Gebannt schaute ich wie die anderen auf den Monitor. Spencers Staffel näherte sich unaufhörlich dem Feind. Bis jetzt schienen sie noch nicht entdeckt worden zu sein.
„Sir, ein Notruf über die Direktleitung“, meldete sich Mac Neal zu Wort.
„Spencer?“
„Nein, ein Schiff der Croudklasse. Fassungsvermögen 250 Passagiere mit dreißig Mann Besatzung… leichte Bewaffnung. Status schwere Schäden am Antrieb, Hüllenbruch möglich.“
Der Gegner machte also keinen Unterschied zwischen Frachter oder Kampfschiffen.
„Keine Begleitschiffe?“, fragte ich.
„Nein Sir“, meldete Mac Neal.
Sie sind wahrscheinlich zerstört worden. Aber was machten wir nun, ohne entdeckt zu werden. Spencer wollte ich nicht zurückrufen.
„Feind eröffnet das Feuer“, kam es von Mac Neal.
„Empfange Funksprüche, Sprache unbekannt“, meldete CO Shown, „aber nach dem Sprachmuster zu urteilen, scheint da jemand sehr verärgert zu sein.“
„Spencer erwidert das Feuer und scheint die Fremden gescannt zu haben, es werden Daten übermittelt“, meinte Mac Neal.
„Da hätten wir die Erklärung, warum die das Feuer eröffnet haben“, sagte ich und schaute wieder zu Gabriel, der ruhig an seiner Konsole saß.
„Daten angekommen und werden auf den Hauptschirm gelegt“, sprach Gabriel nun doch.
Es wurden die Details der feindlichen Schiffe angezeigt.
„Lebenszeichen null“, sprach Gabriel weiter, „was wir natürlich als Lebensformen bezeichnen würden.“
Das Bild des Hauptschirms wechselte wieder auf Außensicht und man konnte die Kampfhandlungen beobachten. Der Gegner schien wahllos ins All zu schießen, als könnten sie Spencer und seine Leute nicht orten.
„Sir, Leutan meldet sich über die Comleitung“, sagte Gabriel.
„Ja, Leutan, hier Commander Clifferton.“
„Commander, verzeihen Sie, dass ich Sie direkt störe, aber ich denke, Sie könnten meine Hilfe brauchen… im Bezug auf die Hyrditen.“
„Hyrditen?“
„Unsere Bezeichnung für das Volkes, das gewillt ist, die Station zu verteidigen.“
Ich wollte jetzt nicht hinterfragen, woher er diese Information hatte, oder woher er dieses Volk kannte.
„Wäre es Ihnen möglich, auf die Brücke zu kommen?“, fragte ich höflich.
„Sir, dass verstößt gegen die Sicherheitsbestimmungen“, meldete sich Darwsen zu Wort, die bisher in Stille diesem Treiben ihr Augenmerk zugedacht hatte.
„Welche ich im Bezug auf Leutan soeben aufgehoben habe“, meinte ich.
„Ich bin sofort bei Ihnen, Commander“, meldete sich Leutan ein letztes Mal.
„Sir“, rief Cat Shown dazwischen, „der Antrieb des Frachters versagt, Hülle aber noch stabil.“
Die Zeit drängte. Das Schott öffnete sich und Leutan betrat die Brücke.
„Leutan…“
Er nickte mir zu und lief direkt zu Gabriel.
„Staffone Fontaine, bitte weisen Sie Mr. Spencer an, seinen Schild abzuschalten“, sprach Leutan.
Gabriel schaute mich an.
„Staffone…“, sagte ich und nickte.
„Aber Sir“, warf Cat ein, „das ist Selbstmord!“
„Co Shown, Leutan wird wissen, was er macht.“
„Ensign Spencer, schalten Sie ihren Schutzschild ab“, hörte ich Gabriels verzerrte Stimme.
„Seid ihr verrückt?“, kam es über die Comleitung.
„Spencer, das ist ein Befehl“, bestärkte ich Gabriels Worte.
„Aye Sir!“
Mein Blick fiel auf Leutan, dessen Blick auf dem Monitor ruhte. Was und wer war Leutan, er kam mir plötzlich so fremd vor. Was wusste er?
„Sir, Spencer hat seinen Schutzschild deaktiviert“, meldete Mac Neal.
Gespannt schaute ich auf den Schirm. Mich wunderte, dass Spencers Schiff nicht einen Treffer abbekommen hatte.
„Was wird nun?“, fragte ich, meine Frage war an Leutan gerichtet.
„Unsere Freunde werden das tun, was sie immer getan haben, uns verteidigen“, antwortete Leutan ruhig.
„Freunde?“
Mein nektrotonischer Freund sprach in Rätseln. Es war Zeit für Erklärungen, doch ich wusste auch, dass jetzt nicht der Augenblick für lange Erzählungen war.
„Sir, die Angriffe der gegnerischen Schiffe werden weniger…“, kam es von Mac Neal.
„Was?“
Leutan verzog seinen Mund und ich glaubte, so etwas wie ein Lächeln erkennen zu können. Deutlich konnte man sehen, wie die Kampfhandlungen nachließen, bis sie letztendlich ganz eingestellt wurden.
Eine Schiffsignatur nach der anderen verschwand vom Schirm.
„Sir, die gegnerischen Schiffe verlieren ihre Energiefelder. Sie scheinen sich regelrecht aufzulösen“, war Spencers Stimme zu hören.
Ich schaute zu Leutan, der zufrieden nickte.
„Ich glaube, wir sollten uns einmal näher unterhalten, Leutan.“ Er nickte. „Mac Neal, veranlassen Sie die Rettung des in Not geratenen Schiffes. Staffone, Sie begleiten uns bitte.“
„Aye Sir!“, meldete sich Gabriel.
„Cat, Sie haben die Brücke!“
„Aye Sir.“
*-*-*
„Die Hyrditen leben schon sehr lange mit uns in der Gemeinschaft.“
Leutan stand wieder hinter seiner Theke und bereitete etwas zu.
„Angefangen hatte alles, als mein Volk nach einem neuen Planeten suchte, da unser Heimatgestirn zu Grunde ging. Nach langem erfolglosen Suchen fanden wir schließlich am Rande der Galaxie einen kleinen unbewohnten Planeten. Er schien ideal für uns geschaffen zu sein. Viel Wasser und sattes Grün. Das Übersiedeln stellte hohe Anforderungen an unsere Streitkräfte…, letztendlich konnte doch nur die Hälfte unseres Volkes gerettet werden, dann zerbrach unser Planet… Tausende starben.“
„Das tut mir Leid“, sagte ich, „ich hatte damals auf der Akademie davon gehört.“
Leutan nickte mir zu.
„Doch auf dem neuen Planeten begannen Schwierigkeiten. Nektrotonen verschwanden spurlos, andere fand man tot und bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Niemand konnte sich erklären, wie es dazu kam.“
„Und was hat euch schließlich zu den Hyrditen geführt?“, fragte ich.
„Ein Zufall. Da sich die Oberen nicht zu helfen wussten, suchten sie Rat in der Gemeinschaft. Sie forderten Hilfe an.“
„Das große Erbitten beim Rat der Völker…“
Wieder nickte mir Leutan zu.
„Es dauerte nicht lange, bis wir Besuch bekamen und unser Volk von einer wahren Flut von Medizinmenschen heimgesucht wurde. Doch auch von denen verschwanden einige, so dass unser Planet als lebensunwürdig eingestuft wurde. Doch für eine neue Suche fehlten die Mittel und auch die Zeit. Das änderte sich plötzlich, als einer der Verschwundenen wieder auftauchte und noch lebte.“
„Davon habe ich nie etwas mitbekommen.“
„Das wurde so beschlossen, um keine Panik bei den anderen Völkern zu verursachen.“
„Also strikte Geheimhaltung?“
„Ja! Der Gefundene wurde untersucht und schon bald wurden die Hyrditen entdeckt. Es wurde als technische Revolution gefeiert, dass es Wesen gab, die sowohl über biologische und technische Eigenschaften verfügten und diese miteinander verbanden.“
„… und nichts drang nach außen.“
„Nein, zu groß war die Angst, jemand könnte diese Lebensformen missbrauchen.“
„Missbrauchen? Soweit ich das beurteilen kann, kann man diese Lebensformen nicht steuern.“
„Das war ja zu der Zeit noch nicht bekannt, eigentlich nur…, dass der Mensch die einzige kompatible Lebensform für die Hyrditen ist.“
Mein Blick fiel auf Gabriel, der bisher stumm der Unterhaltung beigewohnt hatte.
„Was ist aus dem Überlebenden geworden?“, fragte er nun, wieder mit seiner normalen Stimme.
„Gestorben und noch viele folgten…“
Gabriels Blick wanderte zu mir. Sein Blick war ängstlich und flehend. Mein Augenmerk richtete sich wieder zu Leutan. Er richtete irgendetwas an und stellte zwei Teller vor uns.
„Danke… Leutan, Sie haben bei unserer letzten Unterhaltung etwas von Vertrauen Ihres Volkes zu Gabriel erzählt. Was genau meinten Sie damit?“
Von Leutan ging so etwas wie ein Seufzer aus, wobei ich mir nicht sicher war, ob er überhaupt atmete. Er wischte die Arbeitsfläche ab und legte das Messer zur Seite.
„In meinem Volk hat sich die Kunde hervor getan, dass eines Tages ein Mensch kommen wird, der die Vereinigung mit den Hyrditen überlebt und zum Vermittler zwischen den Völkern aufsteigt.“
Ich wollte nach dieser Antwort nicht in Gabriels Haut stecken. Wobei, wenn dies zutraf, dann würde er als erstes diesen… Befall der Hyrditen überleben.
„Und Sie denken es handelt sich hier um Gabriel?“
„Die meisten denken es…“
„Und Sie?“, fragte ich Leutan direkt.
„Sir, die Geretteten sind nun auf der Station“, unterbrach Mac Neal unser Gespräch.
„Okay, ich komme!“
„Er lebt schon viel länger als die anderen…“, antwortete Leutan plötzlich, „und noch nie habe ich einen solchen Fortschritt an Kommunikation, wie bei Staffone Fontaine gesehen.“
Ob dies Gabriel beruhigte, wusste ich nicht, aber darüber mir den Kopf zu zerbrechen, hatte ich nun keine Zeit mehr… mein Typ wurde verlangt.
*-*-*
„Nein, darum muss sich jetzt jemand anderes kümmern… Soll Darwsen sich damit auseinander setzen, dafür habe ich keine Zeit!“
„Sir, in den unteren Decks ist das Chaos ausgebrochen…“
„Cat, unterrichten Sie Chief O’Kingley, er soll seine Reserven mobilisieren. Es wird doch nicht so schwierig sein, 200 Verletzte zu verarzten. Dann muss eben die freie Schicht auch wieder her.“
„Aye Sir!“
„Soll ich nicht doch vielleicht…“, begann Gabriel neben mir zu sprechen.
„Nein, ich brauch dich hier bei mir…, besser gesagt, bei Dr. Ross. Spencer hat einen dieser… ähm… Fremden mitgebracht und ich würde gerne wissen, ob unsere… mechanischen Freunde, dir etwas über diese Rasse mitteilen können.“
„Peter…, ich habe Angst.“
Ich stoppte und drehte mich zu Gabriel.
„Ich weiß dass du Angst hast, die hätte wahrscheinlich jeder in deiner Situation. Aber denke auch an die Worte von Leutan, wenn du wirklich der Auserwählte bist…“
„… und wenn nicht? …was dann?“, unterbrach er mich.
Ich legte meine Hand auf seinen Nacken.
„Gabriel, ich gehe einfach nach meinem Gefühl“, zeigte dabei auf meinen Bauch, „das hat mich bisher noch nie im Stich gelassen.“
Gabriel nickte, aber überzeugt hatte ich ihn sicherlich nicht. Wir liefen weiter und fuhren dann mit dem Lift auf das medizinische Deck. Hier war wie angekündigt die Hölle los. Überall lagen, saßen oder standen Verletzte.
Zielstrebig lief ich zu Dr. Ross’ Laboratorium, wo ich sie auch vermutete. Dort angekommen öffnete sich automatisch das Schott.
„Dr. Ross, können Sie mir schon etwas sagen?“, fragte ich, als ich die Dame an ihrem Computer entdeckte.
„Reden Sie vom akuten Mangel an Medikamenten, jede Menge Verletzte, die meine Hilfe brauchen, oder von diesem übelriechenden Steinhaufen auf meinem Op-Tisch?“
„Eilieen, ich weiß, Sie…“
„Schon gut, Peter. Das hier hat Vorrang.“
„Ich könnte helfen…“, meinte Gabriel plötzlich.
Beide schauten wir zu ihm.
„Staffone Fontaine, mir ist nicht bekannt, dass Sie ein medizinisches Studium belegt haben, oder gar desgleichen abgeschlossen hätten“, meinte Dr. Ross und schaute von ihrem Monitor auf.
„Ich weiß nicht wie…, aber ich verfüge über alle medizinischen Kenntnisse, um Notfälle oder anderes zu behandeln.“
Eilieen zog ihre Brille ab und stand auf.
„Wollen Sie damit sagen, diese MO’s haben Ihr Wissen in diese Richtung ebenfalls manipuliert?“
„Nein. Die Hyrditen manipulieren niemanden.“
„Hyrditen?“, fragte Eilieen verwirrt.
„Leutan, Botschafter der Nektrotonen hat uns dies erzählt“, erklärte ich.
„Leutan… ist Botschafter…? Ich dachte immer, er ist der kleine Ladenbesitzer mit diesen umwerfenden Köstlichkeiten.“
„Das auch.“
„Und was hat ihnen Leutan noch erzählt?“
„Dass Staffone Fontaine der erste Mensch ist, der diese Vereinigung bisher überlebt hat.“
„Es wurden noch mehr infiziert?“
Ich nickte.
„Und warum weiß ich davon nichts? Das ist nirgends in den Daten erwähnt worden.“
„Dies wird auch wahrscheinlich in keiner der medizinischen Daten auftauchen…, es wird schlicht weg geheim gehalten. Und soweit es geht, sollten wir das mit Mister Fontaine auch tun. Ich möchte kein Versuchsobjekt aus ihm machen.“
„So etwas kann man nicht geheim halten. Sicher weiß es schon die ganze Station.“
„Es muss ja nichts von dieser Station gelangen.“
„Und wie wollen Sie das bitteschön anstellen?“
„Das lassen Sie meine Sorge sein…, aber was viel wichtiger ist, haben Sie etwas über den Fremden heraus bekommen?“
Eilieen schaute mich lange an und schüttelte den Kopf. Sie zog wieder ihre Brille an und wandte sich zu dem Fremden.
„Alter und Herkunft kann nicht bestimmt werden…, sein Körper scheint aus einem steinähnlichen Material zu bestehen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob dies immer so ist. Genauso wenig, ob er wirklich tot ist, oder je am Leben war… was wir so unter Leben verstehen.“
„Und dieser Geruch?“, fragte ich.
„Kann ich ebenso nicht definieren. Er ist einfach da, obwohl ich keine geruchsfördernden Verbindungen finden kann.“
„Staffone?“, fragte ich und schaute zu ihm.
Er nickte und trat vor.
„Können die Hyrditen Ihnen irgendetwas mitteilen?“
Eilieen schaute mich verwundert an, aber schwieg. Gabriel legte seine Hand auf das Wesen und schloss die Augen. Ein seltsames Glühen an dieser Stelle ließen Eilieen und auch mich etwas zurück weichen.
„Sie speisen sich mit einer uns unbekannten Energie, die die Hyrditen absorbieren konnten. Ohne diese Energie erstarrt deren Körper zu einer Art Stein…“
Das Glühen hörte auf und der Körper des Fremden zerfiel, bis nur noch ein Haufen aus dunklem Sand auf dem Tisch lag.
„Was war das?“, fragte ich.
„Der Körper zerfällt ohne diese Energie“, antwortete Gabriel.
„Aber wie konnten Sie…, ich meine, Sie haben das alles über diese… Hyrditen erfahren?“, fragte Eilieen.
„Ja.“
Eilieen schaute mich an.
„Was wissen Sie noch über diese… Hyrditen?“, stellte Eilieen ihre Frage an mich.
„Nicht viel… eigentlich habe ich Ihnen schon alles Notwendige erzählt. Bisherige Versuche, sich mit Menschen zu vereinigen, schlugen fehl. Der Mensch scheint auch das einzige Lebewesen zu sein, mit dem sich die Hyrditen zusammen tun können.“
„Und was ist mit Staffone Fontaine, ihm scheint es sehr gut zu gehen.“
„Leutan meint, er wäre der erste, dessen Beschaffenheit für die Hyrditen geeignet ist.“
„Aha…, meint dieser Leutan also.“
„Ähm… Verzeihung… wenn ich Ihr Gespräch unterbreche…, aber könnten Sie vielleicht mit mir reden und nicht von mir… als wäre ich nicht in diesem Raum vorhanden?“, meldete sich Gabriel zu Wort.
„Entschuldigen Sie Staffone Fontaine, das ist sonst nicht meine Art. Aber dies alles übersteigt etwas meinen Horizont. Ich schlage vor, wir werden Sie weiterhin regelmäßig untersuchen… mehr kann ich, denke ich mal, vorerst eh nicht tun.“
„Danke.“
„Wieso danke?“
„Dass Sie sich so sehr um mich bemühen.“
„Staffone Fontaine, das ist hier mein Job. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, meine Hilfe wird noch woanders gebraucht.“
„Kann ich Ihnen zur Hand gehen?“, fragte Gabriel.
Er schaute mich dabei fragend an und ich nickte.
„Ich bin auf der Brücke, wenn etwas sein sollte.“
*-*-*
In der ganzen Aufregung hatte ich kein einziges Mal an Arndt gedacht, obwohl ihm Gabriel so ähnelte. Die kleine Krise auf den unteren Decks war mittlerweile Dank Lewis bewältigt worden und man konnte, so weit es möglich war, zum normalen Dienst übergehen.
Dass sich die Größe der Station fast verdoppelt hatte, machte mir keine Sorgen, sondern viel mehr die Tatsache, dass wir nicht wussten, was uns weiterhin erwartete. Sicher würden diese Fremden irgendeinen Suchtrupp losschicken, wenn ihre Schiffe nicht zurück kehrten.
Noch konnte mir Dr. Ross sagen, ob es Gabriel gut ging, oder schlecht. Einzig diese Präsenz der Hyrditen war eine feste Tatsache, die unwiderrufbar war. Ich hatte mir erlaubt, mich etwas hinzulegen und hoffte dieses mal, nicht wie so oft, wieder gestört zu werden.
Doch weit gefehlt. Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, ertönte ein Rufzeichen – man verlangte nach mir.
„Ja?“, rief ich genervt.
„Commander, es melden sich immer mehr Schiffe bei uns an, die andocken möchten“, meldete sich Spencer.
„Wo liegt das Problem?“
„Wir haben keinen Platz mehr…, die Hanger sind voll.“
„Mit was für einer Begründung plötzlich dieser Andrang?“
„Wir scheinen die Helden zu sein, im Kampf gegen den Feind.“
Ich seufzte.
„Sir“, meldete sich CO Shown zu Wort.
„Ja?“
„Flottenkommandeur T. H. Hornwell hat sich angekündigt.“
Auch das noch. Gerade den, den ich am wenigsten brauchen konnte. Er hatte mich mit seiner arroganten Art schon oft zur Weißglut gebracht.
„Ich bin gleich da… auf welchem Deck kommt er an?“
Ich konnte ein leises Kichern von Spencer hören.
„Da ist ein kleines Problem, Sir“, sagte Cat, „er steht wie die anderen in der Schlange.“
Blieb mir denn nichts erspart. Ich hoffte inständig auf eine Lücke, an der Hornwell andocken konnte. Mittlerweile war ich schon im Lift auf dem Weg zur Brücke.
„Sir“, kam es von TO Forester, „ich glaube, ich habe die Lösung des Problems.“
„Das wir nicht in den galaktischen Nachrichten mit einem Stau auftauchen?“
In den geschichtlichen Studien früher wurde auch die Verkehrssituation auf der Erde durchgenommen. Ich konnte mich gut über die Staumeldungen erinnern, die es früher gab.
„Stau… Sir?“
„Schon gut. Wie wollen Sie das Problem lösen?“
„Nicht ich…, die Hyrditen haben es gelöst. Wir haben einen komplett neuen Hanger auf Ebene 43, alle Systeme laufen…“
„… na also, dann rein mit ihnen und Cat, bitte zuerst unseren guten Hornwell.“
„Aye Sir.“
„TO Forester, könnten Sie mir eventuell mitteilen, wo sich der neue Hanger befindet? Man sollte vielleicht einen Lageplan entwerfen.“
„Deck 17a Sir.“
„Deck 17a? Nun ja, ich frag mal lieber nicht nach, wie viele Deckbezeichnungen neu dazu gekommen sind.“
„Genau dreiundzwanzig, Sir.“
Nun war ich doch etwas sprachlos.
„… okay.“
„Finden Sie den neuen Flughanger, oder soll ich Ihnen jemanden schicken?“
„Ich melde mich wieder, wenn ich mich verlaufen habe.“
Den Weg zu Deck 17 kannte ich ja. So machte ich mich auf und lief meine Route, wie ich es gewohnt war. Bald aber merkte ich, dass ich damit nicht weit kam. Ich erkannte Flure nicht, Weggabelungen waren mir völlig unbekannt.
„Kann mir mal bitte jemand sagen, wo ich mich befinde?“
Einen Augenblick war es ruhig auf meinem Kommunikator, bis sich schließlich NO Mac Neal meldete.
„Auf Deck 17 südlicher Flügel.“
„Und wie komme ich zu Deck 17a?“
„Den Flur weiter dann zwei mal rechts, Sir… halt, einmal rechts und einmal links. Verzeihen Sie Sir, aber die Flure ändern sich ständig.“
„Bin ich eigentlich der Einzige, der hier verloren geht?“
„Nein Sir, wir haben ständig Anfrage über Standorte.“
„Dann bin ich aber beruhigt. Ich melde mich wieder.“
„Aye Sir.“
Ich lief, wie mir vorgeschlagen wurde, den Flur entlang, bog rechts ab und dann wieder links und stand in einer Sackgasse.
„Äh… Mac Neal… da ist der Flur zu Ende.“
„Sir, aber Sie befinden sich direkt vor dem Hanger.“
„Ein Hanger ohne Schott wohl bemerkt.“
„Hier ist ein Schott angegeben.“
Ich wollte gerade antworten, als sich vor meinen Augen plötzlich ein Schott bildete. So langsam wurden mir diese kleinen Biester doch etwas unheimlich.
„Das Problem hat sich erledigt Mac Neal, aber danke.“
„Okay Sir. Das Shuttle des Flottenkommandeurs T. H. Hornwell landet gerade.“
„Danke nochmals.“
Ich durchschritt den nun vorhandenen Schott und fand mich zum ersten Mal im neuen Hanger wieder. Er war viel größer ausgelegt als die ursprünglich vorhandenen und konnte auch Schiffe der mittleren Klassen gut aufnehmen.
Mir fiel das angedockte Schiff ins Auge und ich sah, wie sich gerade die Schleuse öffnete. Flottenkommandeur T. H. Hornwell trat heraus und zog seine Uniform zu Recht. Er sah so aus wie immer.
Wenn man sich eine Kugel mit zwei kleinen Beinen und Armen vorstelle, so konnte es sich nur um ihn handeln. Abschließend fehlte noch der fast kahl geschorene Kopf, der auf einem viel zu kleinen Hals ruhte.
Ich war froh, dass wir die Flottenuniform hier abgeschafft hatten und durch leichte und besser aussehende Uniformen ersetzt hatten. Bei Hornwell baumelten natürlich die Orden an der Brust, die im vielen Licht imposant funkelten. Aber dies beeindruckte mich schon lange nicht mehr. Als Commander dieser Station hatte ich einen höheren Rang als mein lieber Kollege.
Ich glaube, Hornwell hatte mir bis heute noch nicht verziehen, dass man mir die Stelle gegeben hatte und nicht ihm. Aber auch dies war mir egal, ich konnte damit leben.
„Commander Clifferton, welch Überraschung, dass Sie mich höchstpersönlich begrüßen!“
„Aber das ist doch selbstverständlich Commander Hornwell.“
Jeder im Umkreis von ein paar Metern musste die Spannung, die zwischen uns in der Luft lag, deutlich spüren.
„Was verschafft mir die Ehre?“, fragte ich.
„Ich wurde zum Schutz der Station Taurus 9 abkommandiert. Seit den kriegerischen Handlungen in den Außenbezirken scheint Ihre Station an Wichtigkeit gewonnen zu haben.“
Immer diese kleinen Nebenhiebe.
„Ja, jeder wie er es verdient. Mir ist gar nichts davon bekannt, dass wir einen Schutz bekommen, bisher haben wir keine Meldung bekommen.“
„Das wurde kurzfristig entschieden… kommt sicher noch. Zudem waren Sie eine Zeitlang vom Schirm verschwunden, man befürchtete Schlimmstes.“
„Wir haben eine neue Technik versucht und haben die Station verschwinden lassen.“
„Die ganze Station?“
„Anscheinend mit Erfolg, da sie uns ja nicht orten konnten.“
Hornwell Gesichtsausdruck wurde finster.
„Mir war auch nicht bekannt, dass ihre Station erweitert würde… fast um das Doppelte, wie ich sehen konnte.“
„Es könnte ja sein, dass die Meldungen abgehört werden und verschlüsselt verschickt wurden, vielleicht ist deswegen noch nichts bis zu Ihnen durchgedrungen.“
Diese Antwort schien ihm ebenso nicht zu schmecken.
„Wäre es möglich, einen kleinen Rundgang zu starten?“, fragte er mich plötzlich.
Mist! Eiskalt erwischt. Wie sollte ich ihm etwas Neues zeigen, wenn ich selber nicht mal wusste, was wir hier hatten. Aber wie durch ein Wunder erschien in diesem Augenblick SO Kate Darwsen.
„Sir, wenn Sie möchten, kann ich unseren Gast herumführen.“
Sie machte einen kleinen Diener vor Hornwell.
„Security Officer Kate Darwsen, Sir”, stellte sie sich vor und reichte ihm die Hand.
„Danke SO, ich nehme Ihren Vorschlag gerne an“, meinte ich.
„Peter, ich wusste gar nicht, dass sie so hübsche Offiziere an Board haben“, schleimte Hornwell neben mir.
Tja, zu diesem Thema konnte ich nun wirklich nichts sagen, Darwsen sah für mich aus wie immer.
„Sir“, wandte sich Darwsen an mich, „TO Forester bat mich Sie zu fragen, ob Sie im Maschinenraum vorbei schauen könnten, wenn es zeitlich passt.“
„Mache ich sofort. Okay Hornwell, wir sehen uns nachher auf der Offiziersmesse zum Essen.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, lief ich wieder zum Schott zurück und überließ Darwsen ihrem Schicksal. Im Flur angekommen hatte ich das gleiche Problem wie vorhin… wie kam ich zum Maschinenraum?
„Mac Neal“, schrie ich schon fast in meinen Kommunikator.
„Maschinenraum…“, sagte ich nur.
„Sir, folgen Sie einfach der gelben Linie…“
Gelbe Linie?
„… unten rechts an der Lichtleiste.“
Ah, dort war tatsächlich eine gelbe Linie zu sehen.
„Gute Idee, Mac Neal… sehr gute Idee.“
„Bedanken Sie sich bei den Hyrditen, die Idee stammt nicht von mir.“
„Okay…, bin dann auf dem Weg zum Maschinenraum.“
„Aye Sir.“
*-*-*
Ich sollte mir einen Indoorgleiter anschaffen. Die Wege, die ich nun zurücklegte, waren wahrlich recht weit. Etwas außer Puste kam ich endlich am Maschinenraum an und traute meinen Augen nicht.
Ich hatte den Maschinenraum kleiner in Erinnerung, sehr viel kleiner.
„Commander“, sprach mich TO Forester an.
„Was ist denn hier passiert…?“, fragte ich verwundert.
„Größere Station… mehr Energiebedarf.“
„Aber das… sind ja gleich drei Reaktoren…“
„Wie gesagt, durch den Zuwachs um fast das Doppelte ist auch der Energiebedarf enorm gestiegen. Diese kleinen Kerlchen haben es wirklich drauf.“
Skeptisch schaute ich kurz zu Maik, bevor ich weiter in den Maschinenraum lief.
„Brauchen Sie mehr Leute hier unten?“
„Das komischerweise nicht, alles ist recht gut komprimiert worden.“
„Was macht unser Garten Eden?“
Kurz schaute mich Maik verwirrt an, bis ihm klar wurde, nach was ich gefragt hatte.
„Da müssen wir den Maschinenraum wieder verlassen.“
„Aha…“
Ich folgte ihm durch mehrere Flure, bis wir an ein großes Sichtfenster kamen.
„Garten Eden!“, meinte Maik.
Wieder war ich total verblüfft. Der erste Anblick dieses Gartens war ja schon bewegend gewesen, aber nun stand ich vor einer ganzen Ebene… ein komplettes Deck nur grün.
„Das ist ja riesig.“
„Ja Sir.“
Er bewegte sich nach vorne und das Schott öffnete sich automatisch. Entgegen kam uns ein betörender Duft von Früchten und Blumen.
„Der helle Wahnsinn…“, rutschte es mir heraus.
„Das dachte ich auch, Sir. Aber kommen Sie mit Sir, ich habe Ihnen noch etwas zu zeigen.“
Ich folgte ihm auf einem Pfad in diesen Dschungel hinein. Mein Blick haftete auf seinem Rücken und wanderte leicht nach unten. Bisher war mir Maik noch nicht sonderlich aufgefallen, aber nun bemerkte ich seine sportliche Figur.
Als er einen Palmwedel auf die Seite schob, standen wir plötzlich vor einem Apfelbaum, dicht daneben konnte ich Bananen wachsen sehen.
„Aber woher wussten die Hyrditen…?“
„… Sir, Sie vergessen unsere Datenbänke…“
„Stimmt, an die hatte ich nicht gedacht.“
Wieder erwischte ich mich, wie meine Augen an Maik haften blieben, aber diesmal fixierten sie seine Augen. Dieses tiefe Braun zog mich magisch an und fast hätte ich mich darin verloren, wenn Maik nicht angefangen hätte, so breit zu grinsen.
„Alles klar?“, fragte er.
„Äh… ja, klar.“
Wir liefen noch eine Weile durch das Gehölz.
„Maik, darf ich Sie etwas fragen?“
„Klar, Sie sind der Chef.“
„Nein, ich meine etwas Privates.“
Maik blieb stehen und nickte.
„Warum haben Sie keinen Anhang. Ich meine, viele hier haben Familie oder zumindest einen Partner.“
„Sie wissen nicht über mich Bescheid? Also ich dachte, das hätte schon lang seine Runde gemacht und wäre auch bis zu Ihnen vorgedrungen.“
„Was meinen Sie?“
„Ja… ähm… ich bevorzuge mein… eigenes Geschlecht.“
Maik war schwul? Holla die Waldfee… hm, wen hatte ich dies erst vor kurzem sagen hören?
„Ja und…? Hier laufen Männer haufenweise herum, wo ist das Problem?“
„Ich habe den Richtigen noch nicht gefunden. Die Meisten sind mir zu jung… haben andere Interessen. Wer will schon mit einem älteren Technikfreak etwas zu tun haben…“
„Das kann ich nachvollziehen.“
Maik drehte sich um und lief weiter. Ich schaute ihm kurz hinter her, bevor ich ihm folgte. Sein leichter Gang ließ nicht darüber hinweg täuschen, dass Maik gut gebaut war, wenn nicht sogar richtig muskulös.
Etwas, was mir sehr gefiel, das gestand ich mir ein. Was würden andere denken, wenn ich mit TO Forester Hand in Hand herumlaufen würde?
„Warum fragen Sie, Sir?“
Maik riss mich aus dem Gedanken.
„Nur interessenhalber…, sehe Sie oft alleine.“
„Das Los eines Cheftechnikers…“
Das hörte sich etwas verbittert an.
„Wird sich sicher etwas finden…“
„Glauben Sie? Stimmt, es gibt viel Auswahl, aber ich habe keine Kontakte, auch wenn ich schon lange auf der Station bin. Aber es schrecken eben viele ab, wenn sie einen Vorgesetzten vor sich haben.“
„Da gebe ich Ihnen Recht.“
„Sie werden das doch sicher kennen, Sie sind doch auch solo, soviel ich weiß.“
„Was allerdings andere Gründe hat…“
„Oh, entschuldigen Sie, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“
„Haben Sie nicht.“
„Gut.“
„Zum Ersten habe ich keinerlei Ambitionen zu einer Beziehung, vom akuten Zeitmangel ganz zu schweigen.“
Ich wunderte mich selbst über mich, dass ich hier so offen und frei sprach.
„Verzeihen Sie meine Neugier. Gibt es einen bestimmten Grund, warum Sie keine Ambitionen haben?“
Ich versank kurz in Gedanken, dachte an Arndt, an die schöne Zeit mit ihm. Maik schaute mich unsicher an.
„Es starb jemand, wegen meiner Ungewissheit“, begann ich, „… das möchte ich niemandem noch einmal antun.
Ich senkte den Kopf und schaute auf eine lila Blüte.
„Das tut mir Leid, Sir. Aber denken Sie nicht… ich meine, ich weiß nicht wie lange das her ist…, aber strafen Sie sich nicht schon lange genug damit?“
„Ich weiß es nicht, Maik.
*-*-*
„Sir, alle drei Schiffe der Fremden sind jetzt angedockt, die Bergungsmannschaften sind zurück.“
Drei Schiffe mehr wären ja nicht schlecht. Aber ich wusste nicht, wie das unsere kleinen Freunde sahen. Die Gefahr, dass sie auch diese wie die Prestige einfach zerfraßen, war groß. Waren es doch Schiffe, die uns feindlich gesinnt waren.
Bis jetzt schien aber alles ruhig zu sein.
„Sir?“
Ich erschrak etwas, da mich die Gedanken um die Schiffe aus meiner Umwelt entrückt hatten. Neben mir stand Gabriel.
„… ja?“
„Ich dachte, Sie sollten das auch sehen…“
„Was?“
Gabriel hielt mir eine Karte oder einen Ausweis entgegen.
„Was ist das?“
Er antwortete nicht, sondern hielt mir nur das Teil entgegen. Ich konnte es als einen Ausweis identifizieren. Das Bild war leicht verschmort, war nicht mehr zu erkennen. Doch plötzlich stockte ich, als ich den Namen las.
„Wo haben Sie den her Staffone Fontaine?“, fragte ich Gabriel ungläubig.
„In einer Kiste bei den Fremden…“
Um nicht die Aufmerksamkeit der anderen auf uns zu ziehen, beschloss ich, Gabriel mit in die Offiziersmesse zu nehmen. Das Essen mit Hornwell stand ja noch aus.
„Spencer, Sie haben die Brücke!“, rief ich und verließ selbige zusammen mit Gabriel.
Im Lift holte ich die Karte noch einmal hervor.
„Das kann doch nicht wahr sein…“, stammelte ich.
„Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, sagte Gabriel.
„Eine Fälschung…?“
„Nein…, ich habe es überprüft. Die Identkarte ist echt. Ausgestellt vor vier Jahren auf der Erde.“
Ich las erneut den Namen. Arndt Fontaine.
„Das ist ein sehr schlechter Witz“, gab ich von mir.
„Die Leiche wurde nie gefunden…“
„Aber…, warum? Ich verstehe nicht.“
„Soll ich weitere Nachforschungen anstellen?“
Ich nickte. Arndt lebte? Ich wusste im Augenblick nicht, was ich noch denken sollte. Wurde deswegen damals versucht, mich von der Beerdigung fernzuhalten? Im Bericht stand, es waren keine Überreste von Arndt gefunden worden, die Explosion hatte alles vernichtet.
Lediglich kleine Fragmente seines Gleiters wurden identifiziert. Oder machte sich jemand einen schlechten Scherz und benutzte den Namen eines Toten? Ich reichte Gabriel die Karte zurück, nicht ohne noch einmal auf den Namen zu schauen.
Ich spürte Gabriels Unbehagen, dass auch er mit sich kämpfte, keinerlei Gefühlsregungen nach außen zu tragen. Ich beließ es vorerst dabei, nichts mehr dazu zu sagen, bevor Gabriel nicht neue Erkenntnisse gewonnen hatte.
Den Gang in die Offiziersmesse empfand ich als schwer. Ich war mehr oder weniger eigentlich nicht bereit, mich jetzt mit Hornwell auseinander zu setzen. Seine Spitzfindigkeiten hatte ich schon immer über.
Bisher hatte ich es auch immer geschafft, diesen galant den Wind aus den Segeln zu nehmen, ohne irgendwelche Gefühlregungen zu zeigen. Aber das hier war etwas Anderes. Wenig später beim Essen redete fast ausschließlich Mister Neunmalklug Hornwell, zur Belustigung unserer lieben SO Kate Darwsen.
Sie hing an seinen Lippen und mir kam es so vor, als würde sie fast zu ihm hinüber schweben, während Gabriel und ich fast teilnahmslos in unserem Essen herum stocherten. Eigentlich war ich ganz froh, dass Darwsen sich mit Hingabe unseres Gastes annahm, so blieb ich vor ihm verschont.
Als sich Flottenkommandeur Hornwell endlich auf dem Rückflug zu seiner Flotte befand, atmete ich erleichtert aus.
„Hier Chief O’Kingley, Sir ich müsste mit Ihnen reden.”
„Wo kann ich Sie antreffen?“, fragte ich Lewis.
„Ähm… ich bin hinter Ihnen.“
Ich fuhr zusammen. Dachte ich doch, Lewis hätte mich über den Kommunikator angesprochen.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte mich Lewis.
„Ich denke schon. Entschuldige, ich war etwas in Gedanken versunken.“
„Etwas ist gut, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“
„So etwas in der Art…“
„Gehen wir zu dir oder zu mir?“
Da wir näher an Lewis Quartier waren, entschied ich mich für seine Bleibe, auch wenn das hieß, dass ich durch die Ebene der Mannschaft musste.
„Zu dir.“
Ich war nicht oft hier unten, eigentlich so gut wie nie. Ich hörte Gelächter, Musik und andere Geräusche, die ich davon kannte, wenn viele Männer zusammen waren. Natürlich gab es auch eine Menge Frauen bei den Mannschaften, aber die hatten ihre eigene Ebene.
Der Geruch von purer Männlichkeit stieg mir in die Nase und ließ meinen Puls etwas höher schlagen.
„Vergiss es!“, hörte ich Lewis sagen.
„Was…?“
„Denk nicht mal im Traum daran…!“
„Was meinst du?“, fragte ich verwirrt.
„Peter, ich kenne dich schon lange genug, um zu wissen, dass du…“, Lewis schaute sich um, trat näher zu mir und begann zu flüstern, „auf Männer stehst.“
„Woher…?“
Lewis packte mich am Arm und zog mich durch den Flur bis zum Ende des Ganges, wo sich sein Quartier befand. Nachdem sich das Schott hinter uns geschlossen hatte, ließ er mich wieder los.
„Ich bin nicht blöd, Peter.“
Ich ließ mich in den großen Ohrensessel fallen, der mitten im Raum stand. Lewis ging zu einem Board und schenkte uns etwas ein. Danach reichte er mir ein Glas.
„Zumindest hast du nun wieder eine gesunde Gesichtfarbe. Peter… wie lange dienen wir hier nun schon gemeinsam auf der Station… acht oder neun Jahre? Meinst du nicht, ich habe nie bemerkt, wie du unsere männlichen Kollegen musterst und von Frauen kaum eine Notiz nimmst?“
„War es so offensichtlich?“, fragte ich unsicher.
„Nein, aber als dein bester Freund ist mir so etwas aufgefallen, weil ich dich eben mehr beobachte als es andere tun.“
„Ich werde beobachtet?“
„Du weißt schon, wie ich das meine. Du bist der Commander dieser Station und stehst somit fast immer im Mittelpunkt der Ereignisse. Somit schaut jeder hier auf der Station auf dein Handeln.“
„Und du denkst, es hat sonst niemand bemerkt?“
„Wenn er nicht gerade stockschwul ist, so wie du, dann sicher nicht.“
„Öhm… du bist auch…?“
„Nein“, antwortete Lewis und fing laut an zu lachen, „ich kenne dich einfach besser, als die anderen, Peter.“
Ich nahm einen kräftigen Schluck aus meinem Glas und begann zu husten.
„Was ist das… für ein Zeug…?“, fragte ich, als ich etwas zu Atem kam.
„Och, das habe ich als Geschenk von den Grindels bekommen. Etwas heftig, aber reinigt alles!“
Lewis schwieg kurz und sah mich ernst an.
„Was ist?“
„Darf ich dich etwas fragen, obwohl es sehr privat ist?“
„Habe ich je eine Frage von dir nicht beantwortet?“
„He, du sollst keine Frage mit einer Frage beantworten, das ist mein Part!“
„Was wolltest du fragen?“
„Hm…, hast du etwas mit Staffone Fontaine?“
„Nein…!“
„Ich wollte dir nicht zu Nahe treten, aber es drängt sich der Gedanke in mir auf, da ich euch beide ständig zusammen sehe.“
„Tust du nicht. Ich versuche Gabriel nur zu helfen… zudem kenne ich ihn… noch von früher.“
„Von früher? So alt ist dieser Gabriel doch noch gar nicht.“
„Nein, da war er auch noch ein Kind…“
„Jetzt scheint es interessant zu werden“, meinte Lewis und setzte sich ebenfalls.
Ich atmete tief durch und nahm noch einmal einen Schluck von diesem Teufelszeug. Ich verzog das Gesicht und begann wieder zu husten.
„Sein älterer Bruder und ich waren zusammen auf der Akademie…“
„… und hattet etwas miteinander?“
„Fast…“
Lewis zog seine rechte Augenbraue hoch.
„Fast?“
„Es gab nur einen Kuss…, danach einen Streit und dann ist Arndt weggelaufen. Am nächsten Morgen fand man nur noch die Überreste seines Gleiters.“
„Schei… Das tut mir Leid.“
„Muss es nicht.“
„Und der Kleine ist wirklich der Bruder von… Arndt?“
„Ja.“
„Und wusste er über euch Bescheid?“
„Erst seit er hier auf der Station ist.“
„Oha.“
Ich nickte.
„Und wie hat er reagiert?“
„Sein erster Satz war: „So kenne ich meinen Bruder überhaupt nicht.“, dann folgte langes Schweigen.“
„Uffz, das ist harter Tobak. Und wie geht es jetzt weiter… war das der Grund, weswegen ich dich vorhin so bleich angetroffen hatte?“
„Ja und nein.“
Lewis schaute mich verwirt an.
„Nein nicht direkt. Gabriel hat eine Identkarte an Board eines der feindlichen Schiffe gefunden.“
„Was ist so Besonderes an dieser Karte?“
„Sie ist auf den Namen Arndt Fontaine ausgestellt und wurde offiziell vor drei Jahren angefertigt… Arndt ist aber vor 14 Jahren gestorben.“
„Mysteriös!“, meinte Lewis und nahm ebenso einen kräftigen Schluck seines Gebräus.
„Gabriel überprüft die Echtheit der Identkarte.“
„Da fällt mir ein, weswegen ich dich eigentlich sprechen wollte… von den aufgenommenen Schiffsbrüchigen ist fast keiner registriert.“
„Dann wird es Zeit, dass ihr alle Daten aufnehmt.“
„So meine ich das nicht… laut Datenbank existiert nicht einer dieser Leute, sie sind nirgends aufgeführt.“
„Das ist unmöglich…“
„In diesem Falle ist es Realität. Laut Computer existieren sie nicht.“
„Was sagt der Kapitän dazu?“
„Nicht vernehmungsfähig. Liegt schwer verletzt auf der Krankenstation und seine Crew spielt die Unwissenden.“
„Konntet ihr etwas aus dem Bordcomputer herauskriegen?“
„Keine Daten. Durch die schweren Beschädigungen am Schiff wurde fast alles gelöscht. Und das ist noch nicht alles. Nach ersten kurzen Untersuchungen am Frachter, so weit wie wir das noch tun konnten, sind diese Schäden nicht von den Fremden herbei geführt worden.“
„Wie meinst du das?“
„Die Kampfspuren am Schiff weisen auf Nektrotonentechnologie hin.“
„Das kann nicht sein. Jeder weiß, dass die Nektrotonen ein friedliebendes Volk sind und über keinerlei Waffensysteme verfügen. Das ist ein Diplomatenvolk.“
„Das weiß ich, Peter. Aber die Scanner haben wir mehrfach überprüft, es ist keine Fehlermeldung.“
„Hier O’Kingley Mac Neal, wie sieht der Status des Frachters aus?“, fragte Lewis durch seinen Kommunikator.
„Fast nicht mehr vorhanden, die Hyrditen leisten ganze Arbeit, Sir.“
„Und was ist mit den drei Schiffen der Fremden?“
„Liegen nach wie vor in Hanger D, Spencer ist gerade dorthin unterwegs, um sich ein aktuelles Bild davon zu machen.“
„Interessant“, sagte ich.
„Danke Mac Neal“, meinte Lewis.
„Was hältst du davon, wenn wir es Spencer gleich tun?“, fragte ich.
„Worauf warten wir noch?“
„Laut Leutan vernichten die Hyrditen alles, was mit den Fremden zu tun hat. Der Frachter wird vernichtet, die drei Schiffe nicht.“
„Vielleicht finden wir eine Antwort bei den Schiffen.“
Fünf Minuten später befanden wir uns im Hanger D. Ich musste zugeben, das waren schon beeindruckende Schiffe. Obwohl ich mich in deren Technologie nicht auskannte, war mir klar, dass wir einen guten Fang gemacht hatten.
Wir fanden Spencer an einer Konsole und er schien schwer beschäftigt zu sein. Zu meiner Überraschung hielt sich Gabriel bei ihm auf.
„Schon etwas herausgefunden?“, fragte Lewis, ohne sich vorher bemerkbar gemacht zu haben.
Beide Köpfe flogen herum und schauten in unsere Richtung. Mir kam es so vor, als würde Spencer etwas steifer da stehen, als er den Ruf von Lewis hörte. Ich wusste auch, welches Ansehen Lewis bei den Mannschaften sowie den Offizieren genoss.
„Komische Sache, Chief“, meldete Spencer.
„Wieso?“
„Alle drei Kampfgleiter sind voll einsatzbereit.“
„Ist die Technologie der unseren ähnlich?“, fragte ich nun.
„Nein, sie wurde nachträglich unserer Technologie angepasst“, kam es von Gabriel.
Lewis und ich schauten uns an.
„Das heißt wir haben drei weitere Gleiter zu unserer eigenen Verfügung. Wie ist die Bewaffnung?“
„Das kann ich nicht sagen, weil ich diese Bewaffnung nicht kenne.“
„Vielleicht kann Ihnen da Staffone Gabriel helfen, er kennt sich… da wahrscheinlich etwas aus“, warf ich ein.
Alle drei schauten mich an. Ich zuckte mit den Schultern und wusste nicht, warum ich das gesagt hatte.
„Sir?“, hörte ich Cats Stimme über meinen Kommunikator.
„Ja?“
„Wir empfangen eine Nachricht aus dem Hyperraum.
„Und um wen handelt es sich?“
„Botschafter Mortrik von Krulk.“
Noch so ein Mitglied auf der Liste meines beliebtesten Gegenparts, dachte ich. Aber es half nichts, wenn er mit mir reden wollte, so musste ich seinem Wunsch entsprechen. Auf alle Fälle waren die anderen von meiner vorherigen Ansage abgelenkt.
„Mortrik? Das verheißt nichts Gutes“, meinte Lewis.
„Leider. Ich kann mir sogar schon vorstellen was er will, aber ich werde mich überraschen lassen.“
„Soll ich dich begleiten?“
„Das wäre eine gute Idee, denn ich habe so ein komisches Bauchgefühl, dass da noch mehr kommt.“
„Sir, eine weitere Anfrage kommt über den Hyperraum, diesmal ist es die Botschafterin von Xendor.“
„Hanris? Das ist jetzt wirklich eine Überraschung. Cat, schnappen Sie sich Darwsen und empfangen Sie die Botschafter gebührend. Danach führen Sie alle in den großen Konferenzraum.“
„Alle, Sir?“
„Ja, Cat. Ich habe so das Gefühl, es werden sich noch mehr Botschafter melden.“
Ich schaute zu Lewis, der nur mit der Schulter zuckte.
„Ensign Spencer, Sie werden mit Staffone Fontaine die drei Schiffe weiter untersuchen. Ich möchte später eine genaue Statusmeldung.“
„Während Ihrer Konferenz?“, fragte Spencer.
„Ja, Sie werden mir diese persönlich vorbei bringen und nehmen auch Staffone Fontaine mit.“
Dieser schaute mich etwas verwirrt an. Ich wollte Präsenz zeigen, aber auch Gabriel die Gespräche hören lassen, da ich das Gefühl hatte, dass die Hyrditen dies alles auch mitbekommen würden.
„Aye Sir.“
„Mac Neal? Wie komme ich in den Konferenzraum?“
„Sir, folgen Sie einfach der gelben Linie“, meldete sich Mac Neal.
„Wie kann ich sicher sein, dass keine zweite gelbe Linie den Weg kreuzt?“
„Diese Farbe ist Ihnen vorbehalten Sir. Wir arbeiten gerade daran, der kompletten Besatzung Farben zu zuweisen, damit sich die Wegfindung vereinfacht.“
„Gute Idee, Mac Neal. Weiter so!“
„Danke Sir.“
So folgten Lewis und ich der gelben Linie. Anfänglich schwiegen wir, denn zu viele Besatzungsmitglieder waren auf den Korridoren unterwegs. Im Lift änderte sich das.
„Was hältst du von der Sache?“, fragte ich Lewis.
„Willst du meine ehrliche Meinung hören?“
„Klar, sonst würde ich dich nicht fragen.“
„Ich denke, es hat sich schnell herum gesprochen, was hier passiert und es wird Ärger geben, weil sich einige in der Allianz der Völker sicherlich überrumpelt fühlen.“
„Glaubst du wirklich? Ich weiß, dass Mortrik ein notorischer Meckerer ist, aber die anderen…?“
„Lassen wir uns überraschen, etwas anderes wird uns nicht übrig bleiben.“
*-*-*
Mittlerweile hatten sich schon mindestens zehn Botschafter verschiedener Herkunft eingefunden und weitere waren gemeldet. Ich bewunderte Cats Schnelligkeit, wie sie den Raum herrichten ließ und sich dennoch um den Empfang der Botschafter kümmerte.
„Peter, es freut mich, Sie wieder zu sehen, auch wenn der Grund nicht so erfreulich sein wird.“
Vor mir stand Hanris, Botschafterin von Xendor und schön wie eh und je. Auf der Erde würde man sie sicher als Amazone bezeichnen.
„Hanris, die Freude liegt ganz auf meiner Seite. Hatten Sie eine angenehme Reise?“
Ihr Liebreiz war so verlockend wie immer. Ich wollte nicht wissen, wie viele Männer deswegen schon zu Grunde gingen. Die Xendor Frauen hatten die Macht, ihre Gegner mit ihrem Antlitz zu vernichten.
Hanris Zierlichkeit ließ den Trugschluss zu, dass sie Hilfe benötigte und dies wurde vielen zum Verhängnis. Nein, die Xendor waren kein kriegerisches Volk, es war ihre Art der Verteidigung.
„Ich kann mich nicht beklagen, auch wenn ich mich immer noch nicht an diese Sprünge gewöhnen konnte.“
„Setzen wir uns doch“, meinte ich und zog ihren Stuhl etwas zurück.
„Danke Peter. Ich muss sagen, Ihre Station ist mächtig gewachsen im letzten halben Jahr. Seit meinem letzten Besuch hat sich vieles verändert.“
„Da muss ich Ihnen Recht geben, Hanris. Es hat sehr viele Veränderungen gegeben, für mich ist vieles auch noch sehr neu.“
„Vielleicht haben wir ja später noch etwas Zeit und Sie zeigen mir einige ihrer neuen Errungenschaften.“
Warum trifft es immer mich? Als hätte ich es nicht geahnt, dass so etwas kommt.
„Aber gerne. Oh ich sehe, Leutan, Botschafter von Nektroton betritt den Raum, entschuldigen Sie bitte, Hanris.“
Sie nickte mir zu. Ich erhob mich wieder und schritt langsam auf Leutan zu.
„Hallo Leutan…“
„Hallo Peter.“
„Sie wussten natürlich nichts von diesem Ansturm der Botschafter?“
„Ich weiß nicht, was Sie meinen Peter. Aber ich helfe Ihnen gerne, falls es Probleme geben sollte.“
*-*-*
Natürlich waren alle bestens darüber informiert, was vorgefallen war und jeder Einzelne trug sein Beschwerdepäckchen vor, dass man im Vorfeld doch jeden von der Sache in Kenntnis hätte setzen können.
Die Sache war aber nun die, dass wir über diese neuerlichen Vorkommnisse ebenso wenig wussten, wie die anderen, wobei ich vermutete, dass Vorkenntnisse vorhanden waren, sonst wären auch nicht so viele der Stationsgäste abgereist.
Man kam zu dem Schluss, dass jedes Volk, das der Allianz angeschlossen war, eine ständige Botschaftsvertretung auf der Station nun inne hatte, war doch Platz nun reichlich vorhanden. Probleme würde es lediglich mit den verschiedenen kulturellen Ansprüchen geben.
Doch wie ich unsere Cat kannte, wurde sie auch damit fertig. Eine andere Sache war Gabriel. Zum Einen recht herzlich willkommen, zum Andere spürte man förmlich, wie ihm Misstrauen entgegen schlug.
Doch es half nichts und ich stand auch voll hinter meinem ersten Offizier. Es wurde festgelegt, dass Leutan und Gabriel als Vermittler zwischen den Völkern und den Hyrditen fungierten.
Weiter wurde festgehalten, dass ich, als Kommandeur der Station, die Stelle als Ratspräsident der Allianz inne hatte. Ich nahm diese Position gerne an, da nicht eine Gegenstimme zu hören war.
Auch der Austausch von Gütern sollte weiter vertieft werden. Nach mehreren Einwänden meinerseits und meiner Crew wurde vereinbart, dieses von der Station fernzuhalten und auf dem nahe gelegenen Planeten Alletun zu errichten.
Weitere Details sollten noch ausgehandelt werden, aber zuerst sollten die neuen Botschaftsunterkünfte besichtigt werden. Dank Mac Neals und Cat Showns schneller Reaktion war dies auch möglich.
Wie immer war ich mächtig stolz auf meine Crew. Es lief alles wie ein gut geöltes Räderwerk. Ich ließ es mir auch nicht nehmen, Hanris persönlich ihre neuen Räume zu zeigen. Dank Mac Neals gelber Linie war dies nun auch problemlos für mich.
„Recht großzügig muss ich zugeben, Peter“, meinte Hanris, als sie sich umgeschaut hatte.
„Falls noch irgendwelche räumliche Wünsche anstehen, Hanris, so wenden Sie sich bitte an mich.“
„Räumliche?“
„Ja, zurzeit ist alles möglich“, lächelte ich sie an.
„Ich werde zu gegebener Zeit darauf zurück kommen, falls mehr Raum gebraucht wird.“
Ich verneigte mich vor ihr und verließ die Räume.
„Computer…, zu meinen Räumen!“
Und wie von Zauberhand erhellte an der Wand eine gelbe Linie. Wer sagt es denn, funktionierte hervorragend. Wenn nichts weiter anstand, würde ich mich in meine Räume zurück ziehen können, um über vergangene Gespräche zu philosophieren.
Eine Weile hatte ich jetzt nicht daran gedacht, aber nun kamen alte Gefühle und Gedanken wieder hoch. Arndt. Ein kurzes Lächeln zierte meine Lippen, als mir ein Bild in den Sinn kam, welches Arndt nur in Shorts bekleidet auf einem Baumstamm zeigte.
Wir waren damals schwimmen gewesen, selten hatten wir zu so etwas Zeit. Ich genoss es damals in vollen Zügen, Arndts muskelüberzogenen Körper im Sonnenlicht zu bestaunen. Die Bewegungen seines Körpers lösten mehrere Spiele seines Muskelbilds aus.
Jeder Wassertropfen auf der nassen Haut spiegelte die hochstehende Sonne wider und tauchte Arndt in einen engelsgleichen Schein. Bei meinen Räumen angekommen verschwand dieses Bild wieder, ebenso mein Lächeln.
Wasser würde meinem Körper nun sicher gut tun, doch hier… sicher würde mein Kommunikator wieder anspringen und mich mit irgendwelchen Bitten foltern. So kam mir ein Gedanke und ich verließ die Unterkunft wieder.
„Computer… Maschinenraum“, sagte ich und konnte sogleich der gelben Linie folgen.
Etwa zehn Minuten später, stand ich nicht nur am Maschinenraum, sondern am Portal zu unserem Garten Eden. Schon als ich das Schott öffnete, stieg mir ein Duft voll frischem Grün in die Nase.
Fast lautlos glitt das Schott hinter mir wieder in seine Verankerung. Alleine. Ich lief einfach drauf los, ohne wirklich einen Weg ausmachen zu können und ein wenig später kam ich am Ziel meiner Wünsche an.
Vor mir lag der kleine See, den Maik mir gezeigt hatte. Ich beugte mich vor und griff ins Wasser. Entgegen meiner Erwartungen fühlte sich das Wasser warm an. Langsam entledigte ich mich meiner Kleidung und ließ mich nackt ins Wasser gleiten.
Wie lange hatte ich das nicht mehr gemacht. Das Nass umhüllte wohltuend meinen Körper und ich ließ mich an der Oberfläche treiben. Ich vergaß alles um mich herum und schloss meine Augen.
„Süßer Anblick!“, hörte ich eine Stimme und fuhr zusammen, was zur Folge hatte, dass ich mit dem Gesicht unter das Wasser tauchte.
Natürlich schluckte ich auch selbiges und begann ordentlich zu husten.
„Tut mir Leid, Peter…, ich wollte Sie nicht erschrecken.“
Vor mir am Ufer kniete Maik. Ich schwamm zu ihm hinüber und blieb unmittelbar vor ihm treibend im Wasser. Das erste Mal schaute ich in seine sehr dunklen braunen Augen, von denen irgendetwas magisch ausging.
Ich verlor mich darin, spürte tief in mir ein Gefühl, das lange keine Präsenz mehr gezeigt hatte. Maiks Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und um mich war es geschehen. Langsam beugte ich mich vor, schloss dabei die Augen und wenige Sekunden später spürte ich seine Lippen, die die meinigen sanft berührten.
Langsam fuhr ich zurück und öffnete wieder meine Augen. Maiks Blick schien verwirrt.
„Entschuldige…, das wollte ich nicht“, sagte ich leise und zog mich mehr ins Wasser zurück.
Maik griff an seine Lippen und streichelte darüber.
„Es gibt nichts zu entschuldigen…, Dinge passieren…“
„Ist es aber richtig?“
„Wie heißt es so schön…, das steht in den Sternen. Ob es richtig ist oder nicht, das kann dir nur dein Herz sagen.“
Maik begann sich nun ebenfalls auszuziehen und stieg nackt zu mir ins Wasser. Langsam ließ er sich auf mich zu treiben, bis er ganz dicht vor mir war. Wieder nahmen seine Augen mich gefangen.
Diesmal war sein Blick viel intensiver, seine Augen funkelten regelrecht. Als seine Hand meinen Oberkörper berührte, ihn liebkoste, füllte es sich an, als würden Tausende kleiner Stromschläge meinen Körper durchfahren.
Ich erschauderte und spürte, wie sich Gänsehaut auf meinem Körper breit machte. Seine Hände zogen mich zu sich heran und zum ersten Mal seit Langem spürte ich diese Macht wieder, die meinen ganzen Körper einnahm.
Unsere Lippen trafen sich erneut, diesmal nicht mehr so zaghaft. Seine Hände strichen über meine Flanken und meinem Rücken. Aber auch ich blieb nicht untätig, sondern erforschte seinen Körper.
Etwas außer Atem drückte ich Maik sanft von mir weg. Verwirrt schaute er mich an.
„Gefällt dir das nicht?“, fragte er leise.
Ich musste lächeln.
„Doch schon…, sei mir nicht böse Maik, aber das geht mir zu schnell…“
„Wieso sollte ich dir böse sein? Dich zu küssen, hätte ich nicht mal in meinen kühnsten Träumen gewagt.“
„Du träumst von mir?“
Maik schaute etwas verlegen, was die Frage natürlich beantwortete.
„Und wie lange geht das schon so? Ich meine…, also…“, ich kam ins Stottern und Maik lächelte wieder.
„Ich weiß nicht, wann ich spürte, dass von dir mehr ausging, als nur der Commander, der mir Befehle gibt. Irgendwann ergab es sich, dass ich in dir eben mehr als meinen Chef sah…“
Ich fuhr mit der Hand aus dem Wasser und streichelte sanft über Maiks Wange, der sich in meiner Hand wiegte.
„Lassen wir das langsam angehen… okay?“
Maik nickte.
„Wir sollten uns langsam wieder aus dem Wasser begeben, nicht dass plötzlich noch jemand vor uns steht.“
„Das passiert nicht, im Augenblick haben nur du und ich Zutrittsrecht“, grinste mir Maik entgegen.
„Kann es sein, dass du irgendetwas vor hattest?“
„Höchstens erhofft, aber sicher nicht gezielt geplant!“
„Trotzdem möchte ich jetzt aus dem Wasser.“
So schwamm ich zum Ufer und stieg vorsichtig auf die Böschung. Maik folgte mir und gemeinsam ließen wir uns im Gras nieder, um uns trocknen zu lassen.
„Man sollte wirklich nicht meinen, dass wir auf einer Raumstation sind“, meinte Maik, der in die Luft starrte.
Mein Blick schweifte über das satte Grün um uns herum und ich gab ihm nickend Recht.
*-*-*
„Sir, der Langstreckenscan zeigt keinerlei weitere Vorkommnisse“, meldete Mac Neal, als ich die Brücke betrat.
„Wie sieht es mit der Station aus? Ist sie endlich zum Stillstand gekommen?“
„Ja Sir. Wir haben auch bereits alle neuen Decks und Betriebsräume in die Matrix aufgenommen.“
„Gut, ich bin in meinem Quartier, wenn es etwas Besonderes gibt.“
Wenig später in meinen Räumen hoffte ich endlich zur Ruhe zu kommen. Die letzten achtundvierzig Stunden waren nicht ohne. Ich entkleidete mich und ließ mich auf mein Bett fallen, in der Hoffnung, dass der Kommunikator schwieg.
*-*-*
Irgendetwas ließ mich hochfahren. Ich hatte wohl wirklich geschlafen, denn die Uhr zeigte an, dass ich mindestens fünf Stunden im Reich der Träume verweilt hatte. Ich rieb mir, mit beiden Händen, durch das Gesicht.
Sollte ich mich gleich anziehen und zur Brücke gehen, oder wirklich warten, bis mich jemand rief. Ich ließ mich wieder nach hinten fallen und starrte an die Decke. Arndts Ausweis kam mir wieder in den Sinn, aber auch die Zärtlichkeiten von Maik.
Wie hieß es so schön, man sollte loslassen können. Hatte ich je losgelassen, als Arndt aus meinem Leben verschwand, bevor etwas anfing, wovon ich noch keine Ahnung hatte?
Wie lange hielt dieser Zustand an, war es die erste richtige Liebe? Was wusste ich damals schon von Liebe, hatte ich sie doch vorher nie gespürt. Ja, ich liebte Arndt auf eine gewisse Weise.
Aber war es die Art von Liebe, auf der man etwas aufbaute? Das Bild von Maik kam mir in den Sinn, als er vor mir aus dem Wasser stieg. Da war ein Gefühl im Bauch, das ich so nie gespürt hatte… glaubte es zu spüren.
Doch dieses Gefühl zu Maik war viel intensiver. Es durchwanderte meinen ganzen Körper, machte sich breit, nahm jede Zelle meines Körpers ein. Und doch sagte mir mein Verstand, Vorsicht walten zu lassen.
Ich stand auf, lief zu meinem Display, gab Maiks Namen ein und wartete auf dessen Daten. Es las sich alles ganz normal und es fiel mir auf, dass Maik bisher ein Einzelgänger zu sein schien.
Wie hatte er es dann geschafft, als Offizier der Technik seinen Werdegang zu machen? In diesem Zweig der Offizierslaufbahn war Teamarbeit gefragt, ohne diese hatte man eigentlich null Chancen.
Doch irgendwie hatte Maik es durch seine Genialität geschafft, diese zu umgehen. Viele Hinweise auf Erneuerungen und Erfindungen waren aufgelistet. Verwunderlich war es aber, dass die Daten vor Maiks fünfzehntem Lebensjahr fehlten.
So sehr ich auch die Datenbank durchforstete, ich fand nichts. Ich legte das Pad auf den Tisch und ließ mich wieder auf das Bett sinken. Was steckte da dahinter? Ich zog die Decke über meinen nackten Körper, da mich etwas fror.
Mein Kommunikator blinkte auf.
„Kommu anschalten… Ja?“
„Sir, hier ist Maik. Die Werte der Hypertorexinkerne steigen unaufhaltsam.“
„Schon einen erkennbaren Grund gefunden?“
„Nein Sir, aber einen Verdacht.“
„Okay, geben Sie mir fünf Minuten, dann bin ich bei Ihnen.“
„Aye Sir.“
„Sir, AO Dormant hier.“
Kaum war mein Kommunikator offen, fingen die Meldungen wieder an.
„Was gibt es Gregory?“
„Ich habe die neuen Protokolle und Unterkünfte auf Ihr PDA geladen.“
„Danke Gregory, das wird mir sicher eine Hilfe sein.“
„Aye Sir.“
Um weiteren Aufrufe vorzugreifen, meldete ich mich auf der Brücke.
„Spencer?“
„Ja Sir?“
„Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“
„Bis auf den nicht abreißenden Strom ankommender Schiffe, nichts Sir.“
„Okay, wenn man mich sucht, ich bin im Maschinenraum.“
„Aye Sir.“
„Ach Spencer, sind Sie mit den drei Schiffen weiter gekommen?“
„Ja Sir. Stehen einsatzbereit im Hanger. Staffone Fontaine hat wahre Wunder vollbracht.“
„Danke Spencer.“
Fertig angezogen lief ich zum Maschinenraum. Ich hätte einen Lifter nehmen können, aber einen Spaziergang über das Promenadendeck wollte ich mir nicht nehmen lassen.
Auch hier hatte einiges geändert. Alles war größer und geräumiger geworden.
„Peter?“
Ich drehte meinen Kopf und sah Leutan vor seinem Laden. Auch dieser war um einiges angewachsen.
„Leutan.“
„Darf ich Sie ein Stück ihres Weges begleiten?“
„Natürlich… was liegt an?“
„Bin ich bei Ihnen so durchschaubar geworden, Peter?“
„Nein Leutan, sicherlich nicht, aber wenn mich jemand anspricht, ist meistens etwas…“
„Es ist auch etwas, ich kann nur nicht sagen was…“
Mein echsenartiger Freund sprach in Rätseln. Ich schaute ihn fragend an.
„Ich spüre, dass irgendetwas passieren wird, nur diesmal sehe ich nur Nebel vor mir.“
„Sehen?“
„Ja, ab und zu sehe ich Dinge voraus oder besser gesagt, ich erahne sie.“
„Das ist mir neu.“
„Ich weiß Peter, aber mit so etwas geht man nicht hausieren, wie man bei euch Menschen sagt, oder?“
„Da gebe ich Ihnen Recht, Leutan. Mit so etwas sollte man wirklich nicht an die Öffentlichkeit gehen. Können Sie mir aber trotzdem sagen, um was es sich handeln könnte?“
„Um die Station…Gabriel…“
„Was ist mit Gabriel?“
„Das kann ich Ihnen eben nicht sagen.“
Plötzlich flackerte die Beleuchtung um uns herum.
„Maik, was ist los?“, fragte ich in meinen Kommunikator.
„Einer der Reaktoren hat sich wegen Überlastung abgeschaltet“, meldete sich Maik zurück.
„Noch mehr Probleme?“
„Nein, wir haben alles unter Kontrolle.“
„Gut, ich bin gleich bei Ihnen TO Forester.“
„Aye Sir.“
„Leutan ich werde gebraucht, aber ich danke Ihnen für die Informationen, die Sie gegeben haben.“
„Ich danke Ihnen, dass sie mir Gehör geschenkt haben und wenn ich Ihnen noch einen Rat geben darf…“
„Ja?“
„Halten Sie daran fest und hören Sie auf Ihr Herz.“
„Bitte?“
Leutan verneigte sich leicht und ließ mich alleine stehen. Das Flackern der Leuchten besann mich auf Wichtigeres.
*-*-*
„Ich verstehe das nicht…“, rief Maik und rannte zu einer anderen Konsole.
Ich beobachtete ihn, wollte ihn aber nicht stören. Doch merkte ich schnell, dass wirklich etwas nicht stimmen konnte.
„Maik, kann ich irgendwie helfen.“
„Nein Sir und wenn das so weiter geht, kann ich nicht garantieren, dass wir in den nächsten Stunden noch genug Energie haben, um diese Station am Leben zu erhalten.“
„Was passiert denn?“
„Irgendetwas zieht zuviel Energie ab, ein Reaktor nach dem anderen wird überlastet.“
„Und schon einen Grund gefunden?“
„Ich habe den Abnehmer gefunden, er befindet sich auf der Krankenstation… Ich habe aber keine Comverbindung bekommen… es funktioniert nichts mehr.“
„Okay, ich bin schon auf dem Weg.“
Zehn Minuten später war ich auf dem Krankendeck. Auch hier hatte sich viel verändert. Ich musste mich erst mal zu Recht finden. Die Gänge waren komischerweise wie leer gefegt, hätte ich doch zumindest jemand vom medizinischen Personal erwartet.
„Cat bitte melden.“
Doch es tat sich nichts. Die Comleitung blieb tot. Auch hier fing die Beleuchtung an zu flackern und wenige Sekunden später brannte nur noch das Notlicht. Ich wurde unruhig.
Ich lief den Flur ab, las die Schilder an der Tür, doch konnte ich nirgends das Labor von Dr. Ross finden.
„Mist verdammter“, entfleuchte es mir.
Vor mir schien es noch eine Abteilung zu geben, die über Energie verfügte, denn sie war noch hell erleuchtet. Für meinen Geschmack viel zu hell, das Licht war gleißend. Immer noch war keine Lebensform in Sicht.
Mein Pad blieb ohne Funktion, also war es nutzlos. Ich feuerte es wütend in die Ecke. Hören konnte ich nichts, aber ich sah die roten Leuchten an der Decke blinken. Zumindest hatte jemand Alarm ausgelöst
„Hallo?“, rief ich, sicher in der Annahme, dass mich sowieso niemand hörte, was dieses sinnlose Unterfangen als suspekt erscheinen ließ.
Ich beschloss weiter zu gehen. Nun bereute ich es, keine elektromagnetische Spektralwaffe dabei zu haben. Meine Nackenhaare stellten sich in die Höhe, was für mich das sichere Zeichen von Gefahr war.
Langsam bewegte ich mich an der Wand entlang, immer schauend, ob nicht doch jemand in diesen Fluren herum geisterte. Ich näherte mich immer weiter dem Licht und spürte, welche Energie davon ausging.
„Peter?“, hörte ich jemanden rufen.
Ich fuhr zusammen.
„Ja… hier.“
Ich hörte Schritte und wenig später tauchte Maik auf.
„Warum meldest du dich nicht, ich habe mir riesige Sorgen gemacht. Du bist schon seit einer Stunde weg.“
„Eine Stunde?“, fragte ich verwirrt.
„Ja.“
„Das verstehe ich nicht, ich irre hier doch vielleicht gerade mal zehn Minuten herum.“
„Nein… eine Stunde.“
„Was stimmt hier nicht?“
„Ich weiß es nicht. Wir konnten die zwei letzten Reaktoren sichern, die Station läuft auf Notration. Aber ich kann dir nicht sagen, wie lange wir diesen Zustand aufrecht halten können und wir dann nur noch schutzlos im All treiben.“
Mein Blick fiel wieder in Richtung des gleißenden Lichts.
„Ich denke, wir werden der Sache auf den Grund gehen. Bist du bewaffnet?“
Maik nickte und reichte mir eine Spektralwaffe.“
„Danke.“
„Was hast du vor Peter?“, fragte Maik und hielt mich am Arm zurück, als ich auf das Licht zugehen wollte.
„Irgendwer muss doch nachschauen, was da vorne los ist, oder?“
„Dafür haben wir unsere Leute, ich werde Chief Lewis verständigen.“
„Versuch es ruhig“, meinte ich selbstsicher.
„Chief Lewis, bitte kommen, hier TO Forester.“
Genauso wie Maik, wartete ich auf Antwort, obwohl ich wusste, dass keine kommen würde.
„Fuck…, eben hat der Kommunikator doch noch funktioniert.“
„Meiner geht auch nicht…“, sagte ich leise.
Maik schaute mich an und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„Ich finde das nicht lustig!“
„Maik, ich auch nicht, aber hier stimmt etwas nicht. Keine Verbindung nach draußen, die Zeit scheint anders zu gehen und dann“, ich schaute zum Licht, „das da!“
„Okay… dann lass uns das anschauen.“
„Ohne Chief Lewis?“
Ich konnte mir das nicht verkneifen. Maik verdrehte die Augen und schob mich vor sich her. Endlich bewaffnet liefen wir nun gemeinsam auf das Licht zu.
„Ist es hier wirklich so heiß, oder bilde ich mir das nur ein?“, fragte ich.
„Es wird heißer, aber mein Pad zeigt nichts an.“
Unsere Pads funktionierten nicht, die Verbindung war unterbrochen, mein Blick fiel auf die Waffe. Maik zuckte mit den Schultern, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich hob sie an und drückte auf den Auslöser, doch auch hier tat sich nichts.
„Wertlos“, meinte ich und gab sie Maik zurück, der diese fassungslos anstarrte.
„Komm weiter“, forderte ich ihn auf.
Das Licht hatte an Intensität zugenommen und ich kniff meine Augen zusammen. Plötzlich stand ich endlich vor dem Schott, welches ich gesucht hatte. Dr. Ross’ Labor.
„Auf was wartest du…, öffne das Schot“, kam es von Maik.
Ich gab die Türkombination ein, aber es tat sich nichts. Auch nachdem ich meinen persönlichen Kenncode eingegeben hatte, blieb die Tür ohne Funktion. Maik verdrehte die Augen.
„Auch das noch…“, meinte er entnervt und öffnete die Klappe neben der Tür.
Er zog das Tableau heraus und löste es. Dahinter kam ein Hebel zum Vorschein, den Maik nun betätigte. Langsam, Stück für Stück, öffnete sich das Schott. Das Licht nahm noch weiter zu und ich hielt schützend die Hand vor meine Augen.
Das Schott war nun so weit geöffnet, dass Maik und ich ungehindert darunter durch laufen konnten.
*-*-*
Maik stand wie ich total fassungslos im Labor. Dr. Ross lag am Boden, schien bewusstlos zu sein. Jedenfalls konnte ich keinerlei äußere Einwirkungen sehen. Da wo einmal der große Labortisch gestanden hatte, war nun die Quelle der Lichterflut.
Ich beugte mich zu Eilieen hinunter und zog sie etwas zu mir hoch. Benommen kam sie zu sich, strich sich mit einer Hand über ihr Gesicht.
„Sind Sie verletzt, Eilieen?
Sie schaute mich verwirrt an und wollte sich aufrichten.
„Langsam, Eilieen.
„Was ist passiert?“
„Das wollte ich Sie gerade fragen.“
Ihr Blick fiel auf ihren Labortisch, der noch immer hell gleißend strahlte. Als würden ihre Erinnerungen zurückkehren klammerte sie sich an mich.
„Gabriel…“, stammelte sie.
„Was ist mit Gabriel?“
Sie hob ihre Hand und wies auf ihren Labortisch. Maik und ich versuchten etwas zu erkennen, aber das war bei dieser Lichtfülle so gut wie unmöglich. Ich griff Eilieen unter die Arme und hob sie hoch.
Mit Maik zusammen verließen wir das Labor wieder und blieben vor dem Schott stehen.
„Commander?“, hörte ich eine mir vertraute Stimme.
„Lewis? Wir sind hier.“
Wenige Sekunden später kamen Chief Lewis und einige seiner Männer in unseren Flur.
„Gott sei Dank, euch ist nichts geschehen“, rief mir Lewis entgegen, „seit zwei Stunden sind wir auf der Suche nach euch.“
Maik schaute mich an und wir wussten, was geschehen war. Aber es war keine Zeit für lange Erklärungen. Eilieen hatte etwas von Gabriel gesagt, also musste er sich noch im Labor befinden.
Ein Blick zu Lewis ersparte mir jegliche Erklärungen, denn diese Sache hier hatte Vorrang.
„Maik, ist es möglich, die Energiezufuhr zum Labor zu kappen?“
„Zu kompliziert und aufwendig“, antwortete Maik kurz, sich immer noch um Eilieen kümmernd.
Plötzlich verschwand das gleißende Licht. Bis auf die Notbeleuchtung war nun keine Lichtquelle mehr vorhanden, herunter hängende Kabel sprühten vereinzelt Funken. Ich erhob mich und bewegte mich wieder Richtung Schott.
„Peter, da sollten Sie nicht alleine hinein gehen…“, merkte Lewis an.
„… ich muss…“, gab ich von mir und lief weiter.
Vor dem Schott atmete ich tief durch und betrat erneut das Labor. Ausgenommen von wenigen Apparaturen, deren Lämpchen wie wild blinkten, war hier keinerlei Beleuchtung.
Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an das von der Tür einfallende spärliche Licht. Es roch verschmort und plötzlich durchfuhren mein Hirn die wildesten Gedanken.
Gabriel gegrillt an einer Plasmaleitung oder Überhitzung mehrerer Thermonalsonden. Aus dem Augenwinkel heraus nahm ich eine Bewegung aus der Richtung wahr, aus der ich den Labortisch vermutete.
Automatisch ging mein Körper auf Abwehrhaltung und suchte Deckung. Nur das nicht viel Deckung vorhanden war. Feine Rauchschwaden durchzogen den Raum und der Geruch von verbranntem Fleisch wurde intensiver.
Meine Laune hatte ihren Tiefpunkt erreicht, ebenso wie mein Nervenkostüm. Meine Hände waren feucht, die Kehle trocken. Meine Nackenhaare richteten sich auf und der berühmte kalte Schauer bahnte sich den Weg über meinen Rücken hinunter.
Das, was ich als Labortisch vermutete, stand nun direkt vor mir. Vorsichtig richtete ich mich wieder auf und warf einen Blick auf die Oberfläche des Tisches. Ich traute meinen Augen nicht, was ich da zu sehen bekam.