Ich schlummerte gerade noch sanft vor mich hin, da klingelte das Telefon. Ich schreckte auf und schaute müde und genervt auf die klingelnde Nerv-Box.
Eigentlich wollte ich nicht an das Telefon gehen, aber irgendwie hörte es nicht auf und genervt meldete ich mich schließlich mit einem kurzen „Hallo“.
Es war mein Freund, der mich von seinem Ski-Urlaub mit seinen drei Freunden anrief. Mich wollte er ja dorthin nicht mitnehmen.
Ich erwiderte entgeistert: „Es ist 8 Uhr morgens! Es ist Sonntag! Was sagt dir das??“
„Was bist du denn so gereizt? Wir kommen eben von der Party und ich musste an dich denken und wollte deine Stimme hören.“
„Und das fällt dir um 8 Uhr morgens ein? Drei Tage hast du dich nicht gemeldet bei mir und heute Morgen musst du anrufen?“
„Na ja vielleicht bin ich ja noch etwas beschippst.“
Er lachte.
„Ja, das ist aber nicht mein Problem. Ich hatte ne anstrengende Woche in der Schule. Und am Freitag hab ich wieder ne Zensur versiebt!“
„Du bist ja so süß, mein Kleiner!“
Ich wusste, dass ihn das nicht interessiert. Nie hörte er mir zu. Ich war froh wenn er endlich wieder auflegen würde und ich weiterschlafen konnte.
„Hallo? Warum antwortest du nicht? Ich hätte dich jetzt gerne bei mir!“
„Sag mal, interessiert es dich eigentlich wie es mir geht? Ich habe eine Zensur versiebt und dich interessiert es mal wieder gar nicht.“
Ich war jetzt richtig sauer. Und auch nicht mehr müde vor lauter Zorn: „Warum hast du angerufen?“
„Ich liebe dich!“
„Schlechtes Gewissen, hm?“
Ich wusste, dass er mich betrog. Ich spüre so etwas einfach.
„Nein, echt du bist sooo süß!“
„Du wiederholst dich!“
Im Hintergrund, am anderen Ende des Hörers, nahm ich plötzlich etwas wahr was mich verblüffte.
„Sag mal, bist du nicht alleine?“
„Doch, warum fragst du?“
„Du kannst mich doch nicht verarschen, ich höre doch im Hintergrund eine Stimme und du bist auch etwas außer Atem.“
Ich merkte wie ich nicht noch mehr sauer wurde, sondern eher ruhiger und das verblüffte mich.
„Timo ist noch kurz mit aufs Zimmer gekommen und wir wollten noch kurz einen Absacker trinken und ich bin eben so schnell die Treppen hoch, weil ich deine Stimme hören wollte.“
Vielleicht beruhigten sich meine Stimme und mein Puls, weil ich vielleicht jetzt endlich aus der Beziehung rauskam. Ich wollte einfach nur einen Grund. Vielleicht war das ja der Grund. Das Ende. Ich traute mich einfach nicht groß aufzumucken.
Eigentlich konnte er ja tun und lassen was er will. Ich fühlte mich wie in einer „Schein-Offenen-Beziehung“.
„Geiler Arsch,“ sagte eine fremde Stimme.
Ich schluckte kurz und fragte: „Was? Wer war das?“
Am anderen Ende des Hörers wurde es still und ich hörte nur wie Kevin, mein Freund, leise sagte: „Pssst, nicht so laut!“
“ Was soll wer nicht so laut sagen?“ fragte ich mit ganz ruhiger Stimme. Mir wurde klar, dass ich mit Kevin innerlich wirklich abgeschlossen hatte. Ich wollte nicht mehr und war wild entschlossen es jetzt und heute zu beenden.
„Kevin, was ist los?“ fragte ich.
Ich fühlte mich so stark. Es war komisch. Hab ich wirklich ein Jahr nur gewartet, um diese Beziehung mit einem Grund zu beenden? Ich musste krank sein. Egal.
Kevin: „Der ist besoffen. Der fummelt überall rum. Die alte Sau. Jetzt ist er ruhig!“
„Warum gerade jetzt?“
„Er hat jetzt ne Beschäftigung!“
Ich konnte mir vorstellen was es für eine Beschäftigung war und ich hörte wie Kevin auch immer unruhiger in seiner Stimme wurde. Süffisant fraget ich nur: “ So? Was für eine Beschäftigung hat er denn?“
Kevin reagierte nicht sofort und ich merkte, wie er abwesend war.
„Hmm der schmeckt so gut.“
Nun war ich doch wieder schockiert. Meine Vermutung war anscheinend wahr. Ich konnte, obwohl ich darauf vorbereitet war, es einfach nicht glauben. Betrügt mich mein Freund, während er mit mir telefoniert?
Das wäre die Krönung seiner Unverfrorenheiten, die er sich schon des Öfteren geleistet hatte.
„Siehst du er ist beschäftigt!“
„Fragt sich bloß wie,“ entgegnete ich.
„Wie?“
„Na was hat er denn ‚Leckeres‘ im Mund?“
Mein Freund schwieg kurz, dann antwortete er mit einer Frage: „Wie ‚im‘ Mund?“
„Na was schmeckt ihm denn?“ wiederholte ich langsam, so dass es jeder Idiot verstehen musste.
„Er trinkt Schnaps! Du erinnerst dich? Absacker? Ich hab’s ihm rübergeschoben.“
Ich verdrehte die Augen.
Er konnte so herrlich lügen ohne rot zu werden. Das war mein größter Fehler. Ich konnte ihm bisher nie so richtig lange böse sein. Spätestens wenn er mit seinem Dackelblick vor mir stand, war es normalerweise um mich geschehen.
War ich deshalb wild entschlossen jetzt mit ihm per Telefon Schluss zu machen? Da er mich mit seinen Augen nicht anschauen konnte? Er blieb ja schließlich noch bis Donnerstag beim Skifahren.
„Ja, ja, wer es glaubt wird selig. Kevin, ich weiß, dass du sehr gut lügen kannst.“
Ich war auf seine Reaktion gespannt.
„Ich lüge nicht. Warum musst du immer so misstrauisch sein? Du weißt ich liebe dich. Hältst du mir immer noch nach, dass ich dich nicht mitgenommen habe? Das hatte seinen Grund!“
„Ja den kenn ich. Dieser Grund heißt fremdficken!“ sagte ich bissig.
„Jetzt hör aber mal auf und halt die Klappe. Immer hör ich mir diesen Scheiß an! Ich kann bald nicht mehr. Ich habe mich sehr gefreut auf Donnerstag. Aber so langsam zweifele ich an dir. Die Kraft fehlt mir.“
„Dir fehlt die Kraft? Wozu fehlt dir die Kraft?“ schrie ich fast schon hysterisch ins Telefon.
„Du hast mich ja hier schon betrogen und da kam dir der Urlaub mit deinen Freunden gerade recht. Das du fremdgehst ist schlimm genug, aber dass du mich dabei auch noch anrufst, setzt allem die Krone auf.“
Ich wollte das Gespräch beenden, aber irgendetwas in mir lies mich nicht die Taste drücken, die mich erlöst hätte. Wollte ich wirklich alles hier am Telefon JETZT erledigen?
„Du vergisst aber eines!“
„Ach ja? Was?“
„Keiner meiner hier anwesenden Freunde, weder Timo, noch Frank, noch Ludger sind schwul!“
„Bi!?“
„Hör mal die haben Schiss neben mir zu liegen. Die haben Panik ich versenke meine Morgenlatte aus versehen in ihnen! Und auf die bist du eifersüchtig!?“
„Und bitte WARUM wolltest du mich nicht mitnehmen?“
„Schatzi, ich weiß was du von Heten und ihren Saufgelagen hältst. Das wollt ich dir ersparen. Ich bin halt der Typ der sowas mitmachen kann und der auch darin Spaß findet. Du aber nicht. Das weißt du doch. Lächle mal, Kleiner. Außerdem hab ich ne Überraschung für dich!“
Ich merkte wie ich doch wieder weich wurde, obwohl ich es doch nicht wollte.
„Eine Überraschung? Was denn für eine Überraschung?“
Ich konnte ihm auf seine Sätze nicht mehr antworten, viel zu aufgeregt war ich nun wegen der Überraschung, die er angekündigt hatte. Was konnte es sein? War es was positives? Oder wollte er mir nur sagen, dass es aus ist zwischen uns?
„Eigentlich hasse ich es ja wenn du so eifersüchtig und zickig bist. Grundlos. Ich weiß bald nicht mehr wie ich dir meine Liebe beweisen soll. Ich fühle mich immer als wartest du nur auf den Tag mich loszuwerden. Ich versuche es also mit meiner letzten Überraschung: Ich komme nicht am Donnerstag. Ich bleibe bis Sonntag!“
„Wie? Das – Das ist deine ‚Überraschung‘?“
„Ja!“
„Wie?“
„Schatzi, du hast doch Donnerstag und Freitag frei genommen, weil ich zurück komme!“
„Ja! Und?“
„Sandra hab ich beauftragt dich hierher in den Schnee zu bringen. ZU MIR.“
Ich war nun total baff und wusste nicht was ich sagen konnte und stammelte nur
“ Ich? .. zu dir? … in den Schnee? .. Am Donnerstag? .. Mit Sandra?“
„Ja Schatzi, nun bist du wohl perplex. Ich vermisse dich unendlich und freu mich noch ein schönes langes Wochenende mit dir zu verbringen. Timo ist jetzt eingeschlafen. Ich lieb Dich mein Schatz, Versuch nun noch etwas zu schlafen und sorry wegen der frühen Störung.“
Ich war immer noch sprachlos.
„Schatzi?“, fragte Kevin.
Ich stotterte.
„Ja, ja, ja, ja, ja!“
„Kommst du?“
„Ja klar komme ich am Donnerstag“ rief ich begeistert.
„Ich LIEBE dich!“
Entweder er konnte einfach nur saugut lügen oder er war der beste Freund den man sich wünschen konnte. Ich verabschiedete mich verliebt von ihm und legte den Hörer auf. Bis zu meinem nächsten kleinen Eifersuchtsanfall.
Liebe … so ist das!