Über den Wolken – Teil 3

„Beruhige dich erst mal Junge“, bat seine Oma, als sie ihm noch im Nachthemd und mit völlig zerzausten Haaren Frühstück machte. „Es hilft dem Oliver nicht, wenn du auch noch vor den Baum fährst vor lauter Hektik. Jetzt wird erst was gegessen, dann rufst du die Zentrale in Frankfurt an und sagst was passiert ist, damit die Ersatz für ihn finden können und erst dann wirst du dich ins Auto setzen und nach Hamburg rüber fahren. Wenn es so schlimm ist, wie dir der Polizeibeamte erzählt hat, dann wird er dir die nächsten Tage sicher auch nicht weglaufen.“

Daniel war einsichtig. Omi hatte wie immer Recht und es brachte keinem was, wenn er sich auch noch selber in Gefahr brachte. Außerdem war Hamburg nun auch nicht gerade Hunderte von Kilometern entfernt von dem kleinen malerischen Ort in der Nähe von Lüneburg, in dem das Haus seinen Oma stand und über die Autobahn würde er nur eine knappe Stunde brauchen.

„Fahr vorsichtig“, ermahnte sie ihn trotzdem, als er später dann ins Auto stieg, „und ruf an, wenn du Hilfe brauchst.“ Er drückte die kleine weißhaarige Frau noch einmal liebevoll an sich und machte sich auf den Weg.

„Mein Name ist Daniel Sommer und ich möchte zu Oliver Besson“, erklärte Daniel einer leicht untersetzten Krankenschwester kurze Zeit später am Empfangstresen der Uniklinik in Hamburg-Eppendorf. „Die Kripo hat mich heute Morgen angerufen und mich gebeten, herzukommen.“, erklärte er weiter, aber so genau wollte die Frau es gar nicht wissen.

„Herr Besson liegt noch auf der Intensiv. Mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock und dann den Wegweisern nach. Sie melden sich bitte bei der Diensthabenden Schwester.“

Daniel trabte los und schon allein der Geruch löste ein sehr mulmiges Gefühl aus. Er war zwar mit Olli befreundet, so wie er es dem Polizisten gesagt hatte, aber dass das schon zehn Jahre her war und ihr letztes Aufeinandertreffen vor gut einer Woche im Streit geendet hatte, hatte er verschwiegen. Eigentlich kannte er den Oliver, an dessen Bett er gleich auftauchen würde, kaum noch. Er war wie ein Fremder für ihn und er wusste nicht, ob die Gefühle von damals, die unzweifelhaft noch irgendwo tief in ihm drin waren, auch für diesen scheinbar anderen Menschen, den er erst ganz neu entdecken musste, Bestand haben würden.

Eher zögerlich klopfte er also an der Tür zum Schwesternzimmer, als er endlich im dritten Stock angekommen war, aber es öffnete niemand und es kam auch kein „Herein“ von drinnen. Etwas ratlos blieb Dan im Gang stehen und besah sich die lange Reihe Glasfenster, die nur hin und wieder mal von einer Glastür unterbrochen war und hinter denen sich Schicksale entschieden, hinter denen es manchmal um Leben oder Tod ging. Hinter einem dieser Fenster, die mit Jalousien vor allzu neugierigen Blicken geschützt waren, lag also Oliver. Daniel krampfte es das Herz zusammen und erneut meldete sich der Beschützerinstinkt von früher gnadenlos zurück.

„Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?“ Daniel drehte sich um und schaute in das fröhlich lächelnde Gesicht einer sehr jungen, sehr schlanken und sehr blonden Krankenschwester. Sie hatte etwas Engelhaftes an sich und Daniel vermutete tatsächlich schon, dass sie unter dem weiten grünen Kittel wohl ein paar Flügel verborgen hielt.

„Ich bin Daniel Sommer.“ Er reichte dem blauäugigen Himmelswesen seine Hand.

„Ah ja, ich weiß schon. Sie sind der Freund von Herrn Besson. Die Herren von der Polizei waren vorhin schon hier und haben erwähnt, dass Sie kommen werden“, plauderte die Kleine munter weiter wie ein Wasserfall und fast ohne Luft zu holen.

„Wirklich schlimm, was dem armen Mann da passiert ist. Kennen Sie seine Frau? Das muss ja ein richtiges Mannsweib sein, so wie sie ihn zugerichtet hat. Einige von den Wunden mussten sogar genäht werden und er hat viel Blut verloren und damit es nicht so weh tut beim Liegen, haben wir ihn erst mal in so ein Spezialbett für Brandverletzte gelegt, wissen Sie. Das ist so ein Bett, wo die Matratze mit winzigen Styroporkügelchen gefüllt ist und diese dann durch einen Luftstrom immer in Bewegung gehalten werden. So entsteht am wenigsten Druck auf die beschädigte Haut. Und da liegt er.“

Während des Redeschwalles der Schwester waren sie immer weiter den Gang entlang gegangen und vor der vorletzten Scheibe stehen geblieben, auf die sie jetzt mit einer Kopfbewegung deutete.

„Er ist noch immer nicht wieder bei Bewusstsein, Herr Sommer“, wurde das blonde Plappermaul plötzlich stiller und leiser. Wortlos reichte sie Daniel einen frischen grünen Kittel von dem Metallwagen auf dem Flur und half ihm beim Anziehen. „Strecken Sie mal Ihre Hände vor“, bat sie ihn und schüttete ein wenig von dem Desinfektionsmittel darauf, das sich Daniel auch sofort über alle Seiten verrieb. Erst dann öffnete sie die Tür und gab den Blick frei.

„Ich lass Sie jetzt allein“, flüsterte sie. „Drücken Sie einfach auf den roten Knopf da auf dem Kopfkissen, wenn es Schwierigkeiten gibt. Ich bin dann vorn im Schwesternzimmer.“ Daniel zog sich einen Stuhl heran, als die Krankenschwester die Tür hinter sich geschlossen hatte und griff sich Olivers Hand, die leblos auf der Bettdecke lag.

„Was machst du nur mit mir?“, begann er kaum hörbar und streichelte mit dem Daumen unaufhörlich über Ollis Handrücken, so wie er es damals mit seiner Hand getan hatte, kurz nach der Prügelei in der Herrentoilette der Seeperle.

„Eigentlich hab ich Urlaub, weißt du, und eigentlich wollte ich morgen auch noch das Dach von unserem Baumhaus erneuern und jetzt sitz ich hier und hab einfach nur noch Angst um dich.“

Daniel sprach in diesem Augenblick aus, was er die ganze Zeit, seit dem Anruf der Polizei, nur unterschwellig gefühlt hatte. Angst. Pure Angst um Olivers Leben. Angst, von der er nicht wusste, woher sie kam, und Angst, die alles, was er sonst noch so dachte und fühlte, wenn es um Oliver ging, um ein Vielfaches potenzierte. Es war nicht lebensbedrohlich, hatte die Schwester vorhin erwähnt, aber bewusstlos ist bewusstlos und gerade bei so einem hohen Blutverlust weiß man nie, ob ein Patient wieder wach wird oder nicht. Erst da war Dan so richtig klar geworden, dass er dem Freund von damals eigentlich noch so vieles sagen wollte und jetzt vielleicht nie mehr die Gelegenheit dafür bekommen würde.

„Irgendwie hab ich mir schon gedacht, dass deine Frau nicht grad das liebenswürdigste Geschöpf auf der Erde ist, als du mir in Singapur von ihr erzählt hast und ich das Foto gesehen habe“, sprach er langsam weiter, „aber ich hätte dich doch nie so unter Druck gesetzt oder dir wenigstens Hilfe angeboten, wenn ich geahnt hätte, zu was diese Person fähig ist. Und warum hast du mir nicht erzählt, dass deine Eltern schon so lange tot sind und du niemanden mehr hast, außer diese … diese …?“ Daniel schluchzte. „Was ist aus dem Vertrauen geworden, Olli, was uns mal so verbunden hat?“ Stille Tränen rollten ihm über die Wange und er machte sich gar nicht die Mühe, sie wegzuwischen, denn sie würden ohnehin gleich von den nächsten ersetzt werden.

„Weißt du noch, wie wir in Omas Scheune tanzen geübt haben? Du hast immer wieder auf deine Füße gestarrt, bis ich dir die Augen kurzerhand mit einer von Opas Krawatten verbunden habe. Ich hab den Song noch immer im Ohr, ob du es glaubst oder nicht – Erasure mit Save me Darling. Du hast dich damals einfach auf mich verlassen, warst dir sicher, dass ich es nie ausnutzen würde, und hast dich im wahrsten Sinne des Wortes blind von mir führen lassen. Am Ende bist du über den Heuboden geschwebt, als hättest du noch nie was anderes getan, als mit mir zu tanzen.“

Daniel rückte mit seinem Stuhl noch näher an das riesige Bett heran, streichelte vorsichtig über Ollis Wange, genau, wie er es früher immer getan hatte und genau wie damals begann es, in seinen Fingerspitzen zu kribbeln.

„Du könntest dich übrigens mal rasieren“, gackerte er trotz der unaufhörlich kullernden Tränen leise und überspielte so seine Nervosität. „Ich bin sowieso erstaunt, dass dir überhaupt was im Gesicht wächst. Kannst du dich noch erinnern, wie du mir immer beim Rasieren zugesehen hast, als wir die Woche im Baumhaus gelebt haben? Ich weiß gar nicht mehr, ob du sauer darüber warst, oder eher froh, dass du das noch nicht brauchtest. Selbst mit deinen 18 Jahren noch nicht, aber ich hab dich immer beneidet wegen deiner makellos weißen und weichen Haut. Normalerweise hätten die Mädchen damals auf dich fliegen müssen wie Bienen auf einen Honigtopf, und verstehen kann ich es bis heute nicht. So richtig unansehnlich warst du nie. Ganz im Gegenteil. Vielleicht ein bisschen unscheinbar, wenn man sich nicht die Mühe machte und dir deine Brille abnahm. Aber andererseits … wenn die Mädels damals nicht so blind gewesen wären, dann hätte ich die unglaublichsten drei Wochen meines Lebens nicht erlebt. Drei Wochen, in denen ich mich in dich verliebt hab, Olli, und es hat mir verdammt wehgetan, dass du später nie zurückgerufen hast, wenn ich versucht hab, dich zu erreichen und keiner meiner Briefe eine Antwort wert war.“

Daniel seufzte nachdenklich, stand auf und ging ein paar Schritte bis ans Fenster. Sich alles von der Seele zu reden, es quasi Olli zu erzählen, hatte eine unglaublich befreiende und auch beruhigende Wirkung auf ihn und er dachte eigentlich kaum noch darüber nach, was er da sagte. Es musste raus, so wie es gerade kam.

„Ich hatte so gehofft, dass das alles mehr für dich war, als einfach nur Abenteuer und Neugier. Ich hatte so gehofft, dass dir wenigstens einer der vielen Küsse in Erinnerung geblieben ist. Mir hätte es ja schon gereicht, wenn wir einfach nur Freunde geblieben wären, aber du hast einfach alles hinter dir gelassen.“

„Ist es zu spät für eine Entschuldigung, Daniel?“, krächzte es plötzlich aus den Kissen. Dan fuhr erschrocken herum und war mit zwei Schritten wieder an Olivers Seite.

„Mein Gott, Olli, du bist wieder wach“, hauchte er unendlich erleichtert ganz nah an seinem Gesicht, fuhr ihm liebevoll durch das dichte dunkelblonde Haar und ihm fiel erst jetzt so richtig auf, dass Olli noch immer diese undefinierbare Schönheit von damals besaß.

„Krieg ich noch ’ne klitzekleine Antwort von dir?“, röchelte Olli mühsam und schloss immer wieder erschöpft die Augen.

„Ja“, grinste Daniel und sein Herz hüpfte vor Freude, „die kriegst du und nein, es ist noch nicht zu spät für eine Entschuldigung, Olli. Dafür ist es nie zu spät.“ Oliver rang sich ein Lächeln ab, auch wenn es kaum eine Stelle an seinem Körper gab, die nicht so wehtat, als wenn gerade ein Panzer über sie drüber gefahren wäre. Er hob mühsam den Arm und versucht ihn um Daniels Nacken zu legen, aber schon auf halbem Weg versagte seine Kraft und der Arm plumpste zurück auf die Bettdecke.

„Bitte küss mich, Daniel“, hauchte er, „auch wenn ich leider nur noch ein Wrack bin.“ Dan lachte los und kam Ollis Gesicht immer näher.

„Aber ein sehr, sehr attraktives Wrack, wenn ich das mal bemerken darf, Captain.“ Ganz sanft legte er seine Lippen auf die von Oliver und massierte sie leicht. Der Kuss war genauso unschuldig, wie ihr aller erster und genauso schnell wieder zu Ende, aber das war in diesem Moment auch gar nicht wichtig. Sekundenlang sahen sie sich in die Augen, versuchten zu ergründen, was der andere gerade dachte und ihre Herzen rasten, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und die Schwester hereingestürzt kam. Daniel trat sofort ein paar Schritte zur Seite und in Ollis Gesicht kehrte schlagartig die Kälte und Arroganz zurück.

„Ah, Herr Besson, schön, dass Sie wach sind. Die Alarmlampen im Schwesternzimmer haben sich eben halb überschlagen wegen Ihnen. Ihrem Puls nach zu urteilen, sind Sie nämlich gerade schon mal ’ne Runde um Ihr Bett gejoggt. Es geht Ihnen also schon besser.“ Die Schwester bemühte sich redlich eine lockere optimistische Atmosphäre zu schaffen, aber an Oliver schien das alles abzuprallen.

„Besser geht es mir erst, wenn ich hier wieder draußen bin, junge Frau. Wenn es mir gut gehen würde, dann würde ich ja nicht fast bewegungsunfähig in diesem Bett liegen“, schnarrte er mit einem bissigen Unterton. Die Schwester ließ sich ihre Überraschung über den barschen Ton nicht anmerken, aber Daniel zuckte zusammen. „Würden Sie dann bitte so freundlich sein und mich noch ein paar Minuten mit Herrn Sommer allein lassen und dann würde ich gern einen Arzt sprechen. Ich bin übrigens Privatpatient.“ Nur aus den Augenwinkeln beobachtete Daniel Oliver, wie er die Schwester vor seinen Augen anherrschte und sich damit klar über sie stellte. Ihn würde es nicht wundern, wenn sie gleich die Tür hinter sich zumachen und draußen erst mal ein ganz ehrlich gemeintes „ARSCHLOCH!“ von sich geben würde. Kaum jedoch war die Tür tatsächlich ins Schloss gefallen, wurde Oliver wieder weich und sehr anlehnungsbedürftig, als ob zwei Personen in seinem Körper wohnen würden. Er streckte seine Hand mühsam nach Daniel aus.

„Kommst du wieder her zu mir?“, fragte er fast schüchtern und seine hellblauen Augen suchten den Kontakt. Daniel nahm sich vor, das eben Gesehene und Gehörte nicht weiter zu kommentieren. Er hatte aus der Auseinandersetzung in Singapur gelernt und ahnte schon, dass es am Ende wieder eskalieren würde, wenn er Olli jetzt auch noch Vorwürfe wegen seines Umgangs mit der Schwester machte. Nur zu gerne würde er verstehen, warum Oliver so war, aber er selbst würde ihm darauf wohl keine Antwort geben können. Die würde er, als sein Freund und Mensch, der Olli am besten kannte, wohl selbst herausfinden müssen.

„Willst du mir erzählen, wie das hier passiert ist?“, begann Daniel vorsichtig nachzufragen, aber Olli schüttelte den Kopf. Er konnte Dan einfach nicht erzählen, was er geträumt hatte und dass er wohl lauthals seinen Namen gestöhnt haben musste, als er sich in seine Schlafshorts ergossen hatte. Nie im Leben, würde er ihm das sagen.

„Ich kann darüber noch nicht reden, Dan. Hab ein bisschen Geduld mit mir. Im Moment ist alles noch zu frisch und es ist auch zu viel, um es in fünf Minuten zu erzählen.“ Daniel nickte verständnisvoll und drückte Ollis Hand noch ein wenig fester.

„Ich bin immer für dich da, Olli. Das weißt du hoffentlich noch, auch wenn es schon lange her ist, dass ich dir dieses Versprechen gegeben hab. Aber mal was anderes … Du wirst noch ein paar Tage hier bleiben müssen. In der Einsatzzentrale hab ich schon Bescheid gegeben, dass du einen kleinen Unfall hattest und erst mal außer Gefecht bist, aber ich bin mir nicht sicher, ob es gut ist, wenn du wieder nach Hause zurückgehst.“

„Aber du hast denen doch nicht gesagt, dass ich misshandelt worden bin, oder?“ Oliver riss erschrocken die Augen auf und war erst wieder beruhigt, als Daniel ihm versicherte, dass er keinem gesagt hatte, was passiert war.

„Gut“, schnaufte Olli erleichtert, „aber du hast schon Recht. Ich kann nicht wieder zurück. Auf gar keinen Fall. Ich hab schon viel zu lange damit gewartet, das alles zu beenden. Ich will auch nicht in Hamburg bleiben, denn Juliette hat hier viel zu viel Einfluss und ich befürchte, irgendwann hätte sie mich wieder so weit, dass ich doch reumütig zurückkriechen würde und dann ginge alles von vorne los. Aber ehrlich gesagt weiß ich im Moment auch nicht wohin.“ In diesem Augenblick, in dem Olli vor ihm in diesem riesigen schneeweißen Bett lag, ihn aus meerblauen traurigen und echt verzweifelten Augen ansah und nicht wusste, wie es weitergehen sollte, brachen in Daniel alle Gefühle wieder an die Oberfläche. Er wollte diesen Mann mit Haut und Haaren und jeder Faser seines Körpers und er würde Berge versetzen, um ihn glücklich zu machen, auch wenn seine Liebe vielleicht niemals erwidert werden würde.

„Was hältst du davon“, wagte er schließlich einen Vorstoß, „wenn du erst mal mit zu mir ziehst, bis du wieder richtig gesund bist und dann werden wir weitersehen?“ Oliver streichelte sanft über Daniels Hand.

„Das ist echt lieb gemeint von dir, Dan, aber das geht wirklich nicht.“

„Wieso nicht? Ich hab genug Platz für uns beide und so oft bin ich ja auch nicht zu Hause.“ Daniel verstand Ollis ablehnende Haltung nicht. Sie hatten schon ganz andere Dinge miteinander geteilt, inklusive diverser Körpersäfte, so dass eine gemeinsame Wohnung eigentlich kein Problem sein dürfte.

„Du bist schwul, Daniel. Schon vergessen? Ich KANN nicht zu dir ziehen, denn ich bin es nicht und ich hab keine Lust darauf, dass sich die ganze Lufthansa das Maul über mich zerreißt. Ich werd ein paar Tage ins Hotel ziehen und mir in Frankfurt ’ne kleine Wohnung suchen. Das schaff ich auch noch alleine.“ Dem dunkelhäutigen Chefsteward schnürte es von einer Sekunde zur anderen die Kehle zu. Wieder mal war seine sexuelle Orientierung das Problem und Ollis festgefahrene Meinung, dass er auf gar keinen Fall schwul war, obwohl so vieles dagegen sprach.

„Okay, Olli. Wenn du meinst“, reagierte Daniel ziemlich geknickt und verabschiedete sich nur einen Augenblick später mit einem auf die Wange gehauchten Kuss und dem Versprechen, am nächsten Tag wieder zu kommen.

Wieder zurück in Dekelsen schnappte er sich Hammer, Nägel und das Holz fürs Dach und bastelte schweigend und wie ein Besessener bis in die späte Nacht am Baumhaus herum, ohne auch nur im Ansatz zu verstehen, was in Oliver vorging. Mit der Selbstverständlichkeit, mit der man um eine zweite Tasse Kaffee bittet, hatte ihn Olli um einen Kuss gebeten und auch bekommen und keine halbe Stunde später genau das zum Problem gemacht. Zehn Jahre waren vergangen und Oliver verleugnete sich noch immer, unterdrückte, was er fühlte und versteckte sich hinter einem sorgsam aufgebauten Image.

Daniel hatte das Gefühl, ganz langsam wahnsinnig zu werden, wenn er noch länger darüber nachdachte. Seine Gedanken kreisten und kamen einfach nicht zur Ruhe. Nur kurz hatte er versucht sich ins Bett zu legen und vielleicht doch irgendwann in einen traumlosen und vermutlich unruhigen Schlaf zu fallen, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen. Mürrisch stand er wieder auf und ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass es gerade mal fünf Uhr morgens war. Jeden Moment würde die Sonne aufgehen und so setzte sich Daniel nur mit Shorts bekleidet auf die kleine Bank, die schon seit Jahrzehnten gleich rechts von der Hoftür stand. Er lehnte sich mit dem Rücken an den warmen Stein hinter sich und schloss die Augen.

Der Duft von frischem Kakao kroch ihm kurz darauf in die Nase. Seine Omi saß neben ihm und hielt ihm eine Tasse hin.

„Vielleicht sollte ich dir ein bisschen was über Martina und Klaus erzählen, die Eltern von Oliver, und vielleicht findest du dann die Antwort, die du suchst.“ Daniel trank einen großen Schluck aus der Tasse und versuchte sich zu konzentrieren.

„Martina und Klaus“, begann seine Oma, „waren beide sehr angesehene und sehr erfolgreiche Anwälte, deren Eltern schon seit Generationen hier im Dorf lebten und die die beiden mehr oder weniger schon miteinander verheiratet hatten, noch bevor sie geboren waren. Oliver war kein Wunschkind, sondern kam auf die Welt, weil es von Martina und Klaus so erwartet worden war. Einen Stammhalter, der den Namen weitergibt und deshalb hat Oliver auch keine Geschwister. Mit seiner Geburt war das Soll erfüllt.“ Geschockt sah Daniel seine Oma an.

„So was gibt es wirklich? Also aus den arabischen Ländern kenn ich das ja, aber hier?“ Seine Oma nickte. „Die Kaulfußens und die Sennewalds, so hieß Olivers Mama als kleines Mädchen, waren einflussreiche Großbauernfamilien hier in der Gegend und da zählt alles, Geld, Ländereien, Macht und der gute Name. Aber so was wie Liebe kommt da nicht vor und genauso ist Oliver dann auch erzogen worden. Alles für die Fassade und nur niemanden dahinter schauen lassen.“

„Aber mich hat er damals dahinter gucken lassen, Omilein.“ Und Daniel erzählte in kurzen Abrissen, was in diesem Sommer vor zehn Jahren alles passiert war und ließ auch nicht aus, dass sie zwar nie richtigen Sex miteinander, aber sich dennoch mehr als einmal heiß und innig geliebt hatten. Aber seine Oma schien das gar nicht zu schocken. Ganz im Gegenteil. Sie lächelte selig und blinzelte in die aufgehende Sonne.

„Ich hab mir das schon gedacht, Daniel. Bei dir wusste ich es ja und Oliver hat man es schon an den Augen angesehen, dass er genauso schwul ist wie du, wenn man nicht so blind und intolerant war wie seine Eltern. Was meinst du, was die für ein Theater veranstaltet haben, als Olli hier bei dir übernachten wollte und ich musste ihnen hoch und heilig versprechen, dass Olli hier sein eigenes Zimmer und nach Einbruch der Dunkelheit keinen Kontakt mehr mit dir hat. Die haben doch allen Ernstes gedacht, dass du nichts anderes im Kopf hast, als ihren kleinen unschuldigen Oliver nach Strich und Faden zu verführen.“ Daniel musste grinsen.

„Du bist eine ziemlich durch triebene Lügnerin, Oma. Du hast genau gewusst, was da auf dem Baumhaus abging und hast Ollis Eltern schamlos angeschwindelt.“ Nur aus den Augenwinkeln sah er seine Omi an, die nun ebenfalls verschmitzt lächelte.

„Genau das hab ich gemacht Daniel, weil ich einfach nur wollte, dass ihr zwei glücklich seid. Für Oliver müssen das die schönsten und freiesten Wochen seines Lebens gewesen sein und irgendwie hatte ich gehofft, dass er es schafft, aus diesem Gefängnis auszubrechen, aber du sagtest ja schon, dass er den Kontakt dann völlig hat einschlafen lassen. Und dabei schien er so verliebt in dich zu sein. Schade, aber vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.“ Sie nahm dem erstaunt dreinschauenden Daniel die inzwischen leere Tasse aus der Hand und ging zurück ins Haus.

Aber auch Oliver hatte im Krankenhaus die ganze Nacht über immer wieder wache Phasen, in denen er über sich, über sein Leben und über Daniel nachdachte. Er war so froh gewesen, als er an seinem Bett gestanden hatte, als er aufgewacht war und dem Polizisten, der sich entschieden hatte, Daniel anzurufen, würde er persönlich danken. Er wusste nicht, wie lange der dunkelhäutige Steward schon an seinem Bett gestanden hatte, als er wieder zu sich gekommen war und was er noch so alles gesagt hatte, aber allein die paar Sätze, die es bis in sein Gehirn geschafft hatten, waren in der Lage gewesen, gleichzeitig Verwunderung, nervöse Unruhe, aber auch eine unglaubliche Welle an Glückshormonen auszulösen. Daniel hatte sich damals in ihn, den unscheinbaren blassen Streber, verliebt und Olli war über diese Tatsache völlig baff.

Nur wie sollte es jetzt weitergehen? Immer wieder dachte er über Dans Angebot nach, wenigstens vorübergehend mit zu ihm zu ziehen und sich dann in Ruhe was zu suchen, und er ärgerte sich schon fast darüber, dass er es mit so einer blöden Begründung abgelehnt hatte. Daniel war sauer darüber und enttäuscht. Er war ein ganz schlechter Schauspieler und Olli hatte es schon bemerkt, als ihm das letzte Wort gerade über die Lippen gekommen war. Den einzigen Menschen, der noch für ihn da war, hatte er wieder einmal volle Kanne vor den Kopf gestoßen, weil er einfach nicht in der Lage war, über sein verdammtes Ego zu springen und einfach mal was zu tun, was keiner von ihm erwarten würde.

„Es tut mir leid, Dan, dass ich dein Angebot gestern so scheiße abgewimmelt hab.“, war dann auch gleich das Erste, was er Daniel entgegenschleuderte, als der am Nachmittag mit Blumen in der Hand sein Zimmer betrat.

„Schon gut“, wiegelte Dan jedoch ab, „aber, hey, du liegst ja gar nicht mehr auf der Intensivstation. Ich hab eben schon ’nen Schrecken bekommen, als ich hoch kam, und dein Bett leer war“ Der Dunkelhaarige stopfte die Blumen in die aus dem Schwesternzimmer mitgebrachte Vase und versuchte, sie möglichst geschmackvoll auf dem Nachtschränkchen zu drapieren.

„Krieg ich keinen Kuss?“, ningelte Olli und Daniel sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Du bist ne Hete, Olli, und Heten wollen eigentlich keine Küsse von Schwulen.“ Daniel hatte sich ganz fest vorgenommen, Olli mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Egal, wie sehr ihm seine Erziehung noch nachhing und wie sehr er auch an dem sauberen und makellosen Image klebte, irgendwann musste er doch mal der Wahrheit ins Auge blicken können und mit sich selbst ins Reine kommen und warum nicht heute damit anfangen?

„Du bist immer noch sauer, stimmt’s?“, reagierte Olli auch erwartungsgemäß und setzte einen Dackelblick auf, bei dem Dan schon fast wieder schwach geworden wäre.

„Nee du, sauer bin ich nicht, aber wer das eine will, muss das andere mögen und wenn du eine Hete sein willst, Olli, von was ich, und das sag ich dir ganz ehrlich als dein Freund, gar nicht überzeugt bin, dann musst du dich auch benehmen wie eine Hete und mich nicht immer wieder küssen wollen. Versteh mich nicht falsch. Ich küsse dich gerne, sehr gerne sogar und ich genieße es sogar mehr als du denkst, aber ich bin nicht mehr das Spielzeug von damals. Wenn ich heute jemanden küsse, dann empfinde ich sehr viel für diesen Menschen und wenn mich jemand küssen will, dann muss ich davon überzeugt sein, dass er mich mindestens genauso liebt oder zumindest in mich verliebt ist. Wir haben uns zehn Jahre nicht gesehen und du willst ne Hete sein. Ergo kannst du mich weder lieben, noch verliebt sein. So einfach ist das. Kein Gefühl, kein Kuss und nur als Betthase bin ich mir zu schade.“

Daniel schluckte und war selber überrascht, wie flüssig ihm der zu Recht gelegte Text über die Lippen kam. Er hatte damit jetzt erst mal die Tatsachen benannt und die Fronten geklärt und erst jetzt konnte er damit beginnen, Olli die symbolische Hand zu reichen, die ihm Mut machen und Halt geben sollte auf dem schweren Weg zu sich selbst.

Aber Olli sah ihn nur völlig entgeistert an. Damit hatte er jetzt überhaupt nicht gerechnet und er war schon wieder drauf und dran, bitterböse auf Daniels Worte zu reagieren. Er hatte ihn ertappt und Dinge gesagt, die er eigentlich nicht hören und schon gar nicht akzeptieren wollte. Es tat weh, mit der eigenen Unzulänglichkeit konfrontiert zu werden, und unter normalen Umständen hätte er jetzt einfach zurück gebissen. Aber Daniel war kein normaler Umstand. Der erste Kuss gestern, nach so langer Zeit, war das Highlight der letzten Jahre und bis vor einer Minute war Olli noch der festen Überzeugung gewesen, dass das auch so weitergehen würde. Dass er weiterhin als Hetero durch die Welt laufen und er, wenn ihm danach war, auch mit Daniel zusammen sein könnte. Genau wie damals. Keine Verpflichtung und keine Rechenschaft schuldig. Und nun stand auch dieser Traum vor dem AUS. Er sollte sich entscheiden, Farbe bekennen und einfach ehrlich sein, aber das alles konnte er nicht.

„Ich wollte dir aber noch einen Vorschlag machen.“ Daniel stand mit dem Rücken zu Olivers Bett und sah aus dem Fenster.

„Mmmh“, brummelte es und Dan ahnte, was Olli im Moment für einen inneren Kampf ausfocht.

„Die Schwester sagte mir vorhin, dass du morgen schon entlassen werden kannst, aber jeden Tag unten in der Ambulanz aufschlagen musst zur Kontrolle und in fünf bis zehn Tagen können dann die Fäden gezogen werden. Du kannst so lange mein Zimmer bei Oma in Dekelsen haben und ich zieh für die paar Tage ins Baumhaus. Zur Not brech ich auch meinen Urlaub ab und fahr gleich wieder nach Frankfurt, wenn es dir unangenehm ist, dass dich die Leute im Dorf mit mir zusammen sehen könnten.“ Daniel hörte es leise rascheln, hörte nackte Füße über das Linoleum tapsen und schon spürte er zwei Arme, die sich von hinten um seinen Bauch schlangen. Er ließ den Kopf leicht zurückfallen und genoss es, als Oliver seine Nase in seine Haare grub.

„Ich hab alles falsch gemacht in diesem scheiß Leben. Ich bin so ein Troll“, murmelte es hinter ihm und nur mit Mühe konnte Daniel ein Lachen unterdrücken, weil sich Olli selbst mit einem dieser Zwerge verglich, die angeblich immer nur Schaden machen. Behutsam löste er die Arme um seinen Bauch und drehte sich um.

„Was ist nun, Troll?“, kicherte er und versuchte Olli in die Augen zu sehen. „Kommst du nun mit zu Oma, bis sie dir das Heftgarn aus’m Rücken ziehen, oder nicht?“ Oliver nickte.

„Okay. Aber nur, wenn du auch bleibst.“ Na, das ist ja schon mal ein Anfang, dachte sich Daniel und sein Herz machte einen unsichtbaren Luftsprung.

„Gut, Captain, das lässt sich einrichten und nun springen Sie mal schnell zurück ins Bett und lassen sich vom Chefsteward höchst persönlich zudecken. Als kleiner Service sozusagen vom Kabinenpersonal.“ Und Oliver gehorchte.

„Aber untersteh dich, Dan, das irgendwann mal auf Arbeit zum Besten zu geben. Wer mich ins Bett bringt, geht keinen was an“, drohte Olli augenzwinkernd und schob ein ganz leises: „….. jedenfalls noch nicht“, hinterher. Daniel und Oliver sahen sich sekundenlang in die Augen. Genau die letzten drei Worte sagten so viel aus, waren ein winzig kleiner Schritt, eigentlich nur ein innerer halber winzig kleiner Schritt, aber Daniel begann sofort zu strahlen und es kostete ihn unglaubliche Überwindung, sich nicht plötzlich wieder selbst zu widersprechen und Oliver zum Abschied zu küssen. Er würde hart bleiben, um Olli zu beweisen, wie ernst er das alles gemeint hatte.

Olli schlief ruhig in dieser Nacht, ohne Albträume, und ohne Angst. Es bisschen innere Unruhe stellte sich ein, je näher am nächsten Morgen der Moment rückte, an dem Dan durch die Tür kommen und ihn mitnehmen würde. Nein, er würde ihn nicht mitnehmen, wie ein unwilliges Kleinkind, das man einfach am Schlafittchen schnappt und hinausbefördert, sondern er würde mit Daniel mitgehen. Ganz freiwillig und weil er sich selbst so entschieden hatte. Er würde sich in Daniels Hände begeben und ihm vertrauen, so wie er es früher immer getan hatte, auch wenn es ihn am Anfang sicher Überwindung kosten würde, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen und nicht jede Geste gleich als Bedrohung aufzufassen.

Erstaunlicherweise war Daniel sogar mal pünktlich und knapp anderthalb Stunden später passierten sie beide das Ortseingangsschild von Dekelsen.

„Mein Gott hat sich das hier aber verändert.“ Oliver war völlig überrascht und Daniel sah ihn fragend an.

„Wie lange warst du denn schon nicht mehr hier?“ Der Dunkelblonde rieb sich am Kinn und dachte nach.

„Zur Beerdigung meiner Eltern war ich noch mal hier und dann …. nie wieder. Das muss also auch schon fast zehn Jahre her sein.“

„Und deine Großeltern?“, fragte Daniel weiter. „Die leben doch auch hier im Dorf. Hast du die nie besucht? In der ganzen Zeit nicht?“ Oliver schüttelte den Kopf und spielte nervös mit seinen Fingern.

„Sie haben mir die Schuld an dem Unfall gegeben und wollten danach nichts mehr mit mir zu tun haben“, erzählte er ganz leise und seiner Stimme merkte man an, wie sehr ihn das alles aufwühlte, aber Dan ließ nicht locker. Wenn er Oliver verstehen und ihm helfen wollte, dann musste er alles wissen.

„Aber wenn ich Oma richtig verstanden hab, dann warst du doch gar nicht dabei, als sie verunglückt sind. Wie kannst du dann daran schuld sein?“

„Deine Briefe lagen im Handschuhfach, Daniel, und einen davon hielt meine Mutter noch in der Hand, als man sie aus dem Wrack geschnitten hat. Ich hab keine Ahnung, was drin stand, denn ich hab nur den letzten zu Gesicht bekommen, aber meine Großeltern meinten, dass diese Briefe meinen Vater wohl so aufgeregt hätten, dass er die Kontrolle über das Auto verloren hat. Und das mit 150 auf der Autobahn.“ Oliver schluckte. Noch nie hatte er mit jemandem darüber gesprochen, wie es gewesen war, als die Polizei vor der Tür seines Elternhauses gestanden und ihm mitgeteilt hatte, dass er gerade Vollwaise geworden war, und dann auch noch von der eigenen Verwandtschaft beschuldigt zu werden, an der Tragödie schuld zu sein. Daniel war entsetzt, verwirrt und fassungslos. Tröstend legte er seine rechte Hand auf Olivers Oberschenkel und flüsterte: „Es tut mir leid. Ich hab nicht gewusst, dass deine Eltern deine Briefe lesen, aber ich hab auch nie was rein geschrieben, was darauf hingewiesen hätte, was zwischen uns gelaufen ist. Das musst du mir glauben, Olli. Ich hätte dich nie in Schwierigkeiten gebracht.“ Oliver legte seine Hand obendrauf und verhakte seine weißen Finger mit den rehbraunen von Daniel.

„Schon gut. Ich glaub dir ja, aber es tut halt ziemlich weh, wenn das alles wieder hoch schwappt.“ Inzwischen waren sie am Ziel angekommen und Dan half Olli aus dem Auto. So belastbar waren die Wunden dann doch noch nicht und es zog unangenehm, als Olli den Rücken wieder gerade bog.

„Aaach, da seid ihr ja endlich.“ Daniels Oma flog lachend und mit ausgebreiteten Armen auf Oliver zu und umarmte ihn vorsichtig, bevor sie ihn ein Stück von sich weg hielt und ihn ausgiebig von oben bis unten betrachtete. „Mein Gott, Oliver, bist du groß geworden und so ein hübscher junger Mann.“ Olli wurde ganz verlegen und ein Hauch Rosa legte sich auf seine Wangen. So eine stürmisch freundliche Begrüßung hatte er lange nicht bekommen, aber es tat gut, dass ihn Daniels Oma so völlig ohne Vorurteile empfing und in ihm sicher immer noch den unterentwickelten Teenager von damals sah, der in ihrer Küche denkwürdige Kuchenberge verzehrt und literweise Kakao geschlürft hatte.

„Danke übrigens, Frau Sommer, dass Sie mich ein paar Tage bei sich aufnehmen“, versuchte Olli seine Verlegenheit zu überspielen und ein bisschen vom Thema abzulenken.

„Ach Papperlapapp“, lachte Daniels Oma los. „Und von wegen Frau Sommer … ich bin Oma Heidi, so wie immer, und ich bleib auch beim Oliver, denn ich bin schon alt und kann mir deinen ausländischen Nachnamen nicht mehr merken. Und nun kommt erst mal rein, ich hab nämlich das Mittagessen auf dem Herd.“

Am Abend dann sah Daniel zum ersten Mal die Wunden und blauen Flecken auf Olivers Rücken, als seine Oma die Wundsalbe, die er aus dem Krankenhaus mitbekommen hatte, darauf verteilte und den Verband erneuerte, weil er sich dazu einfach nicht in der Lage fühlte.

„Deine Frau muss ein Tier sein“, bemerkte er sarkastisch, als sie sich später mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern bewaffnet auf der Hoftreppe niederließen. „An deiner Stelle würde ich sie wegen Körperverletzung anzeigen.“

„Das kannst du laut sagen“, schnaufte Oliver. „Die Hand gegen mich erhoben hat sie ja schon oft, aber das war echt nicht mehr normal und ich hab ehrlich gedacht, dass sie mich totschlägt. Allerdings anzeigen? Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“

Er überlegte noch einen kurzen Augenblick, aber dann erzählte er Daniel einige Szenen aus seiner Ehe und letztendlich doch, wie es dazu gekommen war, dass seine Frau so ausrastete. Eigentlich war es ihm unendlich peinlich, Daniel zu beichten, dass er von ihm geträumt hatte und von ihrem ersten gemeinsamen Morgen auf dem Baumhaus. Er konnte ihn auch nicht ansehen, so unangenehm war ihm die Sache, und er selbst hatte schon die Farbe einer vollreifen Tomate angenommen.

„Willst du darüber reden?“, fragte Daniel wie beiläufig und starrte in sein Weinglas, als könnte er darin die Antwort auf all seine Fragen finden.

„Willst du es?“, antwortete Oliver und sah Daniel aus den Augenwinkeln heraus an.

„Ich muss da nicht drüber reden, Olli, denn für mich war es immer richtig, nie peinlich und ich hab auch niemals auch nur eine Minute bereut.“ Daniel atmete tief durch und stand auf. „Lass uns schlafen gehen.“ Mit einer Hand zog er Oliver von der Treppe hoch und plötzlich standen sie ganz nah voreinander, berührten sich ihre Körper und zogen sie tief den Atem des anderen in ihre Lungen. Ihre Haut begann zu vibrieren und ihre Herzen pumpten Unmengen Adrenalin durch ihre Körper. Das Bedürfnis, den anderen auf der Stelle um den Verstand zu küssen, war mit einem Schlag einfach unmenschlich groß. Und nur noch Millimeter trennten ihre bebenden Lippen voneinander, als Daniel minimal mit dem Kopf schüttelte und sich wieder entfernte.

„Nicht, Olli“, hauchte er. „Mach es für mich nicht noch schwerer.“ Er nahm seinen Schlafsack und seine Isomatte von der Bank, verschwand in der Dunkelheit und ließ einen völlig verwirrten Oliver zurück.

Als Dan am nächsten Morgen erwachte, zwitscherten um ihn herum die Vögel, sein Schädel brummte und sein Rücken schmerzte von dem harten Boden, auf dem er sich die ganze Nacht herumgewälzt hatte. Mühsam kletterte er die Leiter nach unten und schlurfte zurück ins Haus.

„Ich bin halt doch nicht mehr der Jüngste“, jammerte er, aber es war keiner da, der ihn bedauert hätte. Stattdessen lag neben dem Teller mit dem frischem Brötchen ein großer Zettel, auf dem in einer krakeligen, an Sütterlin erinnernden Schrift stand:

Oliver und ich sind rasch auf den Friedhof, das Grab von Opa neu bepflanzen und seine Eltern besuchen. Kaffee steht noch in der Thermoskanne auf dem Tisch und wo der Kühlschrank ist, weißt du ja selber. Gruß Omi.

Und darunter stand etwas kleiner und ordentlicher:

Das mit den Eltern muss ich mir noch überlegen!!! Gruß Oliver.

Zärtlich strich Daniel mit dem Finger über Ollis Unterschrift. Wenigstens so fühlte er sich ihm nah und die selbst auferlegte Distanz war nicht mehr ganz so schwer zu ertragen. Er beschloss, erst einmal ausgiebig duschen zu gehen und dann gemütlich zu frühstücken. Wenn Oma Olli mit auf den Friedhof geschleppt hatte, dann sicher nicht nur, um ihn als nette Unterhaltung zu missbrauchen. Inzwischen kannte er sie einfach auch zu gut, als dass er nicht ahnte, dass sie mal wieder an der Schicksalsschraube drehen wollte und das könnte mitunter auch länger dauern.

Das allerdings, was Daniel nur vor dem geistigen Auge entlang flimmerte, erlebte Oliver live und in Farbe. Die ganze Zeit über, als Oma Heidi am Grab ihres Mannes herumbuddelte, stand er vorsichtig an einen Baum gelehnt da, hatte die Hände in den Hosentaschen und hörte ihr zu. Aber nicht mit einer Silbe kam sie auf Daniel und ihn zu sprechen, fragte auch nicht, was damals war und warum heute so eine seltsame Spannung zwischen ihnen herrschte, sondern sie erzählte von ihrem Mann und wie sie sich kennen gelernt hatten, damals, so kurz nach Kriegsende, und von ihrer Ehe, die auch nicht immer nur aus Sonnenschein bestanden, sondern genauso ihre Krisen gehabt hatte, sie erzählte von schweren Zeiten hier auf dem Land, die sie beide überstanden hatten, und von der langen Krankheit, von der er sich nicht mehr erholt hatte. Aber sie erzählte auch von der tiefen Liebe, die sie die ganzen Jahre hindurch verbunden hatte und um die sie immer gekämpft hatten, von der Wärme und Geborgenheit, die sie in seiner Nähe empfunden hatte und ohne die sie längst verloren wesen wäre und von dem blinden Vertrauen, dass er immer für sie da sein würde, auch über den Tod hinaus. Sie redete ganz leise, so, als wäre es ein Zwiegespräch zwischen ihr und ihrem toten Mann, aber Oliver verstand jeden Satz, jedes Wort und es ging ihm nicht nur unter die Haut, sondern traf ihn viel tiefer, denn eigentlich hielt ihm Oma Heidi damit gerade auch einen unerbittlichen Spiegel vor.

„Ähm, Oma Heidi“, unterbrach er die alte Frau mit belegter Stimme und stieß sich leicht vom Baum ab. „Du weißt doch sicherlich, wo das Grab meiner Eltern ist oder? Ich kann mich nämlich nicht mehr so genau daran erinnern.“ Daniels Oma drehte sich um und lächelte ihn aufmunternd an.

„Aber sicher, mein Junge. Den Hauptweg ganz nach hinten und dann auf der rechten Seite. Es ist kaum zu verfehlen, denn es steht ein riesengroßer schneeweißer Engel zwischen ihren Gräbern.“ Oliver trabte los und je näher er der letzten Ruhestätte seiner Eltern kam, umso mulmiger wurde ihm. Sie waren tot, sicher, aber das, was er ihnen zu sagen hatte, würde ihm deshalb nicht leichter fallen. Die letzten Schritte waren fast ein Schleichen und dann endlich stand er vor ihrem Grab. Nein, eigentlich vor ihren Gräbern, denn nicht mal im Tod waren sie ein Paar. Jeder hatte sein eigenes Grab, jeder seinen eigenen Stein, als hätte es ein „Wir“ nie gegeben.

„Mum, Dad“, begann er ganz leise. „Ich bin’s, Oliver. Euer einziger missratener Sohn.“ Und dann fing auch er an, zu erzählen. Er schimpfte nicht über seine strenge Erziehung, wohl aber darüber, dass er ohne die Nestwärme aufwachsen musste, die er als Kind so bitter gebraucht hatte. Er machte sie auch nicht für sein, in seinen Augen, verpfuschtes Leben verantwortlich, aber er gab ihnen zumindest eine Mitschuld daran, dass er heute in einem engen Korsett aus veralteten Moralvorstellungen, einer zutiefst konservativen Weltanschauung und einem antiquierten Standesdünkel fest hing. Erst ganz zuletzt erzählte er schließlich von Daniel und diesem kleinen zarten Pflänzchen namens Liebe, was sich vor zehn Jahren schon zwischen ihnen zu entwickeln begann, und er es einfach nur nicht sehen und nicht zulassen wollte. Er hockte sich schließlich hin und wurde immer leiser.

„Ich hab ihn vor gut zwei Wochen wieder getroffen“, murmelte er, „und egal, was ihr jetzt denken oder sagen würdet, ich werde ihn nicht noch einmal gehen lassen, denn er ist alles, was ich brauch, alles, was ich will und neben ihm verliert einfach alles an Wert.“

Eine alte, vom Leben und schwerer Arbeit gezeichnete Hand schob sich plötzlich auf seine Schulter und Oliver zuckte ganz kurz, bis er Oma Heidi erkannte.

„Verzeih, mein Junge, dass ich die letzten paar Worte mitgehört hab, aber ich wollte dich nicht unterbrechen. Du hast das sehr schön gesagt. Nur schade, dass es Daniel nicht gehört hat.“ Olli ließ den Kopf hängen und erhob sich mühsam. Wie aus einem Reflex heraus drehte er sich um, nahm das Gesicht der alten Frau in beide Hände und küsste sie auf die Stirn.

„Ach Omi, er würde mir doch sowieso nicht glauben. Für ihn muss man erst schwul sein, bevor man ihn lieben kann.“ Resignierend ließ er die Frau wieder los, wand sich ein letztes Mal zum Grab seiner Eltern um, verabschiedete sich leise und nabelte sich in dem Moment, in dem er sich wieder zurückdrehte, seinen Körper strafte und nach vorne ging, unbewusst aber endgültig von ihnen ab.

Schnell hatte er Oma Heidi eingeholt, die schon vorgegangen war, und nahm ihr die schwere Gießkanne aus der Hand.

„Oh, das ist aber lieb“, bedankte sie sich. „Aber um noch mal auf dein Problem mit Daniel zurückzukommen, Oliver. Du meinst, er würde dir nicht glauben, aber hast du ihm denn schon jemals gesagt, was du für ihn empfindest?“

„Du meinst, so ein richtiges „Ich liebe dich“?“ Daniels Oma schmunzelte. Der junge Mann neben ihr war Ende 20, hatte es irgendwie geschafft verheiratet zu sein und war in ihren Enkel noch genauso schwer verliebt wie damals, wenn sie seine Blicke richtig deutete, aber in Liebesdingen offensichtlich so unbeholfen wie ein pubertierender Teenager.

„Nein, so hab ich das nicht gemeint“, begann sie zu erläutern, „sondern, ob du ihm schon mal irgendwie zu verstehen gegeben hast, was er dir bedeutet hat, wie sehr du ihn gemocht hast oder vielleicht immer noch oder wieder magst und wie sehr du ihn brauchst. Es muss ja nicht immer gleich das schwerste aller Geschütze sein, aber ich denke einfach, Daniel weiß nicht genau, was du in ihm siehst.“

„Aber andersrum ist es doch genauso“, rechtfertigte sich Olli trotzig. „Er macht immer nur ein paar Andeutungen und wenn ich nicht zufällig schon wach gewesen wäre, als er im Krankenhaus davon gesprochen hat, dass er sich in mich verliebt hatte vor zehn Jahren, dann wüsste ich es auch bis heute nicht.“

„Ach, ihr beiden. Ihr seid aber auch wie die zwei Königskinder.“ Am Hoftor blieb Oma Heidi dann stehen und bevor sie die Klinke nach unten drückte, legte sie eine Hand auf Olivers Brust und klopfte mit jedem Satz sanft dagegen. „Rede mit ihm! Klärt das, was mal zwischen euch gewesen ist und werdet euch darüber klar, was ihr heute füreinander empfindet.“ Sie grinste schelmisch und ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass sie einen auf jeden Fall schon erwachsenen und gestandenen Captain der Lufthansa vor sich hatte, knuffte sie ihn in die Wange. „Du bist mir schon einer, aber ich hätte dich trotzdem gern als Schwiegerenkel.“ Oliver riss die Augen bis auf Tellergröße auf. Er selbst hatte das Wort „verliebt“ noch nicht mal gedanklich in den Mund genommen, weil es sich für ihn immer noch seltsam anhörte und Daniels Oma sprach mit ihm so frei von der Leber weg über dieses Thema, dass es ihm glatt die Sprache verschlug. Verwirrt blieb er vorm Haus auf der kleinen Bank sitzen.

„Mein Schwiegerenkel“, murmelte er vor sich her, grinste kopfschüttelnd und je öfter er es sagte, umso besser gefiel ihm dieses Wort und plötzlich klang es auch gar nicht mehr so unangenehm.

„Na, Friedhofsgärtner“, frotzelte plötzlich eine tiefe sanfte Stimme neben ihm, „sind wir endlich zurück von der Gräbertour? Dann geh dir mal schnell die Fingerchen schrubben. Ich wart im Auto auf dich, oder hast du etwa deinen täglichen Live Auftritt im Krankenhaus vergessen?“ Oliver griente noch immer.

„Ach, Daniel. Wenn ich dich nicht hätte.“ Sie sprachen nicht viel auf dem Weg in die Klinik und zurück und wenn, dann waren es die tausend kleinen Themen, über die sie früher schon immer geredet hatten. Unbemerkt fingen sie an, wieder über dieselben Dinge zu lachen, sich über dieselben Dinge zu wundern und manchmal sogar im selben Augenblick dieselben Worte zu sagen.

Immer wieder dachte Oliver aber auch an die Bitte von Oma Heidi, doch mit Daniel zu reden, aber er wusste einfach nicht, wie er es anstellen sollte. Er fürchtete sich davor, nicht die richtigen Worte zu finden, und auch, dass er ihn wieder auf die Sache mit dem Schwulsein ansprechen würde. Aber er versuchte zumindest an Dan dranzubleiben und ihm mit kleinen Gesten zu zeigen, dass er für ihn kein Spielzeug war. Fuhr Daniel zum Waldsee, dann fuhr Olli mit, auch wenn seine Wunden ein ausgiebiges Bad im kühlen Wasser noch gar nicht zuließen. Er setzte sich einfach an den Strand und beobachtete diesen athletischen Traumkörper, der ausgelassen herumtollte oder gemächlich seine Bahnen zog. Er half Daniel, das Wohnzimmer von Oma Heidi zu streichen und neuen Teppichboden zu verlegen, fuhr mit ihm in den Supermarkt und griff sich wie selbstverständlich den Rechen, als Dan den Rasen auf der Streuobstwiese zu mähen begann. Es gab kein schwul und hetero, kein schwarz und weiß, kein Steward und Captain und kein arm und reich. Sie waren einfach wieder Freunde, denen man, wenn man aufmerksam war, jeden Tag mehr ansah, dass sie sich hoffnungslos ineinander verliebten.

„Können wir auf dem Rückweg noch mal schnell bei der Polizei vorbei fahren? Ich glaube, ich werde Juliette doch wegen Körperverletzung anzeigen“, bat Olli einen sehr erstaunten Daniel, als sie das letzte Mal auf dem Weg nach Hamburg waren. Die Fäden waren schon am Tag zuvor gezogen worden und nur noch einmal wollten die Ärzte einen Blick auf die Nähte werfen. Eigentlich hätte Oliver auch längst alleine fahren können, denn auch sein Auto hatte er inzwischen mit nach Dekelsen genommen, aber irgendwie fühlte er sich sicherer und ruhiger, wenn Dan dabei war. Außerdem war er auch ein bisschen stolz auf die attraktive Erscheinung an seiner Seite und das Kribbeln in seiner Magengegend nahm erschreckende Ausmaße an, wenn ihn jemand direkt auf Daniel ansprach. So wie die junge Schwester im Krankenhaus, die seinen Verband wechselte, und mit einem Augenzwinkern bemerkte, wie gut Daniel aussah und dass er froh sein konnte, so einen Freund zu haben.

Und genau dieser gut aussehende Freund begleitete ihn dann auch mit zur Wache. Sie hatten gar nicht mehr darüber gesprochen, dass eine Anzeige der erste Schritt wäre, um Juliette in ihre Schranken zu weisen, aber irgendwie war in Olli in den letzten sechs Tagen sowieso eine Wandlung vorgegangen, die auch Daniel nicht verborgen geblieben war. Nicht nur, dass Olli immer seltener die Kratzbürste raushängen und sich nicht mehr so schnell aus der Reserve locken ließ, sondern er wurde auch immer anhänglicher, je näher das Ende von Daniels Urlaub und somit auch der unvermeidliche Abschied rückte. Olli würde noch eine Zeit lang in Dekelsen bleiben, zumindest solange er krank geschrieben war und der Makler in Frankfurt noch keine passende Wohnung für ihn gefunden hatte. Wann sie sich wieder sehen würden, wussten beide allerdings nicht.

Immer wieder versuchte Oliver vorsichtigen Körperkontakt zu Daniel zu bekommen, lehnte ganz unauffällig seinen Kopf an Dans Schulter, als sie abends am Grill saßen und gemeinsam in die Glut schauten, berührte ihn wie zufällig, wenn er etwas zu geben oder zu nehmen hatte und traute sich sogar, ihm vorsichtig über die Lippen zu streichen und seine berühmten Kreise auf Dans Bauch zu malen, als er der Meinung war, er wäre nach dem Schwimmen im Waldsee friedlich auf seinem Handtuch eingeschlummert. Welch ein Irrtum.

Daniel genoss das alles, aber er ging nie darauf ein. In seinem Inneren jedoch wusste er ganz genau, dass er den Annäherungsversuchen seines blonden Sorgenkindes nicht mehr lange standhalten würde, denn auch in ihm wuchs mit jeder Minute die Sehnsucht, ihn wieder zu berühren, ihn in den Arm zu nehmen, ihn zu streicheln und nur zu gern wollte er auch diese sündhaft weichen Lippen wieder auf seinen fühlen. Wenn Olli sich nicht bald entschließen würde, wenigstens ein Stück weit aus seinem Schrank zu kommen, dann würde er für nichts mehr garantieren können und irgendwann alle guten Vorsätze fahren lassen.

Wie nah Olli an diesem „aus dem Schrank kommen“ schon dran war, konnte Daniel am Samstagmorgen natürlich nicht wissen. Es war sein letzter Tag in Dekelsen. Morgen früh würde er allein nach Frankfurt zurückfahren und am Abend würde ihn seine erste Schicht nach dem Urlaub nach Tel Aviv und wieder zurückführen und irgendwie freute er sich auch darauf. Fliegen konnte regelrecht zur Sucht werden und bei ihm war das auch voll und ganz eingetreten. Ganz gemächlich begann er seine sieben Sachen zusammenzusuchen, fuhr noch einmal mit Olli raus zum Waldsee und erst weit nach dem Mittagessen machte er sich daran, noch ein paar letzte Kleinigkeiten am Baumhaus in Ordnung zu bringen. Mit den letzten Dachpappeschindeln kniete er auf dem Dach der kleinen Hütte, hatte sich ein paar Nägel zwischen die Lippen geschoben, um nicht immer wieder nach der Kiste angeln zu müssen, und hämmerte in einem gleich bleibend monotonen Rhythmus Reihe um Reihe auf das massive Holzdach, um es so vor Wind und Wetter zu schützen.

„Warum hast du mir damals nie gesagt, dass du dich in mich verliebt hast?“ Überrascht ließ Daniel den Hammer sinken und drehte sich herum. Oliver stand offensichtlich auf der Obstkiste, die er sich auf den kleinen Balkon des Baumhauses gestellt hatte, um besser aufs Dach zu kommen, hatte seine Arme auf die Kante gelegt und sah ihn mit einem ganz seltsamen Ausdruck in den Augen an. Daniels Herz begann zu bollern.

„Weil du immer gesagt hast, dass du nicht auf Jungs stehst, Olli. Es hätte also nichts geändert, außer, dass du dich vielleicht von mir abgewendet hättest. Das wollte ich einfach nicht riskieren. Also hab ich den Mund gehalten und hab gedacht, dass es schon wieder vorbei gehen wird. Aber woher weiß du davon?“ Er runzelte die Stirn und ließ Olli keine Sekunde aus den Augen.

„Als ich noch so halb bewusstlos war, hast du es dem Krankenhausfenster anvertraut“, schmunzelte Oliver, aber schon bei der nächsten Frage war das aufgeregte Zittern in seiner Stimme wieder da. „Wärst du sehr überrascht, wenn … wenn … ich dir erzähle, dass es mir damals genauso gegangen ist wie dir?“ Dan hatte inzwischen weiter Schindel für Schindel ans Dach genagelt und klopfte unbeirrt weiter, als er antwortete.

„Du willst mir doch jetzt nicht wirklich erzählen, dass du genauso verliebt warst wie ich? Ich denke du bist nicht schwul? Und geh mal bitte von der Kiste runter, ich bin hier oben nämlich fertig.“ Mühsam kraxelte Dan wieder runter vom Dach und stand Olli jetzt direkt gegenüber, der vor Nervosität schon gar nicht mehr wusste, wohin mit seinem Blick und dessen Handflächen sich schon ganz schwitzig anfühlten.

„Ich bin … ich denke … vielleicht … ach Scheiße, Dan … ich weiß nicht, ob ich schwul bin oder nicht“, ratterte Oliver runter. „Ich war in DICH verliebt, verstehst du, und nie in einen anderen Typen und es gab auch nie einen anderen Körper, der mich auch nur halb so interessiert hat wie deiner.“ Sein Blick hing irgendwo in der Unendlichkeit des Himmels fest, so unangenehm war ihm die ganze Angelegenheit und mit fast schon vorwurfsvoller Stimme fuhr er fort: „Ich weiß nicht, ob man gleich schwul ist, wenn man sich einmal in einen Mann verliebt, aber das ändert doch nichts an dem Gefühl, was ich mal für dich gehabt hab.“

Daniel schluckte hart. „Und warum hast du es mir nie gesagt?“, fragte er ganz leise und ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen. Oliver knickte ein und rutschte an der Außenwand des Häuschens entlang zu Boden. Verzweifelt zog er die Knie bis unters Kinn und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

„Ich konnte einfach nicht, Daniel. Du weißt ja nicht, wie das ist, wenn man immer wieder eingetrichtert bekommt, dass es krank und pervers ist, wenn ein Mann einen Mann liebt, wenn von dir schon von Kindesbeinen an erwartet wird, dass du der Familie keine Schande machst und irgendwann standesgerecht heiratest. Irgendwann hatte ich es so verinnerlicht, dass ich schon fast selbst geglaubt hab, dass es eklig und abartig ist, was ich gefühlt hab. Und du hast auch keine Ahnung, wie schlimm es ist, seine Gefühle immer zu verstecken, damit es ja keiner merkt, lügen zu müssen, um wenigstens ein paar Stunden mit dem Menschen, den man so sehr mag, verbringen zu können. Ich durfte dich nicht lieben, verstehst du? Es hätte nur Schwierigkeiten gegeben. Deshalb hab ich nichts gesagt.“ Oliver schluchzte und Daniel befürchtete, dass hinter den vorgehaltenen Händen dicke Tränen über das geliebte Gesicht kullerten. Der Dunkelblonde war aufgewühlt wie noch nie. Sein ganzer Körper bebte und schüttelte sich, als hätte er unendlich große Schmerzen.

Fast geräuschlos legte Daniel sein Werkzeug beiseite und hockte sich neben Oliver. Er zögerte kurz, zupfte dann aber doch behutsam an ein paar dunkelblonden Strähnen herum. So etwas in der Art, wie Olli ihm gerade an den Kopf geschmissen hatte, hatte er sich schon fast denken können, aber es nun direkt von ihm zu hören, traf ihn mehr, als er erwartet hatte. Nicht nur, dass er ihm gestanden hatte, dass auch er damals in ihn verliebt gewesen war, sondern vor allem, dass er einräumte, doch nicht so genau zu wissen, auf welcher Uferseite er lebte. Daniel war einfach sprachlos und wusste im ersten Moment gar nicht, wie er reagieren sollte.

Vorsichtig kroch er noch ein Stück näher an Oliver heran, legte seine Arme um ihn und zog ihn ganz dicht an seinen Körper.

„Kannst du dich noch an die vorletzte Nacht hier oben erinnern?“, nuschelte er leise an Ollis Haare. Das Schluchzen verstummte und sinkende Hände gaben ein verweintes Gesicht preis.

„Du meinst die, wo das schlimme Gewitter war?“

Daniel nickte amüsiert. „Ich hatte so einen Schiss damals, Olli, das glaubst du gar nicht, und dir hat das überhaupt nichts ausgemacht, als es direkt über uns geblitzt und gekracht hat.“ Oliver wischte sich mit dem Ärmel von Daniels T-Shirt die letzten Tränen aus den Augenwinkeln und ein vorsichtiges Lächeln kam zum Vorschein.

„Dooooch, ich hab das gemerkt. Du hast dich an mich geklammert, als wenn dir jemand ans Leben will und bist mir fast unters T-Shirt gekrochen bei jedem Blitz.“ Plötzlich jedoch hörte Olli wieder auf, zu lachen, und wurde ganz nachdenklich. „Ich hab versucht, dich zu beruhigen, und du hast nur gemeint: Wenn wir hier heil rauskommen, dann gehören wir zusammen ….“ Er stockte kurz und würgte den Kloß in seinem Hals hinunter, „…für den Rest unseres Lebens.“ Seine Gedanken waren gerade dabei sich zu überschlagen und seine Gefühle schwankten zwischen Panik und Glück, als er zwei Finger von Daniel unter seinem Kinn fühlte, die ihn unmissverständlich zwangen nach oben zu sehen und zwei Lippen, die sich zärtlich auf seine legten. So sehr hatte sich Olli in den letzten Tagen diesen Moment herbeigesehnt, aber nun war er einfach viel zu durcheinander, um ihn wirklich genießen zu können.

„Ich glaub, ich geh dann mal besser“, murmelte er auch sofort, nachdem sie den Kuss wieder gelöst hatten und befreite sich aus Dans Umarmung. Etwas verstört und wie neben der Spur kletterte er die Leiter wieder hinunter und rannte schon fast zurück ins Haus. Aber auch Daniel war total aufgekratzt. Ob er es wollte oder nicht, aber in seinem Bauch schienen sich die Schmetterlinge im Rekordtempo zu vermehren. Wortlos saßen sich die beiden dann am Abendbrottisch gegenüber und trauten sich nicht einmal, sich in die Augen zu sehen.

„Na, ihr zwei, ihr seid ja sehr gesprächig an eurem letzten Abend“, bemerkte Oma Heidi in die Stille und sah von einem zum anderen.

„Ja“, versuchte Oliver abzulenken, „ich bin ein bisschen müde heute.“ Er stand auf und schob seinen Stuhl an den Tisch. „Gute Nacht allerseits.“ Und auch Daniel schlenderte kurz danach wieder zurück zum Baumhaus. Nur heute fand er einfach keine Ruhe. Ständig ging ihm wieder das Gespräch mit Olli und vor allem der Kuss von heute Nachmittag im Kopf herum, dieser ureigenste Geruch von ihm, den er verströmte, wenn er total aufgeregt war, und das herrlich berauschende Gefühl, als er sich in seine Arme gekuschelt hatte. Er brauchte einfach Klarheit und er brauchte sie jetzt gleich.

Hektisch strampelte er sich aus dem Schlafsack frei, griff nach der Sturmlaterne und nur Minuten später sah man ein leicht schwankendes Licht durch die Dunkelheit in Richtung Haus wandern. Daniel kam sich wieder vor wie zu seiner besten Sturm und Drang Zeit, wenn er wieder mal viel zu spät den Weg von der Disco nach Hause gefunden hatte.Ganz behutsam öffnete er die Haustür und schlich auf Zehenspitzen die Treppe zu seiner Kemenate hinauf. Nur keinen Laut verursachen, auch wenn ihm sein verdammtes Herz da gerade einen Strich durch die Rechnung machen wollte und lautstark vor sich hinrumpelte. Vor seiner Zimmertür atmete er noch einmal tief durch und öffnete sie erst mal nur einen Spalt breit, durch den er gerade so hineinsehen konnte. Oliver lag in seinem Bett, rührte sich nicht und lediglich sein ruhiger Atem war zu hören. Daniel schlüpfte, noch immer auf Zehenspitzen, hinein, drückte die Tür leise ins Schloss und drehte den Schlüssel herum.

„Schlimmer als ein verknallter Teenager“, schimpfte er im Stillen mit sich selber, als er einfach nur da stand und diesen atemberaubenden Anblick genoss, von dem er wohl nie genug bekommen würde. Ollis Gesichtszügen waren ganz entspannt, fast schon anbetungswürdig niedlich und sahen im hereinfallenden Mondlicht noch um einiges jünger aus als ohnehin schon. Ein leichtes Schnaufen war zu hören, als er sich plötzlich bewegte und auf die Seite drehte. Daniel hielt den Atem an, aber Sekunden später lag Olli wieder ganz ruhig da, bis er unerwartet mit einer Hand hinter sich griff und die Decke anhob.

„Kannst du dich jetzt endlich für einen Platz an meiner Seite entscheiden oder willst du doch lieber wieder zurück in dein luftiges Ersatzbett“, grummelte Olli mit geschlossenen Augen und dem Dunkelhaarigen blieb fast das Herz stehen vor Schreck. Ohne Widerrede krabbelt er unter die angebotene Decke, schmiegte sich vorsichtig an Ollis Rücken.

„Woher hast du gewusst, dass ich da bin?“, schnurrte er in seinen Nacken und bei Oliver begann sich sofort, Tausende kleine Härchen aufzurichten.

„Ich weiß nicht.“ Der dunkelblonde Captain gähnte leise, grabbelte unter der Decke nach hinten und zog einen Arm von Daniel um sich rum zu sich nach vorn. „Vielleicht hab ich ja einen kleinen Mann im Ohr oder einen Daniel-Sensor im Bauch. Vielleicht hab ich mir aber auch einfach nur lang genug gewünscht, dass du kommst.“

„Du hast dir gewünscht, dass ich komme?“ Daniel rückte noch näher an Oliver heran, küsste ganz leicht die Stelle unterhalb vom Ohr, von der er noch immer wusste, dass es eine der empfindlichsten an seinem Körper war und Olli keuchte sofort auf.

„Was hätte ich denn tun sollen, nachdem du dich so zurückgezogen hast? Ich hatte solche Sehnsucht nach dir, dass ich fast irregeworden bin in diesem Bett.“ Eigentlich war das schon Antwort genug auf die Frage, die Daniel so auf den Nägeln brannte, aber dass Olli mit ihm ins Bett wollte, musste ja nicht gleich auch automatisch heißen, dass er auch was für ihn fühlte. Damals hatte es ja auch völlig ohne Gefühl zwischen ihnen angefangen. Behutsam ließ er seine Hand auf Ollis Bauch auf und ab wandern, streichelte seinen Arm entlang, bis sich ihre Finger miteinander verhakten. Minutenlang sagte keiner ein Wort, aber Daniel musste es einfach noch genauer wissen.

„Oliver“, flüsterte er an seiner Schulter, „kann ich dich mal was fragen?“ Olli kicherte.

„Du fragst doch schon die ganze Zeit. Nu mach schon, damit wir heut auch noch irgendwann die Augen zu kriegen.“

„Könnte es passieren, dass du dich noch mal in mich verliebst?“ Der Dunkelblonde löste die Verbindung ihrer Finger, drehte sich herum und im Halbdunkel des Zimmers sahen sie sich in die Augen.

„Du meinst heute, in dich als erwachsenen Mann?“ Daniel war sofort verunsichert, da die Gegenfrage auch mit so einem eigenartig ironischen Unterton kam.

„Ja, verdammt. Warum nicht? Ich bin halt schon ein paar Jahre älter wie damals und ich hab auch ein paar Falten mehr, aber sonst bin ich doch noch ganz gut zu gebrauchen und ich hab mich nicht so sehr verändert wie du.“ In Oliver fing es schon an zu glucksen.

„Also ich glaube nicht, dass es passieren könnte“, gab er sehr überzeugend von sich und wartete auf den traurig enttäuschten Blick von Daniel, der dann auch prompt kam. Liebevoll streichelte Oliver seinem dunkelhäutigen Freund übers Gesicht, küsste ihn sanft auf die Nasenspitze und konnte sich ein breites Grinsen nicht mehr verkneifen.

„Es könnte nicht mehr passieren, Daniel, weil ich glaube, dass es längst passiert“, hauchte er. „Aber ich will dir noch nicht zu viel versprechen, weil ich nicht genau weiß, ob ich nach dem Fiasko mit meiner Frau gleich die Kraft für was Neues hab.“ Sie küssten sich ganz behutsam, fast schon zaghaft und kuschelten sich enger aneinander.

„Das geht schon in Ordnung, Captain. Mir geht’s ja auch nicht anders. In den Oliver, den ich jetzt gerade im Arm halte, würde ich mich auf der Stelle wieder verlieben, aber ich hab dich leider inzwischen auch ein paar Mal anders erlebt und gar nicht wieder erkannt und ob ich diesen Oliver unbedingt haben will, weiß ich nicht so richtig.“

In Oliver keimte das schlechte Gewissen, aber er wusste auch genau, dass er seine über Jahre antrainierten Verhaltensmuster nicht so einfach ablegen konnte wie ein paar kaputte Schuhe. Hier, alleine mit Daniel und seiner Oma, war das was ganz anderes. Hier war er nicht Captain Besson, nicht der Mann der Airbus-Chefin und nicht verantwortlich für Hunderte von Menschenleben. Hier konnte er wieder der kleine Junge sein und alles ausleben, was er sich sonst immer verbot. Hier konnte er Gefühle zeigen, auch mal weinen, wenn ihm danach war und hier konnte er auch einen Mann lieben, ohne Angst um seinen Ruf zu haben. Immer enger schmiegte er sich an Daniels Brust, genoss die Nähe und die Wärme, die er ihm gab, und hatte die Augen schon längst geschlossen, als ihm noch etwas einfiel.

„Daniel“

„Hmm“

„Ich brauch dich!“

„Ahmm“

„Und ich will dich auch!“

„Das ist schön.“

„Aber ich schaff das nicht allein.“ Daniel fuhr ihm mit den Fingern zärtlich durchs Haar.

„Das musst du auch gar nicht, Hasenfuß, oder hast du schon vergessen: Wenn wir hier heil rauskommen, dann gehören wir zusammen, für den Rest unseres Lebens. Und nun gib mir noch ’nen letzten Kuss und dann mach endlich die Augen zu.“ Oliver streckte sich ein wenig und schon hatte er Daniels Lippen eingefangen, die ihm bereits suchend und leicht geöffnet entgegenkamen. Zärtlich schmusten sie miteinander, bis Olli sich einfach nicht mehr zurückhalten konnte und vorwitzig seine Zunge in Daniels Mund schlängelte. Und genau wie damals brandeten Wellen des Glücks durch ihre Körper, als sich ihre Zungenspitzen trafen und miteinander spielten, als hätten sie nie etwas anderes getan. Nur mit Mühe und schwer atmend konnte sie sich schließlich voneinander trennen, hauchten immer wieder kleine Küsse auf die Lippen des anderen und streichelten sich gegenseitig in den Schlaf.

***

„Puah, endlich mal wieder ein paar Tage frei.“ Kiky streckte sich ausgiebig, als der letzte Passagier die Lufthansamaschine verlassen hatte, die vor gut einer halben Stunde aus Ankara kommend in Frankfurt gelandet war. Es war kurz vor drei Uhr morgens und alles, was sie jetzt noch wollte, war nach Hause zu fahren und sich in ihr eigenes Bett zu kuscheln. „Gibst du mir bitte mal mein Handgepäck runter, Dan“, gähnte sie ohne Scheu.

„Aber ja doch, mein Schatz.“ Mit Leichtigkeit reichte Daniel ihr das Objekt der Begierde.

„Apropos ‚Schatz’.“ Mit vier Fingern deutete sie scherzhafte Gänsefüßchen an. „Wann seht ihr euch denn endlich wieder?“ Kiky war auf einmal wieder hellwach und funkelte neugierig mit den Augen.

„Nicht so laut“, flüsterte Daniel zurück. Vorsichtig drängte er seiner besten Freundin an den anderen Stewardessen vorbei die Gangway hinunter in die laue Spätsommernacht.

„Ich bin doch gar nicht laut“, hauchte Kiky zurück und kicherte leise. „Außerdem hab ich keinen Namen gesagt, so, wie du es mir befohlen hast, mein Gebieter.“ Daniel knuffte sie leicht in die Seite.

„Du bist echt unmöglich, Weibsstück. Warum hab ich dir bloß davon erzählt? Aber ich kann dir nicht … obwohl … Moment!“ Er blieb mitten auf dem Weg zum Terminal stehen, kramte sein Handy aus der Tasche und tippt sein Pin ein. „Na wer sagt’s denn. Drei verpasste Anrufe in Abwesenheit und eine SMS.“

„Und was steht drin?“ Kiky versuchte über Dans Arm hinweg einen Blick auf das Display zu erhaschen.

„-Ruf mich an, wenn du wieder in Deutschland bist-, steht drin“, befriedigte er Kikys Neugier und unterschlug den restlichen Teil der Nachricht, in dem stand: „-weil ich was Dringendes mit dir zu besprechen hab und weil ich es nicht mehr länger aushalte ohne dich. –

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