete tief durch, dann sank er etwas zusammen. Er hob  die Hand und schien wohl damit sagen zu wollen, dass ich sein Einverständnis hatte. Gregory schaute mich dagegen sauer an.

„Ich muss aber leider… etwas ausholen…, damit sie das alles verstehen, was ich sagen möchte. Um ehrlich zu sein, ich kenne zwar Gregory, aber das bezieht sich nur auf die Schule. Ich wusste auch von einem Untermieter bei Sabrinas Eltern, den O’Sullivans, aber nicht, dass es sich dabei um Gregory handelte.“

Ich machte eine kurze Pause, aber es kam keinerlei Reaktion meines Gegenübers. Nur Gregory schaute mich fassungslos an.

„Ich war traurig, als ich Gregorys Geschichte hörte, ich konnte es ihm nach fühlen, weil ich selbst ohne Vater aufgewachsen bin. Auch dass sie nicht über seine Mutter reden, überrascht mich nicht…, meine Mum und ich sind ebenso fassungslos über ihr Verhalten.“

Nun schaute mir Mr. Hamilton direkt in die Augen.

„… und nur… durch einen dummen Zufall, habe ich erfahren… an Weihnachten… wer Gregorys Mutter ist…“

Mir war nun kalt und warm zu gleich. Die eiskalten Hände, die ich ständig aneinander rief waren feucht.

„Du … du kennst meine Mutter?“, fragte Gregory komisch heißer.

Ich nickte und Mrs. Hamilton schluchzte.

„Warum bist du wirklich hier?“, kam es scharf von Gregorys Großvater.

„Weil ich finde… Gregory… hat ein Recht darauf zu wissen, wer seine Mutter ist. Was er daraus macht, das ist alleine seine Entscheidung.“

„Mr. Hamilton“, mischte sich nun meine Mum wieder ein, „ich habe es auch erst vor zwei Tagen erfahren, dass meine Schwägerin, die Mutter ihres Enkels ist! Niemand von uns wusste es… nicht mal ihr eigener Vater…, Gregorys anderer Großvater…“

Jetzt war die Katze aus dem Sack. Gregory schaute fassungslos zwischen uns hin und her. Seine Augen wurden glasig, erste Tränen liefen über seine Wangen.

„Ihr habt das gewusst?“, krächzte er vorwurfsvoll seine Großeltern an.

Mrs. Hamilton nickte.

„… und nichts gesagt…“, fügte er noch hinzu.

Seine Kräfte schienen ihn zu verlassen, denn plötzlich saß er auf dem Boden. Durchdringend sah er mich an. Ich ließ mich vom Stuhl gleiten, kniete vor ihm hin.

„Gregory, es tat mir so weh, dich bei uns so traurig zu sehen und ich wollte dir nur die Möglichkeit geben, ebenso glücklich zu werden.“

„Glücklich? Sieht hier irgendwer glücklich aus?“, fuhr er mich heißer an.

Ich atmete tief und lange durch und griff nach seinen Händen. Er riss sich los stand wieder auf und rannte aus dem Zimmer. Ich hörte, wie er die Treppe hinauf rannte. Auch ich erhob mich.

„Lass ihn bitte, Jack…, er braucht seine Ruhe“, hörte ich Mums Stimme.

„… ich…, ich wollte ihm doch nur sagen, dass er nicht mehr alleine ist… und wir ihm helfen möchten…“

„Dazu kann er sich entscheiden, wenn er dafür bereit ist.“

Verzweifelt schaute ich sie an.

„Jack, seine Mutter hat ihn verlassen, sein Vater, den er sicher liebte, ist gestorben. Was seine Großeltern nicht entscheiden konnten, hat er mit sich selbst ausmachen müssen. Du musst ihn schon verstehen…, dass alles ist wie ein Schlag in sein Gesicht!“

„Sie reden, als würden sie das kennen…“, kam es von Mr. Hamilton.

„Keine Sorge, Mr. Hamilton, ich habe das am eigenen Leib oft genug zu spüren bekommen…, aber ich hatte aber Jack…, der mir viel geholfen hat.“

Darauf sagte er nichts. Nur das leise Wimmern von Gregorys Grandma war zu hören. Mum schaute mich an.

„… in der Familie meines Mannes ist vieles schief gelaufen und andere haben es ausbaden müssen und ich habe nur versucht in all den Jahren das Beste, daraus zu machen, damit es meinem Jack gut geht…“

Sie sagte dies in einem leichten traurigen Ton, aber ich konnte auch etwas Stolz erkennen.

„… so wie ich denke, dass sie ebenfalls nur das Beste für Gregory wollen. Jack wollte mit ihnen reden, weil er Gregory helfen will, er ist nun mal so, es war seine alleinige Entscheidung.“

Nun blickte Mr. Hamilton zu mir.

„Du scheinst zu wissen, was du möchtest“, meinte er.

„… nicht direkt, aber ich versuche das Beste daraus zu machen.“

„Und wie stellst du dir das vor? Wie willst du Gregory helfen?“

„Weil der Vermieter unserer Wohnung und für den Laden die Miete nächsten Monat erhöhen will, müssen wir raus…, weil es einfach zu viel ist und meine Mutter verdient nicht so viel, als das wir uns das leisten können.“

„Aber dann sitzt ihr ja auf der Straße“, kam es entsetzt von Mrs. Hamilton.

„Nicht ganz. Der Vater meines Vaters hat uns ermöglicht, eine andere Unterkunft zu finden, in der rein zufällig auch ein Laden dabei ist und da wäre… eine kleine Wohnung frei… für Gregory.“

„Ich möchte keine Geschenke von dieser Familie!“, kam es trotzig von Gregorys Großvater.

Ich musste lächeln.

„Sie reden wie meine Mutter.“

Nun musste Mum auch grinsen.

„… ich habe gesagt, dass ich für die Wohnung und das Geschäft genauso Miete an meinen Schwiegervater zahle, weil ich nichts geschenkt haben will.“

„Und wie hat ihr Schwiegervater reagiert?“, fragte nun Mrs. Hamilton.

„Mum kann keine Miete an ihn zahlen, weil ihm das Haus nicht mehr gehört.“

Ich sah, dass dies Mrs. Hamilton nicht verstand.

„Der Duke of Newbury versteht zwar, dass ich nichts von ihm annehmen werde, aber er bestand darauf, Jack zu helfen, wo immer er kann. So hat er ihm das Haus überschrieben, wo ich, weil es um die Zukunft von Jack geht, schlecht nein sagen kann.“

Dass er damit Fehler wieder gut machen wollte, davon sagte Mum nichts. Mrs. Hamilton nickte.

„Und nun will er auch Gregory unterstützen und sie wollen ihn bei sich aufnehmen?“

„Ja…, er ist für sich, kann aber jederzeit zu uns kommen.“

„Sie wollen das wirklich auf sich nehmen?“

„Warum nicht? Er ist doch Familie!“

Ich schaute zu Mr. Hamilton, der nichts mehr gesagt hatte. Sein Blick war kritisch.

„Mr. Hamilton, mit dem Geld, das Gregory sparen würde, weil er ja keine Miete an mich zahlen muss,  könnte er sie an den Wochenenden öfter besuchen. Ich weiß, dass er es gerne tut, sonst hätte er sich nicht so bemüht, mit uns fahren zu können.“

Sein Blick änderte sich nicht, auch nach dem ich das gesagt hatte.

„Dürfte ich bitte noch einmal versuchen, mit Gregory zu reden?“

„Bist du dir da sicher?“, fragte Mum und auch Mrs. Hamilton sah mich fragend an.

„Ja, ich will dass es Gregory besser geht. Schau Jayden an, was sich für ihn verändert hat.“

„Wer ist Jayden?“, fragte Mr. Hamilton.

„Ein weiterer Cousin von mir.“

„Wie viele seid ihr denn?

„Mit Gregory wären wir jetzt vier! Jayden hat noch eine jüngere Schwester namens Molly.“

„Jack, du gehst jetzt zu Gregory und ich werde den Hamiltons die Familie erklären.“

„Ähm… ja, nur…?

„Willst du jetzt auf einmal nicht mehr?“, kam es von Mr. Hamilton.

„Nein, das ist es nicht…, wo muss ich denn hin? Ich kenne mich hier nicht aus?“

„Treppe rauf, zweites Zimmer links!“

*-*-*

Während ich die Treppe hinauf lief, hörte ich Mum unten reden. Oben angekommen, schaute ich mich kurz um. Zweites Zimmer links hatte er gesagt. Vor der besagten Tür des Zimmers, lauschte ich erst mal, ob ich drinnen etwas hören konnte.

Ich klopfte, aber nichts war zu hören. So klopfte ich abermals und lauschte wieder. Keine Reaktion kam. So drückte ich die Türklinke hinunter und schob die Tür etwas auf.

„Gregory?“

„Was willst du, lass mich alleine!“, hörte ich Gregorys verweinte Stimme.

„Gregory, bitte! Darf ich rein kommen und mit dir reden?“

Ich machte einen Schritt nach vorne, um Gregory sehen zu können. Er lag auf einem Bett und hatte das Gesicht im Kissen vergraben.

„Was gibt es da noch zu reden?“

„Vieles!“

Er zuckte zusammen, er hatte anscheinend bemerkt, dass ich nun im Zimmer stand. Ich schloss hinter mir die Tür und suchte eine Sitzmöglichkeit. So wie bei mir, gab es da nur dem Stuhl vor dem Schreibtisch.

Ich sah mich weiter im Zimmer um, während ich mich darauf niederließ. Gregory richtete sich auf und setzte sich hin.

„Was soll es da noch viel zu reden geben?“

Er hatte seine Brille nicht mehr auf und wischte sich über seine Augen. Ich stutze. Mit dem Wirren Haar, sah er fast aus wie ich.

„Was ist…, warum starrst du mich so an?“

„Ähm…, weißt du, dass wir uns verdammt ähnlich sehen?“

„Hä?“

„Mit deinen wirren Haaren und ohne Brille, ähnelt dein Aussehen meinem!“

Darauf sagte er nichts, er versuchte nur, seine Haare glatt zu streichen.

„Gregory, es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe…, aber ich wollte nur ehrlich sein.“

Als er darauf nichts sagte, erzählte ich ihm, was seit den Ferien im Herbst alles passiert war. Auch das ich mit Taylor zusammen war. Er hörte die ganze Zeit zu, ohne mich zu unterbrechen.

Nur an seiner Gesichtsmimik erkannte, dass es ihm nicht egal war, was ich da alles erzählte.

„Diese Familie ist durch geknallt!“, war das erste, was er nun sagte.

Ich nickte.

„Und dein Großvater will mich nun kennen lernen?“

„Es ist auch dein Grandpa!“

Er seufzte, rieb sich durchs Haar, dass es wieder wirr ab stand.

„Hast du eigentlich nur die Brille?“

„Nein, ich habe auch Kontaktlinsen, die ich aber nicht lange tragen kann, ich bin es noch nicht gewohnt.“

„Dann mach sie rein.“

„Warum?“

„Damit du etwas siehst, wenn wir wieder hinunter gehen und ich die Reaktion sehen will, wenn sie uns beide nebeneinander sehen.“

„Du bist verrückt!“

Es war das erste Mal, dass ich Gregory lächeln sah.

„So wie der Rest der Familie“, grinste ich zurück.

Er Stand auf, hielt aber inne.

„Ihr wollte mich wirklich bei euch wohnen lassen?“

„Ja.“

„Und ich müsste nichts bezahlen?“

„Ja!“

„Und in der Schule würden wir uns auch kennen?“

„Ja, du bist schließlich mein Cousin.“

Er verschwand kurz aus dem Zimmer.

*-*-*

Mum verschluckte sich an ihrem Glas Wasser, dass sie gerade trank, als wir beide gemeinsam wieder den Wohnraum betraten. Mrs, Hamilton fing a zu lächeln.

„Wow, seht ihr euch ähnlich“, sagte Mum.

„Das ist mir vorhin schon aufgefallen“, sagte Mr. Hamilton.

Er schien sich beruhigt zu haben, stand auf und trat vor mich.

„Jack, ich möchte mich bei dir entschuldigen, dass ich vorhin so unwirsch zu dir war?“

„Sie brauchen sich doch nicht bei mir zu entschuldigen, ich verstehe sie doch.“

„Deine Mutter hat uns alles erzählt, so verstehe ich auch ein wenig dich, warum du Gregory unbedingt die Wahrheit sagen wolltest.“

„Sie sind mir nicht mehr böse?“

„Nein, wie gesagt, ich verstehe jetzt deine Beweggründe.“

Ich lächelte erst ihn dann Gregory an.

„Es bleibt nur die Frage, ob uns unser Enkel verzeihen wird, dass wir ihm nichts erzählt haben.“

Mrs. Hamilton sah Gregory erwartungsfroh an.

„Großvater, ich bin euch nicht böse und möchte mich entschuldigen, dass ich euch vorhin das angefahren habe.“

„Und wärst du damit einverstanden, bei Jack und seiner Mutter einzuziehen, denn deine Großmutter und ich hätten nichts dagegen.“

Gregory lächelte wieder.

„Nein habe ich nicht, würde mir sogar gefallen und Jack könnte mir beim Lernen helfen, oder Hausaufgaben mit mir zusammen machen.“

Mist, das war ein Eigentor, aber wenn es einem guten Zweck diente, warum nicht.

„Jungs, wir sollten langsam aufbrechen, euer Großvater hat seinen Tee gerne pünktlich.“

„Pünktlichkeit ist wichtig!“, sagte Mr. Hamilton.

Ich drehte mich zu Gregory.

„Hast du einen ähnlichen Pullover wie ich?“

„Ja, aber der ist etwas bedruckt.“

„Was hast du vor, Junior.“

„Mir einen kleinen Spaß machen!“, grinste ich in die Runde.

*-*-*

Bei der Verabschiedung war auch Mrs. Hamilton aufgestanden, meine Hände in dir ihre genommen und sich noch einmal bei mir bedankt. Nun saßen ich wieder neben Mum, Gregory hinten und waren auf dem Rückweg. Er war nervös und Mum grinste die ganze Zeit neben mir.

„Jack, du bist ein Glückskind, weißt du das?“

„Wieso“, fragte ich und schaute zu ihr hinüber.

„Als Gregorys Großvater aufstand und sich vor dir aufbaute, dachte, er macht dich einen Kopf kleiner!“

„Mein Großvater verabscheut Gewalt“, kam es von der Rückbank.

„Bedrohlich sah er aber trotzdem aus. Aber ich verstehe es, deine Großeltern haben viel auf sich nehmen müssen, wegen… deiner Mutter.“

„Ist sie da?“

„Deine Mutter?“, fragte ich.

„Ja…“

„ Nein, sie ist nach dem Heilig Abend einfach abgereist, in aller Herrgotts Frühe.“

Gregory atmete tief durch.

„Gregory, eins verspreche ich dir“, kam es nun von Mum, „du brauchst sie nicht zu treffen! Das verspreche ich dir!“

„Meine Mutter scheint wohl nicht sehr beliebt zu sein.“

„Sagen wir mal so…, sie ist schwierig im Umgang und hat sich seit damals nicht verändert.“

„Aha…“

*-*-*

Als wir ausstiegen, sah ich Taylor, gerade aus dem Stall kommen.

„Taylor!“, rief ich.

Er schaute auf und sah zu uns herüber. Erst lächelte er, blieb aber dann rück artig stehen. Verwundert kam er auf uns zu.

„Du… du hast noch… einen Bruder…, davon hast du… gar nichts erzählt!“, stotterte er.

Mum fing an zu lachen und umrundete den Wagen. Ich grinste ebenso und gab Taylor ein Küsschen auf die Wange zur Begrüßung.

„Taylor, darf ich dir Gregory meinen Cousin vorstellen? Gregory, das ist Taylor mein Freund.“

Beide schüttelten sich stumm die Hände.

„Verblüffend…“, sagte mein Schatz dann nur, „er würde wirklich als dein Zwillingsbruder durchgehen!“

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