Ableitungen und ähnliche Unfälle 2 – Teil 4

Alex

Peter war sofort Feuer und Flamme, für die Idee mit der Gegenanzeige. Ich war mir nicht sicher, ob das eine gute Idee war. Für Peter würde es später noch großen Druck bedeuten. Er hing mit Sicherheit noch an seinen Eltern, aber durch seine Wut konnte er das momentan gut überspielen.

„Herr Grüner, was würde passieren, wenn ich es nicht tue?“

„Wahrscheinlich nicht sehr viel. Es käme zur Verhandlung, in einigen Wochen oder Monaten. Die Öffentlichkeit würde den Weg dorthin sicherlich mit großem Interesse verfolgen. Doch vor Gericht selber dürfte nicht viel passieren, bei ihren Zeugen. Aber ich weiß natürlich nicht genau, was dort ablaufen wird.“

„Und bei einer Gegenanzeige sehen sie die Chance, dass Peters Vater diese hirnlose Aktion aufgibt und die Anzeige zurückzieht?“

HK Grüner nickte.

„Alex, geh doch selber an die Presse und mach ihn fertig.“

„Nix da, Pete. Ich kämpfe sauber und direkt. So eine linke Tour haben wir nicht nötig.“

Grüner lächelte zufrieden. „Eine gute Einstellung, Alexander. Ihre Mutter wird stolz auf sie sein.“

Peter kicherte plötzlich. Hatte ich etwas verpasst?

„Aber das mit der Anzeige… ich mach’s. Das Theater vor Gericht brauch ich nicht. Und wenn er zurückzieht, dann tu ich es auch.“

Grüner kramte in seiner Aktentasche und gab mir ein Blatt Papier und einen Stift.

„Ich hab da schon was für sie vorbereitet. Sollte er jedoch nicht zurückziehen, dann sollten sie sich vorsorglich einen Anwalt besorgen.“

Ich unterschrieb und gab ihm seine Sachen zurück.

„Natürlich. Ich rede mal mit meiner Mutter darüber. Ein Freund von ihr ist Anwalt.“

“Gut. So, meine Herren. Von meiner Seite war es das. Einen schönen Gruß an ihre Mutter.“

Fragend sah ich zu Peter, doch der grinste nur blöd.

“Ja, mach ich. Schönen Tag noch.“

Wir verließen das Gebäude.

“Was war das gerade?“

“Du warst ja sprachlos. Schön das man dich auch mal aus der Ruhe bringen kann.“

Auf Peters Grinsen antwortete ich mit einem verständnislosen Blick.

“Schon gut. Deine Mum und Grüner haben heute ein wenig geflirtet. Er ist Witwer und lebt mit seinem Sohn zusammen.“

Na das wäre ja was… aber sie hatte ja scheinbar einen Hang zu Uniformen, mein Vater war ja auch Soldat, als er uns alle im Stich ließ. Und jetzt ein Bulle. Peter sah mir an, dass mir der Gedanke nicht ganz so gut gefiel, und sein Grinsen verblasste.

Wir liefen in Richtung zuhause, und aus dem Augenwinkel bemerkte ich einen Verfolger, mit leuchtend-orangefarbigen Haaren. Peter hatte also einen Fan, jetzt durfte ich mal grinsen.

Dorothea

Ich wollte gerade schnell für den Abend einkaufen, als Alex mit Peter zur Tür hereinkam.

“Hi Mum, du, wir werden vielleicht deinen Anwaltstypen brauchen. Ich hab die Anzeige gemacht. Falls Busseck nicht zurückzieht, dann wird’s wohl vor Gericht gehen.“

“Magnus ist nicht ‚mein Anwaltstyp’, Alexander Reed. Er ist ein alter Freund. Aber ich werde ihn bei Gelegenheit anrufen. So Jungs, ich muss was einkaufen, sonst gibt’s nachher nichts zu Essen.“

“Okay. Und einen schönen Gruß von HK Grüner sollen wir ausrichten“, meinte Peter.

Die Beiden verabschiedeten sich nach oben. Ich öffnete die Haustür, und ein wildfremder Junge erwartete mich, die Haare in einem auffälligen orange gefärbt. Er schielte kurz auf die Klingel.

“Tag Frau Reed, ich bin Dominik, ein Freund von Peter. Ist er da?“

“Äh, hallo Dominik, ja. Er ist mit meinem Sohn gerade hoch gegangen. Vermutlich die erste Tür links.“

Er hob seinen Rucksack vom Boden auf und schulterte ihn lässig.

“Danke, ich geh dann mal hoch.“ Und er lief auf die Treppe zu.

Seltsamer Typ. Peter hatte ihn bisher nie erwähnt. Nachdenklich stieg ich ins Auto und fuhr los.

Florian

Joshua und ich saßen gerade beim Abendessen.

„Hilfst du mir mal eben beim Fleisch? Ich krieg das mit dem Schneiden noch nicht richtig hin.“

Josh grinste kurz rüber. „Aber klar doch, Schatz. Ich bring auch gleich noch Salz mit. Das mit dem Würzen muss der Herr Referendar noch üben.“

„Werd ja nicht frech du“, lachte ich zurück.

Josh kam zu mir rüber und beugte sich aufreizend über mich und griff umständlich nach meinem Besteck.

„Flo, soll ich das mit der Band wirklich machen?“

„Warum denn nicht? Du singst fantastisch. Ich war völlig hin und weg.“

Er lächelte mich an und drückte seinen Oberkörper noch dichter an mich ran, während er mein Schnitzel weiter zerkleinerte.

„Aber was ist mit der Schule? Ich brauch Zeit für die Band, aber auch Zeit fürs lernen.“

„Und? Also mit Mathe machst du gute Fortschritte. Wenn das so weiter geht, dann ist der Nachschreibetermin nächste Woche kein Problem. Und Englisch hast du auch im Griff.“

Er küsste mich auf den Kopf. „Du bist auch ein super Lehrer.“

„Wo ist dann dein Problem?“

„Da werden so viele Zuhörer sein. Der Gedanke macht mich nervös.“

„Lampenfieber ist doch völlig normal. Egal ob du nun vor einer ganzen Schule singst, oder dich zum ersten Mal einer Klasse stellst. Aber wenn es dann soweit ist, und du ganz genau weißt was zu tun ist, dann läuft alles ganz normal, du vergisst völlig den Druck. Vorbereitung ist alles. Das gilt auch für Klausuren. Prüfungsangst bewältigt man nur durch gezieltes Lernen und eine gute Vorbereitung.“

Er legte sein Kinn auf meine linke Schulter und sah mich lächelnd von der Seite an. Sofort war dieses Kribbeln im Bauch da. Mein kleiner Engel tat mir unglaublich gut.

„Ich habe einen sehr weisen Freund, weißt du das?“

Josh ging wieder zu seinem Platz und wir aßen. Ständig sah er mir in die Augen und lächelte glücklich. Das Grün seiner Augen leuchtete schon beinahe. Als wir fertig waren, sammelte er unser Geschirr und stellte es in die Spülmaschine.

Von der Küchenzeile her sah er mich an und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Seine Augen funkelten begierig und das Grinsen wurde deutlich frecher. Mein Herz begann zu rasen. Mit einer schnellen Bewegung zog er sich den Pulli über den Kopf und präsentierte mir seinen wunderschönen Oberkörper. Langsam kam er auf mich zu, zog mich vorsichtig vom Stuhl und in Richtung Schlafzimmer.

„Josh, was hast du mit mir vor?“

„Mal testen, wie gut du als Lehrer für Biologie bist“, hauchte er mir erregt ins Ohr.

Peter

“Ich verstehe nicht was du dagegen hast. Dein Vater ist Soldat bei der U.S. Army gewesen, okay. Aber Grüner? Da gibt’s doch keinen Vergleich, außer der Uniform.“

“Hast ja Recht“, brummte er. „Grüner scheint ja auch okay, jedenfalls ist er auf unserer Seite.“

Plötzlich klopfte es an der Zimmertür.

“Was ist denn los, Mum, haste was vergessen?“, rief Alex.

Eine seltsam bekannte Stimme antwortete.

“Vergessen ja, aber deine Mum bin ich nicht.“

“Dominik?“ rief ich.

Die Tür öffnete sich, und ein grinsender Dominik blickte ins Zimmer.

“Ja, der bin ich. Wir haben keine Adressen und so getauscht. Da bin ich euch gefolgt. Wäre ja schad wenn wir uns gleich wieder aus den Augen verlieren würden. Mein Dad wollte ja auch keine Infos rausrücken.“

“Man, du bist echt mutig. Ich hab ja gemerkt, dass du uns verfolgst, aber dass du hier bei uns aufkreuzt, Respekt Alter. Ich bin Alex.“

Die Zwei gaben sich die Hand.

“Und ihr beiden seid echt nicht zusammen? Ein süßes Paar wärt ihr ja.“

Ich wurde wieder rot, doch Alex lachte nur.

“Ne, Pete ist ein toller Typ, aber meine Freundin würde da nicht mitspielen.“

“Pete klingt süß. Darf ich Pete sagen, Pete?“

Ich zuckte mit den Schultern.

“Wer ist eigentlich dein Dad, Dominik?“ wollte Alex wissen.

“Ihr kennt meinen Dad. Ihr wart heute bei ihm.“

“Grüner…“

“Ich wusste ja, dass ihr zwei ganz Schlaue seid.“

Grinsend ließ er seinen Mantel und Rucksack neben der Tür fallen und er setzte sich neben mich. Dieses freie Stück Haut an seinem Bauch zog meinen Blick wieder magisch an.

“Gefällt dir, was? Aber wart es ab, es sieht nicht nur toll aus“, blitzschnell griff er nach meiner Hand und legte sie auf den Bauch.

“Siehste, fühlt sich doch auch toll an, oder?“

Ich war unfähig zu antworten, nur Alex hielt sich vor Lachen den Bauch.

“Pete, ich mag den Typen. Hey Dominik, schraub mal nen Gang zurück, sonst kippt er uns gleich noch um.“

Er sah mir in die Augen und ich schaute auf den Boden.

“Nicht so schüchtern, ich beiße schon nicht. Noch nicht.“

Alex versuchte ihn von mir abzulenken.

“Und was machst du so?“

“Alsooo, ich geb euch mal nen kleinen Steckbrief von mir. Mein Name ist Dominik Grüner, ich bin 17 und ein halbes Jahr alt, gehe auf ein Nahe gelegenes Internat, bin 179cm groß, wiege 55 Kilo. Meine Hobbies sind: Jungs, Sex, Klavier spielen und lesen. Ich höre gerne Punkrock, stehe auf kitschige Liebesfilme und koche gerne. Ich bin noch zu haben und suche sehr intensiv nach meinem Traumprinzen. Beim Sex bin ich gerne passiv, kann aber auch anders.

Noch Fragen?“

Alex öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber er schloss ihn gleich wieder. Dominik hatte ihn völlig sprachlos gemacht.

“Ähm, Pete, ich finde es ganz toll, dass du mir mit dem Daumen über den Bauch streichelst, aber wenn du mich nicht scharf machen willst, dann wäre jetzt ein verdammt guter Zeitpunkt damit aufzuhören.“

Erschrocken zog ich meine Hand zurück. „Tut mir Leid.“

“Schon okay. Ich hab ja eigentlich auch nix dagegen, aber ich glaub du bist noch nicht soweit.“

Er rückte noch ein Stück näher heran.

“Kennst du mich jetzt gut genug, um mir von der Sache zu erzählen? Es interessiert mich wirklich.“

“Du lässt wohl nie locker, oder?“ flüsterte ich.

“Neee, nicht so mein Ding.“

“Okay, also es war so: ich bin seit einer ganzen Weile in einen Mitschüler verliebt. Leider total hoffnungslos. Letzte Woche hat er einen neuen Referendar angefahren, dann bekam er Stress mit seiner Freundin und wäre fast am Rhein erfroren. Jedenfalls lagen er und der Referendar später auf einem Zimmer. Ich bekam durch Zufall mit, dass mein Schwarm für ein paar Tage zu dem Typen zieht. Es ging zwar nur um Hilfe im Haushalt, aber ich hab das irgendwie in den falschen Hals bekommen und wollte mich umbringen. Alex und seine Freundin haben sich Sorgen gemacht und wollten zu mir.“

Mit jedem weiteren Wort sah mich Dominik trauriger an, und er nahm meine Hand in seine. Als ich zum Ende kam, da sah ich ein paar Tränen in seinen Augen und er umarmte mich.

“Du Pete, es tut mir Leid. Und ich baggere die ganze Zeit wie blöd an dir rum. Liebst du ihn noch?“

“Ich denke oft an ihn. Aber er ist so unerreichbar. Ich muss mich von ihm lösen.“

“Vielleicht kann ich dir dabei helfen, zusammen mit Alex? Ich mag dich echt. Du hast ne ganz süße Ausstrahlung.“

Seine Worte taten gut und ich konnte auch wieder lächeln.

“Danke, Dominik. Aber gib es doch zu, du willst mich nur rumkriegen.“

“Ich bin doch kein Wüstling! Rumkriegen… das ist doch voll billig. Ich will dich verführen. Und das ist was total anderes.“

Sein freches Grinsen war zurück, wieder ganz der Alte.

“So Junx, ich muss mal weiter. Und Pete, wenn du möchtest, dann komme ich auch gerne wieder vorbei, okay?“

Ich nickte ihm zu und er strahlte übers ganze Gesicht. Er küsste mich flüchtig auf die Lippen und sprang auf. Alex, der uns die ganze Zeit über intensiv beobachtet hatte, gab er die Hand. Er wühlte noch kurz in seinem Rucksack und zog ein kleines Kärtchen heraus, welches er auf den Schreibtisch legte.

“Wenn was ist, du kannst mich jederzeit anrufen.“

“Danke, ich werd dran denken.“

“Ciao ihr Beiden, ich find schon allein raus. Bis dann!“

Und dann war er schon verschwunden.

“Alex? Was hältst du von ihm?“

“Ganz ehrlich?“

“Ja was denn sonst? Ich mag ihn.“

“Ich auch. Auch wenn er eine riesige Show abzieht und auch irgendwie nen gewaltigen Schaden hat. Aber gerade, als er dich in den Arm nahm, dass muss der wirkliche Dominik gewesen sein. Und er mag dich sehr.“

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