Linda
Am selben Tag, morgens in der Schule.
Eilig rannte ich in die Schule, ich musste Josh unbedingt zur Rede stellen. Das passte doch alles gar nicht zu ihm. Einfach so Jenny betrügen, nein, er doch nicht. Irgendwas war im Busch. Die ganze Nacht war sein Handy nicht zu erreichen. ‚Der von Ihnen gewünschte Teilnehmer ist zurzeit nicht zu erreichen. Bitte versuchen sie es später noch einmal.’
„Peter, Alex, habt Ihr was von Josh gehört? Seit gestern reagiert er nicht mehr aufs Telefon.“
Alex schüttelte nur den Kopf.
„Kein Wort von ihm bisher. Sag mal, stimmt das? Gloria hat von Chantal erzählt.“ entgegnete Peter.
„Deswegen muss ich mit ihm reden. Jenny wollte ihn testen und scheinbar hatte Chantal Erfolg. Aber von Josh hab ich nichts gehört.“
„Das passt nicht zu ihm. Glaub ich einfach nicht.“ Mischte sich Alex ein. Kein blöder Spruch diesmal?
„Ganz meiner Meinung.“ bestätigte ich.
Mittlerweile war es 8 Uhr und der Gong läutete die Geschichtsstunde ein. Mit einem seltsamen Gefühl betraten wir das Klassenzimmer. Die Humboldt kam mal wieder zu spät, doch pünktlich um 8:10 begann der Unterricht.
Ich konnte mich nicht auf den Unterricht konzentrieren. 8:45 beendete die Humboldt diese Quälerei. Scheinbar war bisher niemandem sonst aufgefallen, dass unser Josh fehlte. Auch sehr untypisch von ihm, ohne sich abzumelden.
Ich schnappte mein Handy und rief seine Mutter an.
„Dellmer.“
„Hallo Angelika, hier ist Linda. Wie geht es Josh? Ist er krank?“
„Ist der Junge denn nicht in der Schule?“ sie klang besorgt.
„Nein. Er reagiert auch nicht auf sein Handy. Ich hab gehofft er wäre krank und bei Euch.“
„Er war seit gestern Mittag nicht mehr daheim. Ist irgendwas passiert?“
„Das weiß ich nicht genau. Vielleicht. Aber ich muss mit ihm reden.“
„Wenn er kommt sag ich ihm, dass er Dich anrufen soll. Der kann was erleben. Weiß Jenny nicht wo er ist?“
„Du, ich hab jetzt keine Zeit das zu erklären, aber sie weiß es bestimmt nicht.“
„Ihr Kinder immer mit Euren Geheimnissen…“
Obwohl mir nicht danach zumute war, musste ich lachen.
„Das sollte er Dir selber erklären, später. Ich muss wieder in den Unterricht. Bis dann!“
„Tschüss Linda!“
Also auch Fehlanzeige. Josh war wie vom Erdboden verschluckt. Ich ging schnell zu Alex und Peter. Langsam wurden auch sie unruhig.
„Man, dass passt ja erst Recht nicht zu ihm.“ brummelte Alex.
Seltsam, irgendwie war das nicht der Alex den ich bisher kannte. Sonst immer nur pampig und ein Macho vor dem Herrn, und plötzlich besorgt und irgendwie sensibel. Es machte es ihn viel sympathischer, geradezu nett. Aus einem Impuls heraus umarmte ich ihn kurz und er zog sich fest an mich, schnaufte einmal laut neben mir aus und kuschelte sich schon fast an mich ran.
„Danke“ flüsterte er in mein Ohr.
Ich drückte ihn leicht von mir weg.
„Geht es Dir gut, Alex?“
Er wurde rot.
„Sorry, es nimmt mich etwas mit. Man, ich Idiot hab ihn gestern nur mit blöden Sprüchen geärgert. Danke das Du da bist.“
Er lächelte mich verlegen an.
„Sag so was nicht. Du sprichst ja so als ob er tot wäre.“
„Nein, so meine ich das nicht.“
Seine Stimme war leicht belegt.
„Was ist los mit Dir, Alex?“
„Nicht jetzt. Es passt grad nicht. Ich … ich sag’s Dir bald mal.“
Er wollte in die Klasse und ich hielt ihn fest.
„Nicht bald. Jetzt!“
„Linda… also gut. Ich hab das bisher nicht besonders gezeigt, eigentlich hab ich Dir überhaupt nicht gezeigt. Aber ich mag Dich. Sehr.“
Mit diesen Worten ging er in die Klasse. Ich war viel zu baff um darauf zu reagieren. Aber was hatte das jetzt alles mit Josh zutun?
Wie dem auch sei, nach der nächsten Stunde war er plötzlich verschwunden. Peter erzählte mir, er hätte sich nicht gut gefühlt und wäre heimgegangen. Ich beschloss ihn nach der Schule zu besuchen. Wegen Josh konnte ich ja selber eh nicht viel tun.
Florian
Später am Abend
„Ich muss zu ihm.“
Flehend blickte ich zu Jens.
„Und wie stellst Du Dir das vor?“ fragte er zurück.
„Bring mich hin, von mir aus im Rollstuhl. Aber ich muss zu ihm.“
„Flo, mal eine persönliche Frage. Mir ist heute Morgen nicht entgangen… also, hast Du Dich in ihn verknallt?“
Ich nickte.
„Hey, ist doch nicht schlimm! Und, wird’s was?“
Ich seufzte. „Wenn er sich spontan gegen seine Freundin und gegen sein Hetenleben entscheidet, vielleicht.“
Jens drückte meine Hand etwas fester.
„Tut mir Leid für Dich.“
Es klang sehr ehrlich.
„Was hat er eigentlich?“
Jens zuckte mit den Schultern.
„Darüber weiß ich nichts. Aber gut, ich schau mal was ich machen kann. Warte mal. Und … mein Freund weiß noch nicht, dass es später wird. Ich sollte ihm noch Bescheid geben.“
Typisch. Die besten Jungs sind entweder Hetero oder Vergeben.
Jens verschwand für eine kleine Weile und überließ mich meinem Selbstmitleid. Vielleicht 5 Minuten später schob er einen Rollstuhl herein.
„Okay, wir können. Man wird uns auf die Intensiv lassen. Aber so kannst Du nicht raus, auf den Gängen ist es recht kühl.“
Er schaute kurz in meinen Spind, schüttelte den Kopf und zog seine Jacke aus. Dann half er mir den linken Arm in den Ärmel zu packen, hängte sie locker über die rechte Schulter und zog den Reißverschluss zu.
„Damit wird’s gehen.“
Seine Jacke war schön warm und ihr Geruch beruhigte mich etwas. Kurz darauf rollten wir zum Aufzug. Nach einer kurzen Wartezeit wurden wir auf die Intensiv gelassen. Jens diskutierte kurz mit einem Arzt, verschwand noch schnell in einem Nebenzimmer und kehrte mit zwei grünen Kitteln zurück.
„So, die müssen wir anziehen. Ich hab gerade kurz mit dem Arzt gesprochen, wegen Josh. Sieht bescheiden aus.“
„Was hat er?“ die Angst kroch zurück.
„Er wurde heute Mittag von einem Spaziergänger am Rheinufer gefunden. Sein Blutalkohol war noch sehr hoch. Durch den Alkohol waren die Gefäße erweitert und er war sehr stark Unterkühlt, was bei den Temperaturen auch ohne Alk nicht ohne gewesen wäre. Zumal er keine Jacke bei sich hatte. Der Regen heute Nacht … was erzähl ich Dir da eigentlich. Jedenfalls scheint er zusätzlich noch eine Lungenentzündung zu haben. Er war bisher noch nicht wieder bei Bewusstsein.“
Sämtliche Farbe fiel aus meinem Gesicht. „Aber er wird doch wieder…“
„Hey, so was darfst Du nicht mal denken. Er wird hier optimal versorgt.“
Jens half mir gerade in den Kittel, als der Arzt ihn kurz zu sich rief. Kurz darauf kam er auf mich zu, völlig aufgebracht.
„Hast Du die Nummer von seinen Eltern? Außer uns weiß keiner das er hier ist!“
„Oh verfluchte Schande. Nein, hab ich nicht.“
Ich grübelte angestrengt nach.
„Jens, geh doch bitte hoch auf mein Zimmer, ich hab im Schrank meine Aktentasche gesehen. Da ist ein kleines schwarzes Buch drin. Dort steht die Privatnummer unseres Direktors Baumann. Ruf bitte ihn an, er dürfte die Klassenliste haben.“
„Hey, Du bist Riesig. Deinem Kopf scheint die kleine Gehirnerschütterung ja nicht im Weg zu stehen. Ich mach das sofort, aber erstmal bring ich Dich zu dem Kleinen.“
Mein Kleiner, schön wäre es ja gewesen. Kurz darauf saß ich jedenfalls neben seinem Bett und Jens stürmte aus dem Zimmer.
Josh sah schlimm aus. Die Haut fast schon grau, Schweiß auf der Stirn. Wahrscheinlich hatte er starkes Fieber. Durch den Zugang an seinem Handrücken tropfte unaufhörlich eine klare Flüssigkeit. Einige Drähte führten von ihm zum Monitor. Sein Puls und Blutdruck waren absolut niedrig.
Zögerlich griff ich nach seiner Hand und flüsterte ihm zu.
„Hey Josh, man, was machst Du nur. Dich darf man ja nicht aus den Augen lassen. Ich wünschte Du könntest mir sagen was los ist. Ich mach mir doch auch nur Sorgen. Ist das wegen dem Unfall? Ich dachte es wäre alles klar zwischen uns. Deine Eltern werden wohl auch bald kommen. Stell Dir vor: niemand hat sie informiert. Aber Jens, der Zivi aus Station 2, der ruft grade den Baumann an.“
Ich schwieg für einen Moment, sollte ich ihm jetzt sagen was ich fühlte? Ich brannte darauf, und jetzt würde er mich nicht hören. Aber der Druck wäre von meiner Seele.
„Du Josh, ich weiß gar nicht wie ich mit Dir in einer Klasse unterrichten soll. Ich glaube ich hab mich ein wenig in Dich verknallt. Du bist so lieb, verständnisvoll und herzlich. Ja, ich weiß, ich werde nie eine Chance haben, Du hast Deine Freundin, bist nicht schwul. Aber ich werde es schaffen, und Du wirst das Schuljahr schaffen. Ich stehe zu meinem Wort. Bald bist Du gesund und dann…“
Ein mattes Keuchen unterbrach meinen Redeschwall und ich fuhr erschrocken hoch. Josh war wach und starrte mich aus verheulten blauen Augen an. Seine Stimme war brüchig und leise.
„Was willst Du von mir. Ich bin ein Stück Dreck. Dummer Abfall. Alles mach ich falsch. Ja, ich bin Abschaum.“
Ich hielt noch immer seine Hand und wollte sie nun zurückziehen, aber er hielt mich fest.
„Florian, geh bitte. Du willst von mir nichts. Ich bin ein dreckiges und dummes Schwein.“
„Aber, was… warum? Was ist los mit Dir?“
„Ich ekele mich vor mir selbst.“
„Josh, erzähl es mir. Bitte.“
Er drehte seinen Kopf und starrte zur anderen Seite des Raumes.
„Ich bin ein Versager. Die Schule… ich schaffe es nicht. Und gestern Abend, ich stand schon hier vorm Krankenhaus, da kam eine Bekannte von Gloria, eine Freundin von Jenny, vorbei. Angeblich hat sie mit mir reden wollen. Dann hat sie mich verführt. Es war ein Test von Jenny. Sie hat Schluss gemacht. Ich bin so ein Schwein. Ich hätte nein sagen müssen. Ich hab beim Sex nichts gefühlt. Es war wie bei Jenny. Ich wollte es mir beweisen und hab versagt. Josh ist ein mieser und schwacher Versager.“
Mir liefen die Tränen. Es war unglaublich, wie konnte er nur so von sich denken. Wie gerne hätte ich ihn jetzt getröstet, doch dann drehte er plötzlich durch. Er riss sich von meiner Hand los und schlug heftig mit dem Hinterkopf gegen die Metallstange vom Kopfteil seines Bettes.
Und wieder.
Ich brüllte um Hilfe.
Josh hörte nicht auf. Ich versuchte noch aufzustehen, doch durch die Anspannung und den Stress sank ich unter Schmerzen kraftlos in den Stuhl zurück.
Mein Schrei hatte aber Erfolg und ein Arzt kam ins Zimmer gestürmt, zwei Schwestern im Schlepptau.
Beide drückten den wimmernden Josh ins Bett und fixierten ihn, während der Arzt ein Beruhigungsmittel in das Ventil vom Tropf spritzte. Das war alles zuviel für mich und ich fiel in eine gnädige Ohnmacht.
Jens
Ich rannte zurück auf Florians Zimmer, und wie beschrieben lag das schwarze Buch in der Tasche. Damit lief ich dann rüber ins Schwesternzimmer und wählte die Nummer des Direktors.
“Baumann.“
“Guten Abend Herr Baumann. Mein Name ist Jens Melling vom St. Josef Krankenhaus. Wir haben uns heute im Zimmer von Herrn Dietz gesehen.“
„Ist ihm etwas passiert?“ seine Stimme wechselte sofort in einen besorgten Tonfall.
„Nein, ihm geht es soweit gut. Allerdings haben wir Ihren verschwundenen Schüler hier.“
„Ich möchte mit ihm sprechen.“
„Das geht nicht, Herr Baumann. Ich möchte sie bitten, dass Sie die Familie Dellmer informieren, wir haben die Nummer nicht. Joshua liegt auf der Intensiv.“
„Oh mein Gott. Erst mein Referendar, und nun er. Was hat er denn?“
„Das darf ich ihnen leider nicht sagen. Bitte informieren sie seine Eltern.“
„Ja, natürlich. Danke für den Anruf, Herr Melling. Wiederhören.“
Er legte auf. Ich beschloss noch zu bleiben. Mit ruhigem Gewissen hätte ich jetzt nicht gehen können. Also informierte ich noch schnell Peer, meinen Freund. Glücklich war er zwar nicht darüber, aber wenigstens hatte er Verständnis dafür.
Florian tat mir auch Leid, er war sehr nett, und natürlich gefiel er mir sehr gut. Wenn ich nicht kurz vor Weihnachten mit Peer zusammengekommen wäre, wer weiß.
Plötzlich klingelte das Telefon im Schwesternzimmer. Die Nummer kannte ich, es war die Intensiv.
„Station 2, Jens am Apparat.“
„Jens? Gut das Du da bist. Komm schnell runter, der Patient Dellmer hatte einen Nervenzusammenbruch, und Euer Patient ist ohne Bewusstsein!“
„Verdammt, geht heute überhaupt mal was gut? Ich hole ihn sofort ab!“
Der Hörer flog auf den Apparat und ich stürmte die Treppen zur Intensiv runter, natürlich nicht ohne schnell noch Oberschwester Hilde zu informieren. Wie konnte ich die Beiden bloß alleine lassen?
Unten angekommen drückten sie mir schnell den Rollstuhl in die Hand und ich brachte Florian auf sein Zimmer. Über Joshua wollte mir keiner Informationen geben, der Arzt war noch bei ihm.
Hilde und ich hievten Florian aufs Bett und ich zog ihm noch meine Jacke aus. Meine Kollegin hatte schon unseren Stationsarzt informiert, welcher kurz darauf das Zimmer betrat und Flo eine Spritze gab.
“Gute Arbeit, Jens. Sie zeigen hier wirklich viel Einsatz.“
„Danke, Herr Doktor Decker.“
„Schon mal daran gedacht hier später wieder zu arbeiten, nach dem Zivildienst?“
Die Frage überraschte mich dann doch etwas. Aber ich musste zugeben, der Gedanke war mir auch schon gekommen. Allerdings wollte ich nicht als Pfleger, sondern irgendwann als Arzt anfangen.
„Ich habe schon darüber nachgedacht. Ich möchte Medizin studieren und Arzt werden.“
Decker lächelte mich an.
“Vielleicht könnte ich Ihnen bei der Universität sogar behilflich sein. Dank meiner Gast-Dozentenstelle habe ich recht gute Kontakte zum Präsidenten.“
Er grinste.
„Wir haben das gleiche Handicap.“
„Danke, ich werde mich bei Ihnen melden, wenn es soweit ist.“
„Wunderbar. Gut, aber sie sollten langsam nach Hause.“
„Ich würde gerne noch etwas warten, falls Herr Dietz aufwacht. Vielleicht erfahren wir so was da unten vorgefallen ist.“
„Wie sie meinen. Warten sie bitte einen kleinen Moment, ich möchte etwas mit der Oberschwester klären.“
Irritiert blieb ich zurück und wartete. Kurz darauf kam er zurück.
„Sie haben morgen Dienstfrei. Natürlich dürfen sie vorbeikommen. Aber übermorgen werden sie pünktlich erwartet.“
„Ich… danke Herr Decker.“
„Sehen sie es doch als Dankeschön für Ihre Bemühungen. Oberschwester Hildegard wollte ihnen ohnehin einen Überstundenausgleich geben.“
„Danke.“
„Einen schönen Abend noch, Jens.“
Decker verschwand und ich ging wieder zu Florian. Ich freute mich zwar über das Lob des Doktors, doch wusste ich, dass meine Bemühungen deutlich über das normale Patientenverhältnis hinausgingen.
Die nötige Distanz fehlte. Wenn mich jeder Patient so beanspruchen würde, dann wäre ich über kurz oder lang selber am Ende. Florian war mir halt sympathisch und seine einseitige Verliebtheit ging mir nah.
Vor wenigen Monaten war es bei mir ja nicht anders. Doch dann kam Peer. Anfangs selber noch in festen Händen, aber er erzählte mir, dass er nicht richtig glücklich war. Ich hatte mich in ihn verliebt und er verließ bald seinen Ex. Er hatte sich auch in mich verliebt.
Doch bei Florian schien es hoffnungslos. Und dann noch ein zukünftiger Schüler der hetero ist. Ja, er tat mir Leid.
Nach einer ganzen Weile bekam ich eine SMS. Peer teilte mir mit, dass er sich hinlegen würde und das ich ruhig im Krankenhaus bleiben kann, wenn es wichtig für mich wäre.
Ich rief kurz zurück.
„Hi Schatz.“
„Na Kleiner, viel los bei Euch?“
„Hier ging’s heute drunter und drüber. Der Schüler, der den Radfahrer gestern umgefahren hat ist auch hier, auf der Intensiv. Dann hatte niemand die Eltern informiert. Bist Du mir arg böse?“
„Nein, alles in Ordnung. Ich freu mich aber schon auf morgen, dann gehört der Abend uns.“
„Danke. Ich liebe Dich.“
„Ich Dich auch. Aber jetzt geh ich ins Bett. Ich bin hundemüde. Bis morgen!“
„Bis morgen. Schlaf gut.“
Ich setzte mich wieder ans Bett und irgendwann schlief ich ein.
Linda
Nur wenige Stunden vorher.
Ich legte mein Heft zurück in die Tasche und verabschiedete mich bei meinen Eltern. Ich musste jetzt unbedingt mit Alex reden. Ich schwang mich aufs Fahrrad und fuhr die zwei Kilometer.
Ich klingelte und Alex öffnete mir die Tür.
„Hi Linda.“
„Hi. Darf ich reinkommen?“
„Ja klar, komm!“ er ging zur Seite.
Wir gingen auf sein Zimmer und dann stellte ich ihn zur Rede.
“Alex, ich versteh Dich nicht. Ewig prollst Du rum, lässt einen blöden Spruch nach dem Anderen vom Stapel. Ärgerst Josh wo Du nur kannst. Und plötzlich bist Du besorgt, versuchst mit mir zu schmusen und sagst, dass Du mich gern hast. Aber was hat das alles mit Josh zutun?“
“So siehst Du mich also? Der ewige Proll?“
“Hast Du mir nicht zugehört?“
“Doch. Aber Du hast nie was gemerkt, oder?“
“Was denn?“
“Oh man… ich hab mich schon vor ner ganzen Weile in Dich verknallt. Doch ständig ‚Josh hier, Josh da’. Klar, durch Jenny und Gloria wart ihr schon ne Weile gut befreundet. Und ich war eifersüchtig auf ihn. Deshalb hab ich ihn verarscht und geärgert wo ich nur konnte. Aber nach Eurer Aktion mit Chantal tat er mir echt Leid. Und ich denke ich hab eingesehen das Ihr nur Freunde seid.“
“Du bist in mich verknallt?“
“Ja verdammt! Hast Du nicht zugehört?“
“Und das alles nur wegen der Eifersucht?“
Er nickte. „Aber das ist ja alles egal, wenn ich nur der Proll bin.“
“Jetzt mach mal halblang! Ich hab das doch gar nicht gewusst! Und, wenn ich ganz ehrlich bin, dann gefällt mir Deine neue Seite wirklich gut. Oder hätte ich Dich sonst umarmt?“
Er wurde mutiger.
“Meinst Du denn ich hätte auch so eine Chance bei Dir? Ich brauche endlich Klarheit, versteh mich bitte nicht falsch. Ich wollte deswegen ja auch warten. Ich hatte Angst Du würdest es auch die Sache mit Joshua schieben, dass ich die Situation ausnutzen möchte.“
Jetzt war ich völlig baff. In ihm steckte nicht nur eine nette Seite, er erwies sich gerade als sehr einfühlsam und nachdenklich. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Seine Ehrlichkeit war umwerfend.
“Du, lass mich bitte mal in Ruhe darüber nachdenken. Ich bin grad echt etwas überfahren. Aber ich schulde Dir eine ehrliche Antwort.“
“Danke.“
Mehr brachte er im Moment einfach nicht zustande und eine eher peinliche Stille entstand. Doch auch nicht für Lange. Mein Handy meldete sich. ‚Angelika Dellmer’ blinke auf dem Display.
“Alex, es ist seine Mutter, ich muss mal dran.“
“Okay.“
“Hallo Angelika, gibt’s was Neues von Josh?“
“Ja, oh Gott, ich glaube es nicht. Direktor Baumann hat gerade angerufen. Josh liegt seit Mittag im Krankenhaus, Horst macht sich gerade fertig und wir fahren sofort los. Sag bitte morgen in der Schule Bescheid. Ich melde mich wenn wir mehr wissen.“
“Ja, bitte, sofort. Ich fass es nicht. Danke für den Anruf!“
Sie legte sofort auf.
“Linda? Alles okay? Du bist blass!“
“Josh ist seit dem Mittag im Krankenhaus, aber seine Mutter weiß nichts Genaues.“
“Scheiße… ich…“ er schwieg und nahm mich einfach nur fest in den Arm. Ich ließ mich fallen und fing an zu weinen.
Florian
Eben war ich noch bei Josh, dann drehte sich alles um mich. In mir war Angst. Nackte pure Angst. Was war nur los.
Verschwommen tauchte plötzlich das Gesicht von Direktor Baumann vor mir auf. Ich konnte seinen Ausdruck nicht deuten. Doch dann hallte seine Stimme in meinem Kopf.
“Joshua ist gerade verstorben!“
Ich hörte meinen verzweifelten Schrei, als ob ich neben mir stünde.