Abschied

Joshua

Oh man war das heute ein Tag. Mein Chef hatte wieder mal die allerbeste Laune gehabt und daher jeden der in seine Nähe kam zum Hampelmann gemacht. Da ich sein persönlicher Assistent war, war ich auch derjenige der alles dreifach abbekam. Was konnte ich denn dafür, dass er sich in eine Frau verliebt hatte, die sich nach der Hochzeit als Furie entpuppte. Wütend schmiss ich die Kühlschranktür zu, nachdem ich mir eine Dose Bier aus diesem herausgenommen hatte. Na dann mal prost. Ich wollte gerade die Dose Bier öffnen, als mein Telefon loslegte und nicht aufhören wollte zu klingeln.

Wütend nahm ich den Hörer ab und brüllte meinen Namen in diesen hinein.

„Hallo hier…ist Viktor Klemm.“

Au verdammt das war mein Chef, ich musste heftig schlucken.

„Ähmm Herr Klemm Entschuldigung, aber ich dachte es sei wieder ein Anruf von meiner Freundin, die geht mir zurzeit etwas auf den Zeiger.“ Eine blödere Ausrede fiel mir in dem Augenblick nicht ein.

„Ah ja ich wollte mich eigentlich nur wegen heute Entschuldigen, dass ich so ausgerastet bin und sie doch ganz schön schikaniert habe.“

Was sollte dass jetzt? Viktor Klemm und sich Entschuldigen? Das war ja mal was ganz neues.

„Das hätten sie mir doch, auch noch morgen, auf Arbeit sagen können?“

„Ja, ich weiß. Aber ich rufe eigentlich an um sie als wieder Gutmachung zum Essen einzuladen. Hätten sie denn heute Abend Zeit?“

Gute Frage, hatte ich denn heute Zeit. Eigentlich ja. Aber wollte ich meinen Abend, mit meinem Chef beim Essen verbringen? GRRHHH so ein Mist, mir viel natürlich keine gescheite Ausrede ein, um diese ablehnen zu können.

„Hallo Herr Wende sind Sie noch dran?“

„Ja bin ich. Wo und wann?“

„Also um neunzehn Uhr im Restaurant zur Wachtel!“

„Ich bin pünktlich! Also Herr Klemm, ich muss mich dann ja noch zu Recht machen.“

„Ich freue mich, also bis nachher Herr Wende.“

Ich sah, nachdem ich den Hörer wieder an seinen Platz verfrachtet hatte, auf die Uhr. Heiliger Bimbam, es war ja schon kurz vor sechs. Ich musste mich ganz schön beeilen, dass ich auch pünktlich in dem besagten Restaurant erschien.

Also rannte ich in mein Schlafzimmer und zog mich um. Ich sah dabei kurz zu meinem Bett und auf ein Bild, dass auf meinem Nachttisch stand. Auf dem Bild lächelte mich Martin an. Martin war mein Freund gewesen und wir hatten drei herrliche Jahre verbracht, bevor ihn ein Autounfall aus meinem Leben riss. Er fehlte mir sehr. Sein Lachen, seine Wärme, seine Umarmungen und seine Küsse. Ja ich bin schwul und meine Eltern wussten es, hatten aber nachdem sie es erfuhren den Kontakt zu mir abgebrochen. Na sie hatten ja noch zwei andere Kinder, Susanne und Bernd. Beide waren verheiratet und hatten Kinder. Susanne zwei Mädchen und Bernd einen Jungen. Ja ich war das schwarze Schaf der Familie und keiner wollte mit so einem, wie mir, etwas zu tun haben. Also hatte ich keine Familie, die mir in der Zeit, nachdem Martin verstarb zur Seite stand. Irgendwie hatte mich das Leben danach hart gemacht. Ich ließ niemanden an mich ran, seitdem Martin nicht mehr lebte. Die einzigen die zu mir standen waren Martins Eltern. Der Kontakt brach nie ab und jede Woche meldete sich Klara, Martins Mutter bei mir, um zu horchen wie es mir ging.

„Joshua du musst für mich stark sein und finde wieder einen neuen Freund in deinem Leben. Versprich es mir!“ waren Martins letzte Worte an mich. Ich versprach es ihm, an seinem Krankenbett. Nachdem ich ihm das versprochen hatte, schloss er die Augen, für immer.

Martin du fehlst mir. Die Wohnung war ohne ihn kahl und leer. Ich zog mich Stück für Stück danach aus dem Leben und stand nur noch auf, um zur Arbeit zu gehen und danach wieder in diese Wohnung zurück zu kommen. In der kein Martin mehr auf mich wartete.

Ich merkte wie meine Augen feucht wurden. Nein ich wollte stark sein. Aber es blieb bei dem Wörtchen wollen, denn ich bekam wieder einmal einen meiner Heulattacken. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, rannte ich nochmals ins Bad und schaute in den Spiegel. Ein blasses Gesicht sah mir entgegen, mit rot geränderten Augen. Ich wusch im Waschbecken mein Gesicht und begann danach meine Haare zu ordnen, die wie immer nicht so wollten wie ich es gerne haben wollte.

Na dann eben nicht und rannte in den Flur, wo ich meine Jacke von der Garderobe schnappte und die Wohnung verließ.

Puuuhhh schnaufend stand ich endlich vor dem besagten Restaurant und ging hinein. Suchend sah ich mich nach meinem Chef um. Kurz darauf hatte ich ihn auch entdeckt. Er saß alleine an einem der Tische und sah mir mit einem Lächeln entgegen.

Ich machte mich auf den Weg, zu diesem Tisch. Nachdem ich den Tisch erreicht hatte, begrüßte ich meinen Chef.

„Guten Abend Herr Klemm! Danke für die Einladung.“

„Nicht so förmlich Joshua, meinen Vornamen kennst du doch!“

„Ähmm ja Viktor.“

Man war das unangenehm. Viktor beziehungsweise Herr Klemm merkte das wohl, denn er lächelte mich aufmunternd an. Ich setzte mich erst einmal, auf einen der Stühle und sah Victor an. Er sah wie immer super aus. Sein kurzes braunes Haar umrahmte ein männlich markantes Gesicht. Er hatte eine Topfigur und sah wie immer zum anbeißen aus. Ja er gefiel mir. Seit drei Jahren arbeitete ich nun schon für ihn. Als ich dreiundzwanzig wurde, zog ich zu Martin in die Wohnung und weg aus meinem Heimatort Belzig. Martin hatte mir die Stelle besorgt, da er jemanden bei der Firma von Viktor Klemm kannte. Wer die Person war, hatte mir Martin nie verraten. Jetzt war ich gerade vor einem Monat sechsundzwanzig Jahre alt geworden und dachte gerade darüber nach, das ich Viktor heute zum ersten mal privat traf.

„Na so in Gedanken Joshua?“

„Oh entschuldige bitte, mir ging gerade etwas im Kopf rum.“

„Das habe ich gesehen. Du hast mich regelrecht fixiert!“

Ohh habe ich das?“

Viktor nickte und grinste mich an.

„Also ich wollte mich entschuldigen, wie ich mich heute dir gegenüber verhalten habe.“

„Schon gut. Du bist der Chef.“ winkte ich ab.

„Nein Joshua, es ist nicht gut. Ich arbeite mit Dir sehr gerne zusammen und ich weiß auch von Martin deinem Freund.“

Erschrocken sah ich zu Viktor.

„Du weißt von Martin? Woher? Ich habe nie was gesagt.“

„Martin war ein Freund von mir. Aber seitdem ich meine geliebte Gattin an der Backe hatte, ging unsere Freundschaft langsam in die Brüche. Ich vermisse die Gespräche mit ihm und auch den Spaß den wir hatten.“ traurig sah er mich an.

„Joshua ich weiß, wie du leidest. Man sieht es dir jeden Tag an. Als du bei mir anfingst zu arbeiten, da hast du gelacht und Späße gemacht. Doch nachdem Martin starb, warst du nicht mehr der, den ich kennengelernt habe. Versteh mich nicht falsch, deine Arbeit machst du genauso gut wie vorher. Ich vermisse dein Lachen.“

„Martin fehlt mir…ich kann seitdem nicht mehr so lachen. Es gibt da nur noch leere in mir. Etwas ist weg. Ein Teil ist mit Martin gestorben.“ bei diesen Worten füllten sich meine Augen mit Tränen.

Viktor lächelte traurig.

„Martin war etwas Besonderes. Ich vermisse ihn genauso, aber glaub mir Joshua, er wollte bestimmt nicht das du so leidest.“

Ich nickte tapfer in seine Richtung.

„Wollen die Herren das Essen bestellen?“ unterbrach uns eine Stimme.

Ein Ober war auf unseren Tisch zugetreten und hielt uns die Speisekarten entgegen.

Ich nahm eine der Karten in die Hände und begann darin rum zu blättern.

Kurz entschlossen bestellte ich mir einen Salat und ein Glas Wasser. Ich hatte keinen all zu großen Hunger.

Nachdem Viktor auch seine Bestellung fertig hatte, sah er mich kurz an.

„Joshua ich weiß, ich war in letzter Zeit unausstehlich. Es tut mir leid. Ich weiß, dass ich meine Worte, die ich heute zu dir gesagt habe, nicht einfach streichen kann. Aber ich bereue, was ich gesagt habe. Nimmst du meine Entschuldigung an?“

„Kein Problem Viktor, ich nehme deine Entschuldigung an.“

„Danke und ich werde mich bessern, denn heute habe ich Melanie aus dem Haus gejagt.“

Ich sah ihn fragend an.

„Entschuldige Melanie ist, war meine Frau. Meine Eltern haben die Heirat mit ihr arrangiert. Sie kommt aus einem reichen Elternhaus, dass jedenfalls dachten meine Eltern. Leider zeigte sich danach, dass ihre Familie komplett pleite war. Ich und Melanie lebten die ganze Zeit getrennt in unserem Haus, denn sie liebte mich nicht und ich sie auch nicht. Zum Glück haben meine Eltern auf einen Ehevertrag gedrungen, der so aussieht das bei einer Scheidung, jeder nur das erhält was er in die Ehe eingebracht hat.“

„Versteh mich nicht falsch Viktor, aber warum erzählst du mir das alles?“

„Weil ich auch alleine bin und einfach jemand brauche, der mir mal zuhört. Joshua und dir vertraue ich.“

„Ich verstehe nur nicht, warum du mir das jetzt alles erzählst. Erst heute erfahre ich von Dir, dass Du Martin kanntest. Weißt du wie alleine ich die letzten Monate war? Wie sehr ich jemanden gebraucht habe, der mir über den Verlust geholfen hätte.“

„Ich weiß! Ich wollte dir, ja das alles schon längst sagen. Aber ich habe Martin versprechen müssen, dir nichts zu erzählen von unserer Freundschaft.“

„Warum sollte ich das nicht erfahren?“

„Martin wollte nicht, dass du denkst, dass du den Job nur bekommen hast, wegen unserer Freundschaft!“

Ich nickte verstehend. Ich gab ihm ja recht, hätte ich es gewusst, hätte ich den Job niemals angenommen. Aber warum hatte mir Martin nicht später davon erzählt, dass Viktor ein Freund von ihm war.

Viktor und ich unterhielten uns noch eine ganze weile. Es tat mir gut, mal wieder aus den vier Wänden rausgekommen zu sein. Jedenfalls tat es gut, mit Viktor, auch über Martin zu sprechen.

„Uppss schon so spät!“ Viktor sah gerade auf seine Uhr und lächelte mich an.

„Na dann werden wir mal aufbrechen. Wir haben ja morgen ein volles Programm!“

Ich nickte ihm bejahend zu und Viktor winkte den Ober heran, um die Rechnung zu bezahlen.

Kurz danach standen wir vor dem Restaurant und Viktor bot sich an mich nach Hause zu fahren. Ich nahm dankend an und er fuhr mich nach Hause.

Als Viktor sein Auto vor dem Haus zum stehen brachte, drehte er sich zu mir um und lächelte mich an.

„Joshua danke das du mir heute zugehört hast und wie schon versprochen ich werde mich bessern!“

„Kein Problem, na dann bis morgen!“

Ich hatte schon halb die Autotür geöffnet, als Viktor mich noch mal ansprach.

„Ich wünsche Dir eine gute Nacht Joshua. Wenn etwas sein sollte, kannst du jederzeit auf mich zählen!“

„Gute Nacht und danke Viktor für diesen Abend.“

Ich stieg aus und sah Viktor in seinem Auto nach, als er losfuhr. Nachdenklich ging ich in meine Wohnung.

Am nächsten Tag stapfte ich wie immer in mein Büro und setzte mich an meinem PC.

Kaum saß ich an meinem Arbeitstisch, als die Tür aufgerissen wurde und eine wütende Frau in mein Büro trat.

„Wo ist mein Mann?“ kam es wutschnaubend von ihr.

„Ähmm sorry aber wer sind sie?“

„Wer ich bin? Das ist ja wohl die Höhe. Junger Mann mein Name ist Melanie Klemm und ich will sofort meinen Mann sprechen.“

„Der ist aber um diese Zeit noch gar nicht im Haus! Ich denke mal er ist noch zu Hause.“

„Na dann werde ich hier auf dieses Miststück warten!“

Sie setzte sich demonstrativ auf den Stuhl vor meinem Tisch und sah mich zornig an.

„Wie ist denn ihr Name?“ fragte sie mich.

„Joshua Wende“

„Ach Herr Wende, hätten sie die Freundlichkeit mir einen Kaffee anzubieten?“

„Natürlich. Augenblick.“

So schnell ich konnte, stand ich auf und verließ mein Büro, um der Dame einen Kaffee zu holen.

Auf dem Weg zur Küche, kam mir Viktor entgegen und grinste mich an.

„Hallo Viktor, ich glaube dir wird gleich die Laune vergehen!“

Sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an: „ Warum?“

Ich nickte: „Deine geliebte Gattin sitzt gerade in meinem Büro. Ich glaube sie ist total geladen!“

„Das glaube ich dir! Ich habe die Kreditkarten von ihr, gestern sperren lassen und auf ihren Konten ist nicht mehr viel drauf.“

„Shit das wird was geben! Soll ich den Wachdienst verständigen, das sie sie hier raus bringen?“

„Nein ich werde mit ihr reden. Obwohl viel gibt es da nicht mehr, worüber ich mit ihr reden sollte. Ich nehme mal an, sie sitzt in deinem Zimmer?!“

„Du hast voll ins Schwarze getroffen.“

Viktor ging daraufhin zielstrebig zu meinem Büro und kurz darauf hörte ich die Stimme von Frau Klemm in den höchsten Tönen schreien.

Da es noch früh am Tag war, waren die Büros noch nicht besetzt, so dass nur ich mit bekam, was Viktors liebe Gattin, ihm an dem Kopf warf. Sie hatte eine sehr nette Art sich auszudrücken. Jedenfalls kannte sie eine ganze Palette von Ausdrücken, die nicht mal ich kannte. So wie ich sie verstand, wollte sie von Viktor Geld, aber warum konnte ich nicht verstehen.

Plötzlich ging die Tür von meinem Büro auf und Viktors noch Ehefrau erschien mit hoch rotem Kopf im Korridor.

„Du dreckige Schwuchtel. Ich werde allen erzählen wie abartig du bist und deinen Assistenten kannst du ja weiterhin anhimmeln, der lässt sich bestimmt von hinten ganz gut vögeln.“

Was war das denn, hatte ich mich verhört.

Ich stand total perplex im Flur, als sie an mir vorbeiging und mich anzüglich angrinste.

„Sie können gleich ihre Hose noch mal runter lassen. Viktor hat jetzt bestimmt Lust!“

Kurz darauf war sie verschwunden und ich blickte immer noch fassungslos zu meiner Tür, aus der sie gerade gekommen war.

Kurz darauf erschien Viktor in der Tür und kam auf mich zu.

„Tut mir leid, was sie da eben zu dir gesagt hat. Komm lass uns erst einmal in mein Büro gehen. Dort können wir ungestört reden.“

Viktor zog mich in sein Büro, denn ich war immer noch zu perplex als irgendeine Reaktion von mir zu geben. Nachdem wir sein Büro betreten hatten, schloss Viktor die Tür und drückte mich auf das Sofa, das in seinem Büro stand.

„Warte hier. Ich hole uns einen Kaffee, dann erkläre ich dir alles.“

Victor verließ das Zimmer und ich kam langsam wieder zu mir. Die Worte die seine Frau, auf dem Flur gesagt hatte, gingen mir immer wieder durch den Kopf. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein Knall folgte kurz darauf. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, wurde ich von irgendetwas getroffen. Das nächste was ich noch mitbekam, war das sich mein Hemd rot färbte. Danach wurde alles dunkel um mich.

Viktor

Ich war gerade in der Küche angekommen, als ich einen Knall hörte und dann eilige Schritte die sich auf dem Flur entfernten. Ich rannte in den Flur und sah, dass die Tür zu meinem Büro offen war. So schnell ich konnte, rannte ich in mein Büro. Joshua lag auf dem Boden und rührte sich nicht. Ich kniete mich neben Joshua hin und versuchte ihn umzudrehen. Dann sah ich das Blut. Oh shit, voller Panik ließ ich Joshua los und lief zu meinem Telefon. Sekunden später war die Wachmannschaft im Raum. Einer der Wachleute kümmerte sich um Joshua, der kein Lebenszeichen von sich gab. Der Notarzt und die Polizei waren kurz darauf auch da. Joshua wurde sofort auf eine Krankentrage verfrachtet und aus dem Raum geschoben.

Mein Büro wurde, nachdem die Sicherheitsleute und die Sanitäter dieses verlassen hatten, von der Polizei abgesperrt.

Einer der Polizisten trat auf mich zu.

„Sie sind Herr Klemm?“

Ich nickte bejahend.

„Wir hätten da noch ein paar Fragen!“

„Ja klar. Ginge es etwas später? Ich muss erst einmal wissen wie es meinem Mitarbeiter geht.“

Der Polizeibeamte nickte verstehend.

Ich drehte mich um und sah einen der Sanitäter im Flur stehen. Ich ging auf den Sanitäter zu und blieb vor ihm stehen.

„Entschuldigen sie, wie geht es Herrn Wende und wohin bringen sie ihn?“

„Viel kann ich ihnen nicht sagen, nur das es böse aussieht und er erstmal in ein künstliches Koma gelegt werden musste. Die Kugel so wie es aussieht, hat die Wirbelsäule knapp verpasst. Er hat starke innere Blutungen. Ob er durchkommt ist fraglich. Wir bringen ihn jetzt erst einmal in das Stadtkrankenhaus.“

Nun wusste ich wenigstens wo sie Joshua hinbrachten und lief so schnell ich konnte zu meinem Auto.

Ich raste wie ein begaster durch die Straßen, Richtung Krankenhaus. Als ich das Krankenhaus erreicht hatte, parkte ich mein Auto und rannte zum Eingang. Außer Atem stand ich endlich an der Anmeldung und eine freundliche Dame sah mich fragend an.

„Na sie haben es aber eilig. Wohin möchten sie denn?“

„Es wurde vor kurzem ein Mann, Joshua Wende, mit einer Schussverletzung bei Ihnen eingeliefert. Ich wollte gerne wissen wo er liegt und wer der leitende Arzt ist!“

„Warten sie kurz, ich rufe mal die Notaufnahme an.“

Sie nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte eine Nummer.

„Hallo hier ist Christine von der Anmeldung. Hier bei mir steht ein Herr und möchte gerne wissen, wo ihr einen Herrn Wende hingebracht habt.“

Kurz darauf legte sie den Hörer wieder auf und sah mich ernst an.

„Herr Wende wurde auf die Intensivstation gebracht. Das ist im zweiten Stock…“

Was sie noch sagte, hörte ich nicht mehr, denn ich rannte schon zum Fahrstuhl, der sich gerade öffnete. Im Fahrstuhl drückte ich auf den entsprechenden Knopf, für den zweiten Stock. Als sich die Fahrstuhltür schloss atmete ich erst einmal tief durch. Oh man bitte lieber Gott lass alles gut werden. Lass Joshua nicht sterben.

Kurz darauf öffnete sich die Fahrstuhltür und ich trat hinaus. Ich stand in einem langen Gang und suchte den entsprechenden Wegweiser zur Intensivstation. Eine Schwester kam mir im Gang entgegen und ich rannte auf sie zu.

„Entschuldigen sie, könnten sie mir sagen, wo es hier zur Intensivstation geht?“

„Ja klar, kommen sie einfach mit, ich habe da heute Dienst.“

Ich folgte ihr und kurz darauf standen wir vor dem Eingang zur Intensivstation.

„Wo wollen sie eigentlich hin?“ fragend sah sie mich an.

„Ach ja entschuldigen sie. Ich bin etwas durcheinander. Ein Herr Joshua Wende wurde hier gerade eingeliefert und ich wollte gerne wissen wie es ihm geht und ob ich kurz zu ihm kann.“

„Na kommen sie erstmal mit rein. Ich werde mal sehen, was ich für sie machen kann.“

Wir traten gemeinsam ein und sie zeigte auf einen Stuhl. Ich setzte mich auf diesen und die Schwester verschwand hinter einer der Türen. Kurz darauf schwang die Tür wieder auf und ein Mann im weißen Kittel trat auf mich zu.

„Hallo sie wollten zu Herrn Wende?“

„Ja mein Name ist Viktor Klemm und bin ein Freund von ihm. Wie geht es ihm und kann ich zu ihm?“

„Im Moment leider nicht Herr Klemm. Wir sind gerade dabei Herrn Wende zu operieren, wenn sie wollen können sie hier warten.“

Ich nickte und setzte mich wieder hin.

Es vergingen drei Stunden in denen ich auf den Arzt wartete. Mir ging es mit jeder Minute schlechter. Ich hatte solche Angst, dass Joshua es nicht schafft.

Eine Krankenschwester kam von zwei Männern gefolgt, auf mich zu.

„Herr Klemm?“

„Ja der bin ich!“

„Die beiden Herren sind von der Kriminalpolizei und haben ein paar Fragen an sie betreffs Herrn Wende und seinen Verletzungen.“

„Ja natürlich…“

„Hallo Herr Klemm, mein Name ist Max Schmidt und das ist mein Kollege Herr Wichert, wir hätten ein paar Fragen an sie.“

Ich nickte.

„Schwester hätten sie hier einen Raum, wo wir kurz mit Herrn Klemm sprechen könnten?“

Die Schwester nickte und zeigte auf eine Tür.

„Den Raum können sie nehmen. Ist der Aufenthaltsraum vom Personal. Zurzeit ist keiner im Raum.“

Ich erhob mich und folgte den beiden Polizisten in das Zimmer.

Nachdem wir den Raum betreten hatten, setzten wir uns auf die dort stehenden Stühle, die um einen Tisch herum standen.

„Herr Klemm, wir haben da ein paar Fragen. Wir gehen davon aus, dass sie eigentlich derjenige sein sollten, den die Kugel treffen sollte. Können sie uns sagen, wer sie aus dem Weg haben wollte?“

Ich zuckte bei der Frage zusammen.

„Ich habe mich von meiner Frau getrennt und sie war heute früh im Büro, um mit mir zu sprechen.“

„Um was ging es denn bei dem Gespräch?“

„Es ging darum das sie mich erpressen wollte!“

„Erpressen?“

Ich nickte bejahend. Also gut dann sollten sie auch alles wissen. Es war mir sowieso alles egal. Hauptsache Joshua überlebte.

„Ja wissen sie, ich habe mich von ihr getrennt da ich eigentlich nur eine Scheinehe geführt hatte. Meine Eltern haben diese Heirat arrangiert. Wir haben eigentlich die Vier Jahre nur zusammengelebt. Liebe war nie im Spiel dabei. Gestern habe ich endlich einen Schlussstrich gezogen, unter dieser Ehe und habe sie aus dem Haus geworfen.“

„Ich verstehe!“

„Ich bin schwul und sie ist irgendwie dahinter gekommen und wollte heute mich damit erpressen. Wenn ich ihr nicht Fünfhunderttausend Euro geben würde, würde sie die Geschichte an die Zeitung verkaufen. Ich habe ihr gesagt, sie kann gerne zur Zeitung gehen und ihre Geschichte verkaufen. Aber ich werde ihr nie das Geld geben. Bevor sie ging, sagte sie mir, das ich das noch bereuen würde.“

Einer der Polizisten stand vom Tisch auf und verschwand aus dem Raum.

„Herr Klemm, wir werden ihre Frau überprüfen. Die Waffe aus der der Schuß fiel, haben wir auf dem Parkplatz, vor ihrem Bürogebäude gefunden. Wir konnten auf der Waffe, Fingerabdrücke sichern. Also es wird denke ich nicht schwer sein, herauszufinden wer die Waffe benutzt hatte.“

Erleichtert sah ich den Polizisten an.

„Danke. Wie geht es jetzt weiter?“

Bevor der Polizist mir antworten konnte, kam der andere wieder in das Zimmer.

„Max ich glaube wir haben den Täter!“

Erschrocken sah ich abwechselnd, zu den beiden Polizisten.

„Herr Klemm, ihre Frau hat sich gerade gestellt.“

„Na dann werden wir zurück ins Präsidium fahren. Wir melden uns bei ihnen, wenn wir genaueres wissen.“

Die beiden Polizisten verschwanden daraufhin aus dem Raum.

Joshua

Als ich meine Augen aufmachte, wusste ich erst gar nicht wo ich war. Ich lag auf einer grünen Wiese und sah zu einem blauen Himmel hoch. Das Gras kitzelte mich und ich setzte mich auf. Wo war ich hier bloß???

„Hi Josh, wie geht’s dir?“

Diese Stimme kannte ich doch. Aber das konnte gar nicht sein, denn es war seine Stimme. Diese Stimme hätte ich unter hunderttausenden erkannt. Es war definitiv die Stimme von Martin.

„Martin?“

„Ja ich bin es Josh!“

„Wo bist du? Ich kann dich nicht sehen!“

„Josh ich sitze doch neben dir!“

Erst jetzt merkte ich, dass links neben mir jemand saß und ich blickte die Person an. Es war tatsächlich Martin. Mein Martin. Aber das konnte doch nicht sein. Martin war Tod, gestorben bei so einem bescheuerten Autounfall.

„Martin du bist doch ….“

„Ich weiß Josh…“

Mir traten Tränen in die Augen.

„Josh es ist alles in Ordnung. Deine Zeit ist noch nicht gekommen.“

Ich fühlte, wie mich Martin zärtlich in die Arme nahm und mich an sich drückte. Mir liefen die Tränen über das Gesicht. Er hatte mir so gefehlt und ich wollte nie wieder von ihm getrennt werden. Nie wieder.

„Josh, bitte es geht nicht. Ich bin hier um dir noch etwas zu sagen, wozu ich damals keine Zeit hatte.“

Ich sah Martin an und wischte mir die Tränen aus den Augen.

„Was geht nicht?“

„Das du bei mir bleibst. Josh ich wollte dir soviel damals noch sagen, aber es ging nicht mehr.“

„Martin du fehlst mir jede Sekunde in meinem Leben. Ich liebe dich und kann ohne dich nicht weiter leben.“

„Ich weiß! Aber das Leben geht für dich weiter und dann ist da auch noch jemand, der dir noch einiges sagen möchte.“

„Von wem sprichst Du?“

„Das darf ich dir nicht sagen. Nur soviel, er liebt dich über alles. Schon vom ersten Tag an, an dem er dich kennen gelernt hatte.“

„Ich versteh nicht? Martin ich liebe nur dich.“

„Josh, denk jetzt bitte an dein Versprechen das du mir, bevor ich starb gegeben hast.“

„Ja ich habe dir versprochen, weiter zu leben und einen Freund zu finden. Aber ich kann das nicht. Ich vermisse dich und dein Lachen und all die anderen Dinge.“

Verzweifelt schaute ich Martin an.

„Bitte Martin, lass mich bei dir bleiben. Bittteeee“

„Josh, glaub mir du musst leben. Komm ich zeig dir etwas, dann wirst du verstehen WARUM!“

Martin nahm meine Hand und plötzlich veränderte sich die Umgebung und wir standen in einem Krankenzimmer. Das Zimmer war voll mit irgendwelchen Apparaturen. In der Mitte des Zimmers, stand ein Bett, in dem eine Person lag. Neben dem Bett saß ein Mann und hielt eine Hand von dieser Person, die da im Bett lag, in seinen Händen.

„Martin der da im Bett, der sieht aus wie ich.“ entsetzt sah ich Martin an.

„Ja das bist du. Josh und der Mann, der da sitzt, ist Viktor.“

Jetzt erkannte ich auch den Mann, der am Bett saß und trat etwas näher.

„Joshua, bitte komm zurück…. Ich habe mich schon damals in dich verliebt, als du das erste mal durch meine Bürotür kamst. Bitte ich möchte dich nicht verlieren!“

Viktor weinte.

„Martin, dass wusste ich nicht.“

„Wie auch! Als ich nicht mehr da war, hast du niemanden mehr an dich heran gelassen.“

„Hast du es gewusst, dass Viktor schwul ist?“

Martin nickte stumm.

„Warum hast du mir nie was gesagt?“

„Josh, ich und Victor waren mal ein Paar. Das ist lange her. Unsere Liebe zerbrach an ihm, weil er Angst davor hatte zu sich selbst zu stehen.“

„Aber warum sitzt er jetzt hier bei mir?“

„Weil er endlich akzeptiert hat was er ist! Josh es wird Zeit! Du musst zurück.“

Ich verstand und ich drehte mich ein letztes mal zu Martin und nahm ihn in meine Arme.

„Josh versprich mir das du anfängst wieder zu leben! Tu es für mich!“

„Martin ich verspreche es dir. Aber meine Liebe gehört nur dir!“

„Nein! Teile sie mit jemand, der sie genauso braucht. Josh du bist und warst für mich das größte Geschenk in meinem Leben. Ich liebe Dich.“

„Ich dich auch…Martin“

Plötzlich verschwamm der Raum und es wurde dunkel.

Viktor

Ich saß an Joshuas Bett und hielt seine Hand. In den letzten drei Wochen, war ich jede freie Minute hier, um nach Joshua zu sehen. Meine Frau hatte alles gestanden und danach ging die ganze Geschichte in der Presse rum. Natürlich hatte meine Exfrau nichts Besseres zu tun gehabt, als der Presse zu verkünden, dass ich schwul war.

Drei lange Wochen schon wartete ich darauf, dass Joshua seine Augen aufschlug. Aber nichts passierte. Seine Hand lag in meinen Händen und ich erzählte ihm wie fast jeden Tag über meine Gefühle zu ihm.

Plötzlich zuckte Joshuas Hand und ich sah erschreckt in Joshuas Gesicht. Seine Augenlider begannen zu zucken und dann öffneten sie sich langsam. Nachdem seine Augen offen waren, sah er mich mit großen Augen an.

„Wo bin ich?“

„Joshua…..“

Mehr kam nicht über meine Lippen, denn ich fing an zu weinen.

„Ich hab Durst. Könntest du mir etwas zu trinken geben?“

Ich nickte nur, zu mehr war ich in diesem Moment nicht in der Lage. So schnell wie möglich stand ich auf und rannte in den Flur, um eine Krankenschwester zu holen. Kurz darauf ging eine Tür auf und ein Pfleger trat in den Flur. Ich rannte auf ihn zu und stoppte kurz vor ihm.

„Holen sie schnell den Arzt! Joshua ist wach. Er ist zurück gekommen.“

„Was? Na das sind ja mal gute Nachrichten. Ich hole den Arzt.“

Nachdem der Pfleger losgegangen war, sah ich mich nach dem Getränkewagen um, der hier immer im Flur stand. Da sah ich ihn auch schon. Ich nahm ein Glas und eine Flasche Wasser und rannte zurück zu Joshua.

Als ich in sein Zimmer kam, sah er mich mit einem kleinen Lächeln an.

„Warte, ich muss nur die Flasche aufmachen!“

Kaum hatte ich sie geöffnet und das Glas gefüllt, ging ich zu Joshua.

Ich hielt ihm vorsichtig das Glas an die Lippen und er trank einen kleinen Schluck.

„Danke, jetzt geht es. Was machst du eigentlich hier?“

„Ich habe nach dir, jeden Tag gesehen. Schließlich wurdest du angeschossen.“

„Richtig da war doch noch was…..“

In dem Augenblick ging die Tür auf und ein Arzt stürmte herein.

„Ahh endlich sind sie aufgewacht. Herr Klemm würden sie bitte das Zimmer verlassen! Ich muss jetzt den jungen Mann erst einmal untersuchen.“

Ich nickte und wollte gerade das Zimmer verlassen, als Joshua mich noch mal ansprach.

„Kommst du noch mal wieder?“

„Na klar komme ich wieder!“

Ich machte mich auf dem Weg zu meinem Wagen, denn es war schon ziemlich spät, als mein Handy anfing zu läuten.

„Viktor Klemm…“

„Viktor hier ist deine Mutter. Wir sind auf den Weg zu dir, wo bist du denn?“

„War gerade im Krankenhaus um nach meinem verletzten Mitarbeiter zu sehen.“

„Ach ja wie geht es ihm?“

„Er ist gerade aus dem Koma gewacht.“

„Ohh das sind ja erfreuliche Nachrichten. Wir sehen uns in einer halben Stunde. Bist du dann zu Hause.“

„Klar bin ich!“

„Na dann bis gleich!“

Ich setzte mich in meinen Wagen und wollte gerade losfahren, als ich im Rückspiegel den Pfleger aus der Intensivstation auf mein Auto zukommen sah. Als er an der Fahrertür stand, kurbelte ich das Fenster runter.

„Entschuldigung, ich wollte ihnen nur sagen, dass mit Herrn Wende alles in Ordnung ist. Der Arzt hat mir gesagt, ich soll ihnen nur bescheid geben, dass sie morgen etwas später kommen sollen. Es werden einige Untersuchungen morgen anstehen.“

Ich lächelte ihn an: „Danke, das sie mir das gesagt haben.“

„Ich weiß dass sie ihn sehr mögen. Ich wollte nur das sie es wissen.“

Er lächelte mich an und drehte sich dann um und ging zurück.

Ich sah ihn hinterher. Es fing an zu regnen und ich kurbelte mein Fenster wieder hoch.

Ich fuhr los, um nach Hause zu kommen. Ich hatte meine Eltern seit über sechs Wochen nicht gesehen. Sie waren auf einer Kreuzfahrt in der Karibik gewesen. Ich hoffte nur, dass sie die Zeitungsartikel zu meiner Person noch nicht gelesen hatten. Sie wussten von mir nicht, dass ich schwul bin. Ich hatte vor es ihnen zu sagen, um endlich frei leben zu können.

Es fing stärker an zu regnen und ich fuhr vorsichtig weiter. Als ich bei meinem Haus ankam, sah ich schon das Auto meiner Eltern davor stehen.

Ich fuhr mein Auto in die Garage und stieg aus.

Ich lief wieder zur Strasse zurück, wo meine Eltern schon aus dem Wagen ausgestiegen waren und auf mich warteten.

„Hallo Liebling, wir sind so froh dich zu sehen.“

Meine Mutter nahm mich in den Arm.

„Und wie geht es dem Jungen?“ fragte mein Vater, der hinter meiner Mutter stand. Ich löste mich aus ihrer Umarmung.

„Jetzt kommt erst mal rein. Dann erzähle ich euch alles.“

„Das wird auch Zeit!“ kam es von meinem Vater.

Ich ignorierte den Satz meines Vaters und ging zur Haustür, um diese zu öffnen. Nachdem wir im Flur standen, zogen wir unsere Jacken aus und hängten sie an die Garderobe.

„Setzt euch schon mal in das Wohnzimmer. Bin gleich wieder da.“

Ich ging schnell in die Küche und holte ein Flasche Wein. Ich nahm ein Tablett und stellte drei Weingläser darauf. Danach öffnete ich noch schnell die Flasche. Mit dem Tablett bewaffnet trat ich in das Wohnzimmer, wo mich meine Eltern erwartungsvoll ansahen.

Nachdem ich das Tablett abgestellt hatte und die Gläser gefüllt hatte, setzte ich mich ihnen gegenüber auf einen der Sessel.

Meine Mutter sah mich besorgt an und wenn ich den Gesichtsausdruck meines Vaters richtig verstand, sah er auch recht besorgt aus.

„Nochmals wie geht es dem Jungen Viktor?“ mein Vater sah mich dabei direkt an.

„Es geht ihm gut. Er wird morgen nochmals komplett untersucht. Ich hatte mir solche Sorgen gemacht, dass er niemals wieder aufwachen würde. Aber heute…“

Meine Stimme versagte und ich fing an zu weinen.

„Junge du siehst schlecht aus!“ dabei stand meine Mutter auf und setzte sich auf die Sessellehne.

„Dein Vater und ich lieben dich so sehr. Wir sind froh, dass es dem Jungen wieder besser geht. Wie heißt er eigentlich?“

„E..r h..eeiisssst „ und leise fügte ich seinen Namen hinzu.

„JOSHUA“

„Viktor du liebst ihn stimmts?“

Ich sah meine Mutter an und nickte.

„War das so schwer Junge? Uns das zu sagen?“ kam es leise von meinem Vater.

„Ich woolltte e..uchh …“

Meine Stimme brach ab. Die Worte die ich mir zurechtgelegt hatte, fielen vor mir auf den Boden und zerschellten. Ich konnte meine Eltern nicht ansehen. Alles was ich ihnen sagen wollte, war weg. Ich sah wie die zerbrochenen Buchstaben vor mir auf dem Boden lagen und sich langsam wieder zusammenfügten. Erst zu Worte und dann zu Sätzen. Ein Satz schrie mich fast an. Sag es Ihnen, dass du ihn liebst und um ihn kämpfen wirst.

Eine Hand streichelte meine Schulter. Ich nahm allen Mut zusammen, den ich noch hatte und sah meinem Vater direkt in sein Gesicht.

„Pa! Ma! Ich liebe Joshua.“ Jetzt war der Satz raus und was tat mein Vater er sah mich weiterhin an und wie in Zeitlupe rann ihm eine Träne die Wange hinunter.

„Darauf habe ich eine Ewigkeit gewartet, dass du endlich zu dir stehst.“

Mein Vater stand auf und trat auf mich zu und zog mich aus dem Sessel.

„Ich bin stolz auf dich! Viktor du bist etwas Besonderes und deine Mutter und ich lieben dich.“

Ich lag in den Armen meines Vaters und fing an zu weinen. Seine großen Hände hielten mich fest, so wie sie es auch früher gemacht hatten. Diese Hände, wie oft hatten sie mich als ich ein kleines Kind war, sicher aufgefangen. Hatten mich getröstet und hatten mit mir Sandburgen am Meer gebaut. Diese Hände zeigten mir jetzt, dass sie auch jetzt da waren. Jetzt wo ich es so sehr brauchte.

„Hätten wir es nur früher gewusst, Junge! Wir hätten diese Heirat nie arrangiert.“

Wir sprachen an diesem Abend über so viele Dinge, die nie ausgesprochen wurden. Ich erzählte meinen Eltern von Martin und unserer verlorenen Liebe. Über meine eigene Feigheit zu mir zu stehen und das ich das nicht mehr wollte.

Ich wollte wieder frei atmen können, die Welt so sehen wie ich es mir immer gewünscht hatte und mich nie getraut hatte. Mich zu akzeptieren so wie ich war, mit allen Fehlern die an mir hafteten. An diesem Abend hatte ich den letzten Meter meines Weges hinter mich gebracht und als ich später im Bett lag, schlief ich mit diesem Gefühl ein.

Ich war am Ziel!

Joshua

Der nächste Tag war schrecklich. Ich musste lauter Untersuchungen über mich ergehen lassen. Da meine Motorik noch ziemlich eingeschlafen war, hatte ich Probleme meine Arme und Beine richtig zu bewegen. Der Arzt meinte nur, dass es nach ein paar Sportstunden wieder besser werden würde.

Ich wusste nicht warum, aber ich sah umso später es wurde immer öfter zur Tür. Ich hoffte das die Tür jeden Moment aufgehen würde und Viktor dort stehen würde. Es fing schon an dunkel zu werden, als die Tür plötzlich aufging und Viktor mit einem riesigen Bären vor mir stand.

„Wie geht es Dir Joshua?“

Er sah mich dabei seltsam an.

„Mir geht es ganz gut. Ich habe schon den ganzen Tag auf dich gewartet.“

„Echt…“ ungläubig sah er mich an.

„Weißt du Viktor, mir hat jemand gesteckt, dass ein gewisser Herr, jeden Tag und das drei Wochen lang, an meinem Bett saß.“

Er nickte und kam langsam auf mich zu.

„Ich hatte mir solche Sorgen um dich gemacht.“

„Eine Frage als Chef oder als jemand anderes?“

„Wie jetzt?“

Ich musste lächeln: „ Ich meine hast du dir als Chef um deine Arbeitskraft Sorgen gemacht, oder um jemanden den du gerne hast?“

Viktor sah zu Boden und dann ganz leise, wie ein stetig ansteigender Wind, kam seine Antwort.

„Weil ich die Person sehr LIEBE!“

„Viktor, komm setz dich zu mir, ich muss dir etwas erzählen!“

Viktor drehte sich zu dem Stuhl um, um diesen an das Bett zu schieben.

„Viktor du sollst dich zu mir auf das Bett setzen. Ich möchte dir wirklich etwas Wichtiges sagen.“

Viktor setzte sich auf die Bettkante und sah mich an.

Ich sah Viktor in die Augen und ich sah die ganze Liebe in Ihnen. Ich wusste nicht warum, konnte mich auch nicht erinnern, wer mir gesagt hatte, dass er mich liebt. Aber eines wusste ich, als ich aus dem Koma erwachte und ihn sah, ich war der glücklichste Mensch seit langem.

„Viktor hast du mir irgendetwas zu sagen?“

„Ich ….LIEBE DICH!“

Die Worte drangen zu mir und ich sah ihn an. Meine Lippen öffneten sich und formten wortlos die Worte ICH DICH AUCH.

Viktor sah mich an und ich sah den Schmerz in seinen Augen, die Angst mich zu verlieren und seine Liebe zu mir.

All die unausgesprochenen Worte von ihm standen in seinen Augen, nur für mich lesbar.

All das was er mir sagen wollte und nun da er hier war nicht sagen konnte.

Erst jetzt merkte ich, wie sehr ich durch die Trauer um Martin, meine Umwelt verdrängt hatte.

Viktor kam langsam näher und dann berührten weiche Lippen meine und ein seid langem verlorenes Gefühl in mir begann sich zu regen.

Verzeih mir Martin, aber es wird Zeit los zu lassen. Ich sah Martins Gesicht und wie es langsam mit einem Lächeln verschwand.

Viktor

Es hatte über Nacht geschneit. Der Schnee knirschte unter unseren Füßen. Ich sah zur Seite auf Joshua der meine Hand hielt und mir gerade erzählte, wie sehr er sich auf Weihnachten freute.

Ich grinste, denn er wusste noch nicht wer zu Weihnachten, außer meinen Eltern vor der Tür stehen würde.

Endlich waren wir angekommen. Joshua hatte aufgehört zu reden. Wir beide starrten auf den Grabstein hinunter auf dem Martins Name eingemeißelt war.

Joshua ließ meine Hand los und kniete sich auf den Boden hin. Er legte einen Strauß weißer Rosen auf das Grab und stand still wieder auf.

„Ich denke, wenn er uns sehen könnte, wäre er stolz auf uns.“

Ich nickte bejahend zu Joshua.

„Ich glaube er würde sich für uns freuen! Das wir zusammen sind.“

„Ich weiß es. Er wollte es so. Viktor ich kann dir nicht sagen woher. Aber immer wieder habe ich das Gefühl, als ob Martin mir gesagt hatte, dass er sich freuen würde wenn wir ein Paar sein würden.“

Ich nickte und sah Joshua an. Eine einzelne Träne rann seine Wange entlang. Ich wischte sie ihm vorsichtig aus dem Gesicht.

„Komm gehen wir nach Hause. Ich hatte dir doch gesagt das wir Besuch erwarten.“

„Ja deine Eltern kommen.“

„Richtig nun komm.“

Zu Hause angekommen betraten wir das Wohnzimmer. Joshua flitzte schnell in die Küche, er wollte unbedingt den Braten noch rechtzeitig zum Abendessen fertig haben.

Da klingelte es an der Tür. Ich sah auf die Uhr, dass mussten sie sein. Ich hatte sie etwas früher eingeladen.

„Joshua kommst du!“

„Ja komm schon.“

Ich stand im Flur und wartete auf ihn. Da kam er auch schon um die Ecke.

„Warum hast du deinen Eltern noch nicht die Tür geöffnet!“

Joshua sah mich fragend an.

Ich konnte mir ein grinsen nicht verkneifen.

„Joshua nun mach schon die Tür auf.“

Joshua ging an die Tür und öffnete diese.

Nachdem die Tür offen war, stand Joshua nur da und sagte kein Wort.

„Joshua mein Sohn! Wir haben dich so vermisst, kannst du uns verzeihen?“

„Mama, Papa was macht ihr denn hier?“ waren die ersten Worte die Joshua sagte.

Ich wollte mich umdrehen und die drei alleine lassen, aber jemand nahm meine Hand und hielt diese fest.

„DANKE!“

Ich drehte mich um und sah in Joshuas Augen, die mir wie zwei Sterne entgegen leuchteten.

Spät am Abend saßen wir beide zusammengekuschelt auf dem Sofa. Joshua hatte sich an mich gelehnt.

„Victor das war das schönste Weihnachtsgeschenk das du mir machen konntest!“

„Ich habe es in deinen Augen gelesen, die Sehnsucht, deine Familie wieder zu sehen.“

Ich sah zum Fenster hinaus, es hatte wieder angefangen zu schneien. Dicke Flocken fielen vom Himmel.

Es war das schönste Weihnachtsfest, das ich seit Jahren hatte. Ich sah zu Joshua, aber dessen Augen waren zugefallen. Ich stand langsam auf und nahm ihn in meine Armen. Er schlief tief und fest, als ich ihn vorsichtig nach oben trug in unser Schlafzimmer.

Ich sah auf sein Gesicht hinunter und ich vermochte nicht in Worte auszudrücken, wie sehr ich ihn liebte.

Martin wo auch immer du bist, wir werden dich beide nie vergessen.

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