Johannes Schmidt – Teil 3

Hamster
Kurz vor 24 Uhr im Chat
Anwesend:
Plasma, Dotti, Neumond, Mikesch, Loggi, Arschmade, Hamster
Ra: ‘Nabend zusammen.’
Dotti: ‘Hi Ra.’
Arschmade: ‘Lebst noch, gottlob.’
Login – ‘Ixus’
Ra: ‘Nabend Ixi.’
– Ein neues Fenster geht hoch, ich bin alleine mit Hamster im Separee –
Hamster: ‘Na, wie geht’s mit deiner Bekanntschaft?’
– Was ging den das an? Zwei Zeilen gewechselt und schon kommt er mir intim. Ich mag das nicht, aber ich lasse ihn. –
Ra: ‘Hallo Hamster. Was soll sein?’
Hamster: ‘Hast du ihn noch einmal wieder getroffen?’
Ra: ‘Nein, warum sollte ich? Er hat ja gesagt, er will mich nicht wiedersehen.’
Hamster: ‘Hat er nicht, es ist deine Vermutung.’
Ra: ‘Sag mal, was soll das alles? Warum bist du so neugierig?’
Hamster: ‘Ich bin nicht neugierig. Ich hatte nur das Gefühl, dass du ein bisschen Trost brauchst.’
– Unrecht hatte er nicht, aber nach dem Abend mit Manfred schwebte ich auf einer anderen Wolke. –
Ra: ‘Danke der Fürsorge, aber ich komm schon gut klar.’
Hamster: ‘Sicher?’
– Nun nervte er –
Ra: ‘Ja, sicher.’
Nach einer Weile des Schweigens.
Ra: ‘Wer bist du eigentlich?’
Hamster: ‘Du meinst, im wahren Leben?’
Ra: ‘Ja,’
Hamster: ‘Nichts bedeutendes. Ein Mann in der Leere des Weltalls. Auf der Suche nach Geborgenheit und Ruhe.’
Ra: ‘Sind wir das hier nicht alle?’
Hamster: ‘Alle wohl nicht, aber die meisten.’
– Er wollte offenbar nichts von sich preisgeben. Dann würde ich das auch nicht. –
Ra: ‘Ich geh dann mal wieder in den Hauptchat.’
Hamster: ‘Schon?’
Ra: ‘Ja, oder wolltest du noch etwas?’
Hamster: ‘Wo wohnst du eigentlich?’
– Das konnte er ja noch wissen. –
Ra: ‘In der Nähe von Mannheim.’
Hamster: ‘In der Nähe?’
Ra: ‘Ein kleines Nest, heißt Hofheim, du wirst es eh nicht kennen.’
Logout – ‘Hamster’
Nachdem Hamster sang- und klanglos abgetreten war, unterhielt ich mich noch eine zeitlang mit den anderen bis auch ich keine Lust mehr hatte.
Ich lag auf meinem Bett und grübelte. Manfred würde Florian probeweise einstellen, war bereit, ihm die Computerwelt näher zu bringen, als das durch Weiterbildung möglich war. Nun lag es an mir, Florian das zu sagen.
Ich stand auf und fuhr den Rechner nochmals hoch. Seine Telefonnummer zu finden war nicht schwer, nach wenigen Minuten lag sie aufgekritzelt auf meinem Schreibtisch. Es war zu spät um anzurufen, aber ich konnte irgendwie beruhigter einschlafen.
Ein Kuss für Papa
Paps saß am Tisch, wie immer den Kopf in der Zeitung, Wirtschaftsteil.
»Morgen.«
Er sah kurz hoch, musterte mich und versank wieder in den Zeilen.
»Morgen. Du scheinst gut geschlafen zu haben.«
»Ja, hab ich.«
»Gibt’s nen Grund dafür?«
Er nippte an der Kaffeetasse.
Ich sagte mir, jetzt oder nie und erzählte die Geschichte mit Florian und Manfred.
Papa sagte nichts, nickte nur ab und zu. Erst als ich fertig war und das auch mit dem Wort ‘Ende’ unterstrich, ließ er die Zeitung sinken.
»Wenn Manfred das so manchen will – ich hab nichts dagegen.«
Diese Runde ging an mich.
»Aber Manfred kann nicht bestimmen, was Florian verdienen wird.«
Papa sah mich an.
»Ich würd sagen, so schlecht geht es uns nicht. 1000 Euro. Brutto. Aber sag’s ja keinem weiter…«
Spontan sprang ich um den Tisch und drückte meinem Paps einen Kuss auf die Wange, worauf er Augen bekam, so groß wie Unterteller.
»Nana, das… scheint dir aber wirklich wichtig zu sein…«
Ich zwinkerte ihm nur zu und setzte mich wieder auf meinen Platz.
Plötzlich schreckte er hoch.
»Jetzt komm ich zu spät…«
»Tut mir leid«, grinste ich.
»Naja, wenigstens reden wir überhaupt noch miteinander.«
»Wie meinst du das?«
»Gestern, da hat einer mal so aus seinem Familienleben geplaudert… Mist, jetzt hältst du mich aber echt auf. Tschüß bis heute abend.«
Weg war er.
Ich setzte mich mit meiner Tasse nach draußen. Wie praktisch, wenn es im Erdgeschoss Garagen gab, auf dessen Flächen eine geräumige Terrasse Platz hatte. Mein Papa hatte den ‘grünen Daumen’ und so sah es dann auch aus. Überall Büsche und Bäumchen in Töpfen, meine kleine Oase. Herr Schmidt hatte hier draußen einen geräumigen Käfig und so holte ich ihn aus dem Zimmer. Bereitwillig ließ er sich von mir auf Händen tragen, er schien zu wissen, dass er an die frische Luft durfte.
Ich starrte auf das Telefon. Es war kurz nach zehn, eigentlich konnte ich es wagen.
Mein Herz erreichte wieder diese schon übliche Frequenz, wenn es um Florian ging. Ich wählte seine Nummer.
»Andresen?«
»Sebastian hier.«
Schweigen am anderen Ende. Im übrigen würde ich in wenigen Minuten wissen, wie es weiterging. Vielleicht sogar Sekunden, wenn er nämlich einfach wieder auflegte.
»Was willst du noch?«, fragte er in einem Ton, der nicht zu ihm passte. Ein Wunder, dass er überhaupt danach fragte.
»Mit dir reden.«
»Aha, und worüber?«
»Über deine Zukunft.«
»Meine Zukunft?«
»Ja, um deine Zukunft. Ich kann dir eine Stelle vermitteln, aber nur wenn du möchtest.«
Bewusst stellte ich ihn sofort vor die Wahl.
»Was für eine Stelle?«
»Nicht am Telefon.«
»Und warum nicht?«
Ich konnte oder wollte ihm nicht sagen, dass ich ihn unbedingt sehen wollte. Nein, musste. Aber vielleicht konnte er es sich ja denken.
Die Schweigeminute schien ihn neugierig gemacht zu haben.
»Na gut. Wo treffen wir uns?«
»Wär schön, wenn du kommen könntest. Es ist niemand da und… natürlich nur, wenn du keine… Termine hast.«
»Heute habe ich keine. Und wo wohnst du?«
Ja, klar, das wusste er nicht. Nachdem ich es ihm erklärte hatte, lachte er. Ja, er lachte.
»Und wie, bitte, soll ich dahinkommen? 25 Kilometer laufen – nicht bei der Hitze.«
Er wurde sogar witzig. Und seine Stimme…
»Komm mit dem Taxi. Ich bezahle es dir auch.«
»Echt?«
»Ja, ich hab kein Auto, das hat mein Vater. Also, ich erwarte dich in einer halben Stunde.«
»Gut, ich komme.«
Mein Herz machte Freudensprünge. Er würde hier sein, hier bei mir. Kein Freier konnte ihn erreichen, niemand ihn mir wegnehmen. Wenigstens heute nicht.
Ich begann den Tag zu verplanen, denn was ich ihm zu sagen hatte, ging ja schnell.
»Geh mit ihm schwimmen«, flüsterte Herr Schmidt aus seinem schattigen Plätzchen.
»Das fehlt noch. Er hat natürlich keine Badehosen… «
Da fiel mir ein, dass er in etwa die selbe Figur hatte wie ich. Sollte er darauf eingehen, konnte ich ihm eine Hose leihen. Vorzugsweise Shorts, denn in engen Badehosen könnte ich wohl kaum folgenlos um ihn sein.
Ich roch ihn, schmeckte ihn, fühlte ihn. Sah seine Mandelaugen, die von den langen Wimpern abgeschattet wurden. Die vollen, weichen Lippen. Und seine Stimme säuselte in meinen Ohren.
»Oh Mann«, sagte Herr Schmidt, »wie ein Teenager. Schämst du dich nicht?«
Ich grinste zu dem Käfig hin.
»Nein, tu ich nicht. Florian – du kennst ihn ja gar nicht.«
In dem Moment fiel mir ein, dass er Leguane ja auch hässlich finden könnte… Aber ich dachte nicht daran, Herrn Schmidt wieder ins Haus zu tragen. Notfalls konnte ich ja eine Decke über den Käfig legen.
Was ich dann auch umgehend tat. Wegnehmen konnte ich sie immer noch.
»Das ist unfair. Wie soll ich Florian jetzt kennen lernen?«
Ich lachte über meinen Monolog. Dachte Herr Schmidt vielleicht wirklich so? Nun, wohl eher nicht. Ihm würde gleichgültig sein, wie ein Mensch aussieht. So lange er gefüttert und umsorgt wurde…
Ich sah auf die Uhr, es war noch Zeit. Zeit wofür? Was wollte ich ihm anbieten?
Ich ging in Küche und überprüfte den Inhalt des Kühlschranks. Egal was er wollte, er bekäme alles, und wenn ich zur nächsten Tanke laufen musste.
Mein Herz war eh schon einige Touren zu schnell unterwegs, aber als ich das Auto vorfahren hörte, begann es zu rasen. Nicht abrasten, dachte ich, versuch cool zu bleiben. Aber das war alles andere als einfach.
Noch bevor es klingelte, öffnete ich die Tür und Florian kam die Treppen herauf, stand plötzlich vor mir.
»Das Taxi«, sagte er und es kam wie aus fernen Nebeln irgendwo an einer freien Stelle meines Gehirns an.
»Taxi?… Ach, so, ja… Moment…«
Ich stürmte in mein Zimmer und kramte zittrig meinen Geldbeutel heraus. Daran hätte ich auch eher denken können.
»Warte, oder nein, geh schon mal durch. Geradeaus geht es auf die Terrasse«, sagte ich völlig aufgelöst und deutete ihm den Weg.
Ich holte tief Luft. So durch den Wind war ich noch nie in meinem Leben. Nachdem ich das Taxi bezahlt hatte stelle ich mich unter die Tür; Florian bemerkte mich nicht. Er schnupperte mal an dieser Blume, dann an jener, strich sanft über die Blätter der Pflanzen. Schön sah das aus. Genau das passte zu ihm, er schien sich jedenfalls für Natur zu interessieren.
Dann starrte er auf die Decke über Herrn Schmidts Käfig.
»Da bin ich.«
Er drehte sich langsam zu mir um. Klar, ich wusste ja, dass er schön war, bildschön. Aber jetzt, in der Mittagssonne…
Ein knappes, weißes T-Shirt mit dem Aufdruck ‘Voyage’. Sein Bauch war einige Zentimeter unbedeckt und in seinem Bauchnabel befand ein kleines, in der Sonne regenbogenfarbig glitzerndes Steinchen. Die knielangen Jeans, Sneakers in hellblau. Ich dachte, es würde völlig egal sein, was er anzog. Nur ein dicker Pelzmantel könnte diese Figur verderben.
Die Augen… Er musterte mich, sehr genau. Was dachte er? Dass ich ihn unter einem Vorwand hergelockt hatte?
»Setz dich doch. Möchtest du etwas trinken? Einen Fruchtsaft? Wasser? Bier, Sekt, Wein? Alles da.«
Er setzte sich auf einen Liegestuhl und blinzelte mich an. Mein Gott, diese glitzernden Augen.
»Fruchtsaft… mit Sekt?«
»Kommt sofort.«
Ich verschwand in der Küche, von der aus man auch auf die Terrasse sehen konnte. Er saß da, die Hände auf seinem Schoß verschränkt und hielt sein Gesicht in die Sonne.
Ja, tu das. Ich steh auf braune Jungs. Mag diese Magerquarktypen nicht, die aussehen wie Gollum und als würden sie ihr Leben in einem muffigen Keller verbringen.
»Hier.«
Ich gab ihm das Glas, in das ich noch ein paar Fruchtstückchen geworfen hatte.
Plötzlich grinste er.
»Alleine aufgekriegt, die Dose?«
Ich musste lachen. Er hatte es nicht vergessen.
»Prost.«
Wir stießen an.
»Florian?«
»Ja?«
»Das mit neulich bei dir… ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich wär einerseits gern geblieben, aber dann wieder…«
»Komm, vergiss das. Ich hab ja auch drüber nachgedacht. Du hattest schon recht.«
»Echt? Du bist mir nicht böse?«
»Quatsch. Schön hast du es hier, würde mir gefallen.«
Er lenkte vom Thema ab und ich war ihm dankbar.
»Ja, ist es. Danke, dass du gekommen bist.«
Er sah mich an.
»Und, was hast du mir Wichtiges zu sagen?«
Dass ich dich liebe, du Dummkopf. Dass ich alles daran setzen werde, damit wir Freunde werden können.
»Also, mein Papa würd dich gern einstellen. Probeweise erst mal um zu sehen was du draufhast.«
Er sah mich nicht gerade glücklich an.
»Und, was soll ich draufhaben?«
Ich zog die Schultern hoch. Wenn er eine Abneigung gegen Computer hatte, war das Rennen gelaufen.
»Computerprogramme.«
Nun schien Leben in ihn zu kommen.
»Ausgerechnet?«
»Das ist aber die Zukunft, Florian. Du machst keinen Fehler.«
Er starrte in den stahlblauen Himmel.
»Und wie sieht es mit der Kohle aus?«
Ich druckste herum, wusste ja nicht, was er sich so vorstellte.
»Was wäre denn so dein Wunsch?«
Ich zitterte vor Aufregung. Nur daran lag es jetzt noch, davon war ich überzeugt.
»Hm, keine Ahnung. Hab schließlich keine Ahnung von solchen Sachen.«
»Brutto?« fragte ich hinterhältig.
»Klar, so wird das immer gerechnet.«
»Nun?«
Es machte mir Spaß, so mit ihm zu spielen.
»Sag schon.«
»500?«
»Warm.«
Da setzte er sich auf und starrte mich an.
»Mehr?«
»Ja, also komm, lass uns erst mal anstoßen.«
Denn ich wusste, er würde das Angebot annehmen.
»Nun sag schon«, fragte er neugierig.
»Wären dir 1000 zu wenig?«
Sein Kiefer klappte herunter.
»Was hast du grade gesagt?«
Ich tat so, als wäre das alleine mein Verdienst und sah verlegen in meinen Schoß.
»Ich denke, ich war deutlich genug.«
Tja, was dann kam werde ich nie mehr vergessen. Er stand langsam auf, nahm mich an den Ohren, zog mich zu sich und küsste mich derart fest auf den Mund, dass es fast schon weh tat.
»Entschuldige… aber das ist ja fantastisch…«
Er ballte die Fäuste und schrie ein ‘JAAAA’ in die Gegend.
Wenige Sekunden später legte sich seine Euphorie und er kam zu mir, packte meine Arme erneut und sah mir in die Augen.
»Tut mir leid, wenn ich grad ausgerastet bin… aber so viel Geld… ich kann es nicht glauben… Sebastian…«
Er nahm mich in die Arme und drückte mich.
Allmählich wurde mir gewahr was da grade passierte. Mein Junge hielt mich fest, in seinen Armen.
Langsam legte ich meine Hände um seine Taille, fühlte die feuchte Haut. Ein schwacher Duft umnebelte meine Sinne. Kein Parfüm.
Wie viele Männer hatte er so gehalten? Wer durfte schon alles seinen schönen Körper abtasten und abschnüffeln und sonst ganz andere, leckere Sachen mit ihm machen?
Ich begann immer fester zuzudrücken. Er musste mir gehören, mir allein. Ich hatte ihn mir nicht erkauft… Oder doch? Nein, das war eine Hilfsmaßnahme. Er musste sofort aufhören. Kein Stricher mehr, ab heute.
Nach etlichen Minuten schob er mich von sich und sah wieder in meine Augen. Ich schmolz innerlich dahin. Nein, mir alleine, niemandem sonst durften diese Blicke gehören.
»Wirst du… ich meine, suchst du dir… jetzt immer noch Männer?«
Er lächelte.
»Warum sollte ich?«
Ich hätte so gern gehört, dass er sagen würde ‘ich hab doch jetzt dich’. Aber er sagte es nicht.
»Möchtest du mit ins Schwimmbad?«, fragte ich ihn nach dem kleinen Schock.
»Weiß nicht. Die vielen Menschen sind nicht mein Geschmack.«
Dazu, was wir sonst noch machen könnten, fiel mir nichts ein.
»Hast du eine Idee?«
Er sah sich um.
»Lass uns doch einfach hier bleiben. Ich hätte mal Lust darauf, weniger als gar nichts zu tun.«
Verkehrt war es nicht, denn noch immer wusste ich nicht, wie er zu mir stand. Ich hatte panische Angst vor der Antwort.
Spontan zog er sein T-Shirt über den Kopf, was dann strubbelige Haare zur Folge hatte. Und ich hatte den Blick frei auf diesen wunderschönen Körper.
Er klappte den Liegestuhl um und briet in der Sonne. Immer wieder betrachtete ich ihn, während er so vor mir lag.
»Willst du dich nicht lieber eincremen? Die Sonne ist giftig um diese Jahreszeit.«
»Ja, du hast wahrscheinlich recht.«
Ich eilte ins Bad und holte die Sonnencreme.
Er begann, seine Brust, seine Schultern, seinen Bauch, die Arme und Beine einzucremen. Das rief natürlich sofort wieder meine Gefühle auf den Plan. Er ging so zärtlich mit seinem Körper um, keine hastigen Bewegungen. Es kam mir schon fast vor wie ein Ritual.
»Würdest du mir den Rücken eincremen – ich meine, nur wenn du willst.«
Mir platzte fast der Kragen. Warum weiß ich heute noch nicht, aber ich war plötzlich am Ende meiner Kräfte. Merkte er denn nicht, wie sehr ich mich nach ihm verzehrte? Dass mein Leben nur noch aus dem seinen bestand?
Ich riss mich gewaltig zusammen, meine Augen wurden feucht. Er war so nah und doch so fern. Konnte er überhaupt lieben? Bestand sein Leben inzwischen nur noch aus Sex? War er nach all den Erlebnissen gefühllos geworden? Oder schlich er einfach nur blind durch die Gegend?
»Natürlich, gerne«, sagte ich leise.
Er drehte sich um und präsentierte mir seinen Rücken. Diese Gleichmäßigkeit. Jeder Quadratzentimeter machte mich an. Die schmalen Hüften, die Schulterblätter, der Hals. Nicht zu vergessen die Pobacken, welche die engen Jeans bestens zur Geltung brachten.
»Möchtest du eine Short?«
»Ja, ist glaub ich besser. Das ist ja unmöglich heiß in den Jeans.«
»Warte, ich hol dir eine.«
Da stand ich dann vor meinem Schrank. Welche sollte er haben? Die rot-blaue? Oder doch die mit dem Aufdruck? Oder die ganz weißen? Ja, die passten ausgezeichnet zu diesem angebräunten Körper.
Florian stand auf als ich zurückkam, zog seine Schuhe aus und knöpfte seine Jeans auf. Sehen konnte uns hier niemand, die anderen Häuser ringsum waren nur einstöckig und unser ganzes Gelände war durch dichte Büsche uneinsehbar. Schöne Füße, dachte ich.
Wie schon einmal zog er die Hosen herunter und es präsentierte sich – ein Tanga. Mir blieb die Luft weg, aber in Sachen Unterwäsche hatte Florian schon was drauf. Ich sah nach Millisekunden wieder weg, es war einfach zu gefährlich.
Er zog die Shorts an, legte sich wieder auf den Bauch und ich begann, die Creme auf seinem Rücken zu verteilen.
Heiß fühlte sich seine Haut an, heiß und weich. Geschmeidig ließ ich meine Hände über seinen Rücken gleiten und ich genoss diese Berührung. Dichte Haare unter den Achseln. Hätte ich gern mein Gesicht darin vergraben? Am Bund der Shorts wurde mir etwas schummrig, aber ich wagte es nicht Florian dort direkt zu berühren.
Der Nachmittag verlief dann sehr ruhig, Florian war eingeschlafen und ließ mich mit meinen Gedanken alleine.
Ich fütterte Herrn Schmidt und las in einem Buch. Insgeheim hatte ich mir viel mehr versprochen von diesem Tag, aber letztlich war ich froh, dass Florian hier bei mir war, wie auch immer.
Irgendwann streckte er sich.
»Puh, war das ein erholsamer Tag.«
Für ihn, vielleicht…
»Ich möchte nach Hause«, sagte er dann wie beiläufig und ich verstand es nicht.
»Willst du nicht noch mit uns essen? Mein Vater kommt bald von der Arbeit.«
»Nein, lass mal, wenn es so heiß ist hab ich eh nicht viel Hunger.«
»Ja, klar«, gab ich enttäuscht von mir.
»Aber die Heimfahrt bezahle ich selbst«, sagte er und zog sich seine Jeans wieder an.
Zwischen uns war nichts, gar nichts. Sein Freudenausbruch, die Umarmung, der Kuss – das hatte nichts mit uns zu tun. Er hätte das mit jedem gemacht. Vielleicht war es eben seine Art, Freude auszudrücken. Aber durfte ich nicht auch so eine Art Dankbarkeit erwarten? Nein, wozu. Ich hatte ihn mir ja nicht erkauft. Es war nicht mal ein Freundschaftsdienst, eine Gefälligkeit am ehesten. Nicht unter Freunden, einfach so. Ich hätte heulen können.
»Ich melde mich bei dir wegen der Stelle«, sagte ich ihm unter der Tür.
Er sah mich an.
»Ja, tu das… Und… Danke.«
Wieder ein Kuss auf den Mund. Ganz schnell, zart, leicht, leidenschaftslos. Das konnte er. Das musste er können… Er hatte gesagt, keine Männer mehr, aber ich hatte nicht den Mut, es ihm noch einmal in Erinnerung zu rufen. Er musste wissen was er tat.
So schnell wie er gekommen war, so schnell verschwand er wieder.
»Na, was sagst du? Ist Florian was für mich?«
»Weiß nicht. Er ist so emotional, kaum einzuordnen in ein Schema. Ich glaub, von dem solltest du doch eher die Finger lassen.«
»Aha, Herr Schmidts neue Erkenntnisse?«
»Möglich. Ich glaube nicht, dass er von fremden Männern lassen kann. Ich denke, er steht noch unter Schock wegen Andreas, diese Trennung hat er nicht verwunden. Und jetzt will er keine feste Beziehung mehr, aber auf Sex kann er auch nicht verzichten. Also verbindet er Gutes mit Nützlichem – und kriegt auch noch Geld dafür.«
Ich grinste Herrn Schmidt an.
»Ach, und warum will er dann keinen Sex mit mir? Du hättest den Fettsack sehen müssen, mit dem er’s wohl getrieben hat. Nein, Florian bräuchte sich sowas bestimmt nicht zu geben. Das kann nur am Geld hängen.«
»Nun, wenn du meinst. Aber dann müsste er auf der Stelle damit aufhören können.«
Ich nickte und trug Herrn Schmidt wieder in mein Zimmer, es war spät geworden.
Noch einmal ging ich auf die Terrasse, ich musste einige Gänge herunterschalten. Und da lagen die Shorts, über dem Liegstuhl. Wie gebannt starrte ich sie an. Für mich war sie ein Teil seiner selbst geworden und sie schien zu glühen. Reine Einbildung, aber ich empfand oder sah es so.
Mit zwei Fingern hob ich die Hose hoch, drehte sie vor meinen Augen.
Sie roch nach Florian. Ja, ein Teil von ihm war sie geworden. Nie wieder würde ich sie anziehen wollen.

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