Kapitel 42
Während des Essens wurde Nico doch noch ein bisschen von Davids Eltern ins Kreuzverhör genommen. Er musste erzählen, was seine Eltern beruflich machen und wurde von Davids Mutter für seine ausgezeichneten Tischmanieren gelobt.
David war das Ganze dann doch recht unangenehm, aber Nico schien das nicht weiter zu stören. Vielmehr genoss er es richtig, dass sich jemand, außer seinen Freunden, für ihn interessierte.
Auch Davids Vater machte auf Nico einen sehr netten Eindruck. Schon wenn man ihn ansah, konnte man sehen, dass er gerne lachte. Leichte Fältchen um Augen und Stirn verrieten das.
Nachdem das Essen beendet war, verkrümelten sich David und Nico wieder nach oben, wo sie ihre Ruhe hatten. Gerade waren sie angekommen, da ließ sich der Gast auch schon aufs Sofa fallen und streckte die Arme nach seinem Liebsten aus.
David ließ sich natürlich nicht zweimal Bitten und setzte sich zu seinem Schatz. Sofort kuschelte Nico sich an ihn. David wurde den Eindruck nicht los, dass den Mann in seinen Armen etwas bedrückte und so fragte er auch gleich nach, während er ihn sanft streichelte.
„Was hast du denn? Du bist schon wieder so niedergeschlagen. Immer noch wegen deiner Mutter?“
Nico nickte an Davids Brust geschnuffelt.
„Nachher, wenn ich nach Hause komme ist sie garantiert schon wieder weg und hat mir nen Zettel da gelassen, was ich denn alles zu tun hätte. Das macht sie immer.“, antwortete er traurig. „Ich wünschte ich hätte Eltern wie deine.“
Und wieder fing er an zu schniefen. David wusste gar nicht so richtig, was er machen sollte und so streichelte er seinen Freund einfach und sagte nichts mehr. Aber man sah ihm an, dass er schwer überlegte.
Ein paar Sekunden später erklang ein euphorisches: „Hey, ich hab eine Idee!“ aus seinem Mund, und er sprudelte auch gleich los.
„Was hältst du denn davon, wenn du hier bleibst und wir beide morgen zusammen zu dir fahren und die Sachen erledigen, die du machen sollst?“
Das riss Nico ein wenig aus seiner Melancholie. „Das würdest du für mich tun?“, fragte er ungläubig.
„Klar!“ Kam nur die Antwort.
„Aber ich hab doch gar keine Sachen hier.“, gab er zu bedenken.
„Na das ist doch nun wirklich kein Problem.“, warf David gleich ein. „Deine Zahnbürste steht sowieso schon im Bad und deine Klamotten kannst du morgen Vormittag ruhig noch mal anziehen. Ne Boxershorts finden wir sicher für dich oder du gehst eben ohne.“, grinste er frech.
Jetzt musste Nico sich doch geschlagen geben, was ihm aber nicht wirklich etwas ausmachte.
„Und was machen wir jetzt noch?“, wollte er dann wissen.
„Hm…“, überlegte David. „Was hältst du davon, wenn wir Tessa einladen und heut Abend zusammen ins Kino fahren?“
„Na das ist doch mal ne Idee. Wer telefoniert?“
„Immer der, der so doof fragt!“, grinste David schon wieder und drückte Nico den Telefonhörer in die Hand. Der grummelte nur und tippte die Nummer ein.
Tessa fand die Idee klasse und so verabredeten sie sich zu 19:00 Uhr bei David. Tessa machte den Vorschlag schon vorher Karten zu bestellen und da sie sich schon für einen Film entschieden hatten wollte sie das auch gleich übernehmen.
Kapitel 43
Wie erwartet klingelte es kurz vor 19:00 Uhr an der Tür. David und Nico waren zuvor schon Duschen und gerade dabei, zu entscheiden, was sie anziehen wollten. Beide hatten sich bereits für eine Jeans entschieden und da David seine schon an hatte musste er wohl oder übel hinunter laufen um Tessa herein zu lassen. Die staunte nicht schlecht, als David so oben ohne vor ihr stand.
„Hui, hab ich euch bei irgendetwas gestört?“, kicherte sie ihm entgegen, während sie ihn zur Begrüßung umarmte.
„Ja, wir wollten gerade übereinander herfallen und bevor du hier bist noch ein Nümmerchen schieben“, grinste David anzüglich.
Dafür fing er sich von ihr einen scherzhaften Klapps auf den Hinterkopf mit dem typischen „Blödmann!“ hinterher.
Lachend brachte David sich auf die Treppe in Sicherheit und rannte nach oben. Aber Tessa brauchte nicht lange, bis sie ihm gefolgt war.
Kaum in seinem Zimmer angekommen warf sie sich auf ihn und kitzelte ihn richtig durch.
Nico erschrak ziemlich, als sein David lachend und schreiend die Treppe empor gepoltert kam und ein Energiebündel ihm auf dem Fuß folgte.
„Ähm… hi Tessa.“, brachte der überraschte Nico ganz perplex hervor. Mit einer so stürmischen Begrüßung hatte er nicht gerechnet. Auch stand er immer noch oben ohne da, weil er sich gerade an Davids Schrank bedienen wollte um sich weiter anzuziehen.
Tessa ließ von ihrem Opfer ab und grinste Nico an.
„Oh, noch so ein netter Anblick!“
Sie sah an Nico hinauf und setzte schon wieder scherzhaft ihren Schlafzimmerblick auf. Der verdrehte aber nur die Augen und ließ Davids Schrank wieder seine ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen.
David gesellte sich zu ihm und die Beiden vertieften sich gemeinsam in die Auswahl an T-Shirts.
Sie konnten sich nicht entscheiden, bis es Tessa zu bunt wurde und sie drohten zu spät zur Vorstellung zu kommen. Also wühlte die gemeinsame Freundin kurz in dem Berg von Klamotten und hatte schon bald etwas Passendes für beide gefunden.
Sie drückte David ein kirschrotes Shirt mit Aufdruck in die Hand und Nico ein grasgrünes, mit ähnlichem Print.
„So, jetzt sieht man, dass ihr zwei zusammen gehört, es passt zu eurer jeweiligen Haarfarbe und sieht gut aus. Zieht euch an, dann können wir endlich los oder der Film fängt ohne uns an.“
Tessa duldete keine Widerrede, das ließ ihre Stimme erkennen und obwohl die beiden von ihrem resoluten Auftritt ein bisschen eingeschüchtert waren, was sie ein sichtlich genoss, stellte sie, kaum dass alle im Auto saßen wieder auf nettes Mädchen um.
Alles in allem kamen die Drei dann doch noch pünktlich an und hatten, da Tessa die Karten ja schon bestellt hatte und sie sich nicht an die lange Schlange anstellen mussten, sogar noch genug Zeit, sich mit Popcorn und Cola einzudecken.
Nachdem der Film zu Ende war, ließen sie den schönen Abend noch gemütlich in einer Bar ausklingen. David blieb bei den alkoholfreien Cocktails, während Tessa und Nico sich den ein oder anderen Alkoholischen gönnten.
Als Tessa mit dem Kichern gar nicht mehr aufhörte und auch Nico schon recht lustig drauf war, beschloss David, der trotz des Verzichts auch seinen Spaß gehabt hatte, die Beiden in seinen Polo zu bugsieren und den Abend zu beenden. Außerdem war er ein bisschen müde und wollte nach Hause, bevor er am Steuer die Augen nicht mehr offen halten konnte.
Er setzte Tessa vor ihrer Tür ab und brachte sie noch bis in ihr Zimmer. Den Rest würde seine Freundin auch alleine schaffen. Sie hatte sich ja schon gewehrt, als David sie nur bis ins Haus begleiten wollte.
Dann fuhr er noch die wenigen Meter bis zu sich nach Hause.
Seine Eltern waren nicht mehr zu sehen. Sie waren sicher schon zu Bett gegangen und auch David wollte eigentlich nichts anderes mehr. Nur Nico schien noch vollkommen aufgedreht und guter Laune zu sein. Zum Glück würde er heute Nacht hier bleiben. Allein käme er jetzt sicher nicht mehr unversehrt bei sich zu Hause an, zumal der Gedanke morgen früh neben ihm aufzuwachen ein sehr schöner war.
David schickte seinen Schatz schon mal ins Bad und schrieb seiner Mutter noch einen Zettel, dass Nico noch da sei und sie doch bitte Brötchen für sie beide zum Frühstück mitbringen solle.
Dann machte auch er sich auf den Weg nach oben und ließ sich nach einem kurzen Badbesuch auf sein Bett fallen. Das Ausziehen klappte nur mühselig, doch als auch das geschafft war, rollte er sich auf die Wandseite seines Bettes und wollte darauf warten, dass Nico ebenfalls endlich müde wurde und ins Bett kam.
Als er gerade mürrisch am Einschlafen war, bemerkte er noch, wie sich ein warmer Körper dicht an ihn heran kuschelte und insgeheim freute er sich schon darauf, morgen mit seinem Sternchen aufzuwachen.
Kapitel 44
Als David Nico am nächsten Morgen gegen 11:00 Uhr weckte, war dieser immer noch total verkatert und fühlte sich wie ausgekotzt. Er hatte tierische Kopfschmerzen und außerdem das dringende Bedürfnis, die nächsten Stunden mit dem Kopf über der Kloschüssel zu verbringen. David grinste nur hämisch in sich hinein. Beinahe hatte er ja schon so etwas in der Art befürchtet, so straff wie Tessa und sein Freund gestern Abend gewesen waren.
Trotz aller Schadenfreude tat Nico ihm so Leid, als er da wie ein Häufchen Elend im Bad am Boden saß und da er ja ein lieber und gut erzogener Junge war, sah er es als seine Pflicht an, Nico das Ganze ein wenig leichter zu machen.
Also stiefelte er, selbst noch ein bisschen verschlafen, nach unten in die Küche. Dort machte er einen Pfefferminztee für seinen Liebsten und suchte nach dem Zwieback, den seine Mutter immer im Haus hatte. Ein Brötchen für sich verdrückte er nebenbei.
Als er gerade wieder nach oben schleichen wollte, trat sein Vater in die Küche.
„Na mein Großer, ist gestern wohl reichlich spät geworden was?“, fragte er schelmisch.
David konnte nur nicken und verzog dabei sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen.
„Frag lieber nicht nach. Das Überbleibsel quält sich oben. Ich wollte ihm grad nen Tee bringen und schauen, ob ich ihn damit wieder ein bisschen aufpäppeln kann.“
„Ich hoffe doch, du hast nicht auch tief ins Glas geschaut mein Sohn. Schließlich bist du gefahren.“ Vorwurfsvoll und mit strengem, prüfendem Blick sah er seinen Sprössling an.
„Nein Paps, mach dir keine Sorgen. Du weißt doch, dass ich nicht wirklich gern Alkohol trinke und schon gar nicht, wenn ich fahre. Ich glaube, ich bin der einzige von uns dreien, dem es heute nicht beschissen geht.“ Lächelte ich überlegen.
„Na dann ist ja gut.“, kam die Antwort und schon war Papa Engelhardt im Wohnzimmer verschwunden.
David stapfte nun endlich mit dem Tee, der jetzt schon Trinktemperatur hatte und der Tüte Zwieback wieder nach oben, wo er Nico immer noch an die Badezimmerwand gelehnt fand.
„Na komm schon!“, drängte er Nico den Tee zu trinken und auch ein bisschen von dem Zwieback zu essen, nachdem er sich vor ihn gehockt hatte. „Und dann legst du dich am Besten wieder ins Bett und schläfst noch ne Runde.“
Nico ließ sich auf die Beine helfen und sich zum Bett führen. Dort ließ er sich langsam und vorsichtig wieder in die Kissen sinken. Sein Freund deckte ihn zu und wollte sich gerade leise verziehen, als Nico ihn noch um eine Kopfschmerztablette bat.
Die Kopfschmerzen waren unerträglich und so würde er sicher nicht noch einmal einschlafen können. Also suchte David auch noch eine Tablette aus seinem Nachtschränkchen und half Nico dabei, sie zu schlucken.
Schon wenig später schlummerte Nico erneut.
Die Hausarbeiten, die Nicos Mutter für ihn aufgeschrieben hatte, müssten sie wohl heute ausfallen lassen.
Um zu schauen, wie es denn Tessa ergangen war, zückte er kurzerhand sein Handy und rief sie an.
„Was is?“, meldete sich eine knurrige, müde Stimme auf der anderen Seite der Leitung.
„Hi Tessa, du klingst ja genauso schrecklich, wie das Bündel, das noch in meinem Bett liegt.“, zog David sie ein wenig amüsiert auf.
„Och nee, eigentlich nicht merk ich grad. Du hast mich nur geweckt. Warum rufst du auch zu so nachtschlafender Zeit an?“
„Entschuldige bitte, meine Liebe, aber es ist mittlerweile halb zwölf.“, tat David empört.
„Scheiße!“, hörte er aus dem Lautsprecher. „Ich muss heut um zwölf zu Oma. Die wollte für uns kochen. Mist. Ich hasse Sonntagsessen!“
„Na dann mach dich mal hübsch und vergiss die Rüschenbluse nicht, Liebes! Wir hören uns morgen! Tschüßi“
David hatte aufgelegt. Er kannte Tessa nur zu gut, wenn sie in Eile war. Sie war bei ihrem letzten Gedanken bestimmt aufgesprungen und dabei fast aus dem Bett gefallen. Jetzt würde sie ins Bad toben und ihre gesamte Familie in Stress versetzen. Wäre er noch weiter dran geblieben, würde sie ihn sicherlich dafür verantwortlich machen, wenn sie nicht rechtzeitig fertig geworden wäre.
Also setzte er sich vor seinen PC und begann seine e-Mails abzurufen. Einige neue waren dabei. Unter ihnen, auch eine von Ulrike.