10. Türchen – Samtpfote und Engelshaar

Irgendwann später sollte ich jemanden fragen, wer hier mein Bett macht und aufräumt. Eigentlich war das etwas, was ich schon selber machen wollte. Vor allem, die Tür war geschlossen, dieser jemand musste einen Schlüssel besitzen.

Es war nicht das Einzige, was in den nächsten Tage passierte und ich mir nicht erklären konnte, wie das geschah. So nahm langsam der Alltag seinen lauf und ich gewöhnte mich langsam an den Schulbetrieb.

Anstrengend war es allemal, aber wenn Unterrichtsende war, so konnte ich getrost den Tag abschließen und mich anderem widmen. Jonas hatte mir ein paar Pflanzen besorgt und mir auch bei der Bilderwahl geholfen.

Mein Zimmer sah jetzt wohnlicher aus und ich fühlte mich wohl. Zeit sich endlich mal zu Hause zu melden. Ich zog mein Handy hervor und wählte die Nummer meiner Nummer. Es klingelte.

„Marek“, hörte ich Mums Stimme.

„Derselbige… hi Mum.“

„Jens, hallo. Wie geht es dir denn? Rainer hat mich abgehalten, dich anzurufen, er meinte du wirst dich schon von alleine melden.“

„Tu ich ja jetzt.“

„Immer noch böse auf mich?“, fragte Mum leise.

„Nein.“

Ich hörte, dass sie durchatmete.

„Mittlerweile gefällt es mir hier sogar, habe auch Freunde gefunden und man kümmert sich toll um mich“, unterbrach ich die Pause.

„Das freut mich zu hören und wie läuft es im Unterricht?“

War klar, dass die Frage kam.

„Gut, ich komme gut mit, hatte bis eben Unterricht.“

„So lange?“

„Ja. Das ist hier normal… von Montag bis Freitag.“

„Hört sich viel an.“

„Ja, aber dafür gibt es keine Hausaufgaben. Und das Wochenende ist ja frei.“

„Und was machst du morgen dann, an deinem ersten freien Tag.“

„Ich werde meinen Club eröffnen“, meinte ich grinsend.

„Club?“, fragte Mum verwirrt.

„Nicht was du denkst. Jeder hier hat ein eigenes Interessengebiet und es werden verschiedene Clubs angeboten, wo man dem Hobby nachgehen kann.“

„Und dort gibt es einen Kochclub?“

Sie wusste, wie gerne ich kochte.

„Nein, der wurde sogar extra für mich vom Direx Sönker gegründet… ich leite ihn sogar.“

„Das hört sich ja alles super an. Hör mal, ich soll dir von Rainer einen lieben Gruß sagen, der steht neben mir und hört mit.“

„Danke zurück. Okay, ich mach dann mal wieder Schluss. Will noch etwas schauen, was ich morgen genau mit den Leuten koche.“

„Wie viele Leute sind das denn, für die du kochst?“

„Nein, nicht ich koche für sie, wir kochen zusammen und es haben sich schon sechzehn Leute angemeldet.“

„Du scheinst gefragt zu sein, Herr Sohn.“

„Na ja, wie man es nimmt.“

„Gut, dann möchte ich dich nicht länger aufhalten und wünsche dir ein schönes Wochenende und viel Erfolg beim Kochen.“

„Danke Mum.“

„Okay dann tschüß und melde dich wieder.“

„Tschüß Mum, mache ich!“

Ich drückte das Gespräch weg. Kurz hielt ich inne und überflog gedanklich das Gespräch. So viel hatte ich in den letzten Wochen nicht mit ihr geredet. Ich verwarf den Gedanken wieder und fuhr meinen PC hoch.

*-*-*

Das war aber nicht der Gang wo mein Herrchen wohnte. Es sah zwar gleich aus, aber es roch ganz anders. Aufmerksam lief ich von Tür zu Tür und schnupperte. Nicht ein bekannter Geruch.

Oh… hier gab es Hunde? Schnell verzog ich mich zur nächsten Tür. Hm… der Geruch kam mir allerdings bekannt vor. Cleo… Ob Cleo hier wohnte? Komisch, hier war gar kein Türchen wie bei Herrchen im Zimmer.

Aber es roch eindeutig nach Cleo. Irgendwoher hörte ich Schritte kommen, ich spitzte angestrengt meine Ohren. Langsam lief ich an der Wand zurück, woher ich gekommen war. Da kamen ein paar Jungs die Treppe hoch.

Redeten sehr laut und da entdeckte ich Cleo. Sie ruhte auf einem Arm eines Jungen und wurde gestreichelt. Ich wollte mich schon bemerkbar machen, aber zog dann doch das Gegenteil vor.

„He du Mistvieh, dich kenne ich gar nicht, such bloß das Weite?“, sagte einer der Jungs.

Was sollte denn das jetzt, ich bin kein Mistvieh. Ängstlich schaute ich zu Cleo, die aber kaum Notiz von mir nahm. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Ich setzte an und jagte die Treppe hinunter.

Am Ende der Treppe sah ich Clifferton stehen.

~Bist du von allen guten Geistern verlassen, in den Flur da oben sollte sich von uns keiner Blicken lassen.~

 

~Wieso denn?~

 

~Da oben sind die Hunde alle.~

 

~Und was ist mit Cleo?~

 

~Die hat Sonderstatus, etwas Besseres.~

 

~Wieso Sonderstatus, das verstehe ich nicht.~

 

~Schau dir ihr Herrchen an, dann wirst du es irgendwann verstehen.~

 

Mit diesen Worten ließ mich Clifferton einfach stehen.~

 

*-*-*

Müde rieb ich mir über das Gesicht. Eine kleine Auswahl zu treffen, was ich eventuell morgen kochen könnte, war leichter als gesagt. Ich schloss das Internet und lehnte mich zurück.

Wieder mal unverhofft klopfte es an der Tür.

„Herein“, rief ich ohne mich umzudrehen.

„Ah, hier steckst du“, erkannte ich Gerrits Stimme.

Ich drehte mich um.

„Wo soll ich denn sonst sein?“

„Dachte du stehst schon in der Küche und triffst für morgen Vorbereitungen.“

„Habe nur Rezepte per Internet gesucht, Dinge, die leicht zu kochen gehen.“

„Aha…“

„Enttäuscht?“

„Wieso enttäuscht?“

„…hm vielleicht dass ich jetzt besonderes mit euch koche.“

„Davon bin ich nicht ausgegangen… ich bin total unbegabt, was Küchenarbeit betrifft… ich bringe es sogar fertig und lasse sogar Wasser anbrennen… dachte eher ich lerne ein paar Grundkenntnisse von dir.“

„Das wäre kein Problem“, behauptete ich.

Zum ersten Mal musterte ich Gerrit genauer. Recht dünn und hoch gewachsen. Die schwarze Brille ließ sein Gesicht blass wirken und verbarg die brauen Augen dahinter.

„Habe ich mit irgendetwas gekleckert?“, fragte Gerrit erstaunt.

„Äh … was?“

„Du starrst mich so komisch an.“

„Entschuldige… das wollte ich nicht… war im Gedanken.“

„Ach so… warum ich eigentlich wirklich gekommen bin…“

„Ja?“

„Hättest du Lust auf einen Sparziergang um den See?“

„Stimmt, ist eine gute Idee. Noch ein paar Minuten vor dem Kasten und ich wäre eingeschlafen.“

Als ich meinen Satz gerade beendet hatte, kam eine Katze ins Zimmer gelaufen und schmiegte sich an Gerrit.

„He Clifferton, altes Haus, was treibt dich hier her? Suchst du mich?“, fragte Gerrit und nahm die Katze auf seinen Arm.

„Ist das deine?“, fragte nun ich.

„Ja, Clifferton gehört mir… ist zwar schon etwas älter, aber immer noch fit.“

„Da hätte Mika ja einen Spielkameraden… wenn er mal da wäre. Er treibt sich viel im Haus herum.“

„Das machen alle Katzen hier, dass ist nichts Neues. Nur dein Mika ist neu, kennt noch nicht alles.“

„Stimmt, deswegen mach ich mir auch Gedanken. Viel Zeit hatte ich die Woche nicht für ihn.“

Ein Maunzen kündigte Mika an, der weniger Sekunden nun ebenfalls ins Zimmer kam. Er blieb kurz stehen und schaute zu Clifferton hoch. Gerrit beugte sich vor und ließ Clifferton herunter.

Die zwei Kater beschnupperten sich, aber es schien, dass sie keine Groll gegeneinander hegten, zumindest hatte keiner von beiden die Nackenhaare gestellt.

„Die zwei scheinen sich wirklich zu vertragen“, meinte Gerrit, „und was ist, können wir gehen?“

„Klar, die zwei sind ja jetzt beschäftigt.“

Ich zog meine Schuhe wieder an, griff nach meiner Jacke.

„Von mir aus kann es los gehen.“

Gerrit nickte und zusammen verließen wir mein Zimmer.

*-*-*

„Mist, ich hätte eine Taschenlampe mitnehmen sollen, ich sehe fast nichts mehr“, meinte Gerrit neben mir.

„Wer konnte auch wissen, dass so Wolken aufziehen und es so schnell dunkel wird.“

Plötzlich hörte ich es neben mir knacken und ein dumpfes Geräusch.

„Aua… scheiße noch mal.“

„Gerrit?“

„Ich bin irgendwo hängen geblieben.“

Der Nebel der nun aufzog, war nicht besonders hilfreich für uns. Die Sicht sank fast auf null. Ich versuchte Gerrit aufzuhelfen, der immer noch unbeholfen am Boden lag.

„Hast du dich verletzt?“, fragte ich besorgt.

„Nein, aber mein Ego ist angeknackst und meine Klamotten sicherlich total dreckig.“

„Komm hoch, der Boden ist nass und kalt.“

„Das habe ich schon selbst gemerkt… und was machen wir jetzt?“, kam es mürrisch von Gerrit, als er wieder neben mir stand.

„Langsam weiter gehen?“

„Jens, ich bin nachtblind, ich sehe nichts mehr.“

„Tröste dich, ich kann auch kaum noch etwas erkennen.“

Plötzlich spürte ich, wie Gerrit meine Hand suchte.

„… ich habe Angst…“

Wohl war mir bei der Sache auch nicht. Doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und nahm Gerrit fest an der Hand.

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