Die Hütte am Torfmoor – Teil 3

»Na ja,…. Quatsch, ich hab keine Angst.«
Beweise
Schlagartig war er wieder wach. Wie sollte das funktionieren? Da lag er neben einem Jungen, den er eigentlich gar nicht kannte, der aber so anziehend für ihn war, wie noch nie jemand zuvor. Auch Karin nicht. Er würde alles daran setzen ihn zum Freund zu gewinnen, aber es kam alles zu plötzlich, war zu einfach, zu schön. Er wehrte sich gegen seine Gedanken, unterdrückte die Gefühle. Ein leichtes Prickeln durchfuhr seinen Körper.
Er spürte wieder die Wärme, roch dieses Parfüm. Sie lagen so dicht, dass sie sich ständig irgendwo berührten. Die Beine und die Arme waren das größte Hindernis. Oder auch nicht. Mario beschloss den Berührungen nicht auszuweichen. Wer wusste schon, wann sie wieder so nahe beieinander sein konnten und er empfand es als sehr angenehm. Es wurde totenstill, nur ihr gleichmäßiges Atmen war zu hören.
»Schnarchst du eigentlich?« wollte Felix schläfrig wissen.
»Ich weiß es nicht.«
»Du weißt es nicht?«
»Ich höre mir im Schlaf eigentlich nicht zu und jemand anders… nun, du wirst es mir sagen. Denke ich.«
»Das heißt, du hast noch nie mit jemanden geschlafen? Also ich meine so, in einem Zimmer?«
»Nein. Gute Nacht.«
Mario dachte über Felix’ Worte nach. »..noch nie mit jemandem geschlafen..«
Irgendwann in der Nacht wachte er auf. Eine Hand lag auf seiner Brust und er wagte nicht zu atmen.
»Felix?« Er flüsterte so leise, dass er sich selbst kaum verstand.
»Felix?«
Der Junge rührte sich nicht. Er lag auf der Seite zu ihm hin und atmete tief und gleichmäßig. Mario griff in seinen Slip und befreite den ansteigenden Schwanz aus dem Gefängnis. Wieder wurde ihm heiß, die Situation war brenzlig. Er berührte sachte Felix’ Hand auf seiner Brust, streichelte so leicht darüber als bestünden seine Finger aus Daunenfedern.
Sachte rückte er mit dem Kopf näher an den warmen Körper neben ihm, kuschelte sich Millimeter für Millimeter näher an den Jungen heran. Wenn Felix jetzt aufwachte würde er sich schlafend stellen, das war alles kein Problem.
Er vernahm einen aufregenden Duft, und wäre am liebsten mit seiner Nase an jeder Körperstelle entlanggefahren. Er legte seinen Kopf so, dass er nur wenige Zentimeter Abstand zu Felix’ Achselhöhle hatte. Er war auf der Brust Haarlos, aber unter seinen Achseln und zwischen den Beinen war er mit dichten, schwarzen Haaren besetzt. Das hatte Mario heute Abend – oder war es gestern? – deutlich sehen können.
Obwohl in diese Situation bis zum zerspringen erregte, übermannte ihn erneut der Schlaf.
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Durch das kleine Fenster fiel dämmriges Licht in die Hütte als Mario die Augen öffnete und er brauchte einige Sekunden, bis er begriff, wo er war. Langsam drehte er sich um und stellte fest, dass der Platz neben ihm leer war. Etwas schneller setze er sich auf, rieb sich die Augen. Auch die Hütte war leer.
»Felix?« rief er trotzdem, bekam aber keine Antwort.
Erst jetzt machte sich der Kater bemerkbar. Es würde wohl das letzte Mal gewesen sein, dass er Alkohol getrunken hatte, das war sicher.
Aber wo war Felix? Wahrscheinlich schon draußen im See. Der schien mit Sekt besser fertig zu werden.
Mühsam stand er auf, streckte sich und spürte plötzlich, dass sein Slip feucht war. Erschreckt stellte er fest, dass er in der Nacht einen Samenerguss gehabt haben musste. Und der war wohl heftig gewesen, sein Slip hatte einen handtellergroßen Fleck. Sein Blick fiel auf den Schlafplatz neben ihm. Felix war sicher über ihn hinweg gekrochen, anders konnte er die Couch gar nicht verlassen haben. Und die Decke lag neben der Couch auf dem Boden. Er fürchtete, dass sie da schon lag als Felix aufstand – und der seinen nassen Slip gesehen haben könnte.
Die kühle Feuchte zwischen seinen Beinen störte ihn, weshalb er den Slip auszog und so in seine Anzughose schlüpfte. Mit bloßem Oberkörper trat er vor die Tür. Gleißendes Sonnenlicht blendete ihn, verstärkte seinen Kopfschmerz um das Doppelte. Nebelschwaden waberten auf dem See, kämpften noch mit dem aufwachenden Tag. Bald würden sie von der Sonne weggebrannt.
»Felix!?«
Nur Vögel schienen ihm Antwort zu geben. Etliche Vögel aller Art gaben ihm ein Konzert, Frösche quakten und unzählige Insekten schwirrten über den Sand.
Das Boot war fort. Er ging zur Feuerstelle, in der jetzt nur noch schwarze Asche an die Nacht erinnerte. Ihre Spuren im Sand, so war es, wenn man aus einem Traum erwacht. Hatte er das alles nur geträumt? Konnte aber nicht sein, Beweise gab’s genug. Deutlich erkannte er Felix’ und seine Fußabdrücke im Sand. Er dachte Sekundenlang an Robinson und Freitag und ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
Er setzte sich in den Sand und grübelte. Wie schön war diese Nacht gewesen. Jede konnte so aussehen, bis zu seinem Lebensende. Aber was war nun eigentlich? Liebe? Zuneigung? Schwärmen? Felix ließ in keiner Sekunde durchblicken, was er für ihn empfand. Tat er das überhaupt? War er nur ein passender Zeitvertreib?
Leichtes Plätschern kam vom See her, dann sah er das Boot geisterhaft aus dem Nebel auftauchen und sein Herz machte Sprünge. Er stand auf und beobachtete Felix’ Muskelspiel in dem blauen Trägerhemd, auf dem in großen, goldenen Buchstaben »21« stand. Die gleichmäßigen, kraftvollen Bewegungen faszinierten ihn.
Er ging zum Steg und Felix warf ihm die Leine zu. Nichts hatte diese Nacht dem Jungen anhaben können, er war schön wie in der ersten Minute. Und jetzt, im hellen Sonnenlicht, erinnerte er ihn an Adonis.
Was würde Felix jetzt sagen?
»Hier, ich hab dir was zum Anziehen mitgebracht, die Kleider stinken nach dem blöden Rauch von dem Feuer. Und was zu essen habe auch dabei.«
Mario half ihm aus dem Boot. Die Berührung ihrer Hände weckten ihn völlig auf. »Lass ihn doch einfach nicht mehr los.«
»Guten Morgen erst mal. Gut geschlafen? «
»Ich hab nicht geschlafen, ich war ohnmächtig.«
»Ah so, ja, nun – komm, zieh dir die Klamotten an. Sie sind von mir, aber die passen dir. Wir haben dieselbe Größe.«
Mario zog das T-Shirt und die Shorts aus der Tasche. »Und wenn du mich verfluchst – das bekommst du nicht wieder.«
»Übrigens kannst du die Klamotten behalten« sagte Felix plötzlich, so, als könne er Gedanken lesen.
»Gefallen sie dir nicht?« fragte Mario vorsichtshalber nach.
»So ist es. Ich hab da so einen kleinen Fimmel.«
»Oh, schön, ja, danke.«
»Wie geht es deinem Kopf?«
»Es fährt grade eine Dampfwalze darüber, aber sie kommt voran.«
»Da hilft nur ein Frühstück. Viele Grüße übrigens von deiner Tante. Sie hat grade angerufen als ich drüben war. Sie sagt, sie würde dich heute Mittag abholen und möchte mit dir nach Celle fahren. Sie hätte es dir selbst gesagt, aber du hast dein Handy im Auto liegen lassen. Hier, ich hab’s dir mitgebracht.«
Marios gute Laune war dahin. »Aber kann es denn sein, dass ich nicht möchte?« sagte er trotzig. »Was will sie mit mir dort?« Technik hin oder her, aber an dieser Stelle verfluchte er das Handy.
»Das hat sie nicht gesagt. Aber ich an deiner Stelle würde gehen. Umsonst fährt sie mit Sicherheit da nicht hin. Einkaufen wird sie. Für dich nehme ich an.«
»So, woraus lässt sich das schließen?«
»Ich wette 99 zu 1, dass es so ist.«
»Du scheinst sie ja gut zu kennen..«
»Ist vielleicht auch nur ein Gefühl, warten wir es ab.«
»Wann bist du überhaupt aufgestanden?«
»Weiß nicht, die Sonne ging grade auf.«
»Warst du nicht müde?«
»Doch, aber ich stehe immer früh auf. Im Sommer hält mich bei schönem Wetter nichts im Bett. Aber komm, der Kaffee ist schön heiß und die Brötchen frisch. Wir bringen den Tisch vor die Hütte.«
Wenig später hatten sie den alten Tisch und die maroden Stühle vor die Hütte gestellt.
Satt lehnte sich Mario zurück. So ein Frühstück war ihm nicht in Erinnerung, schon gar nicht in so hübscher Gesellschaft. Er dachte daran, wie es sein würde, mit einem Mann zusammen zu leben.
»Wenn es ginge, würdest du mitfahren, heute Mittag?«
»Nun ja, vor habe ich nichts heute. Bin sowieso alleine, mein Onkel und Tante sind in Urlaub gefahren, bis wir zurückkommen.«
»Na bitte. Das ist doch ein Grund, den auch meine Tante verstehen würde.« Wieder sah er ihr Gesicht, wie sie Felix am Abend zuvor angesehen hatte.
»Warten wir es ab. Gegen Mittag müssen wir jedenfalls zurück sein. Gehen wir schwimmen?«
»Schon, aber ich habe keine Badehose..«
»Na und? Mensch Mario, heute Nacht hattest du doch auch keine.«
»Ja, aber da war doch Nacht.«
Felix grinste schelmisch. »Hier kommt kein Mensch her. Und selbst wenn – es kommt mir nicht so vor als hättest du etwas zu verbergen.«
Mario spürte wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Er hatte ihn also beobachtet. Musste er, wie sonst kam er zu solch einer Bemerkung?
Rasch zog Felix seine Klamotten aus und rannte ins Wasser bis er frei schwimmen konnte. Er ruderte im Wasser herum und winkte.
»Na los, du Angsthase.«
Es half nichts, Mario war gezwungen ihm zu folgen. Er zog sich aus, unter Felix’ prüfendem Blick. Was er sich wohl dachte, dass sich unter der Anzughose kein Slip befand?
»Mann, das dauert ja ewig. Ich frier schon fast wieder.«
Mario rannte ihm entgegen. Hatte er bei Felix bis jetzt noch weggesehen um nicht aufzufallen, würde er es das nächste Mal nicht tun. Wozu auch, Felix war offenbar kein bisschen verklemmt.
Sie drehten ein paar Runden und Marios Geister kehrten zurück.
»Ok, komm, wir müssen langsam an den Aufbruch denken. Ich denke du solltest deine Tante nicht warten lassen.«
Mario wurde sauer. Nicht wegen dem, was Felix sagte, sondern was der Grund dafür war. Er war fast 17, warum musste er sich so an Regeln halten? Klar, Tante Margot sorgte sich um ihn, aber ihr Reglement begann ihn mehr und mehr zu ärgern.
Er sorgte dafür, dass er zuerst aus dem Wasser kam, stellte sich ans Ufer und beobachtete wie Felix herauslief. Demonstrativ musterte er jeden Zentimeter des Jungen.
»Was ist, warum starrst du mich so an?« In seiner Stimme schwang nichts Außergewöhnliches mit.
»Ich wollte nur mal sehen, mit was ich mich da eigentlich abgebe. So als Ganzes meine ich.«
Felix machte große Augen, ging langsam auf Mario zu und blieb kurz vor ihm stehen. Sein Haar klebte nass an seinem Kopf, Wassertropfen liefen an seinem Körper herunter und glitzerten in der Sonne.
Mario war entzückt über jeden Zentimeter, der da vor ihm stand. Am liebsten hätte er in das dunkle, scharf begrenzte Dreieck zwischen den Beinen gefasst. Felix’ Penis sah eigentlich aus wie seiner, weder größer noch kleiner, nur war Felix nicht beschnitten wie er.
»Weißt du, ich dachte schon mal daran dich zu fotografieren. Der allgemeinen Meinung, wie ein Model auszusehen hat, nun, dem kommst du recht nahe. Hättest du Lust? Zudem ist die Gegend hier wie geschaffen für Hintergründe.«
Felix nahm das Handtuch auf und frottierte sich die Haare und grinste.
»Nun ja, eigentlich – aber keine Nacktfotos. Dafür gebe ich mich nicht her.«
»Nein, woran denkst du. Dein Körper ist sogar in einem Eskimofell im Kühlschrank noch fotogen.«
Felix lachte. »Nun, wir könnten es ja mal versuchen. Aber jetzt komm, deine Tante darf nicht warten.«
*
»Habt ihr euch noch gut amüsiert? Nun, Jungs, wie auch immer, ihr solltet euch nicht die Nächte in einer staubigen Hütte um die Ohren schlagen.«
Tante Margot erschien an diesem Mittag in Pink. Die Sonne brannte alles, was sie konnte und Mario verspürte nicht die geringste Lust an so einem Tag zum Einkaufen zu fahren.
»Wir hatten schon unseren Spaß..« sagte Mario grinsend.
»Nun, wie dem auch sei. Bist du soweit?«
»Ach, Tante, können wir nicht.. ich meine, es ist ja dermaßen heiß heute..«
»Kein Widerspruch. Wenn ich mir etwas vorgenommen habe kann es heiß sein, Katzen regnen, Hunde schneien oder andere Katastrophen – es kann mich nichts aufhalten. Du solltest andere Freizeitkleidung tragen. Deine ist zwar recht hübsch, aber nicht angemessen.«
»Schön, ich komme mit. Aber nur, wenn Felix auch mitdarf.«
Sie sah sich die beiden abwechselnd an. Ihrem Blick war zu entnehmen, dass sie sich ihre eigenen Gedanken über die zurückliegende Nacht zu machen schien. Mario spürte ihren Kampf, aber er würde stur bleiben. Sie war schließlich nicht sein Vormund. Und er ließ es sich nicht nehmen: Es passte ihr nicht, das spürte er ganz deutlich.
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Am späten Nachmittag saßen sie zu dritt auf der Terrasse und tranken den obligatorischen Kaffee. Mario hatte es geschafft, dass Felix mitfahren durfte und letztlich war der Ausflug in die Stadt doch nicht so langweilig, wie er befürchtet hatte. Jetzt, als ihm Felix gegenüber saß und er ihn sich in Ruhe betrachten konnte, war er sicher, dass es nur dieser Junge war, der diesen Tag so schön machte.
Sie hatten Felix am Haus seines Onkels abgesetzt und dann war er ihnen mit seinem Moped gefolgt, so konnte er jederzeit zurückfahren.
Seine Tante stöberte in einer Zeitschrift.
»Ich stelle mir einen Grillabend vor – nur wir drei« sagte sie ohne von dem Magazin aufzusehen. »Was haltet ihr davon?«
Mario schien sich in seinem Gefühl, dass sich seine Tante gern mit jungen Männern umgab, nicht zu täuschen. Wer wusste schon, was sie in der Richtung schon hinter sich hatte? Nur, mit Felix redete sie kaum, obwohl sie ihn zu einer Bratwurst eingeladen und eine Cola bezahlt hatte.
Als Mario die Klamotten, die sie für ihn ausgesucht hatte, anprobierte, schob sie ab und an den Vorhang der Umkleidekabine beiseite um einen Blick auf ihn zu werfen. Er fand das sehr störend, vor allem weil Felix dabei war. Aber er musste sich eingestehen, dass er sich die Klamotten niemals hätte leisten können. Sie waren in den teuersten Boutiquen der Stadt und nichts schien ihr zu viel zu kosten. Unter diesen Umständen protestierte er nicht gegen ihr Tun, würde ihr aber keine Gelegenheit mehr bieten ähnliche Observationen an ihm auszuüben.
Er streckte seine Beine aus, bis er Felix berührte. Als der ihn daraufhin ansah, fragte er mit seinen Augen was er von der Grillaktion halten würde. Felix zog die Schultern hoch.
»Ihr würdet mir eine große Freude machen.« sagte seine Tante.
Mario hörte am Unterton, dass sie darauf bestand; ihr jetzt zu widersprechen schien nicht angebracht. Im Grunde war es ihm egal, solange Felix in seiner Nähe blieb.
»Ja, das wäre nicht schlecht.« Er beobachtete Felix, der leicht mit dem Kopf nickte.
»Schön, dann werde ich die Vorbereitungen treffen. Ich denke, dass acht Uhr ein guter Zeitpunkt ist. Seid bitte pünktlich.« Sie legte die Zeitschrift auf den Tisch und ging ins Haus.
»Ein wenig nervt sie schon« flüsterte Mario.
»Lass sie. Man muss bedenken, dass sie sonst nichts hier draußen hat. Stell dir vor, wie langweilig das sein muss. Deshalb nimmt sie ja auch jede Party wahr, die hier im Umkreis von fünfzig Kilometern stattfindet. Wir würden vielleicht genauso handeln.«
Er sagte Felix nicht, dass er sich wunderte, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass sie Felix einladen würde. Aber wahrscheinlich ahnte sie, dass sie dann ihre Kompetenz überschritt. Immerhin hätte er ihr vorwerfen können, hier völlig allein zu sein. Und das hätte sie respektieren müssen.
Mario nickte. »Es ist Fünf, wir haben drei Stunden Zeit. Was machen wir so lange?«
»Wir könnten ja mal rüberfahren zu den alten Torfgruben. Du suchst doch noch Motive für deine Bilder. Da gibt’s jede Menge zu knipsen.«
Kurz darauf fuhren sie mit dem Moped die staubige Straße hinaus. Sie hatten nur T-Shirts und Shorts an, fuhren barfuss und ohne Helm. Hier draußen gab es keine Polizei, die das kontrollieren würde.
Mario klammerte sich fester um Felix’ Hüfte als das nötig gewesen wäre, aber er genoss jeden Meter, den sie so fuhren. Manchmal jauchzten sie wenn Felix ein Schlagloch nicht umfuhr und das Gefährt einen gewagten Satz in die Luft machte.
Als sie an den Torfgruben angekommen waren, legte Felix sein Moped in das Gras.
»Hier ist es. Pass auf die Löcher auf, da ist Moor drin. Abgesehen davon, dass man schmutzig wird, da ist schon mancher drin abgesoffen.«
Sie gingen um die Löcher herum, bis sie an eine Grube kamen. Moorwasser glitzerte am Grund, unzählige Libellen und Käfer schwirrten um das Wasser, seltene Blumen und Pflanzen wohin man sah. Mario staunte über Felix’ Wissen um die Flora und Fauna.
Am anderen Ende der Grube stand eine fast verfallene Hütte.
»Da drüben haben die Torfstecher Schutz vor Unwettern gesucht, jetzt ist sie ganz morsch. Komm, wir sehen sie uns mal an.«
Knarrend ließ sich die schräge Tür öffnen. Ein Geruch nach Moder schlug ihnen entgegen, überall hingen verwitterte Balken und Spinnweben herunter.
»Ein gruseliger Ort. Gibt’s keine Legenden um diese Gegend?«
Felix lachte. »Doch, sicher. Jede Menge sogar. Erinnere dich an Löns. Nachts steigen die Nebelfrauen aus den Gruben. Scheinfeuer soll man sehen, wenn Vollmond ist. Ich war nachts noch nicht hier, aber abgesehen davon glaube ich nicht an solche Sachen. Es gibt für alle diese Erscheinungen eine logische Erklärung.«
»Du nimmst einem die ganze Illusion« antwortete Mario ironisch.
Nach wenigen Minuten war Marios Interesse an der Bruchbude verflogen. Seine Augen konzentrierten sich auf Felix’ Hintern, der sich durch die engen Shorts ziemlich wichtig machte und einladend vor ihm herwackelte. Felix’ T-Shirt war in der Länge etwas knapp und immer wenn er die Arme hob und einen Balken auf sicheren Halt überprüfte, wurde seine schmale, nackte Taille sichtbar. Mario musste sich zurückhalten; wie gern würde er seine Hände dort wieder herumlegen. Die abenteuerliche Umgebung, das Wissen um absolutes Alleinsein mit diesem Jungen erzeugten eine gefährliche Spannung. Außerdem war er gewohnt, es sich um diese Tageszeit schon wenigstens einmal besorgt zu haben. Er fragte sich wie oft es Felix am Tag wohl tun würde. Wo und wie er das tat. Seine Hose meldete wieder totale Enge und er war froh, dass es in dem Gemäuer ziemlich düster war.
»Hier, schau mal. Das habe ich neulich entdeckt.«
Felix winkte ihn zu sich in die Ecke der Hütte. Er hob ein paar Bretter auf und darunter wurde ein dunkles Loch sichtbar.
»Ich vermute, dass die früher hier ihre Lebensmittel verstaut haben. Da unten ist es ziemlich kühl.«
Neugierig schob sich Mario neben den Jungen und sah in das Loch hinunter. Es war zu dunkel um etwas zu erkennen.
»Kann man da runter?«
»Man kann, aber ich traue dem Gebälk hier nicht. Stell dir vor, das kracht zusammen – dann gehst du da unten vor die Hunde. Niemand kommt hier vorbei, höchstens der Schäfer. Aber man weiß nicht, wann das ist.«
»Komm, dann lass uns abhauen. Es ist ja unheimlich heiß hier drin und Durst habe ich auch.«
Mario stützte sich auf Felix’ Rücken ab. In den Geruch nach Moder und schimmliger Feuchtigkeit mischte sich sein aufregender, süßlicher Schweißgeruch. Nicht beißend und aufdringlich. Ein verführerischer Duft, geheimnisvoll und aufregend. Mario wartete bis Felix neben ihm stand.
»Felix, …« Er sah verlegen an dem Jungen vorbei. Seine Sinne spielten verrückt, sein Herz schlug wild.
»Ja?«
»Wir kennen uns jetzt zwei Tage und ich… ich würde mich unheimlich freuen, wenn wir Freunde werden würden. Ich habe noch keinen kennen gelernt, der so ist wie du.«
Felix sah ihn an. »Ach so. Ich dachte nur, wir müssten darüber gar nicht sprechen. Für mich bist du eigentlich schon ein Freund.«
Mario lehnte sich an die Wand und sah verlegen zu Boden.
»Das allein ist es nicht.«
Er spürte den Moment gekommen. Die Umgebung stimmte, der Augenblick, das Gefühl es jetzt zu tun.
»So?«
»Nein. Ein Freund, nun, das ist einer mit dem man alles unternimmt, der da sein sollte, wenn man in Not geraten ist.«
»Ja, denke ich auch. Aber was meinst du?«
»Ich fürchte ein Freund.. also jemand der mein Freund ist…«
Er betonte das Wort mein.
Plötzlich nahm ihn Felix an den Armen und sah ihm in die Augen.
»Was ist mit dem?«
Mario atmete heftig. Warum musste er jetzt darüber reden? Warum konnte er nicht alles einfach so lassen wie es war? Einerseits wollte er reinen Tisch machen, Schluss mit dem Versteck spielen. Andererseits wurde ihm klar, was sein Outing bedeuten konnte. Langsam nahm er seine Arme hoch und umfasste Felix’ Taille. Die Berührung durchfuhr ihn, wie ein Blitz. Er rechnete mit einem Faustschlag, damit, nach Hause laufen zu müssen. Felix regte sich nicht, drückte nur seine Arme fester.
»Felix, ich weiß nicht, wie so etwas passieren kann. Ich fühle mich so elend… Lass uns gehen, es ist nichts.«
Er ließ den Jungen wieder los, versuchte ihn von sich zu schieben.
Aber Felix hielt ihn fest. »Nein, mein Lieber, so kommst du mir nicht davon. Du redest jetzt. Also?«
Mario traute sich nicht dem Jungen in die Augen zu sehen. »Felix, bitte. Ich möchte nicht.«
Er drückte Marios Arme immer fester, sein Atem ging schneller. »Tut mir leid. Du kommst hier nicht raus, bis ich weiß was du mir sagen willst.«
Mario sah ihm nun doch in die Augen und gab seinen Widerstand auf. Die Konsequenzen musste er nun tragen, in ein paar Minuten würde der Zauber dieses Traums vorbei sein.
»Verdammt, Felix. Ich hab für Frauen nichts übrig. Sie interessieren mich nicht. Keine Gefühle, verstehst du?«
»Nein, nicht ganz. Wofür hast du dann Gefühle?«
Mario atmete tief durch. Normalerweise müsste Felix jetzt reagieren, sich abfällig äußern, ihn stehen lassen und fortgehen.
»Wofür… Wenn nicht für Frauen, wofür logischerweise dann? Ich sehe den hübschen Boys hinterher. Hab was übrig für knackige Hintern – sofern sie eben solchen Jungen gehören. Da, und nur da hab ich Gefühle.«
Felix schien darauf nicht zu reagieren. »Und was willst du mir mit all dem sagen? Hast du etwa was übrig für meinen Hintern?«
»Natürlich hab ich das und nicht nur für den. Du bist so.. so lieb und hübsch. So einen wie dich habe ich mir schon immer gewünscht. Ich bin schwul, verstehst du? Und damit ist das für mich ganz einfach: Ich habe mich in dich verliebt.«
Er zitterte am ganzen Körper. Der Griff um seine Arme wurde nicht lockerer. Immer noch sahen sie sich in die Augen, Felix wich keinen Millimeter zurück.
»Na und?«
»Wie, na und? Mir scheint dir ist die Bedeutung nicht klar! Ich liebe dich, verstehst du? Ich bin ein Junge…«
»Ja, ich hab’s mitgekriegt, dass du das bist.«
Mario spürte dass Felix ebenfalls erregt war, sein leichtes Zittern übertrug sich auf seine Arme.
»Du kannst mir ja allerhand erzählen, aber ich müsste es schon genauer wissen.«
»Mann, ich habe mich in dich verknallt. Das heute Nacht – du hast gesehen was mir passiert ist. Aber ich hab nichts getan, es kam mir von alleine. Nur weil du neben mir gelegen hast. Ich konnte es nicht verhindern. Ich muss einen ziemlich geilen Traum gehabt haben.«
»Klar hab ich’s gesehen. Aber ich brauche einen Beweis.«
Marios Augen wurden groß. »Was für einen Beweis?«
Der eiserne Griff um seine Arme ließ endlich nach, ging langsam in ein Streicheln über.
»Ganz einfach. Du musst mich jetzt küssen, erst dann glaube ich dir.«
»Was soll ich?« Mario war von der Bitte zu überrascht.
»Hörst wohl schlecht? Ich will einen Kuss von dir als Beweis für das, was du grade gesagt hast.«
Mario erstarrte unter den zärtlichen Fingern, die jetzt seine Arme hinauffuhren bis zu seinem Hals, wieder hinunter, sich unter sein T-Shirt schoben, wieder nach oben über seine nackte Brust wanderten. Plötzlich waren diese Hände überall. Auf seinem Bauch, auf seinem Rücken, auf seinem Hintern. Widerstandslos ließ er sich sein T-Shirt über den Kopf ziehen. Er war zu überrascht um mit Felix dasselbe zu tun. Die Hände fuhren jetzt durch sein Haar, über seinen Nacken. Langsam zog Felix ihn zu sich.
»Man, tu es endlich« hauchte er, »du bist der geilste Junge, den ich je gesehen habe. Die letzte Nacht war eine Katastrophe. Ich hab kein Auge zugemacht und deswegen war ich auch so früh unterwegs gewesen. Du bist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen, seit ich dich nackt gesehen habe..«
Mario war kaum in der Lage zu sprechen. Er war es doch, der diese Worte sagen wollte.
»Du hast gar nicht geschlafen?«
»Nein, ich war sozusagen hellwach. Und es war schon geil zu sehen, dass du ein richtiger Mann bist. Und als du dann noch meine Hand gestreichelt hast, bin ich fast ausgerastet. Aber ich wusste ja nicht, ob das Zufall war. Ich dachte du schläfst und das wäre nur ein Reflex.«
»Felix, was hast du..«
»Ich hab dich angefasst. Du hattest eine Erektion und ich war wie von Sinnen. Ich hab das noch nie so gesehen, bei einem anderen, weißt du. Und dann noch neben mir, ich konnte nichts dagegen machen.«
»Also deshalb hab ich einen…«
»Ja, du hast sofort in die Hose gespritzt. Da bin ich raus. Schlechtes Gewissen, verstehst du? Aber du musst mir glauben, ich hab nur ein bisschen am Stoff gespielt..«
»Man, Felix…«
Mario fühlte seinen Zeigefinger auf seinem Mund. Sachte fuhr er die Lippen hin und her.
»Nicht sprechen. Küss mich.« flüsterte Felix so leise, dass er es kaum verstand. Er schloss die Augen und drückte seine Lippen zart auf Marios Mund. Eine Weile verharrten sie so, ihre Hände fuhren die Körper auf und ab, drückten, streichelten. Felix zog sein T-Shirt aus und ließ es fallen. Er küsste Marios Brustwarzen, den Hals, fuhr mit seiner Zunge die Schläfe auf und ab. Dann ging er in die Hocke und leckte Marios Bauchnabel, stand wieder auf.
»Herrlich. Ich wusste nicht, dass Jungs so gut schmecken« hauchte er.
Mario entspannte sich. Es gab nichts mehr, was er befürchten musste, ab hier und jetzt gehörte dieser Junge ihm.
Felix nahm Marios Kopf in beide Hände, öffnete den Mund und streckte langsam seine Zunge aus. Mario tat es ihm nach und es kitzelte ihn am ganzen Körper, als sich ihre Zungenspitzen berührten.
»Du bist zum Auffressen« hauchte Felix bevor sich ihre Lippen umschlossen.
»Bist du auch so verrückt nach Jungs?« fragte Mario, nachdem sich ihre Münder getrennt hatten.
»Und wie. Du hast keine Ahnung wie sehr ich mich habe zusammenreißen müssen, die zwei Tage. Verzeih mir die letzte Nacht, ich hatte mich einfach nicht in der Gewalt.«
»Es gibt nichts zu verzeihen. Höchstens – du hättest mich wecken können. Und außerdem, das schreit nach Rache.«
Fest umarmt blieben sie einige Minuten so stehen, als Felix vorsichtig zwischen Marios Beine griff.
Mario nahm die Hand fort. »Nein, nicht hier. Das ist nicht der richtige Ort.« Er hatte plötzlich Angst vor dem was kam, was kommen musste.
Etwas enttäuscht trat Felix einen Schritt zurück, sah es dann aber ein. »Gut, ich denke du hast Recht.«
»Und wie geht es mit uns weiter?« fragte Mario, als sie ihre T-Shirts wieder anzogen.
»Wie schon? Wir haben noch zwei Wochen für uns. An alles andere sollten wir jetzt nicht denken.«
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Die Zusammenstellung der Zutaten waren gelungen. Mit großen Augen betrachtete Mario den Tisch auf dem Gerda das Abendessen angerichtet hatte. Selbst Hummer und Austern fehlten nicht.
»Wer kommt noch?« rief er seiner Tante zu, die sich mit Felix am Grillfeuer unterhielt.
»Es sind alle da.«
»Meine Güte, so viele Sachen – nur für uns drei?«
»Ach, ihr seid jung und ich habe bewusst kalorienarme Kost ausgewählt. Also, keine Angst, das klappt schon.«
Mario stellte sich zu den beiden. Er achtete darauf Felix so zu berühren, dass es nicht auffiel. Ein Hauch Parfüm wehte wieder aus Felix’ Klamotten, frei von aufregenden Gerüchen. Sie hatten nach ihrer Rückkehr ausgiebig geduscht und zu seinem Leidwesen – aber mit beidseitiger Einverständnis – getrennt. Mario ahnte, dass er sein Begehren nicht lange würde in Grenzen halten können. Zwar hatte er sich vorsichtshalber noch einmal unter der Dusche befriedigt, aber das war bereits weite Vergangenheit.
»Nun, was habt ihr denn heute gemacht? Wart ihr wieder unten in dieser alten Hütte am See?«
Mario hörte den seltsamen Unterton. Er fürchtete, sie würde hinter ihr Geheimnis kommen, obwohl er keine Ahnung hatte, wie sie dazu stand.
»Nein, wir waren draußen an den Torfstichen. Felix weiß soviel von der Gegend hier und ich suche ja immer noch Motive für meine Fotos, die ich machen möchte.«
»Ah, da müsst ihr aber aufpassen. Es ist dort nicht ungefährlich.«
»Haben wir bemerkt.«
Mario sah seinem neuen Freund in die Augen. Ein ungeduldiger Blick schlug ihm entgegen.
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Satt lehnten sie sich zurück. Das Essen hatte über eine Stunde gedauert und Mario begann sich allmählich daran zu gewöhnen, bedient zu werden. War der Teller leer, stand Gerda sofort neben dem Tisch und fragte was sie auftragen sollte. Sein Glas wurde nie richtig leer.
Mario fühlte, dass ihm noch immer Schlaf fehlte. Schlimmer war aber die Sehnsucht, in Felix’ Armen liegen zu können. Sie berührten ihre nackte Zehen und Mario bekam das unbekannte Verlangen sie in den Mund zu nehmen. Sofort regte sich seine Hose wieder. Er presste den Bauch an den Tisch um Gerdas neugierigen Blicken zu entgehen. Sie war auffällig freundlich und höflich, und Gerda war jung. Hübsch wäre nicht der richtige Ausdruck, aber sie war keine graue Hofmaus. Es war offensichtlich, dass sie sich in dieser Gesellschaft wohl fühlte. Was gab es hier auch schon an Abwechslung ? Den ganzen Tag Tante Margot und den Chauffeur um sich herum. Er fragte sich, ob sie einen Freund hatte.
»Spielen wir eine Runde Karten?«
Tante Margot schien keine Ruhe zu finden, ständig musste sie irgendetwas tun. Würde sicher mit ihrem Beruf zusammenhängen.
»Tante, sei mir nicht böse, ich muss ins Bett. Todmüde.«
»Ja, die Landluft. Kein Problem, ich dachte nur Jungs wie ihr kommen im Urlaub nicht vor Morgengrauen in die Federn. Also ich wenigstens kannte es gar nicht anders.«
»Ich möchte mich langsam an das frühe Aufstehen gewöhnen.«
»Ja, das ist eigentlich lobenswert. Nun, dann kann ich nichts machen. Felix, möchtest du noch etwas trinken bevor du gehst?«
Mario schien diese Frage in den Magen zu schlagen. Er erwartete natürlich nicht, dass Felix hier bleiben durfte. Aber die Vorstellung diese Nacht alleine zuzubringen schmeckte ihm nicht. Er öffnete den Mund zum Widerspruch, konnte aber keinen vernünftigen Grund vorbringen.
»Nein, vielen Dank Frau Bruhns, ich mache mich dann auch auf den Weg. Schließlich muss ich ein Riesenhaus alleine bewachen – sozusagen« antwortete Felix, seine Enttäuschung geschickt verbergend.
»Ach ja, du bist ja jetzt Hausherr. Aber das Personal ist doch da, oder?«
»Schon, aber mein Onkel meinte es wäre besser, wenn ich selbst nach dem Rechten sehen würde.«
»Allein in dem großen Haus..« sinnierte Mario gekünstelt. »Soll ich dir Gesellschaft leisten? Ich meine, zu zweit könnten wir einen Einbrecher besser ….«
»Mario, sei nicht kindisch. Niemand bricht hier in der Gegend ein, jedenfalls die letzten zehn Jahre nicht. Ich denke, Felix kann das Haus alleine hüten« zerstob Tante Margot jede weitere Diskussion.

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