Kastanienbraun – Teil 3

Nach einer kurzen Stille höre ich erneut die Stimme des Fremden: „Frauen!“, schimpft dieser.

Aus irgendeinem nicht erklärbaren Grund muss ich lachen und auch mein Banknachbar stimmt mit ein.

Erst als wir uns beruhigt haben, reicht er mir höflich die Hand: „Ich heiße Angelo Buetti und wie ist dein Name?“, fragt er ganz frech nach. Also lag ich ganz richtig mit meiner Annahme das er eventuell Italiener ist.

„Ich heiße Dennis“, brumme ich etwas verlegen, während ich seine starken Hände schüttle.

„Dennis? Und wie weiter?“, will Angelo nun wissen.

Ich zucke kräftig mit den Schulter, da ich ihn meinen Nachnamen nicht wirklich verraten will.

„Ach verstehe schon“, kommt es auch gleich von meinem Gegenüber,

„Bist von Zuhause abgehauen, was?“, fragt er beiläufig. Erwartet aber anscheinend keine Antwort, da er gleich weiter spricht.

„Ich bin auch mal weggelaufen. Jedoch habe ich mir die Sommerzeit ausgesucht. Du hast ganz schön kalte Hände, mein Junge. Willst doch wohl nicht die Nacht hier draußen verbringen? Weißt du was… Du kommst einfach mit mir! Ich werde mir heute Nacht wohl oder übel ein Hotelzimmer nehmen müssen, da sich meine Übernachtungsmöglichkeit in Luft aufgelöst hat und ich so kurzfristig keinen Flieger mehr nach Hause bekomme…“

Angelo redet und redet und währenddessen sehe ich uns schon in Richtung Hotel laufen. Ich habe keine Ahnung warum ich mit diesem wildfremden Mann mitgehe. Aus irgendeinem unverständlichen Grund ist er mir vertrauenswürdig. Vielleicht weil er so viel redet?

Beim Betreten des Hotelzimmers schlägt mir eine angenehme Wärme entgegen und als ich das große Bett erblicke, ist meine ganze Schüchternheit dahin und ich lasse mich darauf plumpsen.

„Herrlich“, seufze ich.

„Zieh wenigstens Jacke und Schuhe aus“, lacht Angelo, „ich lasse dir schon mal ein heißes Bad ein. Das wird dir gut tun… Was zu Essen bestelle ich uns auch noch.“

Angelo verschwindet ins Bad und ich ziehe meine Kleider aus und folge ihm.

„Gut so. Ich werde deine Sachen in die Wäscherei geben lassen, bis morgen sind sie wieder frisch. Möchtest du etwas bestimmtes Essen?“, fragt Angelo mich.

„Öh… keine Ahnung“, erwidere ich, während ich ins heißes Wasser steige.

„Okay, also irgendetwas. Dann bis gleich“, mit diesen Worten ist er auch schon aus dem Raum verschwunden und ich lehne mich zurück und genieße das Bad.

Es ist schon so lange her, dass ich in einer Wanne lag und so lasse ich mich gehen und vergesse alles um mich herum.

Plötzlich klopft es an der Tür: „Bist du eingeschlafen?“, fragt Angelo und steckt seinen Kopf durch den Türspalt.

Ich muss tatsächlich eingenickt sein, da alles verschwommen wirkt.

„Du hast ganz rote Wangen“, kommt es von meinem Gegenüber, der inzwischen eingetreten ist und ein großes Handtuch nimmt. Anschließend hilft er mir auf, was wohl auch besser so ist, da meine Knie ganz weich sind und meine Beine unter mir nachgeben.

„Komm her… Langsam… Das kommt davon, weil du so unterkühlt warst und nun das heißes Wasser…“, erklärt Angelo, während er mir aus der Wanne hilft und mich erst etwas trocken rubbelt, bevor er mich in einen flauschigen Bademantel steckt.

Danach hilft er mir rüber ins andere Zimmer und legt mich auf Bett, um mir ein dickes Kissen unter die Füße zu schieben.

„Gleich geht es wieder“, sagt er noch und reicht mir ein Glas kaltes Wasser, „hier, trink das!“

Im nächsten Augenblick ist auch schon der Zimmerservice mit unserem Nachtimbiss da. Das Essen wird auf einen Wagen hereingeschoben, auf dem zwei abgedeckte Teller stehen – es duftet herrlich.

Während Angelo dem jungen Mann etwas Geld zusteckt, leere ich mein Glas Wasser mit einem Zug und schaue nach was es leckeres gibt.

Auf jedem Teller liegen zwei Rouladen mit Kartoffeln und Gemüse, reichlich Soße und einem kleinen Salat. Das Essen ist so heiß, dass es dampft und mir läuft vor Freude das Wasser im Mund zusammen.

Etwas Warmes und zur Abwechslung mal keine Currywurst oder Pommes von der Imbissbude.

Angelo deckt den Tisch der im Raum steht und schenkt uns Wein ein.

Anschließend stellt er die Teller rüber und fragt: „Geht es wieder mit deinem Kreislauf?“

Ich nicke hastig und wechsle schnell meinen Sitzplatz vom Bett zum Stuhl.

„Guten Appetit“, sagt Angelo und schon ist der erste Bissen in meinem Mund verschwunden.

„Na dir scheint es ja zu schmecken“, lacht mein Gegenüber nach kurzer Zeit.

„Wenn du magst, kannst du meine zweite Roulade auch noch haben. Ich muss ein bisschen auf meine Linie achten“, fügt er noch hinzu und klopft sich auf seinen kleinen Bauchansatz.

Mit halbvollem Mund nuschle ich ein „Gerne“ und bekomme auch noch zwei kleine Kartoffeln rüber gereicht.

Während Angelo sich entschuldigt und ins Bad verschwindet, esse ich alles brav auf und trinke mein Glas leer. Anschließend bekomme ich einen Schluckauf und trinke noch ein Glas, damit er wieder weggeht.

„So, wenn du magst, können wir nun schlafen gehen“, sagt Angelo, der nur in Boxershorts bekleidet den Raum wieder betritt, „schließlich ist es auch schon spät.“

Er legt sich ins Bett und seine schönen grünen Augen schauen mich an, fixieren mich geradezu.

„Du hast wunderschöne Kastanienbraune Augen, weißt du das! Vorhin haben sie noch nicht so geleuchtet wie jetzt… Du musst ja nicht gleich rot werden oder kommt das jetzt vom Essen?“, fragt Angelo noch, bevor er pustend los lacht…

„Entschuldige… Kann es sein, dass du keinen Alkohol ab kannst?“, kichert Angelo.

Ich schäme mich etwas, stehe aber auf, um rüber zum Bett zu gehen, wobei ich tatsächlich Schwierigkeiten habe. Erst schwanke ich leicht nach rechts, bevor ich stark nach links taumle und dann mit einem kräftigen Schwung im Bett, halb auf Angelo lande.

Der kriegt sich nun gar nicht mehr ein, obwohl er bemerkt hat, wie peinlich mir das ganze ist.

Erst als ich dem Tränen nahe bin und eine Schnute ziehe, bugsiert er mich zu sich unter die Bettdecke. Sein Körper ist schön warm, weich und wirkt dennoch beschützend stark.

Zaghaft schmiege ich mich an Angelo ran und lege meinen Kopf auf seine Brust. Meine eine Hand geht wie von selbst auf Wanderschaft und fängt an mit den wenigen, feinen Brusthaaren zu spielen.

Angelo hat sich unterdessen beruhigt und streichelt mir liebevoll durchs Haar, bevor er das Licht löscht.

Nur kurze Zeit später, merke ich wie sein Atem ruhiger wird und seine Hand locker lässt. Er ist eingeschlafen, aber ich komm einfach nicht zur Ruhe, weil ich nicht verstehe was plötzlich mit mir los ist.

Ich fühle mich so verdammt wohl bei ihm, würde am liebsten für immer so liegen bleiben. Gedanken machen sich in meinem Kopf breit, die ich bisher immer nie an mich heranlassen wollte:

Bin ich etwa schwul?

*-*-* Ende *-*-*

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