Ableitungen und ähnliche Unfälle – Teil 3

Florian

17:30 Uhr

Ich hatte ganz gut geschlafen und die Kopfschmerzen blieben noch fort. Eine Schwester brachte noch ein paar belegte Brote vorbei.

Ich freute mich auf schon auf den Besuch von Josh, sonst würde sich hier ja wahrscheinlich niemand blicken lassen. Um die Zeit zu überbrücken, schnappte ich mir den DVD Player, und schaute auf das Filmangebot. Ich entschied mich spontan für Titanic, natürlich auf Englisch.

Ich bemerkte nicht wie die Zeit verging, und plötzlich warf Rose das edle Schmuckstück ins Meer. Drei Stunden Film waren zu Ende, genau wie die Besuchszeit.

Josh kam doch nicht mehr vorbei. Ich fand das schon ziemlich traurig. Auch wenn es dumm war, aber ich hatte mich ein wenig in ihn verknallt. Er hatte mich ‚erwischt’, in jeder Hinsicht.

Aber was machte ich mir da eigentlich vor, er feierte gerade mit seiner Freundin Geburtstag und hatte mich vergessen.

Joshua

Meine Zigarette war bereits halb geraucht, als ein Wagen neben mir anhielt. Aus dem Augenwinkel erkannte ich einen alten Renault, auf dem hinteren Nummernschild prangte ein großes (F).

Chantal stieg aus.

„’Allo Joschua. Isch ’abe mir gedacht das isch disch ’ier finde. Was ist los?“

Was wollte die bloß hier?

„Ich hab es ihm versprochen. Ich bin ja Schuld daran.“

Chantal nickte. „’ast Du eine Problem mit deine Freundin? Ihr wirkt nischt sehr glucklisch. Du ’ast sie ’eute kaum angeguckt.“

Irgendwie war mir jetzt tatsächlich nach Reden zumute. Ich lud Chantal auf eine Rundfahrt in mein Auto ein. Ich redete mir einfach den Frust der letzten Wochen von der Seele. Jenny zickte halt schon häufig rum und ließ mir kaum mal Ruhe. Ich kam nicht zum Lernen und Schule sah gerade übel aus. Ich erzählte vom Nachhilfe-Angebot durch Florian, ließ aber das kleine Detail über seine Homosexualität aus.

Ich bemerkte gar nicht wie sie mir die Hand auf das Knie legte.

„Armer Joschua“, säuselte sie sanft.

Ihre Hand wanderte langsam höher und ich ließ sie gewähren. Ich suchte mir einen kleinen Feldweg und parkte das Auto. Ihr Gesicht näherte sich meinem und sie küsste mich. Dabei nahm sie meine Hand und legte sie auf ihre Brüste. Fordernd nestelte sie an meiner Hose und öffnete sie. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann hatte ich gerade überhaupt keine Lust, aber sie wusste wie sich mich anfassen musste. Plötzlich war mir einfach alles Egal.

Mit flinken Fingern zog sie ein Gummi aus ihrer Tasche und platzierte es an der richtigen Stelle.

Florian

An dieser Stelle machen wir einen kleinen zeitlichen Sprung zum nächsten Morgen, kurz nach Sechs.

Irgendwer zog an meinem linken Arm und weckte mich relativ unsanft auf. Es war eine der Schwestern und sie kam zum Blutdruckmessen. Sie stellte noch einen Becher mit Schmerztropfen hin und ging wieder.

Ich hatte die Nacht nicht besonders gut geschlafen, die Prellung tat fürchterlich weh und natürlich ging mir Joshua auch nicht aus dem Kopf. Warum musste ausgerechnet er mich anfahren?

Die Krankenhausroutine ließ mir nicht all zuviel Zeit zum Grübeln. Eine halbe Stunde später kam das Frühstück. Die Schwester stellte das Tablett auf meinen Tisch, klappte mein Kopfteil hoch, damit ich sitzen konnte und verschwand auch wieder. Ich musste lachen: auf dem Tablett waren zwei Brötchen, ungeschnitten. Wie sollte ich die denn mit nur einem Arm schneiden? Kopfschüttelnd drückte ich auf den Rufknopf. Kurz darauf steckte ein junger Pfleger den Kopf ins Zimmer.

„Kann ich Ihnen helfen?“

„Hoffentlich. Können Sie mit einem Messer umgehen?“ nun, ich glaube ich klang ein wenig zu spöttisch.

Er schaute mich fragend an: „Für den Blinddarm reicht es noch nicht.“ Seine Schlagfertigkeit erwischte mich kalt.

„Hä? Äh ja, okay. Ich brauch eigentlich nur etwas Hilfe beim Brötchen, es ist nicht geschnitten.“

Der Typ kam näher und betrachtete das Tablett.

„Ich verstehe. Da hat meine Kollegin aber auch wirklich gut mitgedacht.“

Ich sah ihn kurz etwas genauer an. Auf dem Namensschild sah ich, dass er Zivi war. Sein Name war Jens. Er hatte kurze, hellbraune Haare, sanfte braune Augen und ein niedliches Grübchen an seinem schlanken Kinn. Das weiße Shirt schmiegte sich eng an seinen Körper. Er war schlank, aber nicht unbedingt sportlich. Vielleicht ein oder zwei Kilo mehr als nötig auf der Hüfte. Aber es sah noch gut an ihm aus.

„Hallo?“ er sah mich an.

„Äh, bitte?“

„Ich habe gefragt, was Sie gern auf dem Brötchen hätten. Quark oder Konfitüre?“, er machte eine kleine Pause und setzte grinsend nach „ich passe nämlich nicht drauf.“

Erwischt! Ich wurde rot.

„Es tut mir Leid, Jens. Ich wollte sie nicht anstarren.“ Kurz nachgedacht „Es liegt bestimmt an der Gehirnerschütterung.“

„Also, wenn sie schon Jens zu mir sagen, dann bitte auch richtig. Das Sie passt nicht dazu.“ Er lächelte wieder.

„Gut, ich bin der Florian.“

„Ja, steht am Bett.“

„Konfitüre.“

„Bitte?“

„Na, auf das Brötchen!“

Er lachte.

„Sorry, ich war jetzt grad abgelenkt. Füttern muss ich Dich aber nicht, oder?“

„Och…“ was tat ich hier eigentlich?

Flirtete ich mit ihm? Aber tat er das nicht auch gerade?

„Essen bekomme ich mit dem Arm wohl noch hin.“

„Gut. Wenn irgendwas ist, ich hab jetzt bis fünfzehn Uhr Dienst. Klingel einfach und ich schau wieder rein. Brauchst Du noch was anderes?“

„Habt Ihr vielleicht was zum Kühlen für die Schulter, gegen die Schwellung?“

„Ich schau mal nach. Da müssten noch Coolpacks im Schwesternzimmer sein.“

Er verschwand kurz und kam recht schnell mit dem Gel-Beutel zurück und legte ihn auf die Schulter.

„Soll ich noch schnell nach einem dieser sexy Flügelhemdchen schauen?“

„Ne, danke. Oder stört Dich mein Anblick?“

Er musterte kurz meinen nackten Oberkörper.

„Ne, kann man lassen. So, ich muss mich mal um ein paar andere Patienten und deren Bettpfannen kümmern. Bis später!“ grinsend drehte er sich um und verschwand.

‚Na, wenn der nicht schwul ist, dann weiß ich auch nicht…’ dachte ich mir. Ich verdrückte gerade den letzten Bissen und wieder betrat jemand meinen Taubenschlag, pardon, mein Zimmer. Doktor Decker kam zur Visite.

„Guten morgen Herr Dietz. Wie geht es uns denn heute Morgen?“

„Wie es ihnen geht kann ich nicht sagen. Aber ich fühl mich wie vom Auto angefahren.“ Ich hasste solche Fragen… ‚Wie geht es uns …’

„Gut, Herr Dietz. Mir geht es gut. Ihre Selbst-Diagnose stimmt mit meiner überein. Sie wurden tatsächlich von einem Auto angefahren.“

Oh, ein Witzbold. Aber es wirkte, ich musste lachen.

„Gut, Herr Kollege. Aber wie geht es mir denn genau?“

„Wir werden sie für drei Tage hier behalten, falls sich Ihr Kopf nicht verschlechtert. Ansonsten haben sie Glück gehabt, Ihre Verletzungen bedürfen tatsächlich keiner Operation. Es wird zwar noch einige Wochen recht schmerzhaft sein, aber Sie werden keine bleibenden körperlichen Schäden behalten.“

„Das beruhigt mich aber. Drei Tage?“

„Wir können auch über mehr diskutieren.“

„Gott bewahre, nein, bitte nicht.“

„Da bin ich aber froh. Noch eines, Herr Dietz, die Polizei möchte sie später zu den gestrigen Vorgängen befragen. Von meiner Seite gibt es keine Einwände. Fühlen Sie sich der Befragung gewachsen?“

Ich nickte.

„Gut, dann wünsche ich ihnen noch einen schönen Tag und bis morgen.“

„Bis morgen, Herr Doktor.“

Ich schaltete den Fernseher ein und zappte durch die Programme. Der Kopfhörer von Joshuas DVD-Spieler passte in den Anschluss am Telefon. Ach, Joshua… schlagartig fühlte ich mich wieder niedergeschlagen. Ich döste etwas vor mich hin.

Gegen neun tippte mir jemand auf die Schulter. JOSHUA! Ich öffnete die Augen und sah … in das Gesicht eines Herrn in grüner Uniform.

„Herr Dietz, nehme ich an?“ ich nickte.

„Guten Morgen, mein Name ist Hauptkommissar Grüner.“

Der Name passte ja super zur Uniform.

„Mein Kollege und ich waren gestern vor Ort. Woran erinnern sie sich?“

„Ich war auf dem Weg zur Schule, ich hätte dort gestern mein Referendariat antreten sollen.

Ich hab nicht richtig aufgepasst, bog rechts ab als mich das Auto erwischte.“

Der Kommissar nickte. „Gut. Nun, dass sie nicht aufgepasst haben ist zweitrangig, Sie hatten ja Vorfahrt. Möchten Sie Anzeige gegen den Fahrer erstatten?“

„Hätten sie mich das gestern noch gefragt, dann hätte ich wahrscheinlich ja gesagt.“

„Aber?“ der Kommissar wirkte etwas überrascht.

„Joshua Dellmer hat mich besucht und entschuldigt. Er bedauert das Ganze sehr. Außerdem ist er Schüler meiner zukünftigen Klasse. Nein, ich möchte nicht Anzeige erstatten.“

„Wie sie wünschen. Dann wird er nur für sein Verkehrsvergehen bestraft werden.“

„Kommissar Grüner, würden sie bitte noch einen Kommentar in die Akte schreiben?“

„Welchen Kommentar?“

„Joshua steht unter großem Druck. Seine Versetzung ist gefährdet und gestern wäre eine wichtige Klausur gewesen. Die hat ihn während der Fahrt sehr beschäftigt. Er hat es doch nicht mit Absicht getan.“

„Herr Dietz, wenn sie ein Fahrzeug führen, dann müssen sie körperlich, geistig und psychisch dazu in der Lage sein. Wie viele Unfälle mit Todesfolge entstehen durch Unaufmerksamkeit? Es ist eine Menge. Auch sie hätte es schlimmer erwischen können. Ich verstehe Ihre Sorge um Ihren zukünftigen Schützling, aber es ändert nichts an der Tat.“

Ich seufzte laut auf.

Der Kommissar sprach mit ruhiger Stimme weiter „Aber ich werde Ihre Angaben vermerken und die nachfolgenden Behörden um Milde bitten. Doch ich bin weder Richter noch Staatsanwalt.“

„Danke, Herr Kommissar.“

„Falls Sie Ihre Meinung bezüglich der Anzeige noch ändern wollen“ er reichte mir ein Stück Papier „nehmen Sie meine Karte.“

„Danke, aber ich werde meine Meinung nicht ändern.“

„Gut. Das war es dann erstmal von mir. Gute Besserung, Herr Dietz.“

Er nickte mir zur Verabschiedung zu und ging.

Müde schloss ich meine Augen und versuchte zu schlafen, aber heute war mir das wohl nicht vergönnt.

Laute Schritte näherten sich meinem Bett. ‚Herr, lass es bitte Josh sein.’

Josh hatte allerdings eine frappierende Ähnlichkeit mit Direktor Baumann.

„Guten Morgen, Herr Dietz, geht es ihnen gut?“

„Hallo Herr Direktor. Den Umständen entsprechend.“

„Sehr gut. Entschuldigen sie die Frage, aber ist Joshua Dellmer vielleicht hier im Haus?“

„Nein. Ich hab ihn heute noch nicht gesehen.“ Ich sah auf die Uhr, es war bereits halb elf.

„Er ist heute nicht aufgetaucht. Es gab keinen Anruf im Sekretariat, seine Eltern wissen auch nicht wo er steckt. Deswegen hatten wir die Hoffnung er wäre hier.“

Was war nur mit Josh? Ich wurde nun selber unruhig.

„Hoffentlich ist ihm nichts passiert.“

Der Direktor nickte vorsichtig

„Ich mache mir große Sorgen.“

„Nun, soweit ich weiß hatte seine Freundin gestern Geburtstag. Vielleicht haben sie nur zu heftig gefeiert und er wollte nicht aufstehen?“

Der Direx schüttelte den Kopf. „Daran haben wir, also seine Eltern, auch gedacht. Aber seine Freundin sagte sie wisse nicht wo er steckt.“

Verdammt, was war nur passiert? Hatte er mich am Abend vielleicht nicht vergessen? War etwas passiert? Ich wurde unruhig und Baumann bemerkte es.

„Ist was, Herr Dietz?“

„Josh wollte mich gestern Abend noch besuchen. Aber er kam nicht. Ich dachte er hätte es vergessen, aber so langsam mach ich mir wirkliche Sorgen.“

„Seine Freundin meinte er wäre gestern gegen siebzehn Uhr von der Party verschwunden. Seither hätte keiner was von ihm gehört.“

Ich musste hier raus, sofort. Ich versuchte aufzustehen und bereute es sofort. Ein heftiger Schmerz im Kopf zwang mich auf die Matratze zurück.

„Bleiben Sie doch liegen, Herr Dietz. Um Gotteswillen, sie werden so blass!“

Baumann sprang auf und brüllte nach einer Schwester. Aus dem Augenwinkel sah ich Jens ins Zimmer stürmen.

„Was ist hier passiert?“

Baumann antwortete „Wir haben uns gerade über einen Schüler unterhalten, der seit gestern verschwunden ist. Es geht um den Schüler der den Herrn Dietz gestern angefahren hat. Plötzlich wollte er aufstehen und wurde blass und fiel auf das Bett.“

„Joshua… wo bist du nur?“ flüsterte ich leise.

Jens rannte aus dem Zimmer und kam kurz darauf mit der Oberschwester zurück.

„Bitte verlassen Sie das Zimmer.“ kam es laut von ihr.

„Ich melde mich bei ihnen, Herr Dietz“. Jens ging mit dem Direx aus dem Zimmer.

Die Schwester sah mich mitleidig an „mit dem Aufstehen sollen Sie doch noch warten! Nun, ich gebe ihnen was zur Beruhigung und gegen die Schmerzen.“

Mit diesen Worten drückte sie ein längliches weißes Etwas aus der metallischen Verpackung, hob meine Beine an, lupfte meine Shorts hoch und ,,, bitte kein Zäpfchen, doch es war schon zu spät.

Kurz darauf schlief ich tief und fest.

Jenny

An dieser Stelle reisen wir wieder ein paar Stunden zurück zur Party bei Gloria, wo sich die Mädels noch eine Weile unterhielten. Alex und Peter waren schon daheim. Sie hätten bei dem Gespräch auch nur gestört.

22:30 am Vorabend

„Ob das eine gute Idee war?“ Gloria schaute mich kritisch an.

„Warum, es ist doch nur ein Test. Ich hoffe zwar das Chantal keinen Erfolg hat, aber falls doch… Er war in letzter Zeit so komisch.“

Natürlich hoffte ich, dass mein Freund mir treu war, aber in der letzten Zeit regte er mich total auf. Ständig war er abweisend.

Wenn ich ihn nicht hin und wieder mit etwas Bier gefügig gemacht hätte, dann wäre ich wohl nicht auf meine Kosten gekommen. Er war immer so reserviert, so nachdenklich.

„Wenn Du meinst.“

Gloria war nicht sehr glücklich darüber.

„Ich finde es unfair, Ihm gegenüber.“ Linda gefiel die Sache überhaupt nicht.

„Chantal wird deine Freund mit Sischer’eit ’erumkriegen.“

Jaqueline ging mir auf die Nerven. Aber hatte sie Recht? Gut, ich hatte Chantal erzählt wie er tickt, wie man in scharf macht. Aber müsste er nicht widerstehen können? Langsam gefiel mir der Plan auch nicht mehr. Warum vertraute ich Josh nicht einfach?

Gegen dreiundzwanzig Uhr klingelte das Telefon. Gloria stand auf und meldete sich. Kurz darauf verfinsterte sich ihr Blick deutlich.

„Danke, Chantal. Ja, ich sage Ihr Bescheid. Dieses Schwein.“

Sie hämmerte den Hörer auf das Telefon.

„Josh hat mit Chantal gepoppt.“

Linda starrte sie mit offenem Mund an.

„Das hätte ich von ihm nicht gedacht.“

„Mistkerl!“ brüllte ich.

„Okay, es ist aus. Ich schreib ihm ne SMS. Das reicht für das Arschloch.“

„’abe isch es Eusch nischt gesagt?“

Jaqueline schien sehr belustigt. Ja, sehr witzig. Er liebte mich nicht mehr. Das erklärte natürlich alles. Meine Finger flogen über die Tasten meines Telefons.

‚Es ist vorbei du Arsch. Chantal war ein Test: durchgefallen! Komm mir ja nicht unter die Augen!’

Ich tippte seine Nummer ein und drückte auf ‚Senden’.

Joshua

Immer noch am Abend davor.

Ausgepumpt glitt ich von ihr runter und setzte mich auf meinen Sitz zurück. Warum hatte ich das nur zugelassen? Ich fühlte mich mies. Da war kein Gefühl. Aber bei Jenny ging es mir doch genauso. Was zur Hölle stimmte nicht mit mir? Chantal sah mich an und kicherte leise. Aber ihr Gesicht verzog sich zu einer hinterhältigen Fratze.

„Armer Joschua, Jenny wird nischt sehr glucklisch sein.“

„Bitte was?“

Sie zupfte ihre Klamotten zu Recht und grinste.

„Du dumme Junge. Jenny ’at Dir nischt vertraut.“

Hatte ich nicht schon genug Probleme? Aber richtig, es war ja meine Schuld. Alles war meine Schuld. Josh hat Schuld. Im meinem Kopf echote es, wieder und wieder ‚Josh hat Schuld, Josh hat Schuld!’

„Isch möschte zu meine Auto.“

Wortlos startete ich den Wagen und fuhr rückwärts aus dem Feldweg. Keine zehn Minuten später war ich mit ihr auf dem Krankenhaus Parkplatz. Chantal hauchte mir höhnisch einen Luftkuss zu und verschwand.

Wie blöd war ich eigentlich. Die Schule würde ich nicht schaffen, mit meiner Freundin lief es nicht, ich bring fast jemanden um. Ich war doch nichts wert.

Wie ein gestörter raste ich vom Parkplatz runter. Ich fuhr an einer Tankstelle vorbei und kaufte dort eine Flasche Vodka.

Mit halsbrecherischem Tempo fuhr ich drauf los, bis ich irgendwann in der Nähe von meinem Lieblingsplatz am Rheinufer war.

Mit der Flasche in der Hand und ohne Jacke stieg ich aus dem Wagen, schloss ihn ab und ging runter zum Ufer. Es war schweinekalt. Aber der Vodka wärmte mich innerlich. Ich hasste mich.

Die Flasche wurde leerer und leerer. Ich kicherte dümmlich vor mich hin. Dann kam eine SMS. Jenny hatte Schluss gemacht.

„Dasch hassu verdient! Duhuu idiot.“ Sagte ich laut zu mir. „Proscht Schosch!“

Nach einem kräftigen Schluck nahm ich mein Handy, und warf es ins Wasser. Der Alkohol und die Kälte taten ihr Werk und langsam schlief ich am Ufer ein. Den leichten Nieselregen bemerkte ich schon gar nicht mehr.

Florian

Und nun zurück in die Gegenwart dieser Geschichte.

Nach dem fiesen Hammerzäpfchen schlief ich bis 17 Uhr durch. Gleich würde das Abendessen kommen, aber ich hatte keinen Hunger.

Es klopfte vorsichtig an der Tür und Jens steckte seinen Kopf ins Zimmer.

„Na, wieder wach?“

„Ja. Sag mal, hast Du nicht Schluss?“

„Doch, aber ich wollte noch kurz nach Dir sehen.“

„Danke. Ich fühl mich elend.“

Er setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett.

„Kann ich mir vorstellen. Hilde hat Dir echt eins der stärksten Teile verabreicht.“

„Hammerzeug…“

„Weswegen ich eigentlich wirklich hier bin… Sag mal, habt Ihr heute nicht von einem Joshua gesprochen?“

„Ja, wieso?“

„Heute Mittag hatten wir einen Neuzugang auf der Intensiv. Mein Kollege meinte er heißt Joshua.“

Ich spürte einen Anflug von Panik. „Joshua Dellmer?“

Jens nickte.

Ich konnte meine Tränen plötzlich nicht mehr halten und Jens griff vorsichtig nach meiner Hand.

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