Margie 03 – Longdrink unter der Dusche

Vielleicht war es mir ja nur nicht aufgefallen als ich bei ihm war, auf jeden Fall standen da auf den zunehmend klareren Blick wenigstens vier Autos.
Mit jedem Meter, dem ich der Sache näher kam, entpuppten sie sich nicht grade als Kleinwagen. So hundert Meter vorm Haus überlegte ich dann doch krampfhaft, ob ich jetzt da einfach auftauchen sollte. Es war offensichtlich dass die Familie Besuch hatte, denn dass das alles ihre Autos waren schien mir nicht logisch. Dann wiederum fiel mir ein, dass das mit Angelo ja nichts zu tun haben müsste.
Ich ging immer langsamer auf das Gehöft zu. Jetzt fiel mir auf wie gepflegt die ganze Anlage war. Es war lange her dass ich hier mal zufällig vorbeigeradelt war und da war mir aufgefallen wie verwildert alles aussah. Vermutlich hatte es da schon keinen Besitzer mehr gegeben.
Nun stand ich auf dem großen Vorplatz. Das waren keine Autos mehr, eher Limousinen der sehr gehobenen Klasse.
Ich lauschte, aber es war kein Ton zu hören. Ich lehnte das Fahrrad an das Gatter gegenüber vom Haupteingang und kam mir ziemlich blöde vor. Mein Erscheinungsbild war bestimmt jenes der eher traurigen Art, was mich nicht gerade munterer werden ließ. An erster Stelle hatte ich Durst, der war schon quälend. Sollte ich wirklich jetzt da klingeln? Ich vermutete fast, dass ein Butler die Tür aufmachen würde und zog diese Möglichkeit in den engeren Betracht.
Es war nicht auszuhalten, ich nahm mir ein Herz und stiefelte entschlossen zu den Treppen am Eingang.
Ich drückte den Knopf und der Gong ertönte, es war zu spät um einen Rückzieher zu machen. Mit ziemlichem Herzklopfen wartete ich, bis man mir die Tür aufmachen würde.
Das geschah meinem Gefühl nach Tage später. Trotz der langen Wartezeit traute ich mich nicht, öfter zu läuten.
Und in der Tat – das war kein Familienmitglied. Ein älterer, sehr gepflegter Mann in einer Art Uniform öffnete mir die Tür. Sehr reserviert, sehr kühl aber auch sehr freundlich stand er vor mir und sah mich an. Erst mir in die Augen, dann wanderte sein Blick meinen Körper hinunter was mich ziemlich verlegen machte. Was er wohl dachte?

»Sie wünschen?«

In dieser Sekunde wurde mir noch heißer als es eh schon war. Ich wusste Angelos Nachname nämlich gar nicht und ein Türschild war nirgends zu sehen. Also blieb mir nur der Vorname.

»Ist Angelo zu Hause?«, brachte ich dann grad so einigermaßen anständig heraus. Dabei fiel mir das sprechen mit dem trockenen Mund nicht leicht.

»Sind Sie angemeldet?«

Nanu, was sollte zum Teufel so eine Frage. »Äh, nein.«

»Tut mir leid, Herr Kassini ist nicht zu sprechen.«

Das war ja wohl der Hammer. Kassini.. klingt fast schon adelig. Nun gut, ich musste ihn sehen, egal was die Vogelscheuche da auch faselte. »Ich müsste ihn aber einen Augenblick sprechen, es ist wichtig.« Gut, das war’s im Grunde nicht, aber das musste der da ja nicht wissen. Hauptsache er holte mir jetzt meinen Schnuckel.
»Ich bin befugt zu fragen, wer Sie sind und um was es sich dabei handelt.«

Hat man so ein geschwülstiges Gesabbel schon gehört? Er darf wissen warum und wieso.. »Das.. ähm.. ist eine ziemliche Privatangelegenheit.. Mein Name ist Bach, Ralf Bach.«

Er neigte leicht seinen Kopf und musterte mich noch eindringlicher. Welchen Schluss zog er jetzt aus meiner sicher jämmerlichen Gestalt? Wäre ich mit Anzug und einer bayrischen Karosse oberer Klasse hier aufgetaucht, wär ich bestimmt schon drin. Ich bemerkte nämlich, dass er an mir vorbei auf den Vorplatz sah. Mein Fahrrad..

»Ich werde den gnädigen Herrn fragen, warten Sie bitte hier so lange.«

Schwapp, stand ich vor der wieder geschlossenen Tür. Wenn der Gute wüsste, was da in dem Haus zwischen dem „gnädigen Herrn“ und mir gelaufen war.. sprichwörtlich. Das ließ mich dann trotz allem leicht schmunzeln.

Nach endlosen Minuten öffnete sich die Tür erneut, der Diener in Livree stand wieder da. »Folgen Sie mir bitte.«

War das komisch. Nachts hier schon rumgehangen und dann das…
Den Vorraum kannte ich ja schon, auch die Treppe nach oben. Da kam Angelos Zimmer, aber die Tür war zu und der Pinguin führte mich schnurstracks dran vorbei.
Auch an der Kellertür blieb er nicht stehen, es ging weiter den langen Gang entlang. Dann einmal rechts und nun hörte ich Stimmen. Kam mir vor wie ne ganz normale Unterhaltung, allerdings nur Männerstimmen.
Egal, mein Durst war nicht weniger geworden und unterm Strich ja auch egal, um was es da draußen auf der Terrasse ging, auf die mein Führer jetzt zusteuerte. Hauptsache, ich würde schnell was Flüssiges in meinem Hals spüren.

»Bitte«, sagte er nur und zeigte mit der Hand hinaus, dann war er plötzlich wie vom Erdboden verschwunden und ich stand da so ein bisschen wie ein begossener Pudel. Nämlich in dem Moment, in dem sich alle Blicke auf mich richteten.
Leichte Panik kam in mir auf. „Bleib ganz ruhig, es wir dir hier niemand etwas tun.“
Auf die Schnelle zählte ich sechs männliche Personen. Alle sehr gut gekleidet, vom Alter her wohl so zwischen Dreißig und Fünfzig. Sie saßen in Korbstühlen unter der Pergola, die das Sonnenlicht durch ein milchig eingefärbtes Kunststoffdach abhielt. Auf dem Runden Tisch standen Gläser, der Inhalt war bestenfalls zu erraten.
Tja, und Angelo stand als einziges, dort neben einer Art Anrichte mit etlichen leckeres Schnittchen drauf. Ich ging nach diesem ersten, kurzen Überblick von einer Feier aus. Oder das war normal in diesen Kreisen. Ich würde es bestimmt erfahren.
Angelo sah mich an. Nein, er musterte mich. Schnell versuchte ich seinen Blick zu deuten, aber mein Hase verzog keine Mine. War er überrascht, mich hier zu sehen? War es ihm peinlich? Na ja, ich war peinlich, das muss ich zugeben. Aber es wäre ja kein Problem für ihn gewesen, mich wegen seinem Besuch zu verleugnen.
In jeder Sekunde, die ich da stand, wurde mir unwohler. Das war nicht die Art von Gesellschaft die ich bevorzuge, aber vor allem, sie war mir in dieser Form eigentlich nur aus dem Fernsehen bekannt.
Ansonsten hatte ich mit solchen Kreisen wirklich nichts am Hut. Aber das war denn auch unwichtig, ich war ja weder der möglichen Feier noch den Typen wegen hier. Nur wegen Angelo, der nun sein Glas mit irgendwas drin abstellte und langsam auf mich zukam. Mann, ich hätte am liebsten das Weite gesucht. Hätte rausgewollt, selbst da wo kein Loch ist.
Aber natürlich ging das jetzt nicht. Dummerweise stellte ich mir grade vor, welche Gestalt ich da nun abgab. Wie ein Penner, zumindest im Vergleich zu denen, die mich immer noch betrachteten.
Ich dachte sogar daran, sie könnten mich für einen Marsmenschen halten.
Dann stand Angelo vor mir. Übrigens auch gekleidet in einem dunklen Anzug und ich fragte mich, ob er bei dieser Hitze da drin nicht gleich wegsterben würde. Aber mein Schnuckel hatte nicht mal Schweißperlen auf der Stirn, im Gegensatz zu mir. Nur war ich mir jetzt gar nicht mehr sicher ob das nur von der äußeren Hitze stammte.

»Hallo Ralf, ich freu mich dich zu sehen.«

Gut, das war anständig gesagt, Höflichkeit war ihm scheinbar nicht fremd. Aber was dann kam, das habe ich bis Heute nicht ganz kapiert. Ich mein, schon, aber damals war das etwas, wovon ich weder je gelesen, gehört oder geschweige denn je selbst erlebt hatte.

Er legte seine Hände auf meine Schultern. Das war schon mal ein Novum, vor all den Typen da. Nun sah ich dieses aufregende Funkeln in seinen Augen und das bezauberndste Lächeln dieser Erde schenkte er mir dabei auch noch. Er schien sich wirklich aufrichtig zu freuen. Und dem verlieh er Nachdruck…
Ich würde behaupten dass das, was dann kam, nicht einfach spontan geschah. Ich konnte es in seinem Gesicht ablesen dass das volle Absicht war, denn es passierte ohne Zögern. Er zog mich zu sich und drückte mir mit spitzen Lippen einen Kuss auf den Mund.
Ich weiß, wie völlig überraschte Leute aussehen wenn dergleichen Dinge ohne Ankündigung passieren. Genau so muss ich dreingeblickt haben als sich unsere Lippen trennten. Rasch sah ich zu den Leuten dort und die schienen wesentlich weniger überrascht, fast, als würde das völlig normal sein. Ich schluckte, rang nach Worten.

»Ähm.. ja, Tach zusammen«, stammelte ich, nachdem sich der angenehme Schock etwas gelegt hatte. »Tschuldigung für mein etwas unpassendes Outfit, aber ich hatte eine Panne und..«

»Macht doch nichts«, fuhr mir Angelo ins Wort. Er lächelte mich immer noch an, fast kam es mir vor als würde er sich an meinem verdatterten Gesicht erfreuen. »Komm, mach dich erst mal ein bisschen frisch.«

Mit einem »Ihr entschuldigt uns einen Moment«, zog er mich von Terrasse ins Haus.

»Sag mal, äh.. was war denn das grade?«, fragte ich ihn und deutete mit dem Arm auf die Terrasse.

»Was soll gewesen sein? Ich hab dich begrüßt, so wie sich das gehört.«

»Ja aber, ich mein.. wer sind denn die überhaupt?«

»Sind alle extra angereist. Manager.. ich glaub das muss ich dir jetzt nicht groß erklären, das können wir ja machen wenn mehr Zeit ist.«

»Und, du küsst mich da vor denen..«

»Na und? Erstens nehme ich an dass dich das nicht gestört hat und zweitens, die kennen mich ja nicht, privat meine ich. Und so wissen sie gleich wo der Hase läuft.«

»Das haste schön gesagt«, sagte ich während er mich in das Bad schob – und die Tür hinter uns schloss. »Es hat mich natürlich nicht gestört. Aber warum sollen die das wissen?« Meine Neugier siegte über Schweißgeruch und brennenden Durst.

»Auch das erzähl ich dir bei Gelegenheit. Ich glaube, eine Dusche würde dir jetzt nicht übel zu Gesicht stehen. Was ist denn überhaupt passiert?«

Ich erzählte ihm knapp den Tagesablauf, nur mein Outing bei Felix verschwieg ich, vorerst. Das hatte ebenfalls noch Zeit.

»Aha. Scheinbar nicht dein Tag heute.«

Hoffentlich gab es nicht noch mehr solcher Tage in Zukunft. Ich dachte an unseren ersten Tag, bzw. Abend.
»Hier ist ein Badetuch, alles andere findest du in der Dusche. Ich werd dir mal was Gescheites zum anziehen bringen, die Klamotten kannst ja so nicht mehr anziehen. Ich hol sie mal eben. Ähm.. du hast doch etwas Zeit, oder?«

Ich holte tief Luft, denn auf einmal war ich über meine Entscheidung, zu ihm gekommen zu sein, mehr als zufrieden. »Alle Zeit der Welt.«

»Das ist schön. Bis gleich.«

Damit verschwand er aus dem Bad und ich stand da. Kann nicht beschreiben, wie. Froh auf jeden Fall, vielleicht sogar ein bisschen glücklich. Er hatte mich geküsst, vor wildfremden Leuten. Wie weit war ich von meinem Traum mit dem roten Teppich noch entfernt? Ich hatte das Gefühl, ich würde schon jetzt auf einem solchen laufen.
Ein Liedchen pfeifend zog ich mich aus, stieg in die Duschwanne, schloss die dreiteilige Schiebetür und gab mich den erfrischenden Wasserstrahlen hin. Mit meinen Händen formte ich eine Schale und schlabberte das Wasser darin wie eine Kuh. Über den richtigen Durst geht nichts als klares, kühles Wasser.
Durch die Milchglasscheiben sah ich dann einen Schatten, Angelo war wohl zurückgekehrt. Ich schob die Tür einen Spalt auf und sah, wie er einen Stapel Klamotten auf den Rand der Whirlpoolwanne legte.

Er sah zum mir herüber und lächelte schon wieder, dann kam er zu der Dusche hin. »Hier. Ich nehme an, dass du am Verdursten bist. Entschuldige, ich war unhöflich.«

Damit reichte er mir ein Longdrinkglas hin, dessen Inhalt rötlich gefärbt war. Kondenswasser perlte an dem Glas herunter, in einer am Rand hängenden Orangenscheibe steckte ein kleiner, papierner Sonnenschirm.

»Du bist doch nicht unhöflich.«

»Schon. Komm, nimm.«

Er hielt mir das Glas hin und um es nehmen zu können, musste ich die Tür noch etwas weiter aufschieben. Das war dann ganz ulkig. Angelo stand so, dass er durch den Spalt meinen Körper sehen konnte.
Zugegeben, ich war an dem Tag so fertig und mit all den Dingen um mich herum beschäftigt, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen war warum ich überhaupt hier stand. Wegen Angelo, wegen dem, was ich langsam als Liebe zu ihm bestätigt wissen wollte.
Und aus dem Grund hatte sich mein kleiner Freund überhaupt nicht zu Wort gemeldet.
Okay, Angelo blickte mich durch den Spalt in der Schiebetür an und ich zog sie einfach ungeniert weiter auf, um das Glas packen zu können.

»Hm, also wenn die da draußen jetzt nicht auf mich warten würden..«, sagte er leise und musterte mich. Ich konnte an seinen Augen sehen welche meiner Körperregionen er gerade näher inspizierte und zwischen meinen Beinen bleiben sie hängen.
Peinlich war mir das nicht, immerhin hatte er ja mein männlichstes Teil schon in der Hand gehabt. Davon verstand er etwas, das konnte ich mit Fug und Recht behaupten. Erst jetzt begann sich wieder diese erotische Spannungszone zwischen uns beiden aufzubauen.
Dieses Knistern in der Luft, das ich trotz des laufenden Wassers zu hören glaubte. Angelo war mehr als eine Sünde wert, auch wenn das Verhältnis, wie wir uns da gegenüberstanden, nicht stimmte. Er in diesem Anzug, ich Splitternackt. Dennoch, es machte mir nichts aus in ihm den Voyeur zu wecken, ich mochte es sogar auf einmal wie er mich ansah.

»Tja, schick sie doch einfach weg«, grinste ich frech.

»Oh, würde ich liebend gern machen, aber die sind nicht zu ihrem Vergnügen hier.«

Ich nippte an dem Glas und es schmeckte einfach fantastisch. Das Nippen ersetzte ich durch kräftige Schlucke und mit einigen Zügen war das Glas leer. Was genau drin war wusste ich auch nachher nicht, es spielte in diesen Momenten auch überhaupt keine Rolle. Angelo nahm das Glas wieder entgegen.

»Hat scheinbar geschmeckt..«

Anstatt eine Antwort zu geben zog ich ihn bis zu der Tür zu mir hin und gab ihm einen Kuss.

»So gut wie deine Lippen allerdings nicht«, hauchte ich ihm ins Ohr und was hätte ich gegeben um ihn zu mir reinziehen zu können.

Ich hatte noch nie mit einem Jungen geduscht, zumindest nicht mit einem alleine in einer Duschkabine.

Er lachte. »Hm, da hast vielleicht recht. Aber ich muss mich jetzt wieder um meine Gäste kümmern. Komm raus zu uns wenn du fertig bist.«

Dieser Worte beschloss er mit einem neuerlichen Kuss und entschwand.

Wie betäubt stand ich da und sah ihm nach wie einem Geist. Das alles kam mir plötzlich wieder vor wie ein Traum. Was hatte der Junge noch alles auf Lager?
Ich trocknete mich ab und erst spürte ich die Wirkung des Getränks. Könnte Wodka gewesen sein oder Gin, jedenfalls fühlte ich mich plötzlich leicht und beschwingt. Da war ne Menge Alk drinnen gewesen, aber das störte mich nicht. Im Gegenteil, mit jeder Minute ging’s mir besser.
Und Hunger bekam ich auch.

Ich betrachtete die Klamotten, die mir Angelo hingelegt hatte. Ein T-Shirt mit einer riesigen 66 vorne drauf, eine Jeans und – ein blauer Slip. Ich nahm ihn in die Hände und inspizierte ihn genauer. War der Neu? Das scheinbar nicht, nur gewaschen halt.
Schade, dachte da was in meinem Hinterkopf, sehr schade. Ich konnte trotzdem nicht umhin, mir das Teil an die Nase zu halten und einige Liter Luft hindurchzuziehen. Sicher war das reine Einbildung, aber er war da. Angelos Geruch würde auch das schärfste Waschmittel nicht vertreiben können.
Mit leicht zitternden Händen zog ich mir das knappe Stoffteil an. Dieses Gefühl war an sich unbeschreiblich und das meinte dann auch mein kleiner Freund. Sollte ich jetzt schnell hier treiben? Das war ein ziemlich geiler Gedanke. Ich nahm meinen Schwanz in die Hand und der war von meinem Vorhaben ziemlich begeistert.
Grade als ich loslegte, hörte ich wie die Badezimmertür aufging. In der Sekunde fiel mir ein, dass die Tür gar nicht abgeschlossen war.

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