Ableitungen und ähnliche Unfälle – Teil 11

Joshua

Florian sah mich fürchterlich erschrocken an, nachdem Linda und Alex panikartig unser Zimmer verlassen hatten. Durch meine unbedachte Aussage und seine Reaktion hatte ich ihn wahrscheinlich vor Beiden geoutet.

“Es tut mir Leid, Flo. Aber Peters Outing durch Linda hat mich völlig überrumpelt. Ich wollte Dich nicht verraten.“

“Ist schon okay Kleiner, Du kannst nichts dafür. Da hätten wir nicht mit rechnen können. Ich mache mir gerade auch Sorgen. Das er weggerannt ist, ist kein gutes Zeichen.“

“Also bist Du mir nicht böse?“

“Dir könnte ich nie böse sein.“

Florians trauriger Gesichtsausdruck versetzte mir einen Stich. Dieser Kerl würde alles für mich tun, und ich bereitete ihm nichts als Kummer und Ärger. Es war für mich unverstellbar, dass jemand soviel für mich empfand. Allein der Gedanke daran ließ mein Herz rasen. Ob er wusste wie gut er mir damit tat? Ich blickte ihm tief ihn seine traurigen blauen Augen, die mich irgendwie gefangen nahmen. Für einen Kerl sah er echt gut aus. Hohe Wangenknochen ließen sein Gesicht schmal wirken, doch er war muskulös, wohl definiert und dennoch schlank. Sehr sportlich, wie es schien. Und trotzdem wirkte er verletzlich und liebebedürftig.

Er bemerkte, dass ich ihn intensiv musterte und lächelte mich plötzlich an. Ich spürte wie ich rot wurde und wendete meinen Blick von ihm. Was hatte ich mir dabei jetzt bloß gedacht?

“Josh?“

“Ja?“

“Es ist okay. Es muss Dir nicht peinlich sein. Dir geht wahrscheinlich gerade viel durch den Kopf, hast Einiges durchgemacht. Mach Dir über mich keine Gedanken.“

“Erzählst Du mir etwas von Dir?“

Er sah überrascht aus.

“Was möchtest Du denn wissen?“

“Warum ist jemand wie Du allein?“

Ich konnte sah wie seine Augen etwas glasig wurden, als er mit etwas zittriger Stimme zu erzählen anfing.

“Peer und ich waren fast zwei Jahre zusammen. Anfangs war alles Bestens, wir haben uns geliebt. Aber ich verbrachte mehr Zeit beim Lernen. Ich denke wir haben uns auseinander gelebt. Am Ende war er für mich eigentlich nicht mehr als ein Freund, von gelegentlichem Sex mal abgesehen. Und Weihnachten hat er mir gesagt das er sich verliebt habe. Ich ließ ihn gehen. Ob er mich noch geliebt hat kann ich Dir nicht sagen. Weißt Du, Josh, das alles ist mir erst vor kurzem klar geworden, als ich mit Jens gesprochen habe. Er ist übrigens Peers neuer Freund. Als er mich verließ war ich traurig und enttäuscht. Verletzten Stolz, nehme ich an. Ich fürchtete mich vor dem Alleinsein. Aber wenn ich eines daraus gelernt habe, dann das, dass man nicht aufgeben darf. Eine Beziehung muss gepflegt und ständig neu verdient werden. Hätten wir öfter miteinander geredet, wer weiß was passiert wäre.“

Wie gebannt hing ich an seinen Lippen. Es erinnerte mich irgendwie an Jenny. Ich vermisste sie nicht unbedingt, wenn wir uns mal eine Weile nicht sahen. Der Sex ging eigentlich immer von ihr aus. Also liebte ich sie vielleicht nicht? Hatte ich auch nur Angst davor, allein zu sein? Genau genommen war ich sogar mal ganz froh, wenn wir uns ein oder zwei Tage nicht sehen konnten.

“Ich verstehe was Du meinst. Ich denke, dass ich Jenny auch nicht mehr geliebt habe. Und das auch schon länger. Ich genoss die Bewunderung der Anderen, dass dieses Mädel zu mir gehörte. Jenny ist wirklich eine der schönsten Frauen an unserer Schule. Aber… ich empfinde nicht was ich empfinden sollte, denke ich. Bei Chantal empfand ich gar nichts. Wie kann ich das bloß beschreiben… ich war stimuliert, aber nicht geil. Was stimmt nicht mit mir, Flo?“

Er sah mich nachdenklich an.

“Vielleicht setzt Du Dich zu sehr unter Druck? Josh, Du brauchst etwas Abstand. Vielleicht werden Dich die nächsten Tage etwas ablenken und Du hast die Chance mal etwas über Dich nachzudenken.“

Bevor ich etwas erwidern konnte, betrat Jens das Zimmer.

Linda

Alex und ich stürmten aus dem Krankenhaus. Es war nicht sehr weit zu Peter. Ich versucht ihn anzurufen, aber sein Handy war aus. Ich war völlig außer Atem, als wir vor seiner Tür standen. Alex war besser in Form, er schwitze nicht einmal. Er drückte auf die Klingel. Nichts passierte.

“Vielleicht ist er nicht da?“

Alex zuckte mit den Schultern und presste sein Gesicht an die eingetrübten Glasflächen.

“Doch, sein Rucksack liegt da im Flur. Und seine Schuhe kann ich auch erkennen.“

Alex drückte erneut auf den Knopf, doch diesmal länger und öfter. Nichts rührte sich.

“Los komm, gehen wir in den Garten zur Terrasse.“ meinte er.

Wir umrundeten das Haus und standen auf der Terrasse. Im Sommer standen hier, bei gutem Wetter, immer bequeme Rattan Möbel. Doch jetzt war nichts dort, außer dem metallischen Fuß des großen Sonnenschirms. Alex ruckelte an der großen Schiebetür, doch sie blieb fest verschlossen. Durch das klare Glas war nichts zu sehen, außer Peters Rucksack an der Wohnungstür.

Alex wurde langsam nervöser, dass sah ich ihm deutlich an.

“Linda, trete bitte zurück!“

Ich tat was er wollte, wunderte mich aber warum. Er griff plötzlich nach dem Schirmständer und ging auf die Terrassentür zu. Bevor ich reagieren konnte zertrümmerte der schwere Metallfuß das Glas der Tür. Er riss mich an sich und hob mich an den scharfen Scherben vorbei. Ich war noch völlig geschockt von seiner Aktion. Er zog mich weiter, die Treppe rauf und nach einer raschen Handbewegung flog die Tür zu Peters Zimmer auf.

Leise Musik empfing uns.

Du warst mein Lebenslicht
was soll ich ohne dich
mehr Liebe gibt es nicht
auf dieser Welt
Der Tag vergeht für mich
wie ein Gebet für dich
denn irgendwann bin ich
wo du jetzt bist

Unsere Welten trennt ein Augenblick

das Rad der Zeit dreht sich nicht mehr zurück

der letzte Schwur, auf ewig dein

wird meine Seele mit dir sein

Das letzte mal mit dir

ich seh ins Licht und frier

die Zukunft endet jetzt und hier (Barbi Schiller, „Lebenslicht“, Soundtrack ‚Die Nibelungen’)

Und da lag er im Bett, seine Klamotten schlammig und nass, wie man an den dunklen Flecken im weißen Laken gut erkennen konnte. Peter wirkte blass und hatte die Augen geschlossen. Vor seinem Bett lag etwas. Ich befreite mich aus Alex’ Griff, welcher erschrocken und starr auf das Bett sah, und stürmte vor, hob die Schachtel auf.

“Alex! Es sind Schlaftabletten und die Schachtel ist leer!“

Peter öffnete langsam die Augen und blickte uns seltsam an.

“Hi, wollt Ihr mir tschüß sagen? Ich geh bald fort von hier.“ Seine Stimme klang schwach.

Alex schritt langsam auf das Bett zu.

“Was hast Du getan, Peter?“

“Alles vorbei, er nimmt ihn mir weg. Ich kann nicht bleiben, muss gehen. Er nimmt ihn mir weg…“ Peter faselte vor sich hin. Alex war plötzlich wieder voll da.

“LINDA! Ruf 112, schnell!“

Während ich zitternd nach dem Handy griff sprang Alex zu Peter aufs Bett und riss ihn hoch. Mit der linken Hand zog er den Unterkiefer herunter und steckte seine Finger tief in Peters Hals. Es wirkte, Peter fing an zu würgen. Alex nahm seine Hand aus dem Mund und drückte Peters Kinn auf seine eigene Schulter und hielt ihn fest umklammert. Schub um Schub entleerte sich Peters Magen über Alex’ Jacke.

Ich wählte den Notruf und schilderte knapp was hier geschehen war. Der Mann am anderen Ende der Leitung redete beruhigend auf mich ein, lobte Alex’ Verhalten. Ich gab ihm die Daten von der Schachtel durch und kurz darauf legten wir auf. Ein Rettungswagen war unterwegs.

“Alex, ich warte auf den Rettungswagen. Pass auf ihn auf, ja?“

Mein Freund nickte mir zu, er weinte und klammerte sich weiter an Peter.

Ich wartete nervös an der Haustür, und 5 Minuten später blieben ein Rettungswagen und ein Notarztwagen vor der Tür stehen. Der Arzt nahm seinen Koffer vom Beifahrersitz und rannte auf mich zu.

“Wo?“

Ich zeigte auf die Treppe und sie stürmten vor. Die Sanitäter holten eine Trage aus dem Heck des Wagens und folgten mir die Treppe nach oben. Als ich in Peters Zimmer kam, stand Alex regungslos neben dem Bett, während der Arzt eine Spritze aufzog. Behutsam streifte ich meinem Freund die Jacke herunter und nahm ihn in den Arm.

“Alle Achtung, Ihr habt gut reagiert.“

Der Notarzt sah Alex an.

“Du hast Deinem Freund hier wahrscheinlich das Leben gerettet.“

Alex nickte stumm. Die Sanitäter hoben Peter auf die Trage und brachten Peter zu ihrem Wagen. Der Arzt verabschiedete sich und folgte ihnen.

Alex und ich blieben noch da und warteten auf Peters Eltern.

Jens

Ich bekam gerade das Okay zu Florians und Joshs Entlassung von Hilde und machte mich sofort auf den Weg. Florian würde ich schon ein wenig vermissen. Und dieser Joshua war ja eigentlich auch ein echt niedliches Kerlchen. Aber schlimm war es nicht, zumindest zu Florian würde ich ja noch Kontakt halten.

Ich platzte in eine Unterhaltung der Beiden, die sofort verstummte.

“Ihr dürft Euch anziehen und zusammenpacken. Ihr seid nun offiziell entlassen.“

Joshua sah erleichtert auf. Florian hingegen schenkte mir ein gequältes Lächeln. Nun würde für ihn eine schwere Zeit beginnen.

“Kann ich Euch bei etwas helfen? Florian? Soll ich Dir beim umziehen helfen?“

Er trug ja noch immer diesen Verband. Doch Joshua antwortete für ihn.

“Nein, das schaffen wir. Ich muss es ja bald eh allein machen.“

“Du hast ja meinen Aufpasser gehört. Wir kommen klar.“

Florian zwinkerte mir zu.

“Wie Ihr wollt. Gut, ich lass Euch mal alleine.“

“Halt, warte“ rief Joshua. „Kannst Du meine Eltern anrufen, damit sie uns abholen? Alles kann ich nicht tragen.“

“Du sollst ja auch nichts tragen. Denk bitte daran, dass Du noch nicht ganz gesund bist. Ich rufe sie sofort an. Ihr bekommt gleich auch noch Rezepte für Eure Medikamente.“

Ein zufriedenes Nicken kam von den Beiden, und ich verließ das Zimmer.

Florian

Kaum war Jens zur Tür raus sprang Joshua förmlich aus dem Bett. Er schnappte sich sein Waschzeug und nahm ein Handtuch, sowie frische Wäsche aus seiner Tasche im Spind. Dann zog er sein Shirt über den Kopf und legte es auf das Bett. Zum ersten Mal sah ich ihn mit freiem Oberkörper und schluckte. Gut, er war wirklich etwas dünn, seine unteren Rippen zeichneten sich recht deutlich unter seiner glatten und reinen Haut ab. Dezente Muskeln bewegten sich unter seiner Bauchdecke und auch die obere Brustpartie war etwas muskulöser als ich hätte vermuten können. Dunkle und kleine Brustwarzen rundeten das Bild ab. Er war so unglaublich schön.

“Bin gleich wieder da, ich mach nur eben frisch.“

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da ging er auch durch die breite Tür in die Badezelle. Kurz darauf kam Jens wieder zurück, legte ein Rezept auf Joshs Tischwagen und eines auf meinen.

“In ungefähr 30 bis 40 Minuten kommen seine Eltern und holen Euch.“

Er sah mich an und grinste.

“Äh, Florian, du solltest vielleicht die Bettdecke über die Beine ziehen.“

Ich sah an mir runter und erschrak kräftig. Der kurze Blick auf Joshs Körper hatte mir eine kräftige Erektion beschert. Jens warf einen Blick auf Joshs Bett und sah dort das Shirt liegen. Hastig zog ich die Decke hoch, und Jens grinste belustigt.

“Das kann ja noch was geben, wenn ein ausgezogenes T-Shirt solche Auswirkungen auf Dich hat.“

“Sehr witzig. Aber Du hättest ihn sehen müssen. Er sieht einfach nur ‚wow’ aus.“

Jens schüttelte grinsend den Kopf. Die Situation war mir trotzdem sehr unangenehm, und auch mein Unterleib fühlte sich nicht mehr besonders Wohl. Klein-Florian fiel wieder in sich zusammen. Die nächsten Tage würden schwieriger werden als gedacht. Jens schien meine Gedanken zu erraten.

“Mach Dir da mal keine Gedanken. Das ist doch normal.“

“Du hast leicht reden…“

“Wenn Dir jemand gefällt, dann passiert das halt.“ Er drehte sich um und lief zur Tür „Denkst Du, dass Dein Anblick mich völlig kalt lässt?“

Er schenkte mir noch ein schelmisches Grinsen und verschwand auf dem Flur. Das waren ja ganz neue Erkenntnisse. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, kam Josh, diesmal völlig bekleidet, aus dem Bad zurück.

“So, bin fertig. Du bist dran. Ich helfe Dir auch.“ Fröhlich lächelte er mich an.

Er ging zu meinem Schrank und zog einen Pulli, meine Winterjacke, frische Socken und frische Boxer aus der Tasche.

“Das ist jetzt nicht Dein Ernst. DABEI hilfst Du mir nicht.“

“Keine Widerrede. Ich bin jetzt Dein Pfleger, da gehört das dazu.“

“Darüber diskutiere ich nicht. Die Shorts lässt Du hier.“

Er grummelte und räumte sie in die Tasche zurück. Er deutete auf die Tür und ich ging voran. Josh nahm einen feuchten Waschlappen und fing an mir den Rücken abzureiben. Dann zog er vorsichtig an meinem rechten Ellbogen und wusch mich unter den Armen. ich musste mich arg zusammenreißen, um nicht laut loszulachen, immerhin war ich kitzelig unter den Armen. Abschließend kümmerte er sich um Brust und Bauch. Das hätte ich besser selber getan, denn er rieb sehr sanft. Ob er wusste, was er mir gerade antat?

“So, Zähneputzen machst ja selber, mit Links, sozusagen.“

Dieses freche Zwinkern raubte mir fast den Atem. Josh lief ins Zimmer und ich hörte wie er Sachen zusammenräumte. Aber stimmte schon, Zähneputzen sollte ich hinbekommen. Und das er seine Finger mal von mir ließ, tat auch meiner unteren Körpermitte ziemlich gut. Ich war gerade fertig, da lugte auch schon sein Kopf durch die Tür.

“Das hast Du ganz toll gemacht. Und jetzt zieht der Onkel Josh mal den Florian wieder an.“

“Das nennt man aufziehen, nicht anziehen, Du frecher Lümmel. Damit verdienst Du eine 6.“

“Das geht nicht! Nachprüfung!“

Er nahm meinen Pulli, zog meinen linken Arm durch den Ärmel und stülpte den Stoff über meinen Kopf. Als er ihn herunterzog, da streiften seine Finger über meine Hüfte.

“Mit Auszeichnung bestanden“, seufzte ich.

Draußen im Zimmer klopfte es an der Tür.

“Hallo, jemand hier?“

“Wir sind im Bad, Dad, Sekunde noch!“

Ich war fertig angezogen und wir gingen aufs Zimmer.

“Guten Tag, Herr Dellmer.“

“Hallo, Herr Dietz. Der Pfleger hat gefragt ob wir sie heimbringen würden?“

“Fast richtig, Paps. Ihr könnt uns Beide zu ihm bringen. Ich bleibe ein paar Tage dort.“

“Das kannst Du schön vergessen. Du musst den Schulstoff nachholen.“

“Papa, hör zu. Ich werde Flo daheim etwas helfen, weil sein Arm meinetwegen verletzt ist. Dafür wird er mir Nachhilfe geben und wir können den Stoff aufarbeiten. Oder denkst Du, es gäbe eine bessere Nachhilfe als einen angehenden Gymnasiallehrer?“

Schweigend folgte ich der Unterhaltung.

“Ist das okay für Sie, Herr Dietz?“

Ich nickte. „Ja. Ihr Sohn hat das so entschieden und es geht in Ordnung.“

Sein Vater schaute etwas kritisch, doch dann stimmte er zu.

“Selbstverständlich werden wir für die Kosten aufkommen und Joshua etwas Geld für Lebensmittel geben.“

Josh grinste zufrieden.

“Danke Paps, das erspart mir die Frage danach.“

“Nun denn, sind alle bereit?“

Während Josh noch mal schnell alle Schubladen und Schränke durchsah, ging ich zu Jens und verabschiedete mich.

“Ich wollte nur schnell tschüß sagen. Mein neuer Pfleger arbeitet echt gut.“

Jens lächelte verschmitzt.

“Sieht man, hast kräftig rote Farbe im Gesicht. Okay Florian, schade das Ihr geht. Melde Dich, okay?“

“Versprochen. Und danke für Alles!“

Jens nahm mich in den Arm und drückte mich. Zum Abschied bekam ich noch einen Kuss auf die Wange, und dann stiegen wir bald in das Dellmersche Auto.

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