Only bad news is good news
Dieses Jahr hat er sich nun zum zehnten Mal gejährt – dieser Tag, der sich in das kollektive Bewusstsein eingebrannt hat, wie kein anderer der letzten 20 Jahre. Jeder, der damals schon alt genug war, um mitbekommen zu haben, was passiert, wird sofort wissen, dass ich von den „berühmten“ Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center spreche – und ich wage zu behaupten, dass nicht wenige noch ziemlich genau wissen, was sie getan haben, als sie erfuhren, was passiert war.
Die Geschehnisse rund um dieses Datum, deren Auswirkungen teilweise noch heute spürbar sind (die verschärften Sicherheitskontrollen bei Amerikareisen zählen dabei sicherlich zu den harmloseren Beispielen), gehören sicherlich zu Recht zu den Dingen, die wohl niemand so schnell vergessen können wird. Und das ist auch gut so, zeigen sie uns nämlich auf fürchterliche und eindringliche Weise, wozu Menschen in ihrem Hass auf alles Andersartige (wie auch immer dieses Andere auch geartet sein mag) fähig sind.
Abseits der sehr ausführlichen (um nicht zu sagen teilweise schon fast ermüdenden) Berichterstattung rund um das Geschehene ist mir jedoch wieder einmal sehr deutlich Folgendes klar geworden: Der Mensch ist – flapsig formuliert – „sensationsgeil“; und je schlechter die Nachricht dabei ist (je „katastrophaler die Katastrophe“, je größer das beschriebene Leid oder je schlechter die Aussicht), desto besser.
In meinen Augen sind regelmäßig auftretende Krankheiten wie BSE, Milzbrand, SARS, Vogel- oder Schweinegrippe oder EHEC ein gutes Beispiel hierfür (von Natur- und sonstigen Katastrophen, Amokläufen und desgleichen will ich gar nicht anfangen).
Immer, wenn wieder einmal so ein „Killer-Virus/ -Keim /-was auch immer – Hauptsache Killer“ auftaucht, wird berichtet, was das Zeug hält: Wie man sich schützen kann, wie viele bereits betroffen sind, was die Symptome sind, und so weiter und so fort (im Fall von EHEC kam dann noch die Suche nach einem Schuldigen dazu). Experten (echte, und solche, dies gerne wären) werden befragt und geben Tipps und stellen düstere Prognosen, bei denen sie sich bei der Zahl derer, die erkranken oder gar sterben werden, regelrecht gegenseitig überbieten. Fast könnte man als Konsument der Medien den Eindruck gewinnen, dass diejenige, die die Nachrichten „machen“, sehnsüchtig auf die ersten Opfer warten.
Und ist das erste Opfer dann (endlich?) da, dann beginnt erst der eigentliche Wahnsinn: Es wird von der fieberhaften Suche nach wirksamen Heilmitteln bzw. Impfstoffen berichtet, tragische Einzelschicksale werden ans grelle Licht der Öffentlichkeit gezerrt, es werden Opferzahlen prognostiziert, dass man sich heute eigentlich wundert, dass Europa noch nicht völlig entvölkert ist.
Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt erreicht, an dem ich mich zwei Dinge frage: Erstens – ist diese extreme Panikmache denn wirklich notwendig? Und zweitens – will die Mehrheit der „Medienkonsumenten“ das wirklich lesen/hören/sehen? Müssen es denn wirklich immer schlechte Nachrichten sein, die für Einschaltquoten bzw. Verkaufszahlen sorgen?
Denn das ist – so scheint es zumindest mir – ein sehr beliebter Trick bei allen, die mit der Gestaltung von Medien zu tun haben. Quasi das nachrichtentechnische Äquivalent zu „Sex sells“. Vor allem Billig- bzw. Gratis-Zeitungen vom Schlage einer Bild, einer Heute oder Österreich (gratis Tageszeitungen in Österreich) kann man nicht aufschlagen, ohne von Negativ-Schlagzeilen überhäuft zu werden. Dazu fallen mir – ohne großes Nachdenken – fast unzählbar viele Beispiele ein. Beispielsweise brachte die Bild (und das ist jetzt kein Scherz), als ich in der 7. Klasse einmal auf einer Klassenfahrt in München war, einen Artikel mit dem Titel „Frosch tötet und vergewaltigt Goldfisch“.
Selbst Meldungen, über die man sich eigentlich freuen könnte, werden oftmals so geschickt relativiert, dass sie der beliebten Formel von Journalisten – „Only bad news is good news“ (frei übersetzt: „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“) – gehorchen. So habe ich das zuletzt bei einem Radio-Beitrag zur Freilassung von Amanda Knox aus italienischer Haft erlebt. Da wird eine junge Frau nach vier Jahren unter Mordverdacht für unschuldig befunden und aus der Haft entlassen – und anstatt dass man diese an sich schon eher zweischneidige Nachricht (immerhin ist eine Unschuldige inhaftiert gewesen, wobei ihre Freilassung – vor allem für sie – sicherlich positiv ist) für sich stehen lässt, gibt man Gerüchte zum Besten, nach denen die junge Dame angeblich vom Gefängnisvorsteher missbraucht wurde – und zack! Schon ist wieder eine Portion zusätzliches, wenn auch nicht bewiesenes, Leid dabei, und alle sind zufrieden.
Ich muss ehrlich sagen, ich finde es ziemlich schade, dass es den Anschein hat, als müsste (erfolgreiche) Berichterstattung so funktionieren. Persönlich würde ich mich ab und an über Schlagzeilen in der Richtung des großartigen Liedes von Milva „Hurra, wir leben noch“ sehr freuen – ich fürchte allerdings, dass ich dabei Teil einer Minderheit bin.
In diesem Sinne verbleibe ich in der Hoffnung, dass wenigstens manchmal dass Prinzip „Good news are good news“ Anwendung finden könnte
Euer BBT
PS: Es tut mir sehr Leid, dass ich so lange für diese Kolumne gebraucht habe – aber mein Sommerjob im August und September hat ziemlich viel meiner Energie gebunden.
PPS: Das ist übrigens die erste Kolumne, die wirklich und wahrhaftig „Gedanken einer österreichischen Grübeltante“ beinhaltet – und zwar so, wie sie mir während des Tippens gekommen sind.
2 Kommentare
da fällt mir nur eins dazu ein:
AMEN!
und:
bitte mehr davon!
ich finde du machst das richtig klasse
super geschrieben
und sogar ein pps *weglach*
ich bin begeistert
weiter so!!!