Eine Berufung
Die Sonne schien in das kleine Zimmer und hüllte alles in gleißendes Licht. Das Zimmer war nicht besonders groß, eben eine typische Studentenbude. Überaus praktisch eingerichtet, Bett, Stuhl, Schreibtisch, Schrank und einige Regale an den Wänden. Viel mehr Platz war auch nicht vorhanden. Aber dieses Zimmer wurde zu seinem Zuhause in den letzten Jahren. Es war seine kleine Welt, die er sich so gemütlich wie es irgend ging eingerichtet hatte.
Viel, sehr viel Zeit verbrachte er in seinem Zimmer, die Küche und das Bad teilte er mit noch zwei anderen Studenten. Er verstand sich mit ihnen, aber zu seinen Freunden zählten sie nicht. Man redete eigentlich nur das nötigste, teilte sich die Arbeit in den Gemeinschaftsräumen, ging aber ansonsten seinen eigenen Weg.
Dabei war Ron, der noch immer tief schlafend in seinem Bett lag, kein Typ, der keine Freunde hatte. Ganz im Gegenteil. Er hatte einige Freunde, mit denen er sich sehr gut verstand. Mit ihnen zusammen hatte er immer wieder Zeit verbracht, viel unternommen und auch so manchen Unsinn getrieben.
Gestern hatten sie sich noch mal alle getroffen, haben bis spät in die Nacht gefeiert, denn es gab etwas zu feiern. Sie hatten es alle geschafft! Das Studium war beendet! Aber bei der Feier kam auch Wehmut auf. Würden sie sich alle noch mal wiedersehen? Wie sollte es mit ihrer Freundschaft weitergehen? Jeder hatte seine Vorstellungen, was er machen würde, aber Ron hatte als einziger noch keinen echten Plan.
Er hatte Sozialwissenschaften studiert, sich seinen größten Wunsch erfüllt. Er liebte es mit Menschen zu arbeiten. Er hatte auch keine Schwierigkeiten, neue Kontakte zu knüpfen, war offen für alles und jeden. Nun aber, nachdem er mit dem Studium fertig war, sollte es losgehen. Aber noch war er sich nicht sicher, welchen Weg er genau einschlagen sollte.
Immerhin stand die Grobrichtung fest: Er wollte mit Jugendlichen arbeiten, ihnen das Leben zeigen und Perspektiven in der heutigen Zeit mit auf ihren Weg geben. In seinem Praktikumsstellen hat er die Arbeit mit den Jugendlichen immer genossen, sie machte ihm am meisten Spaß.
Über die Vermittlung der Uni hatte er einige Adressen bekommen, bei denen er sich bewerben konnte. Auch bei einigen Praktikumsplätzen hatte man ihm versichert, dass sie ihn jederzeit nehmen würden. Also würde er wohl keine Probleme haben, erst mal eine Arbeit zu finden. Aber eine Woche wollte er sich eine kleine Auszeit gönnen. Er wollte nach den anstrengenden letzten Wochen einfach nur mal raus, er wollte es einfach.
Gestern, vor der Feier hatte er schon alle Sachen gepackt und sein Motorrad fertig gemacht. Sein Plan war eigentlich keiner. Er wollte sich nur auf seine Maschine setzten und einfach die Straßen langdüsen, ohne festes Ziel.
Das hatte er schon öfter in den Semesterferien gemacht. Jedes Mal lernte er neue Leute kennen, neue Städte und Landschaften. So sollte es auch diesmal wieder werden. Immer, wenn der Studienstress in den letzten Wochen überhand nahm, setzte er sich einen Moment lang hin und schwelgte in Gedanken. Er sah sich fahren, den Wind spüren und dachte an die vielen Leute, die er kennenlernen würde. Danach ging es ihm besser und die Arbeit ging wieder leichter von der Hand.
Die Sonne ist inzwischen weitergewandert und kitzelte sein Gesicht. Die angenehme Wärme, die er verspürte ließ ihn leicht blinzeln. Auf, auf, ihr müden Leiber, der Wald steckt voller Weiber war der erste Gedanke der ihm kam.
Das war der typische Spruch von Andreas, seines Zeichen Gartenbauarchitekt und einer der engsten Freunde von Ron. Immer wenn Andreas es eilig hatte kam dieser Spruch von ihm. Für Ron war der Gedanke an einem Wald voller Weiber zwar nichts, was ihn motivieren konnte, aber dieser Spruch kam ihn in den Sinn.
Er war plötzlich hellwach, sprang nahezu aus dem Bett und machte sich auf den Weg zum Bad. Bei seinen Mitbewohnern war nichts zu hören, sie waren noch später heim gekommen als er. Auch sie hatten gefeiert.
Seine Laune war spitzenmäßig. Überschwänglich duschte er erst einmal, anschließend Zahnpflege und mit einem Handtuch um die Hüfte zurück in sein Zimmer, das er so liebgewonnen hatte.
Bald, nach seinem Ausflug, müsste er sich eine neue Unterkunft suchen, aber diesen unangenehmen Gedanken schob er beiseite – er hat eine Woche Urlaub! Und nichts sollte die Freude daran mindern!
Ron zog sich die Sachen an, die er schon am Vorabend herausgelegt hatte und machte sich auf leisen Sohlen aus der Wohnung. Er wollte sich noch von seinen Freunden verabschieden, bevor sein Abenteuer beginnt.
Zuerst wollte er Mike und Katrin verabschieden. Sie wohnten ganz in der Nähe, waren das Traumpaar des Studienganges, angehende Anwälte und natürlich Rons Freunde. Schon als er die Treppen heraufeilte hörte er Lachen und viele Stimmen im Flur. Also hatten noch mehr Leute den gleichen Gedanken wie er.
Die Tür wurde geöffnet und Katrin begrüßte ihn stürmisch.
„Schön, dass du noch vorbeikommst. Geh rein, es sind alle da, aber stolpre nicht über unsere Sachen“, sagte sie zu Ron und zog ihn in die Wohnung.
Da waren alle seine Freunde versammelt und begrüßten ihn ebenfalls. Mike, Katrins Schatz, reichte ihm zuerst die Hand. Dann Andreas, der grüne Daumen der Gruppe, Johann der angehende Notar, Paul ebenfalls Anwalt, Kerstin die Tierärztin und natürlich Ralf.
Ralf war kein Student, er machte in der Nähe eine Ausbildung zum Koch. Die Gruppe lernte ihn an einem Abend kennen, als sie unterwegs waren und eine kleine Gaststätte entdeckt hatten.
Das Essen hatte ihnen allen so gut geschmeckt, dass sie den Koch kennenlernen wollten, der es fertigbrachte, allen Geschmäckern recht zu werden. Dann aber staunten sie nicht schlecht, als der Azubi mit seiner etwas zu großen Kochmütze vor ihnen stand.
Seine etwas unbeholfene Art machte ihm sofort sympathisch und so kam es, dass er in die Gruppe aufgenommen wurde. Ron mochte ihn sofort, diese grünen Augen und das braune, halblange Haar dazu ließen ihm immer wieder träumen. Er war anfangs etwas schüchtern, was ihn noch liebenswerter machte, als er sich aber in die Gruppe integriert hatte, lernte man ihn erst richtig kennen und schätzen.
Es gab nichts, was er nicht für einen Freund machen würde. Leider hat er nach Abschluss seiner Lehre keinen Job bekommen, hing quasi in der Luft. Aber er versprühte einen Optimismus, dass sich alle sicher waren, dass er auch etwas finden würde.
„Wollen wir noch in die Mensa zum Frühstück gehen?“
Kerstin machte den Vorschlag, der sofort von allen begeistert aufgenommen wurde. Fröhlich zog man zum Ort der Essenseinnahme, der heute eher schwach frequentiert war.
Die meisten ehemaligen Studenten hatten wohl noch mit einem Kater zu kämpfen, andere wiederum sind gleich gestern nach Haus gefahren. Es wurde eine fröhliche Runde, aber die Zeit zum Aufbruch kam immer näher.
Das Traumpaar wollte zu den Eltern von Mike fahren, wo sie Unterkunft und Arbeit in der Väterlichen Kanzlei hatten. Andreas hat eine Anstellung in Magdeburg gefunden, die er so schnell wie möglich antreten sollte, Johann und Paul wollten ebenfalls nach Hause zu den Eltern und Kerstin blieb noch eine Woche im Wohnheim. Sie hatte noch einige Sachen zu klären, die Zeit bedurften.
Ralf hatte es nicht weit, wohnte er doch in der Nähe bei seinen Eltern und Ron wollte nun auch endlich sein Abenteuer beginnen. Schade, dass Ralf Angst auf dem Motorrad hatte, gern würde Ron ihn auf seiner Fahrt mitnehmen. Immer öfter sah er in seinen Gedanken, wie sie gemeinsam durch die Gegend fuhren, sich treiben ließen und sich vielleicht auch noch näher kamen…
Die Sonne stand fast am höchsten Punkt, als sich alle nochmal in den Arm nahmen, sich zum Abschied noch mal drückten und dann auseinanderstoben. Für keinen der Gruppe war der Abschied schön, jeder hatte eine Traurigkeit zu tragen. Aber alle wollten sich unbedingt wiedersehen, das stand fest!
Ron verscheuchte die trüben Gedanken so gut es ging und zog sich in seiner Bude den Lederkombi an. Die Sachen geschnappt und auf zu seiner geliebten Maschine. Er hatte sie vor fast zwei Jahren gebraucht gekauft. Es war nicht der beste Kauf gewesen, wie sich einige Zeit später zeigte. Allerlei kleine Mängel kamen zum Vorschein, die er immer wieder reparieren lassen musste. Fahren konnte er zwar, aber in technischen Sachen hatte er keinen Durchblick.
So steckte er nach und nach ein kleines Vermögen in die Maschine, aber er wollte sie nicht mehr hergeben. Sein Herz hing an ihr, wenn er sie auch manchmal verfluchte. Ron hatte alles festgeschnallt und noch mal kontrolliert. Er schaute sich noch mal um, aber der Platz war wie leergefegt.
Freudig erregt setzte er den Helm auf und ließ den Starter arbeiten. Nun war er allein und das Abenteuer konnte beginnen!
Sein erster Weg führte ihn in die Nähe von Brandenburg. Sein einziges festes Ziel, das er hatte. Hier, in einem Altenheim wollte er seine Oma besuchen, die ihn im Alter von 7 Jahren bei sich aufnahm, als seine Eltern bei einem tragischen Autounfall ums Leben kamen. Wieder einmal hatte ein betrunkener Autofahrer eine glückliche Familie zerstört.
Er hielt die Erinnerung an seine Eltern stets im Herzen, aber die Trauer um den Verlust hat sich dank seiner Oma gelegt. An vieles konnte er sich auch nicht mehr erinnern. Viel mehr machte er sich Sorgen um seine Oma. Es fing schleichend an. Zuerst vergaß sie Namen, dann fielen ihr Wörter nicht mehr ein und als er sein Studium begann vergaß sie sogar, was sie machen wollte. Die Demenz hat ihre schleichenden Hände nach ihr ausgestreckt. Das tat ihm in der Seele weh, seine geliebte Oma so verwirrt zu sehen.
Es gab damals keinen anderen Weg, als sie in ein Heim zu geben. Das Geld, was ihm seine Eltern hinterlassen hatten, hat die Oma für ihn gut angelegt. So konnte er sich sein Studium finanzieren und sich auch sein Motorrad als einzige Luxusausgabe leisten.
Der Raum war abgedunkelt als er ihn betrat. Er ging zum Bett und ergriff die Hand seiner Oma. Sie drehte den Kopf in seine Richtung. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Erkannte sie ihn? Die Schwester hat gesagt, dass es ihr immer schlechter ginge. Er redete sich ein, dass sie ihn erkannte und erzählte, wie er es immer machte, von sich.
Einen kurzen Moment hatte er den Eindruck, dass sich ihre Augen klärten, als sie ihm direkt anschaute. Er hielt inne mit seiner Erzählung und lauschte ihren ganz leise geflüsterten Worten. Aber sie ergaben keinen Sinn. Es hörte sich so an, als ob sie gesagt hätte, dass er Lotto spielen sollte.
Einerseits machte es keinen Sinn, andererseits waren ihre Augen ganz klar. Oder sollte es eine Metapher sein, eine ihrer Weisheiten, die er nur zu gut kannte, die er immer gemocht hatte? Sie drehte ihren Kopf weg und die Schwester betrat das Zimmer.
„Ich glaub, es ist besser wenn sie jetzt gehen, sie ist erschöpft“, sagte sie freundlich zu Ron.
Er stand auf, drückte nochmals die Hand, die ihm großzog und verließ das Zimmer mit Tränen in den Augen. Auf dem Parkplatz musste er erst einmal tief durchatmen und steckte sich eine Zigarette an. Er rauchte selten, aber in solchen Momenten brauchte er es einfach. Nachdem er sich beruhigt hatte machte er sich auf den Weg ins Unbekannte.
Noch in Gedanken an seine Oma fuhr er einfach die Straßen entlang, durch Orte, die nicht im Gehirn hängenblieben. Einfach nur geradeaus. Er sah nicht die Felder, an denen er vorbeifuhr, nicht die Menschen am Wegesrand die den herrlichen Tag zu einem Spaziergang nutzten. Die Sonne schien kräftig und langsam machte sich auch wieder ein warmes Gefühl in ihm breit.
Er dachte an die schöne Zeit mit seiner Oma, an die Schulzeit, die eigentlich auch ganz schön war und an das zurückliegende Studium. Erst jetzt konnte er begreifen, dass er fertig war. Es kam ihn wie eine Erleuchtung vor, dass er fortan keine Prüfungen mehr hatte oder Hausarbeiten schreiben musste.
Seine Laune besserte sich zusehends. Er konnte langsam wieder klare Gedanken fassen und es wurde ihm leichter ums Herz. Ein Hungergefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Grade war er doch an einem hübschen kleinen Gasthof vorbeigefahren? Ron verlangsamte die Geschwindigkeit, drehte um und fuhr den Weg zurück.
Er stellte sein Motorrad vor dem Gasthof ab und suchte sich einen kleinen Tisch am Rande der Terrasse. Der Sonnenschirm spendete Schatten, den er auch dringend nötig hatte, langsam wurde ihm warm in den Lederklamotten. >Ich sollte mir mal einen Sommeranzug kaufen< ging es ihm durch den Kopf. Die Bedienung, ein etwas unfreundlich wirkender Herr legte wortlos die Speisekarte auf den Tisch.
So unfreundlich die Bedienung war, um so viel besser war das Angebot. Er bestellte sich ein Essen und ein Getränk und ließ es sich gut gehen. Nachdem Ron sich ausgiebig gestärkt hatte, auch eine Zigarette genehmigte er sich, machte er sich auf um noch etwas von der Gegend zu sehen. Er kehrte den Hauptstraßen den Rücken und genoss die Fahrt auf kleinen Wegen, die zum Teil schon fast Feldwege waren.
Seine Stimmung war gut, die Gedanken an den Abschied von seinen Studienkollegen und seiner Oma verflogen, folgte er einen alten, ziemlich holprigen Weg, der scheinbar nur noch von Landwirtschaftsfahrzeugen genutzt wurde. Da passierte es!
Der Motor seiner Maschine ging plötzlich aus, sagte keinen Mucks mehr! Und das inmitten der Einöde! Er stieg ab und lief zweimal um sein Motorrad herum. Leise vor sich hin fluchend, versuchte er den Zündschlüssel zu drehen. Aber es passierte nichts.
>Das hat mir gerade noch gefehlt, mitten in der Pampa und ich hab keine Ahnung, wie ich das Ding wieder zum Laufen bekommen kann< dachte er und zerrte den Helm vom Kopf. Es wurde warm in seinem Kombi und so zog er sich das Oberteil herunter und band die Ärmel um seinen Bauch.
Aus dem Rucksack zog er eine Karte hervor, um zu sehen, wo er war. Aber der Weg war so klein, dass er auf der Karte nicht zu finden war. Nur eine ungefähre Vorstellung hatte er von seinem Standort. Auch ein Blick um 360 Grad brachte keine Erkenntnis. Es war einfach nichts zu sehen, kein Haus, kein Baum, und schon gar kein Schild.
Sollte er die fünf Kilometer zum nächsten Ort zurücklaufen, oder sollte er weiter vorwärts laufen, um wieder zur Zivilisation zurückzukehren? Sollte er das Motorrad schieben, oder nur seinen Rucksack auf dem Rücken mitnehmen? Er setzte sich an den Wegesrand, zündete sich vor Frust eine Zigarette an und grübelte.
An diesem Punkt hätte er vor Wut auf den Tank einschlagen können, aber er wusste genau, dass es nur eine Beule geben würde, nicht mehr. Seine Laune war auf einem Tiefpunkt angekommen. So hatte er sich den Ausflug nicht vorgestellt!
Seine Entscheidung stand fest. Er schob die Maschine an den Wegesrand, schloss sie ab und schulterte seinen Rucksack. Es brachte ja nichts, er musste Hilfe holen. Er wusste weder wo genau er war, noch hatte sein Handy Empfang. Aber wen hätte er schon anrufen können?
Der Ort, den er zuvor durchfahren hatte, machte einen freundlichen Eindruck. Es gab nicht viele Häuser, aber alle sahen gepflegt aus. Also trat er den Weg zurück an, irgendeiner wird sich schon finden, der helfen kann. Gedankenverloren machte er sich auf den Weg als er hinter sich ein Geräusch wahrnahm.
Es hörte sich an wie ein kleines Glöckchen, das da hinter ihm klingelte. Als er sich umsah, konnte er in der Ferne ein Fahrrad auf sich zukommen sehen. Die Klingel machte sich bei jeder Unebenheit bemerkbar. Er hob die Hand, um die schon tiefstehende Sonne abzuschirmen. Er freute sich, dass in dieser Einöde jemand unterwegs war, der vielleicht helfen konnte.
Schnell näherte sich das Fahrrad und kam neben ihm zu stehen. Was er da zu sehen bekam, verschlug ihm die Sprache! Die Haare des Jungen, der nun neben Ron stand, waren strohblond, halblang, ein wenig verschwitzt hingen sie ihm in der Stirn und seine Augen leuchteten blau. Seine Wangen waren gerötet, wobei eine mehr Farbe hatte, als die andere. Er hatte nur ein Hemd an und eine halblange Hose, seine Gestalt war dünn und wirkte auf Ron sehr zerbrechlich, nahezu zart. Er schätzte ihm auf etwa sechzehn Jahre.
„Hallo“, sagte er mit einer sehr sympathischen Stimme, „ist das dein Motorrad da hinten?“ und zeigte in die Richtung, aus der Ron kam. Ron musste sich erst sammeln, zu sehr verwirrte ihn der Anblick des Jungen und nickte nur.
„Kann ich dir vielleicht helfen?“ fragte dieser. Ron musste sich zusammenreißen. Noch nie ist es ihm so ergangen, wie jetzt, es hatte ihm einfach die Sprache verschlagen. „Das ist meine Maschine, sie ging plötzlich aus und nichts tut sich mehr“, brachte er dann endlich heraus.
Sollte dieser Bengel ihm helfen können? Er hatte ein Fahrrad, könnte sicher schnell Hilfe holen und er würde sich die vier Kilometer Fußweg sparen. „Sie ist einfach nur ausgegangen und nichts geht mehr?“, hakte der Blondschopf nach. Ron nickte nur zur Bestätigung.
„Kann ich sie mir mal ansehen, vielleicht kann ich was machen. Ich schraub öfter an Mopeds rum“, sagte er und senkte den Blick etwas. Ron war sich unsicher. Ob dieses Jüngelchen ihm wirklich helfen konnte? Ein Moped war nun mal kein Motorrad. Was aber hatte er zu verlieren. Außerdem fand er die schüchterne Art, wie er sich gab niedlich. Dachte er eben grade niedlich? Der Junge war doch fast noch ein Kind.
„Aber wenn du nichts machen kannst, fährst du ins nächste Dorf und holst Hilfe“, meinte Ron und der Junge sah ihm freudig an und nickte. „Okay, dann lass uns zurückgehen“, sagte Ron und machte den ersten Schritt. „Soll ich den Rucksack aufs Fahrrad nehmen“, fragte der Junge und schaute Ron sehr durchdringend in die Augen, dass ihm ein Schauer den Rücken runter lief. „Nein, lass mal, es ist ja nicht weit, es geht schon“, Ron wollte die Hilfsbereitschaft des Jungen nicht überstrapazieren.
Schweigend liefen sie nebeneinander her. Jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Beide schielten ab und zu zum Nebenmann und öfter trafen sich ihre Blicke und beide mussten schmunzeln. Am Motorrad angekommen setzte Ron den Rucksack ab und löste die Verknotung seiner Ärmel, die nun lose herunterhingen.
Er kramte den Schlüssel raus und reichte ihn den Jungen. Mit einem Lächeln griff er ihn und steckte ihn in das Schloss und drehte ihn. Aber wie schon zuvor tat sich nichts, kein Laut gab das Gerät von sich. „Hast du schon mal die Sicherungen kontrolliert?“, fragte er mit einem entwaffnenden Lächeln.
Ron schüttelte mit dem Kopf. Er hatte keine Ahnung von Technik, wusste noch nicht einmal, wo er an seinem Motorrad nach Sicherungen suchen sollte. Der Junge zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und entriegelte mit ihm die Sitzbank. Das hatte Ron auch schon öfter gemacht, lag doch dort sein Notfallpäckchen, das er regelmäßig überprüfte. Auch die Batterie war dort drin versteckt, die er im Winter immer ausbaute. Aber mehr hat er dort drin nicht wahrgenommen.
Der eifrige Moped Schrauber schien genau zu wissen, was er suchte. Tief mit dem Kopf in der Öffnung hängend machte er einige Handgriffe, die Ron sehr professionell vorkamen. Dann richtete sich der Junge auf, hielt ein kleines, farbiges Plastikteilchen nach oben und grinste Ron an.
„Ich glaub, ich hab´s gefunden, deine Hauptsicherung ist durch“, sagte er nicht ohne Stolz in seiner Stimme. Ron war baff! Dieser kleine Kerl hatte sein Problem gelöst! Er musste sich eingestehen, dass dieser Blondschopf viel mehr drauf hatte, als er zum Anfang vermutet hatte.
„Da, das kann ja nicht wahr sein“, kam es stockend aus Rons Mund. „Hast du eine Ersatzsicherung dabei, oder soll ich eine holen?“, fragte der Junge. Ron zuckte mit den Schultern, „ich weiß nicht, ich hab nur das bisschen Werkzeug dabei“, und zeigte auf den schmalen Wickel, den der Junge zuvor aus der Öffnung im Sitz genommen hatte. Dieser griff ihn sich und begutachtete den Inhalt. „Ne, hier ist keine dabei, hast du vielleicht noch einen Ersatzlampenkasten dabei?“ „Nein, nur was da ist“, sagte Ron und kam sich auf einmal hilflos vor.
Der Blondschopf stand auf und ging zu seinem Fahrrad, „ich fahr schnell nach Hause und hol eine Sicherung, nicht wegrennen“, sagte er grinsend und schon trat er in die Pedale. Ron musste lächeln. Wie flink und geschickt der kleine war. Dabei fiel ihm ein, dass er noch nicht mal den Namen des Jungen wusste. Er setzte sich ins Gras und dachte nach. Über sein Ausflug und die Begegnung mit dem schönen Unbekannten.
*-*-*
Olaf trat kräftig in die Pedale. Er kannte den Weg, ist ihn schon dutzende Mal gefahren. Eigentlich war sein Tag total beschissen gewesen. Zuerst rief ihn sein Meister und Lehrausbilder an, dass er sofort zum Objekt kommen sollte, dann machte er ihm alles nicht recht. Wieder einmal ist dem Meister die Hand ausgerutscht. Und nur, weil er ihm nicht den richtigen Schraubenschlüssel gereicht hat.
Aber lange braucht er sich das nicht mehr gefallen zu lassen, noch vier Wochen, dann hat er die Lehre beendet und würde sich sofort eine neue Arbeit suchen. Bei diesem Typen bleibt er auf gar keinen Fall, dass stand für ihm fest! Auch wenn Manfred, sein Meister, ihm eine feste Anstellung versprochen hat, stand sein Entschluss fest. Er wollte sich nicht mehr wie ein kleines Kind behandeln lassen, schließlich war er schon 19 Jahre alt.
Auch wenn seine Eltern das nicht gut finden würden. Sie waren froh, dass Manfred ihnen angeboten hatte, ihren Sprössling nach der Lehre in ein festes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. In dieser ehemaligen Grenzregion war es mit Arbeit nicht so gut bestellt.
Die Jahrelange Abgeschiedenheit des Dorfes, das sich in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen Staatsgrenze der DDR befand, hat keine rechte Wirtschaft aufkommen lassen, auch nicht nach nunmehr zwanzig Jahren Deutsche Einheit. Olaf wollte nur weg aus diesem Dorf, obwohl es ihm gefiel. Aber das einzige, was er dort machen konnte war entweder „Harzen“ oder bei Manfred arbeiten.
Olaf erreichte den elterlichen Hof, der verlassen war. Die Eltern waren bestimmt bei Nachbarn, um zu klönen. Er lehnte das Fahrrad an die Wand der Werkstatt, die er sich mit seinem Vater in einem ehemaligen Stall eingerichtet hatte. Das meiste hatte Olaf gemacht, schraubte er doch für sein Leben gern an Motoren aller Art herum. Es machte ihm Spaß, außerdem gab es keine andere Beschäftigung im Dorf für einen Jugendlichen in seinem Alter.
Er suchte schnell die passende Sicherung und machte sich wieder auf den Weg. Der Motorradfahrer ging ihm nicht aus dem Kopf. Ständig sah er das Gesicht vor sich, die schwarzen Augen passten einfach super zu seinen dunkelblonden Schulterlangen Haaren. Wie alt mochte er wohl sein, fragte sich Olaf. Er schätzte ihn auf vielleicht 23 Jahre, obwohl er sich eingestand, dass er im Schätzen nicht gut war.
Er musste es erfahren, auch seinen Namen wusste er noch nicht, aber die Blicke, die er immer wieder spürte, hatten ein Kribbeln in ihm ausgelöst, das er schon so lange nicht mehr gefühlt hat. Das spornte ihm an, noch fester in die Pedale zu treten, um endlich wieder bei ihm zu sein.
Nur gut, dass es auf dem Weg Ausweichstellen gab und er grad in eine fahren konnte, als ihm Manfred im Firmenauto entgegenkam. Er fuhr schon wieder wie ein besengter, rechnet der denn nicht mit Verkehr auf dem Weg? Viel los ist ja hier nicht, der Weg führte zum Objekt, wie es alle im Dorf nannten. Es war die alte Grenzkompanie, die hier ihren Sitz hatte. Seit dem Fall der Mauer, war das Objekt verwaist, wurde nur notdürftig aus Mitteln des Bundes instandgehalten.
Mehrere Versuche, es an Investoren zu verkaufen scheiterten, es lag einfach zu abseits und die Wirtschaft in der Gegend beschränkte sich nur auf einige kleine Handwerksbetriebe, die aber auch verstreut lagen.
Und ausgerechnet heute hatte die Sanitärfirma in diesem Objekt zu tun, es sollte die Heizung Winterfest gemacht werden. Wie üblich hat Manfred den Auftrag bekommen, schnell verdientes Geld, wie er sagte. Olaf war zwar nur Lehrling, aber er wusste, dass der Meister nur pfuschte, bei diesem Auftrag. Er hat einfach nur das Wasser aus der Heizung abgelassen und schien damit seine Schuldigkeit getan zu haben. Dass die Rohre noch vollstanden und unweigerlich im Winter zerfrieren würden war ihm egal.
„Hallo, bin wieder da“, rief Olaf schon aus der Ferne und Ron hob seinen Kopf, den er ins weiche Gras gebettet hatte. Olaf hielt und stellte sein Fahrrad hinter das Motorrad. „Sag mal, was ist das eigentlich für ein Weg hier?“ Ron stand auf und ging zu Olaf.
„Das ist ein Weg, der zu einer ehemaligen Grenzkompanie führt, in etwa einen Kilometer ist sie von hier aus“, sagte Olaf und ging zum Motorrad um die Sicherung einzubauen. „Kennst du den bekloppten, der eben hier vorbeigefahren ist?“ Olaf sah lächelnd auf, „das ist mein Meister, der fährt immer wie ´ne Wildsau hier lang. Er rechnet hier einfach nicht mit Verkehr. Eigentlich fährt hier auch kaum jemand lang.“ Olaf arbeitete wieder im Loch des Motorrades.
Ron sah zu, wie Olaf den Schlüssel ins Zündschloss steckte und ihn drehte. Plötzlich leuchteten alle Anzeigen auf. Er betätigte den Starter und der Motor gab sein gewohntes Brummen von sich. Ron fielen jede Menge Steine vom Herzen! Er konnte es nicht fassen, dass dieser Kerl es geschafft hatte!
„Danke“, sagte er zu Olaf, „danke dass du mir geholfen hast.“ Er reichte Olaf die Hand. „Ich heiße Ron, ich hatte mich noch nicht vorgestellt“. Olaf ergriff die Hand und sah ihm lächelnd ins Gesicht. „Ich heiße Olaf und nichts zu danken, hab ich gern gemacht“, und eine leichte Röte überzog sein Gesicht.
Ron liefen leichte Schauer über den Rücken, sie hielten die Hände länger als es normal wäre und beide schauten sich in die Augen. Jeder dachte, wie froh er war, den anderen getroffen zu haben. Sie lösten den Händedruck und Ron zog die Schachtel Zigaretten aus der Tasche, um sie eine zu gönnen.
„Darf ich auch eine haben?“ Olaf schaute ihn erwartend an. Ron überlegte, ob Olaf schon alt genug war um zu rauchen, wischte aber alle Bedenken weg, da sie schließlich keiner sehen konnte. Er hielt ihm die Schachtel hin und gab ihm noch Feuer. Anschließend verstaute Ron alles wieder in seiner Sitzbank und machte diese wieder aufs Motorrad.
Olaf hatte sich zwischenzeitlich ins Gras gesetzt und beobachtete Ron. Er fand ihn einfach toll, so mit dem halbausgezogenen Lederkombi. Seine Bewegungen ließen ihm einen kleinen Schauer über den Rücken laufen. Ron setzte sich zu Olaf ins Gras. „Sag mal, du wohnst in dem Dorf dahinten. Kennst dich bestimmt aus in der Gegend. Ist denn hier eine Übernachtungsmöglichkeit in der Nähe?“
Olaf musste nicht lange überlegen. „Nein, hier in der Gegend wirst du nichts finden, alles nur kleine Dörfer. Da musst du schon noch weiterfahren. Wenn du in Richtung Objekt fährst, musst du nur den ehemaligen Kolonnenweg nach rechts folgen, dann kommst du auf eine größere Straße die nach zwanzig Kilometern in die nächstgrößere Stadt führt. Dort gibt es ein Hotel, in dem du übernachten kannst.“ Olaf sagte es in einem traurigen Tonfall, was Ron mitbekam.
„Wie heißt eigentlich das Dorf in dem du wohnst?“ Olaf musste grinsen. „Neudorf hast du das nicht am Ortseingangsschild gelesen?“ „Nein, ich bin einfach nur gefahren, ohne Ziel. Da interessiert es mich nicht, wie die Orte heißen, durch die ich fahre“, und Ron drückte seine Zigarette aus.
Olaf schaute ihn fragend an. „Machst du dass öfter, ich meine einfach nur zu fahren ohne Ziel?“ „Ja, ist so was wie ein Hobby von mir. Ich fahr einfach, lerne Leute kennen, übernachte irgendwo und genieße nur mal das Leben.“
„Cool, würd ich auch mal machen. Ich hab aber noch keinen Führerschein fürs Motorrad, nur den kleinen fürs Moped.“ „Ja, es macht wirklich Spaß, so kann ich mal abschalten vom Studium.“ Olaf schaute Ron an. „Was studierst du denn?“ „Ich hab Sozialwissenschaften studiert, bin grade fertig geworden und hab mir diese eine Woche gegönnt. Danach muss ich mich um Arbeit kümmern, aber das sollte nicht schwer werden, hab da schon einige Angebote.“
Olaf dachte an seine eigene Situation. Den Führerschein wollte er machen, sobald er die Lehre fertig hat. Aber das Geld hatte er noch nicht ganz zusammen. Aber nur deshalb wollte er auf keinen Fall bei Manfred bleiben. Ron hat es gut, er hat das Studium fertig, ein Motorrad und Jobangebote. Er hatte noch nichts. Seine Laune sank merklich.
„Was machst du eigentlich, wenn ich fragen darf?“, riss Ron Olaf aus seinen Grübeleien. „Ich muss noch vier Wochen machen, dann hab ich die Lehre fertig. Will dann so schnell wie möglich weg von hier.“ „Gefällt es die hier nicht?“, Ron schaute in traurige Augen.
„Doch, es gefällt mir schon, aber es ist ja keine Arbeit hier zu finden.“ „Stellt dich dein Meister nicht ein?“ Olaf schluckte, sollte er einem Fremden sein Herz ausschütten? „Doch, der würde mich sofort nehmen. Aber ich will nicht für ihn arbeiten“, sagte er sehr leise. Das ließ Ron aufhorchen.
„Wieso willst du nicht bei ihm bleiben?“ Ron wollte sich Klarheit verschaffen. Der Junge hatte was auf dem Herzen und er wollte herausfinden, was es ist. „Er ist einfach nur ein fieser Chef. Ich mag ihn nicht. Außerdem haben meine Eltern den Ausbildungsplatz ausgesucht. Mein Fall ist Sanitär und Heizungstechnik nicht, ich wollte immer schon was mit Motoren, Autos und so zu tun haben, aber keine Kanalreinigung.“
Ron musste schmunzeln. „Also hast du einen Beruf lernen müssen, der dir nicht gefällt. Dann kann ich verstehen, dass du nicht bleiben möchtest. Und wenn der Chef dazu noch blöde ist… Aber, was willst du dann machen?“ Olaf zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht, mich vielleicht irgendwo bewerben.“ Ron zog die Schachtel Zigaretten aus der Tasche und hielt sie Olaf hin.
„Auch noch eine?“ „Danke, nett von dir“, und fingerte sich eine aus der Schachtel. „Ich hab zu danken, schließlich hast du meine Maschine wieder flott gemacht.“ Schweigend saßen die beiden nebeneinander. Ron dachte an Olaf, wie gern er ihm doch helfen würde, wenn er es könnte, und Olaf dachte an Ron und sein unbeschwertes Leben. Aber beide schielten immer mal wieder zu ihren Nebenmann.
Als sich ihre Blicke trafen lächelten sie beide. Sie mochten sich, jeder fand den anderen interessant, aber keiner wagte es zu sagen. Die Minuten eilten dahin und die Sonne begann sich zu senken. Beide standen gleichzeitig auf. „Tja, ich muss dann mal weiter, muss mir noch eine Unterkunft für die Nacht suchen.“ Olaf kämpfte mit seinen Gefühlen. Am liebsten hätte er Ron zu sich nach Haus eingeladen, aber das war nicht möglich.
Er konnte unmöglich einen Fremden mit nach Hause bringen, das lange Leben in der Isolation der Grenze hatte seine Eltern misstrauisch gemacht. Sie mochten nicht, wenn der Junge Fremde oder auch Freunde aus der Schule mit brachte. Sie konnten sich nicht einfach öffnen, und das hat auch auf Olaf abgefärbt.
Ron hatte seinen Anzug wieder angezogen und war dabei, das Gepäck festzuzurren. Hin und hergerissen stand Olaf daneben und kämpfte mit seinen Gefühlen. Er wusste, dass Ron kein schlechter Mensch war, er wollte ihm noch so viel fragen, aber er traute sich nicht. Aber genauso erging es Ron. Sonst war er immer aufgeschlossen, aber dieser Junge hat ihn gelähmt.
Es war eine Starre in ihm, die er selber nicht kannte. Er hatte das Gefühl, dass er nichts Falsches sagen durfte, also redete er nur das nötigste. Nur wieso wollte er nicht falsches sagen? Er hatte einfach Angst, etwas kaputtzumachen, das noch gar nicht entstanden war.
Zaghaft hielt Ron Olaf die Hand hin. „Ich hoffe, dass wir uns mal wiedersehen, war echt nett dich kennengelernt zu haben“, mehr konnte er nicht sagen. Er hasste emotionale Abschiede. Und als er die Trauer in den Augen von Olaf sah, wollte er nur noch weg. „Ja, vielleicht sieht man sich noch mal“, sagte Olaf, schnappte sich sein Rad und verschwand.
Ron schaute noch hinter Olaf hinterher, bis er ihn nicht mehr sehen konnte. Noch nie hat er einen Menschen so schnell gern gewonnen. Es schien ihm, als ob Olaf Tränen in den Augen hatte. Sollte er ihm hinterherfahren? Er wollte ihm noch so vieles sagen. Aber spätestens, wenn er wieder vor Olaf stehen würde, fielen ihm keine Worte ein.
Er setzte den Helm auf und startete die Maschine. Kurze Zeit später kam er am Objekt vorbei. Ein kleiner Parkplatz war vor der Umzäunung, die das gesamte Gelände umfasste. Er hielt an, setzte den Helm ab und suchte mit zittrigen Händen seine Zigaretten. Immer wieder gingen die Gedanken zu Olaf. Er konnte dieses Bild nicht loswerden, wie er mit traurigen Augen verschwand.
Als er sich wieder etwas unter Kontrolle hatte, schaute es sich dieses Objekt genauer an. Den Mittelpunkt bildete ein typischer Platten Zweckbau. Er sah noch gut erhalten aus, obwohl er schon knapp zwanzig Jahre leerstand. Zur rechten Seite der Einfahrt waren große Garagen, schräg davor ein Stallähnliches Gebäude ohne Fenster, wie er feststellen konnte. Der Große Plattenbau versperrte die Sicht auf den hinteren Teil des Geländes, aber etwas musste sich noch etwas dahinter verbergen. Er sah nur eine Seitenwand, aber nicht das ganze Gebäude.
Er trat seine Kippe aus und machte sich wieder auf den Weg. Der Kolonnenweg war noch gut erhalten, fast besser als die Straße vom Dorf hier hoch. Die Teilung der deutschen Staaten konnte man noch klar erfassen. Eine breite Schneise zog sich durch den ehemaligen Grenzstreifen, die Vegetation hat noch nicht richtig Fuß gefasst. Jedenfalls fehlten die großen Bäume, die zur linken Seite wuchsen. Da war sicher mal Westdeutschland gewesen, ging es Ron durch den Kopf. Er hatte mit der Studiengruppe mal ein Mauermuseum in Berlin besucht und kannte den ungefähren Aufbau der Grenze.
Sicher war die von Berlin anders, aber die Grundzüge konnte man auch hier erkennen. Langsam fuhr er den Kolonnenweg entlang und traf auf die Straße, die ihm Olaf beschrieben hatte. Spät am Abend fiel er gesättigt ins Bett und schlief vor Erschöpfung auch rasch ein.
Am nächsten Tag hatte er einige Mühe sich aufzurappeln. Alpträume Plagten ihn. Immer wieder sah er seine Oma mit einem Lottoschein in der Hand winken. Olaf fuhr mit dem Moped vor ihm und er schaffte es nicht sich zu nähern. Auch die anderen Freunde geisterten durch seinen Traum. Total gerädert nahm er sein Frühstück ein und dachte immer wieder an Olaf und seine Oma.
Der Kaffee sorgte dafür, dass er die Gedanken wieder auf seine Fahrt richten konnte, langsam verblasten die Erinnerungen an die Nacht. Er startete und die Fahrt ging weiter. Als er an einer Tankstelle halten musste, sah er, dass man dort auch Lotto spielen konnte. Ron war kein Typ, die das Geld zum Spielen zum Fenster rauswarfen.
Lotto hatte immer etwas von bezahlen und nichts zurückbekommen für ihn. Heute wollte er jedoch eine Ausnahme machen. Immer wieder sah er seine Oma vor sich, wie sie lächelte. Was würde sie für Zahlen nehmen? Sicher das ihren Geburtstag, den von Mama und Papa und natürlich seinen. Er machte vier Kreuze in das Kästchen. Fehlen noch zwei. Das Geburtsjahr der Oma? Gut, noch ein Kreuzchen. Schade, dass er nicht wusste, an welchem Tag Olaf Geburtstag hat, er sah ihn wieder vor sich. Wie alt mochte er sein?
Zuerst dachte er, er wäre sechzehn Jahre, aber das konnte nicht sein, schließlich war er bald mit der Lehre fertig. Hat er Abi gemacht? Das aber schloss Ron aus, obwohl er Olaf nicht für dumm hielt. Abi kann aber muss nicht sein. Also, wie alt war er nun? Er machte ein Kreuz in die 19. Zwar konnte sich Ron nicht vorstellen, dass er schon neunzehn war, aber er beließ es dabei.
Er machte nur diesen einen Tipp, wozu auch mehr, dachte er sich. Eigentlich eine dumme Idee, aber bevor er den Zettel zerknittern konnte, schob er ihn über den Tresen, zahlte den Sprit und steckte den Schein in seine Brieftasche.
Auf der Fahrt ärgerte er sich über seine Geldverschwendung. Aber nun war es zu spät und rasch zogen andere Gedanken in seinen Kopf herum. Wieder ließ er sich treiben, besuchte verschiedene Städte und nächtigte mal hier und dort.
Am vorletzten Tag zeigte sein Handy eine unbekannte Nummer an. Er kannte sie nicht und machte einen Rückruf. Es stellte sich heraus, dass es das Altenheim war. Man teilte ihm mit, dass es seiner Oma sehr schlecht ginge. Sofort packte er und machte sich auf den Weg zurück.
Er fuhr diesmal nur Autobahn und Schnellstraßen, immer am erlaubten Limit. >Hoffentlich hält die Maschine das durch< waren seine einzigen Gedanken. Am Abend erreichte er das Heim und wurde von der Schwester zum Zimmer gebracht.
Oma lag wie immer im Bett, nur ihr Gesicht wirkte noch eingefallener. Er ging zu ihr und ergriff ihre Hand. Ihre Augenlieder flatterten, langsam drehte sie den Kopf zu Ron und lächelte ihm ein letztes Mal an…
Die Schwester führte ihn aus dem Zimmer, er hätte den Weg nicht mehr gefunden. Gefühlvoll redete sie auf ihn ein, aber er bekam nichts mit. Ständig wurde sein Körper von Weinattacken geschüttelt. Sicher hat er gewusst, dass es nicht mehr lange gut gehen würde, aber dass es so schnell gehen würde. Damit hatte er nicht gerechnet. Hätte er die letzten Tage bei ihr verbringen sollen? Aber nun war nichts mehr zu ändern. Nun war er ganz allein auf der Welt. Er hatte keine Familie mehr. Als ihm das bewusst wurde, brach er endgültig zusammen.
Die nächsten Tage sah er wie durch einen Schleier. Er konnte sich kaum konzentrieren, immer wieder saß er nur stumm da und starrte ins leere. Zahlreiche Hände ergriffen ihn und halfen ihm bei der Bewältigung der Probleme.
Zur Beerdigung kamen nur eine Handvoll alter Leute, die er von früher kannte. Aber sie konnten seinen Schmerz nicht lindern. Er verkroch sich danach in seiner Studentenbude. Es war keiner seiner Freunde da, er hatte sie auch nicht über seinen schmerzlichen Verlust informiert. Er wollte es mit sich selbst ausmachen.
Die Fotoalben blätterte er immer und immer wieder durch. Da sah er noch mal seine Eltern, seine Oma.
Drei Tage später wachte er auf und als erstes kam ihm ein Spruch seiner Oma in den Sinn: Man muss die Hühnerleiter weiter nach oben steigen, auch wenn sie noch so beschissen ist. Er begriff, was sie damit meinte und rappelte sich auf. Das Leben muss weitergehen, auch wenn es noch so schwerfällt.
Er schnappte sich sein Notizbuch und suchte die Nummer seiner letzten Praktikumsstelle heraus. Dort ließ er sich mit Karl, dem Leiter verbinden. Der Typ war eine Wucht! Er stand zu seinem Wort. Schnell wurden sie sich einig, das Ron vorrübergehend dort arbeiten konnte und vor allem eine Unterkunft bekam.
Den nächsten Tag verbrachte er mit Packen. Es war nicht so viel, so sollte es möglich sein, alles in einen Leihwagen unterzubringen und abzutransportieren. Am nächsten Tag stand er vor Karl, der ihn herzlich wie immer begrüßte.
„Ich freu mich darauf, dich wieder im Team zu haben. Leider kann ich dir den Job nur so lange geben, bis der Kollege wieder genesen ist.“ Karl klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Hauptsache ich komm erst mal unter. Die im Studentenwohnheim machen langsam Druck. Also, danke nochmals, dass ich erst mal hier unterkomme.“
Ron betrat seine Unterkunft. Ein möbliertes Zimmer mit Kochnische und eigenem Bad. Das war nach Jahren in der Studentenbude fast schon Luxus. Er stellte die Sachen ab und machte sich auf den Weg zurück zum Studentenwohnheim. Nachdem er den Leihwagen abgegeben hatte machte es sich zum letzten Mal auf den Weg zum Wohnheim. Etwas Wehmut kam auf, aber er freute sich auch auf sein neues Leben, das nun beginnen sollte, so schmerzhaft der Anfang auch war.
Im Zimmer waren nur noch seine Motorradsachen und ein Rucksack. Er zog sich den Kombi an und verstaute die anderen Sachen im Rucksack. Die Türen der anderen Mitbewohner standen offen, die Zimmer waren schon geräumt. Er sah sich noch mal um und verließ die Wohnung. Beim Pförtner gab er den Schlüssel ab und hinterließ seine neue Anschrift.
Beim Fahren fiel ihm wieder der Lottoschein ein. Das war nun inzwischen über zwei Wochen her, dass er ihn gekauft hatte. Er hielt an einen kleinen Lottoladen, eigentlich hätte er es nicht gemacht, aber der Parkplatz davor sah zu verlockend aus, regelrecht als ob er rufen würde.
„Könnten sie mal bitte nachschauen, ob ich etwas gewonnen habe?“, fragte er die gelangweilt wirkende Frau hinter dem Schalter. „Welche Woche war der Tipp?“ kam es langsam aus ihrem Mund. „Ich weiß nicht genau, wenn sie mal schauen möchten“, und Ron reichte ihr den Schein. „Ah, vor zwei Wochen, na, viel kann es nicht mehr sein, den Jackpot hat da einer aus NRW geknackt, mit nur einem abgegebenen Tipp und es gab noch nicht mal einen zweiten sechser“, sagte sie nun etwas gequält lächelnd. Ron fand es amüsant, sie zu beobachten. Sie war gut informiert, trauerte sie etwa dem großen Glück hinterher. Sie zog aus einem Fach einen Zettel und begann die Zahlen zu vergleichen.
Ihre Augenbrauen zogen sich immer höher, die Farbe wich langsam aus ihrem Gesicht, der Mund öffnete sich, aber kein Ton kam heraus. Sie schüttelte plötzlich den Kopf hin und her und begann die Zahlen nochmals zu vergleichen. „Aber, das kann, nein, nein, nein…. Das kann nicht, oder doch?“ Sie war total verwirrt, sprang auf und knallte den Lottoschein und das Blatt Papier auf den Tresen.
„Wenn sie, also könnten sie mal mitschauen?“ Ron wurde nun auch langsam nervös. Was hatte die Dame denn da entdeckt? „Schauen sie hier, da steht die Woche und auf dem Lottoschein steht sie hier“, stammelte sie und zeigte mit den Fingern auf beide Zahlen. Ron sah, dass sie übereinstimmten und noch etwas sah er. Auf dem Zettel der Dame sprangen ihm seine getippten Zahlen entgegen.
Das Kribbeln begann an den Fußsohlen, machte seine Knie weich, der Bauch fühlte sich mit einem mal voll an und der Kopf war plötzlich leer. Er nahm sich beide Scheine und setzte sich auf dem Stuhl, der in einer Ecke stand. Seine Augen sahen es, aber sein Verstand konnte es noch nicht einordnen.
Die Dame kann um den Tresen herum, inzwischen knallrot im Gesicht und hielt seine Hand, die begann zu zittern. „Haben sie den Schein in NRW gelöst?“ Ich nickte nur und sie starrte mich ungläubig an. „Man, wissen sie was sie gewonnen haben?“ Ron schüttelte seinen Kopf, die Sprache hatte er verloren. „Das ist unglaublich junger Mann, sie sind mehrfacher Millionär, ich kann es gar nicht glauben“, ihre Stimme wurde immer schriller und ihr Kopf noch röter.
„Hätten sie vielleicht etwas zu trinken, mein Hals ist so rau“, krächzte Ron. Die Dame eilte wieselflink hinter den Tresen und kam mit einer Flasche Wasser und zwei Gläsern zurück. Zitternd öffnete sie den Verschluss und hatte Mühe nichts danebenzugießen. Sie reichte Ron das Glas und Prostete ihm zu. „Der Sekt kommt bestimmt später“, sagte sie lächelnd.
Ron befeuchtete seine Kehle, es tat wirklich Not. Die Dame eilte wieder hinter den Tresen und holte ein Heftchen hervor. Sie las angestrengt. Ron beobachtete sie, aber er nahm nicht wahr, was sie eigentlich machte. „Sie müssen den Gewinn anmelden, soll ich für sie anrufen?“ Ron nickte wiedermal.
Sie eilte hinter die Theke, griff sich das Telefon und wählte eine Nummer, die sie aus dem Heft ablas. Zuerst redete sie und winkte dann Ron herbei um ihm den Hörer zu überreichen. „Guten Tag, hier ist Herr Krause, Deutsche Lotto AG. Ich bin zuständig für Großgewinne, mit wem habe ich die Ehre?“ „Hier ist Ron Kramer, ich glaub ich hab da was gewonnen.“ „Herr Kramer, wären sie so gut, und lesen mir die Tippscheinnummer vor, die unten auf dem Schein steht?“ Ron musste erst etwas suchen, dann diktierte er sie ins Telefon. „Herzlichen Glückwunsch Herr Kramer, sie haben den Jackpot gewonnen! Wären sie so nett und sagen mir ihre genaue Anschrift und ihre Ausweisnummer.“ Ron musste sich erst die Adresse seiner neuen Unterkunft in Erinnerung rufen, ehe er sie sagte. Noch einige Daten wurden ausgetauscht, dann war das Gespräch beendet. „Ich brauch erst mal ´ne Zigarette“, sagte Ron und ging zu Tür. Die Dame folgte ihm und nahm auch eine, die ihr Ron anbot. „Haben sie schon eine Idee, was sie mit dem Geld machen?“ „Ich hab keine Ahnung, aber als erstes wird ich zum Friedhof fahren“, sagte Ron und blies den Rauch langsam aus den Lungen.
„Ich möchte ja nicht neugierig sein, aber wieso zum Friedhof?“ Ron schmunzelte. „Das kann ich ihnen sagen. Ich muss meiner kürzlich verstorbenen Oma danke sagen.“ Verwundert schaute ihn die Frau an. „Sie hat es mir gesagt dass ich Lotto spielen soll.“ Ron grinste noch immer, drückte die Frau und zog sich den Helm über. „Ich werde noch mal vorbeikommen, dann gibt es Champagner, versprochen.“ Sie winkte ihm noch hinterher, als er schon nicht mehr zu sehen war, im Verkehr abgetaucht war.
Ron fuhr gradewegs zum Friedhof und ging in den Blumenladen. In Gedanken überschlug er seine finanzielle Situation. Er soll zwar mehrfacher Millionär sein, aber im Moment sahen seine Finanzen nicht so gut aus. An reines Barvermögen hatte er noch einige hundert Euro, die für den Aus- und Einzug in seiner neuen Bleibe dienen sollten. Gut, dieses Problem bestand nun nicht mehr, hatte er doch eine schöne Unterkunft gefunden, ohne Geld in Möbel investieren zu müssen.
Auf seinem Konto befanden sich noch gut dreitausend Euro, Geld das aus der Hinterlassenschaft seiner Eltern stammte. Oma hatte es sehr gut angelegt und Ron war auch sparsam, so dass es wirklich für die ganze Studienzeit reichte. Er kaufte ein riesiges Gesteck und legte es am Grab seiner Oma nieder. Er war nicht gläubig, aber mit einem Gebet dankte er für alles, was die Oma für ihn getan hat. Es dauerte eine Weile, bis seine Tränen wieder getrocknet waren und er den Friedhof verließ.
Draußen musste er sich erst mal eine Zigarette anzünden. Langsam machte sich Ron Sorgen. Er sollte langsam wieder aufhören so viel zu rauchen, aber leider brauchte er das jetzt. So viel war in den letzten Wochen geschehen.
Im Jugendheim angekommen machte er sich erst einmal daran, seine Sachen auszupacken, die er vor Stunden einfach nur abgestellt hatte. Kurze Zeit später klopfte es. Man brauchte ihn, er war schon fest von Karl eingeplant. Er kannte noch alle Abläufe, war er doch erst vor einem viertel Jahr hier gewesen. Die Arbeit lenkte ihn ab und erst nach Stunden war er wieder auf seinem Zimmer und fiel in einen traumlosen Schlaf.
Die nächsten Tage hatte ihn die Arbeit gefangen, kaum hatte er Zeit, über seinen Gewinn nachzudenken. Es machte ihm immer wieder Spaß, mit den Jugendlichen zu arbeiten. Die Zeit verging wie im Fluge und plötzlich wurde er aus einer Gruppenrunde rausgerufen.
Ein Herr im Anzug erwartete ihn. „Guten Tag Herr Kramer“, begrüßte ihn der Herr und reichte ihm die Hand. „Ich bin Herr Krause, können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?“ Ron grübelte, wo er diesen Namen schon mal gehört hatte, bis es ihm wieder einfiel. Das war der vom Lotto!
„Bitte, kommen sie, gehen wir auf mein Zimmer“, und wies ihm den Weg. Auf dem Zimmer reichte Herr Krause ihm nochmal die Hand. „Herzlichen Glückwunsch noch einmal zu ihrem Lottogewinn! Wie fühlt man sich nun als Millionär?“ Ron wusste nicht, was er antworten sollte, zu viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf. Krause sah das, es war nicht das erste Mal, dass er die Aufgabe hatte, einen Neu Millionär zu gratulieren und wichtige Hinweise und Tipps zu geben.
Das Gespräch dauerte fast zwei Stunden. Ron machte sich eifrig Notizen und versuchte alles nüchtern zu betrachten, als ginge es gar nicht um ihn. Erst als sich Herr Krause verabschiedet hatte machte sich ein ungutes Gefühl in ihm breit.
Sein Leben hat sich schlagartig verändert! Nicht nur, dass er mit dem Studium fertig war, er war nun auch reich, richtig reich! Die Gesamtsumme belief sich auf 13,6 Millionen Euro. Er konnte diese Summe gar nicht fassen. Er legte sich auf sein Bett und schloss die Augen und die Welt drehte sich. Ihm wurde schwindlig und musste die Augen wieder aufreißen. Er fixierte einen Punkt an der Decke und ließ seinen Gedanken freien Lauf.
Also, was zuerst kaufen? Ron war nicht der Typ, der Luxusgüter als Symbol des Kontostandes zur Schau stellen wollte und konnte. Er wollte keinen Ferrari, oder eine dicke Uhr. Goldkettchen lehnte er auch ab. Wozu brauchte er all das Geld? Krause hat ihm was von Anlegen gesagt und auch Adressen von seriösen Maklern genannt.
Aber wollte er das Geld noch mehr vermehren um dann vielleicht einer von den reichen Pissern werden, die er schon immer eklig fand? Gut, er war nun auch ein reicher Pisser, aber es machte ihm keine Freude. Er musste sich etwas einfallen lassen, wie er sein Geld einsetzen konnte, ohne das er auch mal so ein Schnösel werden würde.
Was sollte er machen? Krause hat ihm gesagt, dass es gut wäre, sich erst mal einen kleinen Wunsch zu erfüllen. Aber hatte er denn einen Wunsch, den er sich erfüllen musste? Ron dachte nach, was wollte und brauchte er? Ein neuer Laptop kam ihn in den Sinn. Sein alter hatte nun schon einige Jahre auf dem Puckel und ständig hatte er Probleme, ins Internet zu kommen. Das wär doch schon mal ein Wunsch.
Er sollte mal in den nächsten Tagen zu einem Händler fahren und sich auf den neusten Stand bringen zu lassen. Mehr viel ihm im Moment nicht ein, er hatte alles was er brauchte. Eine Wohnung anzumieten wär auch Blödsinn, ging es ihm durch den Kopf. Lange würde er eh nicht im Jugendheim arbeiten. Karl sagte was von drei Wochen. Aber danach? Er musste etwas finden, was ihm Spaß machen würde und er mit seinem Geld etwas bewirken konnte.
Ron stand auf und ging wieder nach unten, wo ihm Karl schon erwartete. „Ron, alles in Ordnung, du siehst so blass aus. Gab es Ärger?“ „Nein, keinen Ärger Karl, es ist alles in Ordnung, ich mach mich mal wieder an die Arbeit“, und ging in den Gemeinschaftsraum des Heimes.
Sofort war er wieder abgelenkt, die Gedanken drehten sich nur um die Jugendlichen. In einem kurzen Moment der Ruhe sah er es auf einmal deutlich vor sich. Die Arbeit mit den Jugendlichen machte ihm so viel Spaß und gab ihm so viel, dass er einen Entschluss fasste. Er wollte sein Geld für Sachen einsetzen, die helfen würden. Aber es sollte keine Stiftung werden, sondern er wollte sein eigenes Ding aufziehen! Aber würde das gut gehen?
Die restliche Zeit war er etwas fahrig, immer und immer wieder dachte er an seine Idee, umso mehr er nachdachte, umso besser kam sie ihn vor. Das müsste so klappen, aber er brauchte Hilfe, viel Hilfe. Zuerst musste er sich klar werden, an wem sich sein Projekt orientieren sollte.
Es gab so viele Einrichtungen, die er persönlich kennenlernen durfte, oder von ihnen aus dem Studium erfahren hatte. Alle möglichen Gruppen hatten ihre Lobby, was auch gut ist, aber er wollte die erreichen, für die keiner da war. Er war nicht in armen Verhältnissen aufgewachsen, aber durch seine Praktika hatte er viele Jugendliche kennengelernt, die nicht kriminell waren, die nicht die Schule geschwänzt haben und die nicht in den Drogen- oder Strichsumpf abgerutscht waren. Für diese Gruppe der sozial schwachen wollte er etwas auf die Beine stellen.
Wie sollte er das machen? Er musste Karl um Rat fragen. Als im Haus endlich Ruhe einkehrte, ging er zum Leiter des Heimes und fand ihn überraschenderweise in seinem Büro vor. „Guten Abend Karl“ sagte er und setzte sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. „Hallo Ron, was gibt es, Probleme?“
„Eigentlich nicht. Schönen Dank nochmal, dass ich wieder hier sein darf.“ Karl winkte ab. „Kein Problem. Du hast etwas auf dem Herzen, sprich dich aus“, das war es, was ihn an Karl so gefiel. Nicht viele Worte, aber immer auf den Punkt gebracht.
Ron hatte sich lange überlegt, wie er es anstellen sollte Karls Rat zu erfragen, ohne seine eigene Position darzustellen. „Was würdest du machen, wenn dir der Staat viel Geld in die Hand gibt, mit dem du sozial Schwachen helfen sollst? Ich meine keine Kriminelle oder solche. Ich meine die, die immer zur Schule gehen, aber einfach nur arm sind?“
Karl schaute verblüfft zu Ron. Er schluckte mehrmals ehe er sich zu einer Antwort durchrang. „Also ich würde dieser Gruppe einen, sagen wir mal, einen Erlebnisurlaub bereiten. So, dass sie mal alles vergessen können und sich mal akzeptiert fühlen. Du weißt, da sind viele Jugendliche, die das Herz auf dem richtigen Fleck haben, aber sich einfach nichts leisten können. Die Eltern arbeitslos, viele Geschwister, kleine Wohnung. Daraus entsteht meistens Neid, Gewalt und Hass. Oder viele enden auf dem Strich. Für diese Jugendliche gibt es zwar etliche Einrichtungen, aber ich weiß genau, welche Gruppe du meinst.“
„Karl, ich meine genau die Gruppe Jugendlicher, die schon jahrelang in Armut gelebt haben, aber nie abgerutscht sind. Ich kenne diese Einrichtungen auch, aber sein wir doch mal ehrlich. Sie werden doch alle von asozialen Subjekten untergraben und die Hilfe kommt niemals bei den Bedürftigen an.“
Karl nickte nachdenklich. „Ja, das stimmt, die Hilfe kommt meistens nie da an, wo sie ankommen soll. Man sollte, wenn man so ein Projekt macht, eine Auswahl treffen. Nicht einfach jeden nehmen und vorher den wirklichen sozialen Status prüfen. Kannst du dich noch an die Schlagzeile erinnern, als diese verdammt reiche Frau ihre Kinder in die Suppenküche geschickt hat, um Geld zu sparen?“
„Ja, Karl, kenn ich. Und dass will ich vermeiden, ich meinte, so was soll nicht passieren“, verbesserte Ron sich schnell. Karl grinste nur leicht, natürlich hatte er den Versprecher mitbekommen. Sie diskutierten noch eine Weile um dieses Thema. Ron musste ins Bett, er konnte sich ab einen bestimmten Punkt nicht mehr konzentrieren, aber er hat noch sehr brauchbare Informationen von Karl erhalten.
Ron fiel einfach nur in sein Bett. An Ausziehen, oder einfach nur Körperpflege war nicht zu denken. Er schlief wie ein Stein. Ein Klopfen an der Tür machte ihn wach. „Ron, aufstehen, es gibt gleich Frühstück“, hörte er leise durch die Tür. Entsetzt sprang er hoch, erstaunlicherweise fühlte er sich ausgeruht und frisch. Gut, frisch nicht im Hygienesinne, aber top fit! Er machte eine schnelle Dusche und schlüpfte in neue Kleider, um noch rechtzeitig zum Essen zu erscheinen.
Das Frühstück war in der Gruppe war ein Höhepunkt des Tages. Hier wurden alle Sachen besprochen, die aktuell anlagen. Karl kam mit einem breiten Grinsen in den Raum und warf wie beiläufig die Zeitung mit den großen roten Buchstaben auf den Tisch. Was hatte das zu bedeuten? Ron blickte auf die kleine Schlagzeile im unterem Drittel und verschluckte sich fast an seinen Brötchen.
>Lottomillionär will unerkannt bleiben< Er schaute in Karls Gesicht, aber der zwinkerte ihm wissend zu. Das restliche Frühstück war eine Qual für Ron. Karl wusste es, er hat seinen Versprecher richtig gedeutet, aber er hat es nicht rausposaunt, dafür war Ron ihm dankbar. Er wollte nicht, dass jemand von seinen Gewinn erfährt, deshalb hat er auch mit Krause ausgemacht, dass der Name nicht an die Presse weitergegeben werden darf. Das war im Übrigen auch ein toller Tipp von Krause. Er meinte, dass, wenn es bekannt werden würde, sich viele Bittsteller bei ihm melden würden, die einfach nur abkassieren wollten.
Zu Karl hatte ich Vertrauen, er würde mich nicht bloßstellen, nicht nach dieser Aktion. Aber er war im Bilde. Ron musste mit ihm reden, und zwar sofort nach dem Frühstück! Nachdem alle Heimbewohner den Raum verlassen hatten ging er zu Karl. „Ich muss mit dir reden, es ist wichtig“, sagte er zum Heimleiter und zog ihn in Richtung seines Büros.
Karl setzte sich mit einem Lächeln im Gesicht auf seinen Stuhl und hielt die Hand hinters Ohr, was wohl so viel zu bedeuten hatte, dass er den Ausführungen lauschte. „Karl, bitte sei mir nicht böse, aber ich konnte dir nicht die Wahrheit sagen. Entschuldige, aber der Krause hat mich so gewarnt, ich sollte es keinem erzählen… Bitte, behalt es für dich, bitte Karl!“ „Krause ist der Typ, der gestern mit dir stundenlang geredet hat?“, fragte Karl nach.
Ich erzählte Karl nun alles, angefangen von seiner Oma, über das kennenlernen mit Olaf – zog er etwa die Augenbrauen hoch?- bis hin zum Lottogewinn. Nichts ließ er aus, auch nicht, das er ihn gestern ausgefragt hatte. Karl sah ihn, nachdem er geendet hatte, eindringlich an. „Ron, mach dein Ding, du schaffst das! Such dir Hilfe! Wenn ich dir helfen kann, weißt du, wo du mich erreichen kannst! Ich wünsche dir viel Glück und ich bin sicher, dass du beginnst, dein eigenes Lebenswerk aufzubauen!“
Er stand auf und ging um den Schreibtisch herum auf Ron zu. Die beiden Männer nahmen sich in den Arm. Ron wusste, dass er das richtige tat. Eine Träne bahnte sich ihren Weg in die Freiheit. Auch Karl war ergriffen und musste sich erst mal in sein Taschentuch schnäuzen.
„Hiermit bist du freigestellt, einen Arbeitsvertrag haben wir ja noch nicht unterschrieben. Du hast in den nächsten Tagen sicher viel zu tun. Allerdings musst du dir eine Wohnung suchen. Aber das dürfte ja kein Problem sein“, sagte Karl und setzte sich wieder. Ron nickte nachdenklich. „Wann muss ich wieder raus sein?“ Karl dachte nach. „In einer Woche, schaffst du das?“
Ron zuckte mit den Schultern. „Ich denke, dass ich es bis dahin schaffe.“ „Wir haben gestern nur phantasiert, jetzt kann dein Traum wahr werden“, sagte Karl, „hast du schon eine Idee, wo du dein Traum aufbauen möchtest?“ Ohne lange zu überlegen, einfach aus einem Bauchgefühl heraus hatte Ron den idealen Standort seines Projektes gefunden. „Ich hab da was gesehen, das könnte passen. Muss mich nur erst mal schlau machen, und vor allem Hilfe suchen.“
Ron war den ganzen Tag mit seinem Motorrad unterwegs. Zuerst musste in einer großen Bank ein Konto eingerichtet werden, auf dem Friedhof war er auch noch mal und schließlich hat er noch einige Autohäuser abgeklappert. Ihm wurde bewusst, dass er die ganzen Wege nicht ewig mit seinem Motorrad erledigen konnte.
Bei einem kleinen Händler ist er fündig geworden. Das Auto war zwar schon vier Jahre alt, aber bezahlbar. Noch musste er mit seinen Geldmitteln auskommen, die Überweisung stand erst in zwei oder drei Tagen zur Debatte. Der Händler bot an, dass dessen Azubi das Auto in zwei Tagen vor seiner Unterkunft abstellt. Für den Azubi war es ein günstiger Nachhauseweg und Ron musste nicht noch mal extra hinfahren.
Unterwegs kehrte er noch in einen Shop ein, die Computer verkauften. Der Verkäufer nahm sich Zeit, brachte ihm wieder auf die Höhe des Technikzeitalters und machte an diesem Tag auch noch ein Geschäft mit Ron.
Als er endlich wieder in seiner Unterkunft war, musste er erst mal eine Dusche nehmen. Dann sank er in sein Bett und schlummerte auch sofort ein.
Am nächsten Tag, nach einem ausgiebigen Frühstück in der Runde der Jugendlichen, ging er in sein Zimmer, um den Laptop einzurichten. In den Installationspausen dachte er immerzu an sein Projekt, wie er es anstellen würde, falls es alles klappen sollte. Er musste sich das Objekt seiner Begierde noch mal ansehen war die Erkenntnis die er traf. Also machte er sich am Nachmittag auf den Weg. Das Wetter war gut und er fuhr gemütlich über Schnellstraßen und Autobahnen.
Sein Herz machte einen Hopser, als er wieder in Neudorf einfuhr. Würde er Olaf wiedersehen? So groß war das Nest doch nicht, sicher würde er ihm früher oder später über den Weg laufen. Langsam fuhr er den Weg zur ehemaligen Grenzkompanie nach oben. Wie schon Tage zuvor stelle er seine Maschine auf den kleinen Parkplatz.
Das Tor war mit einer Eisenkette und Schloss gesichert. Es war also kein reinkommen möglich. Er ließ seinen Blick über das Gelände schweifen. Das Haus war groß genug, vielleicht sogar etwas zu groß. Die Garagen machten auch noch einen soliden Eindruck.
Plötzlich klingelte sein Handy und an der Nummer sah er, dass es sich um Ralf handelte. „Hallo Ralf“, begrüßte er seinen liebsten Koch, „was gibt es denn?“ „Hallo Ron, wollte mich nur mal bei dir melden. Hast du Zeit für ein Treffen?“ „Ron, ich bin im Moment leider weg, aber ich melde mich, sobald ich wieder in deiner Nähe bin. Würde mich auch mal über ein Treffen mit dir freuen.“ „Schade“, erscholl es traurig aus der Muschel, „ja, melde dich, wenn du wieder da bist.“ „Ralf, hast du ein Problem? Du hörst dich so niedergeschlagen an?“ Ron konnte die Traurigkeit von Ralf fast körperlich spüren. „Ach Ron, ist doch alles Mist, ich finde einfach keinen Job und ihr seid auch alle nicht mehr da.“
Ron wusste, wie Ralf zu Mute war, aber er konnte ihm auch nicht helfen – noch nicht. „Ralf, ich bin spätestens morgen Abend wieder da, dann reden wir. Ich melde mich.“ „Danke Ron, also bis dann“, klang es schon etwas besser. Ron wusste, dass er für seinen Freund etwas machen musste, aber die Zeit war noch nicht reif, um frühzeitige Versprechungen zu machen.
Er steckte grade das Handy in die Tasche, als sich ein Auto aus dem Dorf näherte. Es kam neben seinem Motorrad zum Stehen und ein beleibter kleiner, freundlich wirkender Herr stieg aus und musterte Ron.
„Guten Tag, haben sie eine Panne mit dem Motorrad?“ Er sah ihn mit einem Blick an, das Vertrauen in Ron erweckte. „Nein, keine Panne. Ich wollte mir nur mal das Objekt ansehen. Ich war schon mal vor ein paar Tagen hier und da ist es mir aufgefallen.“ „So, so, interessieren sie sich denn für die ehemalige Grenze?“ Der Mann machte einige Schritte auf Ron zu und reichte ihm die Hand. „Nein, dafür interessiere ich mich nicht. Ich heiße Ron Kramer“, und schüttelte die Hand. „Ich bin der Heinrich, Heinrich Schubert, der Bürgermeister von Neudorf. Was interessiert sie denn an diesem Objekt?“ Ron war sich nicht sicher, ob er gleich mit seiner Idee rausplatzen sollte. Aber wie soll er es anstellen, ohne dass Heinrich etwas merkte?
„Kann man es denn mal anschauen?“ Ron wurde etwas unsicher. Heinrich beobachte ihn nun eindringlicher. „Anschauen, hm, wollen sie es denn etwa kaufen?“, fragte er und musste über seinen Scherz grinsen. Was soll´s, dachte sich Ron. Falls es klappen würde und das Objekt seinen Vorstellungen entsprach, würde Heinrich Schubert es sowieso als erster erfahren, was Ron vorhatte.
„So abwegig ist der Gedanke nicht, aber ich müsste es mir vorher mal anschauen, falls es noch zu haben ist.“ Heinrich Schubert fiel die Kinnlade runter. Er ließ den Satz von Ron nochmal durch sein Hirn laufen und musterte den jungen Mann nochmals.
„Was wollen sie denn mit diesem Schuppen, wenn ich fragen darf“, und er zog sein Taschentuch heraus um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
„Also, ist es denn noch zu haben?“ Ron pokerte. Der Bürgermeister kam sich vor wie in einem schlechten Film. Sollte dieser Ron wirklich die Absicht haben, dass Objekt zu kaufen? „Also“, begann er langsam, „zu haben ist es noch, das verwaltet alles der Bund. Für die Sicherheit bin ich als Bürgermeister zuständig, also hab ich auch die Schlüssel. Aber was wollen sie denn damit?“
Heinrich Schubert war sich wirklich nicht mehr sicher, was er von Ron halten sollte. Er machte aber auch nicht den Eindruck, als ob der ihn auf den Arm nehmen wollte.
„Ich plane ein Projekt“, sagte Ron und schaute auf den Plattenbau, „und ich glaub, das wäre das richtige Objekt dazu. Aber trotzdem muss ich es mir mal ansehen, sonst kann ich mir keine Vorstellung davon machen, ob es passt.“
Ron hat es so ernst gesagt, dass Heinrich keinen Zweifel mehr an seinen Worten hatte.
„Wenn sie wollen kann ich es ihnen zeigen, wenn ihnen so viel daran liegt“, und Heinrich zog ein gewaltiges Schlüsselbund aus der Tasche. Ron nickte und beide gingen auf das Tor zu. Die schwere Kette fiel und sie betraten den Hof. Er erschien Ron nun noch größer als er es erwartet hatte. „Das hier war der ehemalige Appellplatz der Kompanie“, begann Heinrich seine Ausführungen. Zur Rechten sind die Garagen und dieses kleine Gebäude da war das ehemalige Munitionsdepot.“
Deshalb also keine Fenster, dachte Ron. Aber was von außen so klein ausgesehen hatte, entpuppte sich als eine im Umfang große Doppelgarage. Wenn das alles mit Munition vollgewesen sein soll, mussten die DDR Verantwortlichen wirklich mal mit einem Krieg gerechnet haben.
Heinrich ging auf das Gebäude zu und suchte nach einem Schlüssel. Als er ihn endlich gefunden hatte, brauchte er noch einige Zeit, bis sich die Tür öffnen ließ. „Na, es steht halt schon ein paar Jahre leer“, sagte er Achselzuckend. Ron trat ein und sah zu seiner rechten ein großes Fenster mit Tresen, ähnlich einem Empfang in einer Jugendherberge.
Heinrich nahm seine Führerrolle wieder auf. „Hier zur rechten war das ehemalige UvD Zimmer und geradeaus sind die Treppen in die oberen Stockwerke und zum Keller.“ Beide gingen ein Stück in Richtung Treppe, blieben aber auf dem Flur stehen, der sich in der Mitte des Gebäudes befand und rechts runter bis zur Außenwand führte. Zur linken Seite ging er nur ein Stück, dann kam eine Tür.
„Hinter dieser Tür befanden sich die Speisesäle und die Küche. Gehen wir aber erst mal ein Stockwerk höher.“ Beide gingen die Treppe hoch und standen wieder auf einem Flur, der das Gebäude in zwei Seiten zerschnitt. Nur konnte man von einer Giebelseite zur anderen schauen. Viele Türen waren zu sehen.
„Hier waren die Soldatenunterkünfte, sie können gern in die Zimmer gehen, wenn sie möchten.“ Heinrich öffnete die erste Tür und machte eine einladende Handbewegung. Ron betrat das Zimmer, das ihm riesig vorkam. „Hier haben acht Soldaten gewohnt“, erzählte Heinrich weiter. Ron trat ans Fenster und schaute auf den Appellplatz. „Wo sind die Duschen und Bäder?“ Heinrich zeigte auf die Tür. „Für jedes Stockwerk gab es einen Waschraum mit Toiletten, die Duschen befinden sich im Keller.“ Ron folgte ihm und Heinrich öffnete eine weitere Tür.
Der Waschraum hatte etwas Beängstigendes für Ron. In der Mitte befanden sich steinerne Waschbecken in die in regelmäßigen Abständen Wasserhähne reinragten. Der Boden war mit Fliesen bedeckt, von denen einige ernsthafte Schäden aufwiesen, andere fehlten ganz. An der linken Seite des Raumes befand sich ein Durchgang, der zu den Toiletten führte. Ron ersparte es sich, diese genauer anzuschauen.
„Dieses und das obere Stockwerk gleichen sich“, erzählte Heinrich weiter. Sie gingen wieder zur Treppe und in die untere Etage. Zuerst schlugen sie den Weg nach rechts ein, wo sich die Küche und die Speisesäle befanden. Heinrich öffnete die Tür und sie standen in einem weiteren Flur. Zur rechten war eine Art Tresen, dahinter konnte man noch die Küche erkennen. Aber so wie im gesamten Gebäude, waren keine Einbauten oder Möbel mehr vorhanden.
Auf dem Boden konnte man aber noch sehen, wo früher die Herde gestanden hatten, alte Leitungen ragten aus dem Boden und machten einen jämmerlichen Eindruck. Zur linken Seite war ein großer Speisesaal und eine Tür führte zu einem kleineren Raum. „Das war der Raum für die Offiziere“, erklärte Heinrich weiter.
Ron sah sich um, ihm gefiel der Bau, da würde sich sicher etwas draus machen lassen. Ich brauche unbedingt jemanden, der Ahnung davon hat. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Heinrich ging wieder zum Eingang zurück. „So, dass war die Führung, ach, wie konnte ich das vergessen, der Keller natürlich noch.“ Schon war er auf der Treppe und stieg sie hinab.
Unten war wieder der obligatorische Flur, von einem Giebel zum anderen. Er ging nach links und öffnete eine Tür auf der rechten Seite. „Das hier sind die Duschen“, und durchschritt die Tür. Ron folgte und stand in einem größeren Raum, der wohl dem an- und ausziehen diente. Ein Durchgang führte zum Duschraum. Links und rechts an den Wänden waren Brauseköpfe angebracht, Trennwände fehlten ganz.
„Sieht ja sehr heruntergekommen aus.“ Ron schaute zu Heinrich der nur mit den Schultern zuckte. Er ging wieder in den Flur zurück und öffnete im hinteren Teil eine Tür. „Das hier ist der Kohlebunker gewesen, die Heizung wird noch mit Kohle betrieben. Die Heizungsanlage befindet sich weiter hinten. Wollen sie sie sehen?“ Ron schüttelte mit dem Kopf. „Nicht nötig, davon hab ich eh keine Ahnung, lassen sie uns wieder nach oben gehen.“
Sie verließen das Gebäude und Heinrich hatte zu tun, die Tür wieder zu verschließen. Nach mehreren Anläufen ist es ihm endlich geglückt und drehte sich zu Ron um, der ihm eine Schachtel Zigaretten hinhielt. „Möchten sie auch eine?“ „Danke, da sag ich nicht nein“, erwiderte Heinrich und fingerte sich eine aus der Schachtel. „Was ist eigentlich noch hinter dem Gebäude, das hab ich noch gar nicht gesehen“, und reichte Heinrich das Feuerzeug. „Lass uns hingehen.“ Sie umrundeten das Gebäude und standen vor einem Gebäude, das früher einmal als Hundezwinger gedient hatte. Vom Grund maß hatte es schon beachtliche Ausmaße, war aber durch die vielen Boxen total verbaut, wie Ron fand.
Er schaute sich noch die Wiese an, die auch innerhalb der Umzäunung lag. Sie diente früher mal der körperlichen Ertüchtigung, wie Heinrich bemerkte. „Also, ich glaub, daraus kann man was machen“, Ron schaute zu Heinrich, der sich wieder den Schweiß von der Stirn wischte. Es war noch sehr warm, obwohl sich bereits die Dämmerung bemerkbar machte und alles in ein leicht diffuses Licht tauchte.
„Sie meinen es wirklich, oder? Sie wollen das Objekt wirklich haben?“ Ron hörte aus Heinrichs Worten die Verwunderung heraus. „Ja, wenn ich es für einen angemessenen Preis bekomme, dann nehme ich es. Was gehört noch für Land dazu?“ Ron trat seine Kippe aus und wanderte mit Heinrich zum Tor. „Das kann ihnen das Liegenschaftsamt genauer sagen, ich möchte da nicht viel spekulieren, aber das gesamte Grundstück umfasst schon einige tausend Quadratmeter.“
Ron zog die Augenbrauen nach oben. „Einige tausend, hm nicht schlecht.“ Heinrich nahm die schwere Kette auf und verschloss das Tor. „Darf ich sie noch zum Abendessen einladen, dann können wir noch weiter darüber sprechen, ich kann ihnen noch so vieles erzählen.“ Heinrich sah ihn erwartungsvoll an. Ron überlegte. „Ich muss nachher noch in die Stadt, eine Unterkunft suchen. Aber danke, ich werde später vielleicht noch mal darauf zurückkommen. Langsam muss ich auch ins Bett, es war ein langer Tag für mich.“
Heinrich reichte ihm die Hand. „Also, wenn sie wollen, können sie auch bei mir übernachten, ich hab ein Gästebett frei und meine Frau macht hervorragende Bratkartoffeln, die sie sich nicht entgehen lassen sollten.“ Zögernd ergriff Ron die dargebotene Hand. Vielleicht keine schlechte Idee, ob er Olaf irgendwo treffen würde? „Danke, wenn Sie es mir so schmackhaft machen, sollte ich es mir mal überlegen.“ „Da gibt es doch nichts zu überlegen, folgen sie mir einfach“, sagte er lachend und ging zu seinem Auto. Was soll´s, dachte sich Ron, schloss die Kombi und setzte den Helm auf.
Heinrich fuhr den Weg zum Dorf und Ron folgte auf seinem Motorrad. An einem sehr gepflegten Haus hielt er und Ron stellte die Maschine neben Heinrichs Auto ab. Auf dem kleinen Weg, der zum Haus führte kam eine Frau, die verwundert zu Ron schaute. „Heinrich, hast du Besuch mitgebracht?“ Ihre Stimme klang freundlich und lächelte Ron an.
„Hannelore, das ist Ron Kramer, Herr Kramer, das ist meine Frau“, stellte er die beiden einander vor. Ron reichte der Frau seine Hand, die sie zu seinem Erstaunen fest drückte. Sie konnte zupacken, das sah man ihr auch sonst an. „Guten Abend Frau Schubert, freut mich sie kennenzulernen. Ich hoffe ich mache keine Umstände, aber ihr Mann…“ „Hannelore, ich hab ihm gesagt, dass er eine Nacht hier bleiben kann. Und ein Teil deiner Bratkartoffeln hab ich ihm auch vermacht“, grinste er zu seiner Frau.
„Das freut mich aber! Und es macht keine Umstände, nur mit dem Essen wird es noch etwas dauern. Gehen sie doch mit meinem Mann auf die Terrasse und setzten sich. Ich hab noch in der Küche zu tun.“ Sie drehte sich um und ging ins Haus zurück. Heinrich zeigte den Weg und beide gingen zur Terrasse, um die Blumen gepflanzt waren und alles einen sehr gepflegten Eindruck machte. Ron setzte sich auf den angebotenen Stuhl und Heinrich verschwand kurz im Haus, um kurze Zeit später mit zwei Flaschen Bier zurückzukommen. „Sie trinken doch sicher auch eins?“ und stellte die Flaschen auf den Tisch. „Oh, danke sehr freundlich von ihnen.“ Ron griff sich die Flasche, sie prosteten sich zu und machte einen großen Schluck. „Ist das eine Wohltat, so ein schönes Feierabendbier.“ Ron nickte Heinrich zu. „Das tut wirklich gut, danke nochmals für alles.“
„Sie brauchen mir nicht zu danken. Aber nun mal raus mit der Sprache, was wollen sie denn mit dem Objekt?“ Ron nahm noch einen Schluck aus der Flasche und begann Heinrich seine Vorstellungen zu erklären. Dieser zog ab und zu die Augenbrauen hoch, hörte sich aber alles bis zum Ende an.
„Also, wenn ich es recht verstanden habe, wollen sie dort eine Art Jugendherberge aufbauen, für sozial schwache Kinder?“ Ron nickte und genehmigte sich einen Schluck aus der Flasche. „Ja, die Jugendlichen verbringen hier zwei, drei Wochen damit sie mal abschalten können.“
„Und was für Jugendliche sind das, doch hoffentlich normale, ich meinte sicher keine Verbrecher oder?“ „Nein, es sind normale Jugendliche, keine Verbrecher, wenn es sie beruhigt.“ Das machte es, Heinrich war mit der Antwort zufrieden. Als Bürgermeister wollte er sich keine Kriminalität ins Dorf holen. „Also, die Idee finde ich prima, aber haben sie auch bedacht, was das alles kosten wird, wie viel Arbeit und Geld in das Objekt gesteckt werden muss, um es herzurichten?“
Ron nickte mit dem Kopf. „Ich weiß, es wird ´ne Menge kosten, aber das soll nicht ihre Sorge sein. Sie hätten also nichts dagegen, wenn ich sie recht verstehe?“ „Nein, grundsätzlich nicht, aber ich muss noch den Dorfbeirat befragen, was der dazu meint. Ich bin nur ehrenamtlicher Bürgermeister. Bei solchen großen Sachen müssen die Bewohner auch mit einbezogen werden.“
„Das kann ich verstehen. Was denken sie, wird es Probleme geben?“ Heinrich zuckte mit den Schultern. „Es gibt immer welche, die sich quer stellen. So sind nun mal die Menschen, aber ich glaube, der Großteil der Anwohner wird es begrüßen.“ Heinrich stand auf und schnappte sich die inzwischen ausgetrunkenen Flaschen um neue zu holen.
Ron hörte plötzlich einen Motor aufbrüllen, der danach in einem gurgeln erstarb. Sollte Olaf etwa in der Nähe wohnen und wieder basteln. Sein Herz schlug bei diesem Gedanken bis zum Hals. Heinrich kam mit dem Bier und wieder startete der Motor und ging ebenso in einem Röcheln unter wie vorhin.
„Das ist der Nachbarsjunge, er bastelt oft und gern an allen möglichen Motoren rum. Aber wenn es sie stört, dann sag ich, dass er es lassen soll.“ „Nein, nicht nötig, mich stört es nicht. Heißt er Junge zufällig Olaf?“ Heinrich ließ fast die Flasche fallen. „Woher kennen sie den denn?“
„Ach, er hat mir vor ein paar Tagen geholfen. Ich hatte eine Panne mit dem Motorrad und er kam zufällig vorbei“, grinste Ron. „Also, dass müssen sie mir mal näher berichten“, und reichte Ron die geöffnete Flasche. As er geendet hatte schlug sich Heinrich mit der Hand auf den Schenkel. „Ja, der Olaf ist schon ein feines Kerlchen. Aber ich glaub, der hat einen verkehrten Beruf erlernt. Aber so viele Möglichkeiten gibt es im Dorf nicht, deshalb haben ihn seine Eltern Installateur lernen lassen.“
Wieder stotterte ein Motor, der aber langsam anfing, richtig rund zu laufen. „Sehen sie, der bekommt alles wieder hin.“ „Heinrich, kommt ihr rein essen, der Tisch ist gedeckt. Oder will der junge Mann sich erst einmal umziehen? Es muss doch verdammt warm sein in den Lederklamotten.“
„Das wäre nett, wenn ich mich erst einmal umziehen könnte.“ „Hanne, hast du schon das Zimmer hergerichtet, der Herr Kramer möchte sich doch erst umziehen.“ „Ja, das Zimmer ist fertig, zeig es ihm, ich halte die Bratkartoffeln warm, er soll sich Zeit lassen.“ „Na, dann kommen sie mal und nur keine Scheu, fühlen sie sich wie zu Hause“, und Heinrich zeigte den Weg.
„Hier ist ihr Zimmer, wenn sie sich waschen möchten ist die nächste Tür das Gäste Bad. Lassen sie sich Zeit, wir warten dann unten“, und machte sich auf den Rückweg. Ron stand mit seinem Rucksack im Zimmer. Es war hübsch eingerichtet und die frische Bettwäsche verströmte einen angenehmen Duft. Er wollte die beiden nicht warten lassen, also zog er sich schnell um und ging nach unten in die Küche.
Er konnte leise Stimmen hören, verstand aber nicht, was geredet wurde. Als er eintrat wurde das Gespräch unterbrochen und Heinrich zeigte Ron, wo er sich setzen konnte. Frau Schubert eilte mit der Pfanne herbei und füllte ihn reichlich auf. Er hatte aber auch Hunger, bis auf das Frühstück hatte er noch nichts gegessen. Und es schmeckte ihm!
Während es Essens hat Heinrich seiner Frau die Idee von Ron erzählt. Sie fragte hin und wieder nach und Ron gab weitere Erklärungen. Sie war auch begeistert von der Idee. „Da kommt endlich mal wieder Leben ins Dorf und mit dem Objekt passiert auch endlich mal was. Ist doch eine Schande, alles verkommen zu lassen.“ Hannelore stand auf und wollte Ron noch nachfüllen, der aber dankend ablehnte. „Gehen wir raus, auf die Terrasse und rauchen noch eine“, Heinrich erhob sich und deutete Ron ihm zu folgen.
Sie erzählten grade, als sie wieder einen Motor hörten, der diesmal sehr gut lief und sich nach einem Moped anhörte. Der Fahrer gab Gas und fuhr vom Hof, wenn es Ron richtig deutete. Plötzlich hörte man, wie heftig gebremst wurde. Das Geräusch kam eindeutig von der Dorfstraße unmittelbar vor dem Haus von Schuberts. Der Motor war aus und es herrschte eine gespenstige Ruhe.
„Der wird doch nicht hingefallen sein“, meinte Heinrich und sprang auf um zum Hoftor zu gehen, dicht gefolgt von Ron. Hingefallen war er nicht, aber er saß auf dem Moped und versuchte in der Dunkelheit Rons Motorrad zu betrachten.
Ron legte die Hand auf die Schulter von Heinrich, der sich zu ihm umdrehte. Er legte den Finger auf die Lippen und drückte sich an ihm vorbei. Heinrich ahnte, was Ron vorhatte und sagte keinen Mucks. Ron schlich sich vorsichtig durchs Hoftor, noch hatte ihn Olaf nicht entdeckt. „Guten Abend, schön dich wiederzusehen.“ Olaf bekam einen richtigen Schreck und wäre nun fast doch noch umgekippt.
„Wie kommst du denn hier her?“ Olaf versuchte in der Dunkelheit den Motorradfahrer zu erkennen, dessen Bild er in den letzten Tagen immer vor Augen hatte. Ron stand nun neben Olaf und hielt ihm die Hand hin, die auch freudig ergriffen wurde. „Ich bin hier um etwas zu klären. Toll, dass ich dich wiedergetroffen hab, ich hab dich…“ Ron brach mitten im Satz ab. Jetzt erst wurde beiden bewusst, dass sie sich immer noch an der Hand hielten.
„Kommt doch beide rein, ihr müsst ja nicht auf der Straße stehen bleiben“, erklang die Stimme von Heinrich hinter ihnen. Olaf stieg vom Moped und stelle es neben Rons Motorrad. Dann gingen alle drei zur Terrasse. „Olaf willst du auch ein Bier?“ „Gern Heinrich“, und er setzte sich auf dem Stuhl gegenüber von Ron.
„Schön, dass ich dich wiedersehe“, Olaf konnte Ron aber nicht in die Augen sehen. Seine Gedanken kreisten wie wirr in seinem Kopf herum. Schweigend saßen sie da, bis Heinrich wieder auf die Terrasse kam und Olaf ein Bier reichte.
Schwer ließ er sich in den Stuhl fallen. „Na, Olaf, den jungen Mann brauch ich dir ja nicht vorzustellen“, sagte er lächelnd. „Nein, Heinrich, ich kenne ihn. Aber was machst du hier?“, fragte er in Richtung Ron. „Ich hab mir die alte Grenzkompanie angesehen. Herr Schubert war so nett, sie mir zu zeigen.“
Ron erzählte Olaf, was er vorhatte. Der verzog sein Gesicht zu einem gequälten Lächeln. „Dann bedeutet das, dass du öfter hier bist, wenn ich alles richtig verstanden habe?“ „Ja, Olaf, wenn alles klappt wird es wohl so sein.“ Olafs Gedanken überschlugen sich. Musste er nun all seine Pläne über den Haufen werfen? Er konnte doch unmöglich von hier weggehen, wenn Ron womöglich hier her zieht. Was sollte er nun machen? Bei Manfred zusagen, die Stelle annehmen?
Er wollte einfach in der Nähe von Ron sein, der Kerl hatte sein Herz schon im ersten Moment erobert. Wie und was sollte er nun machen? Wären all die Schmach auf Arbeit es wert, nur um ab und zu mal in der Nähe von Ron zu sein? Würde der sich überhaupt für ihn interessieren?
Unmerklich schüttelte Olaf den Kopf. Seine Gedanken sprangen von gut zu böse, von oben nach unten. Er hielt es nicht mehr aus. Ruckartig erhob er sich und verließ die Runde ohne ein weiteres Wort. Ron und Heinrich sahen sich erschrocken an, schüttelten die Köpfe. „Also so durch den Wind hab ich den Olaf noch nie gesehen.“
Ron überlegte, ob er etwas Falsches gesagt hatte, aber ihm fiel nichts ein. Vom Nachbargrundstück hörte man eine Tür schlagen, dann herrschte wieder Ruhe. „Ich weiß nicht, was mit diesem Jungen los ist. Hätten seine Eltern ihn doch nur erlaubt, eine Lehre zu machen, die ihm auch gefällt. Er ist gut als Kemptner, aber da geht er ein, das ist nicht seine Welt. Er braucht was anderes. Vor allem braucht er Freunde.“ Ron nickte. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Olaf ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
„Entschuldigen sie, aber ich muss mich hinlegen, es war ein langer Tag und morgen wird es auch nicht anders.“ Heinrich erhob sich und ging mit Ron ins Haus. Ron wollte einfach nur ins Bett. Heinrich machte es ihm leicht, verabschiedete sich nur kurz von ihm und wünschte noch eine gute Nacht.
Ron lag im Bett und dachte an Olaf. Wieso ist er wortlos gegangen? Was hab ich falsch gemacht. Ich hab doch nichts gesagt, was ihn hätte verletzen können. Er grübelte noch eine Weile über die Worte von Heinrich nach. Olaf sollte Freunde finden. Wär Ron ein Freund für Olaf? Er wäre es sehr gern, aber da war noch mehr. In Ron erwachte etwas, dass er seit Jahren nicht mehr gespürt hatte. Nicht erst jetzt, schon seit der ersten Begegnung mit Olaf hatte er dieses Gefühl in sich, dass ihn nun nicht schlafen ließ…
Im Nachbarhaus sah es nicht anders aus. Auch hier lag jemand, der nicht schlafen konnte. Olaf lag in seinem Bett und dachte über sich nach. Hatte er sich etwa verliebt? Konnte es denn überhaupt sein, dass er sich nach zwei Begegnungen schon verlieben konnte? Ron war in all seinen Gedanken, egal was er tat. Mitweilen war er so durcheinander, dass er wieder mit dem Meister aneinandergeraten war. Aber nur um Ron ab und zu sehen zu können wollte er nicht bei Manfred im Betrieb bleiben! Das ging einfach nicht.
Vor zwei Tagen hatte er mehrere Bewerbungen abgeschickt. Er musste weg von hier, nun aber änderte sich die Situation schlagartig. Was Ron da mit dem Objekt vorhatte hörte sich interessant an. Da würde er auch gern mitmachen, allein schon um in der Nähe von Ron zu sein. Aber Ron hat während seiner Erzählung keine Andeutung gemacht, dass er ihn mit beim Projekt haben wollte.
Olaf dämmerte langsam in einen sehr unruhigen Schlaf, aber immer wieder sah er sich mit Ron am Wegesrand sitzen, wie sie sich verliebt in die Augen schauten…
Der nächste Tag konnte in beiden Häusern nicht unterschiedlicher beginnen. Ron hatte einigermaßen gut geschlafen. Er war früh erwacht und nahm eine Dusche, die seinen Körper wieder in Top Form brachte. Als er an sich heruntersah, wurde ihm erst jetzt bewusst, dass er sich schon seit Tagen keine Entspannung mehr erlaubt hatte, wollte es aber in einer fremden Dusche nicht nachholen.
Olaf hingegen wachte schweißgebadet auf. Er hatte einen Alptraum, an den er sich Gott sei Dank nicht mehr erinnern konnte. Nur eine Stelle im Traum schien schön gewesen zu sein, wie er später in seiner Schlafhose feststellen konnte. Er stand genervt auf, aß sein Frühstück im Stehen und machte sich missgelaunt auf den Weg zur Arbeit. Es stand heute Arbeit im Nachbardorf an, er musste also mit dem Moped die zehn Kilometer fahren, wo Manfred ihm schon schlechtgelaunt in Empfang nahm.
Ron ging nach der Dusche nach unten in die Küche, wo Hannelore am Herd stand. „Guten Morgen Frau Schubert.“ „Ach, Guten Morgen Herr Kramer. Haben sie gut geschlafen? Ich hab das Frühstück fast fertig, setzen sie sich doch schon an den Tisch, Heinrich kommt auch gleich.“ „Danke Frau Schubert. Ich hab sehr gut geschlafen, aber machen sie sich doch nicht so viele Umstände. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles wiedergutmachen soll.“
„Da machen sie sich mal keine Gedanken“, ertönte die Stimme von Heinrich hinter ihm, der die Küche betrat. „Haben sie denn gut geschlafen?“ „Ja, danke Herr Schubert.“ Hannelore schenkte Kaffee aus und reichte jedem ein kräftiges Rührei mit Speck.
Heinrich musste sich noch in der Nacht Gedanken um Rons Projekt gemacht haben, denn er wollte noch einige Einzelheiten wissen. „Herr Schubert, ich muss erst mal rausfinden, an wem ich mich genau in dieser Angelegenheit zu wenden habe, dann muss ich erst noch den Kaufpreis erfragen der nicht unerheblichen Einfluss auf das Projekt hat.“ „Ja, ich verstehe, ich werde mich auch mal kundig machen, vielleicht bekomme ich ja auch etwas heraus.“
Heinrich schaute plötzlich, als ob ihm ein wichtiger Gedanke durch den Kopf gegangen war, intensiv zu Ron. Der fühlte sich mit einem Mal sehr verunsichert. „Herr Kramer, ich hätte da noch eine Frage, wenn es ihnen nichts ausmacht.“ Ron war plötzlich nervös. Er musste zwei Mal schlucken und bekam kein Ton heraus. Die Tonlage von Heinrich war sehr ernst, er spürte, dass diese Frage sehr wichtig für ihn war. „Herr Kramer, wenn sie dieses Projekt wirklich in Angriff nehmen sollten und alles so klappt, wie sie es sich wünschen, dann brauchen sie doch sicher noch Mitarbeiter, die sie unterstützen?“
Ron nickte Heinrich zu. „Könnten sie sich denn vorstellen, auch jemand aus dem Dorf zu beschäftigen?“ Ron atmete innerlich auf. Heinrich hatte scheinbar denselben Gedanken wie er gestern Abend im Bett. Auch er dachte an Mitarbeiter aus dem Dorf, an einen ganz besonders! Aber es war nicht Rons Art, vorschnelle Versprechungen zu machen. Also musste er diplomatisch antworten. „Ich denke, dass sich da was machen lässt, aber erst muss ich das Projekt wirklich zum Laufen bringen.“ Heinrich setzte ein breites Grinsen auf und hielt Ron die Hand hin. „Ich bin Heinrich, dass „sie“ lassen wir mal, wenn es recht ist.“
Ron ergriff die Hand. „Ron, ich freu mich auf die Zusammenarbeit, Heinrich und Danke für alles.“ Natürlich wurde Ron auch das „du“ von Hannelore angeboten und es wurde noch ein vergnügliches Frühstück. Ron ging nach oben ins Gästezimmer, zog seinen Motorradkombi wieder an und verstaute die Sachen im Rucksack.
Die Schuberts kamen mit vors Haus und verabschiedeten sich von Ron, der den beiden nicht genug danken konnte. Ron hatte Heinrich zuvor noch seine Handynummer gegeben, um erreichbar zu sein, für den Fall, dass Heinrich etwas in Erfahrung bringen konnte.
Ron fuhr mit gemischten Gefühlen nach Hause. Er mochte die Schuberts, vor allen ging ihn Olaf nicht aus dem Kopf. Kaum in seinem Zimmer angekommen, machte sich sein Handy bemerkbar. Herr Krause von der Lotto AG war am Apparat und teilte ihm mit, dass er nun über das Geld verfügen konnte.
Er musste sich erst einmal setzen. Wieder hatte er ein Kribbeln in den Beinen. Nun ist er Millionär, ging es ihm durch den Kopf. Da viel ihm ein Versprechen ein. Zuerst schaute er auf den Parkplatz, aber das Auto stand noch nicht da. Also zog er wieder seine Motorradsachen an und schnappte sich seine Sachen. Am nächsten Laden hielt er und musste nicht lange suchen um ein gutes, perlendes Getränk zu finden.
Beim Rausgehen sah er einen Geldautomaten und steckte seine neue Karte in den Schlitz. Er brauchte kein Geld, aber er wollte seinen Kontostand überprüfen. Was er da zu sehen bekam ließ ihn wieder erschaudern. Er hatte Mühe, die Zahl zu lesen, sie zu verarbeiten.
Am Lottoladen hielt er und als ihn die nette Dame erkannte, setzte sie sofort ihr freundlichstes Gesicht auf. Nur gut, dass um diese Zeit der Laden leer war. Er stieß mit der Dame an, nur einen kleinen Schluck genehmigte er sich, um dann weiterzufahren.
Unschlüssig stand er vor dem Haus, in dem Ralf lebte. Sollte er das erste Mal in seinem Leben von seinen Prinzipien abweichen und Versprechungen machen? Versprechungen, die er nicht wusste, ob er sie auch halten könnte? Schließlich war er noch lange nicht im Besitz des Objektes, hatte noch keine Vorstellungen, ob und wie alles klappen könnte. Aber Ralf hatte sich gestern so traurig am Telefon angehört, dass er mit sich selbst einen Kampf ausfocht, den er nicht gewinnen konnte.
Er klingelte und an der Sprechanlage knackte es. „Ja, was gibt es?“ Ralf hörte sich nicht gut an. „Hallo Ralf, kannst du bitte mal öffnen?“ „Mensch, Ron! Komm hoch!“ Der Summer ging und Ron schob die Tür auf. Oben erwartete Ralf ihn schon. „Ron, komm her!“ und zog den Lederverpackten Jungen in eine Umarmung. „He, Ralf, ist ja gut. Ich wollte nicht anrufen, deshalb bin ich persönlich gekommen.“
Ralf zog ihn in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. „Ron, ich freu mich so, dass du da bist. Die anderen sind alle weg und ich fühl mich so einsam. Noch nicht mal mit Arbeit kann ich mich ablenken. Sag, wie geht es dir?“ Ralf schaute ihn freudig, aber auch betrübt an. Was sollte Ron nun machen?
„Ralf, du bist einer meiner besten Freunde, ich muss dir etwas sagen, was du unbedingt für dich behalten musst, bitte, es ist wichtig!“ Ralf schaute Ron ernst an. „Bist du krank?“, fragte er leise. „Nein Ralf, es ist was anderes, aber ich muss erst wissen, dass ich mich hundertprozentig auf dich verlassen kann.“ Ralf zog die Augenbrauen hoch. „Du weißt, dass ihr euch immer auf mich verlassen könnt. Ich schweige, wie ein Grab, versprochen!“
Ron setzte sich auf den Schreibtischstuhl und Ralf aufs Bett. „Ralf, wenn alles klappt, dann brauche ich deine Hilfe.“ Er fing an zu erzählen, was sich in den letzten Tagen alles ereignet hat. Als er bei seiner Oma war, konnten sich beide nur mit Mühe die Tränen verkneifen. Als er beim Thema Lotto war, schaute Ralf ungläubig. „Du willst doch wohl einen Freund nicht veralbern, oder?“ Ralf stellte die Frage sehr ernst. Er mochte es nicht, wenn man ihn auf den Arm nahm. Ein Scherz ist okay, aber nicht mehr.
Ron fingerte seine Brieftasche aus dem Rucksack und suchte den Kontoauszug, den er Ralf gab. Der schaute darauf, verlor alle Farbe aus dem Gesicht und fiel hintenüber. Er atmete schwer, Ron sah, wie sich sein Brustkorb immer schneller hob und senkte. „Das…. Das ist nicht wahr?“ Ralf schnellte wie ein Blitz in eine aufrechte Position. „Sag, dass das nicht dein Schein ist!“ Er schaute nochmal drauf und las den Namen. „Das gibt es doch gar nicht! Mensch, das müssen wir doch feiern… Ron, ich fass es nicht!“
Es dauerte noch eine Weile, ehe sich Ralf wieder gesammelt hatte. Ron begann von seinem Projekt zu sprechen, vom Objekt, dass er dafür ins Auge gefasst hatte. Er erzählte, wie er es gefunden hatte und dass er gestern da war.
Nachdem er geendet hatte schaute er Ralf in die Augen. Der schien sehr angestrengt nachzudenken. „Und wo soll ich dir dabei helfen?“ „Ralf, wenn es alles klappt, möchte ich dich bei mir im Team haben, als Koch. Aber natürlich nur wenn du willst.“ Und ob Ralf wollte! Er sprang auf, umarmte Ron und eilte zur Tür raus, um mit einer angebrochenen Flasche Sekt zurückzukommen.
„Was anderes hab ich nicht“, sagte er Achselzuckend und schenkte den abgestandenen Sekt in Gläser. Sie prosteten sich zu und Ralf hätte im Kreis lachen können. „Sag, wenn du das Objekt in Neudorf, so hieß es doch, nun nicht bekommst, was wird dann aus mir?“ Ron schüttelte den Kopf, „wenn ich es da nicht bekomme, dann eben ein anderes. Du bist auf jeden Fall dabei!“ Und damit war es amtlich. Ron hatte das erste Mal Versprechungen im Voraus gemacht. Sicher würde er sie halten, aber vielleicht musste er anfangen umzudenken, etwas mehr im Voraus planen. Schließlich würde er in Zukunft Menschen beschäftigen, denen gegenüber er verantwortlich war.
Aber er hatte auch sich gegenüber eine Verantwortung. Es sollte sein Lebenswerk werden, das er nur mit den besten Leuten durchziehen wollte. Also musste er sie sich besorgen und nicht zusehen, dass sie nicht mehr zu haben waren, wenn er sie brauchte. Olaf fiel ihm ein. Er wollte ihn mit einbeziehen. Und das hatte nicht mehr lange Zeit. Bevor er sich nach etwas anderem umsah, musste er mit ihm reden!
Plötzlich wurde es Ron eng in seinem Kombi, sein Kreislauf drohte zusammenzubrechen, jedenfalls hatte er das Gefühl. Die Luft wurde knapp, Hitze schlug ihm ins Gesicht. Ralf sah die Veränderung an seinem Freund, ging zu ihm und half ihm aus seiner Kombi, die Ron sich versuchte vom Körper zu zerren. Nachdem sie es mit vereinten Kräften geschafft hatten, dirigierte er Ron zu seinem Bett und half ihm beim Hinlegen.
„Ron, du musst dich schonen, die letzten Tage waren ganz schön viel für dich. Ruh dich erst mal einen Moment aus, dann geht es gleich wieder besser. Ich mach dir schnell einen Tee.“ Er verschwand in der Küche und Ron fielen die Augen zu.
Nach zwei Stunden wurde Ron durch einen Druck an seinem Rücken wach. Er blinzelte, die Sonne schien ins Zimmer und blendete ihm. Er spürte, dass er nicht allein im Bett lag. Ralf musste es wohl auch umgehauen haben, jedenfalls hat er sich neben ihm ins Bett gelegt und drückte nun mit dem Ellenbogen in seinen Rücken. Ron wollte grade vorsichtig aufstehen, als die Tür geöffnet wurde und sich ein Mann ins Zimmer schob.
Zuerst sah er nur Ron, dann erfasste sein Blick Ralf, der noch immer schlief. Seine Gesichtszüge entglitten ihm und er wurde unnatürlich rot. „Du perverse Sau“, waren die ersten Worte, die Ron sofort in eine senkrechte beförderten. „Mach dass du aus meinem Haus kommst und lass dich hier nie wieder blicken, du Schwein!“
Ralfs Vater stand mit geballten Fäusten im Zimmer und Ron hatte das Gefühl, als ob er gleich tätig werden würde. „Pack deine Sachen du schwuler Hund und verpiss dich! Du hast eine Stunde, du altes Miststück! Ich hab es ja schon immer geahnt, aber dass du diese schweinerein auch unter meinem Dach machst ist das letzte! Verschwinde du abartiges Stück Scheisse!“ und die Tür flog mit lauten Krachen ins Schloss.
Die beiden sahen sich entsetzt an. „Was war das denn jetzt?“
Ron fand als erster die Sprache zurück.
„Ich kann, ich weiß, nein, oh Gott nicht das.“
Ralf war total durch den Wind, dafür arbeitete Rons Gehirn wieder ausgezeichnet. „Ralf, hat es Sinn, mit deinem Vater zu reden, ihm alles zu erklären?“ Ralf sah sich wie ein gehetztes Tier um. Er war total neben sich.
Ron zog sich schnell den Kombi an und eilte aus dem Zimmer. Im Wohnzimmer hörte er Ralfs Vater Poltern. Er griff nach der Klinke und öffnete die Tür. Zuerst sah er Ralfs Vater, der wie ein besengter hin und her lief und wortgewaltig auf die Frau einredete, die Ralfs Mutter sein musste.
„Herr Rappe…“
„Was willst du hier? Pack Dich und verschwinde. Und nimm das Stück Mist mit!“
Ralfs Mutter schaute ihn mit verweinten Augen an.
„Herr Rappe“, begann Ron erneut, sein Ton wurde lauter, „es ist nicht…“
„Verschwindet aus meinem Haus“, brüllte er nun, „eine Stunde, dann seid ihr verschwunden! Ich will keinen von euch mehr sehen!“
Seine Augen waren nun noch kleine Schlitze aus denen es gefährlich funkelte. Er ging zur Tür, stieß Ron unsanft beiseite und kurze Zeit später hörte man die Haustür ins Schloss schlagen.
„Frau Rappe“, begann Ron erneut, „es ist nicht so. Also, wir haben nichts.“
Ron war nun ebenfalls durcheinander. Ralfs Mutter wand sich ab.
„Geht, es ist besser so, sonst passiert noch ein Unglück“, sagte sie resignierend und ein Schütteln erfasste ihren Körper.
Ron ging in Ralfs Zimmer, Dieser saß immer noch auf dem Bett und starrte ins leere. Er kniete sich vor ihm hin und griff seine Hand.
„Ralf, komm, pack deine Sachen und wir verschwinden von hier.“
Ralf sah ihn an.
„Wohin denn wenn ich fragen darf? Ich hab keinen Job, da werde ich auch keine Wohnung finden.“
Seine Augen waren gebrochen und seine Körperhaltung spiegelte die pure Verzweiflung. Ron drückte die Hand seines Freundes fester.
„Ralf, komm, ich kümmre mich erst mal um dich. Aber lass uns schnell deine Sachen packen und verschwinden. Ich hab so ein ungutes Gefühl bei deinem Vater.“
Ralf sah ihn groß an.
„Wo willst du denn mit mir hin?“
„Ralf, das wird sich finden, aber fang endlich an deine Sachen zu packen. Ist es viel, was du mitnehmen musst?“
Ralf sah sich in seinem Zimmer um.
„Nein, nur meine Klamotten, den Laptop und Kleinigkeiten, das dürfte schnell gehen.“
Ralf klang wieder etwas aufgeräumter. Er hatte eingesehen, dass Ron ihm helfen würde und er die Wohnung so schnell wie möglich verlassen musste.
Er rannte in die Küche, holte eine Rolle blauer Müllsäcke und die beiden begannen die Sachen aus dem Schrank zu zerren und in die Tüten zu stopfen. Ralfs Mutter erschien plötzlich im Zimmer, ging auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Beide schluchzten. Ron kam sich in dem Moment fehl am Platze vor und schlich sich aus der Wohnung. Die Tür ließ er angelehnt, er brauchte erst mal eine Zigarette.
Als er fertig war ging er in die Wohnung zurück. Mutter und Sohn hatten sich gefasst und redeten leise miteinander. Als sie Ron bemerkten, verstummte ihr Gespräch. Frau Rappe ging auf Ron zu.
„Danke, dass sie meinem Sohn helfen, das werde ich nie vergessen. Wenn ich mal etwas für sie tun kann, werde ich mich revanchieren.“
Ron machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Sagen sie ihrem Mann, dass zwischen uns nichts, aber auch rein gar nichts ist.“ Sie nickte stumm und drehte sich um.
Ralf machte sich wieder an seinen Sachen zu schaffen, wobei ihm seine Mutter half. Ron zog sein Handy aus der Tasche und bestellte ein Taxi. Nachdem sie alles zusammen hatten schleppten sie die Säcke und Taschen nach unten. Das Taxi kam und der Fahrer kratzte sich am Kopf, als er die ganzen Tüten und Taschen sah. Ron ging auf ihm zu.
„Kennen sie eine günstige Unterkunft für ein paar Tage?“
Der Fahrer nickte und zeigte auf den Berg Sachen.
„Rausgeflogen?“
„Reden wir nicht davon, fahren sie vor, ich komme mit dem Motorrad hinterher.“
Die Sachen waren schnell im Auto untergebracht, als sie in der Ferne Ralfs Vater kommen sahen. Er verabschiedete sich schnell von seiner Mutter und sprang ins Taxi. Ron setzte sich den Helm auf und setzte sich auf seine Maschine.
Der Vater war noch nicht ganz auf ihrer Höhe, als sich der kleine Tross in Bewegung setzte. Sie hielten vor einer kleinen Pension, sehr gemütlich und familiär geführt. Das Einchecken dauerte nicht lange und kurze Zeit später saßen die beiden im Zimmer. Die Sachen lagen in ihren Tüten und Taschen an einer Seite des Zimmers. Sie setzten sich beide und sprachen kein Wort. Ihre Blicke sagten alles.
„Ralf, ich fahr schnell zu mir, mein Auto müsste eigentlich schon da sein. Dann komm ich wieder her und wir besprechen alles weitere, okay?“
Ralf stand auf und ging zu Ron.
„Danke für alles. Du bist ein wahrer Freund.“
Ron grinste ihn an.
„Dafür sind Freunde da. Bis gleich“, und schon war er aus dem Zimmer.
Auf dem Parkplatz konnte Ron sein Auto sehen. Schön, das alles so geklappt hat, freute er sich. Den Schlüssel holte er vom Diensthabenden ab und begab sich auf sein Zimmer. Er musste erst mal eine Dusche nehmen, bevor er sich wieder auf den Weg machte.
Alles ging in Windeseile, er mahnte sich langsamer zu machen. Er hatte es heute erlebt, wie schnell er abklappen konnte. Als er das erste Mal in seinem Auto saß, war es sehr ungewöhnlich. Noch nie hat er ein eigenes Auto besessen.
Er war sehr aufgekratzt, als er alles auf seinen Körper einstellte. Dann ging es ab zur Pension. Ralf öffnete die Tür nur mit einem Handtuch um der Hüfte. Ron musste im ersten Moment schlucken. So hatte er Ralf noch nie gesehen.
Eine zierliche Person ging es ihm durch den Kopf. Keine wohldefinierten Bauchmuskeln, dafür konnte man die Rippen deutlich sehen. Wie kann man nur als Koch so ein Spargel Tarzan sein?
„Hallo Ron, ich musste erst mal duschen, setz dich doch“, und deutete mit der Hand auf den Stuhl.
Ron setzte sich und beobachtete, wie Ralf in den Säcken nach frischen Sachen suchte. Es war nicht ganz einfach, alles zusammenzufinden, schließlich hatten sie alles so gegriffen und in die Säcke gestopft wie es ihnen unter die Hände kam.
Endlich hatte er eine Unterhose gefunden und Ralf löste das Handtuch. Ron zog gedanklich die Luft scharf ein und stierte seinem Freund aus einem Reflex heraus zwischen die Beine. Er konnte nichts dafür und wendete seinen Kopf demonstrativ in eine andere Richtung.
„Es ist dir doch nicht peinlich?“, fragte Ralf, der Rons Reaktionen auf seinem Strip mitbekommen hatte.
Ron wendete den Kopf wieder Ralf zu, der immer noch nackt vor ihm stand und sich grade die Unterhose hochzog.
„Nein, ist es mir nicht“, und er musste sich konzentrieren, dass seine Stimme ihn nicht verriet.
„Ich dachte nur. Du bist auf einmal so rot geworden“, lächelte Ralf, der sich nun ein T Shirt über den Kopf zog.
Ron merkte es nun selbst, dass seine Ohren glühten und zu seinem Entsetzten wurde es ihm eng in seiner Hose.
„Gehen wir essen, wenn du fertig bist“, lenkte er auf ein anderes Thema.
Ralf, der sich inzwischen eine halblange Hose anzog, nickte ihm zu. Im Restaurant setzten sie sich gegenüber und bestellten erst mal die Getränke. Jeder schaute in seine Karte aber beide konnten sich nicht recht konzentrieren.
Ron ging der nackte Körper von Ralf nicht aus dem Sinn, und Ralf dachte an die Reaktion seines Freundes, als er das Handtuch fallen ließ. Schließlich bestellten beide ein Schnitzel mit Pommes und Gemüse. Bei diesem Essen konnte man nichts falsch machen.
„Ron, wie soll es nun weitergehen? Ich mein, ich möchte nicht von dir abhängig sein und dir auf der Tasche liegen.“
Ron schaute zu ihm auf und sah in seine grünen Augen, die er schon immer so strahlend fand.
„Erst mal essen wir und dann wird uns schon was einfallen.“
„Ron, bitte sei mir nicht böse. Aber ich fühl mich so nicht gut. Die Pension kann ich mir nicht leisten, das ist dir doch sicher klar?“
Ron schaute ihn nachdenklich an.
„Ralf, du weißt, was ich geplant habe. Wenn ich das Objekt bekomme, wirst du für die Küche verantwortlich sein. Wenn du willst.“
„Natürlich möchte ich das, ich freu mich auch schon drauf.“
Ralf war seine Begeisterung anzusehen. „Kannst du auch eine Küche von Grund auf einrichten? Ich meine, so mit allen Drum und Dran. Wasseranschlüsse, Geräte, Elektoleitungen und alles Mögliche, was da reingehört?“
Ralf grinste.
„In der Lehre mussten wir so etwas mal auf dem Papier machen. Das hat mir echt Spaß gemacht und ich war der beste in der Klasse.“
„Na dann kram mal deine Arbeit wieder raus. In diesem Objekt muss alles von Grund auf neu gemacht werden, da ist nichts mehr drin.“
„Gib mir die Maße der Küche und ich mach mich sofort an die Arbeit.“
So wie Ralf das sagte, hatte Ron keinen Zweifel mehr, dass er genau der richtige war. Er lehnte sich zurück und freute sich.
„Die Maße kann ich dir nicht sagen, aber wir werden hinfahren und dann wirst du selber sehen.“ Ralf zog die Augenbrauen hoch.
„Wann soll es losgehen, meine Sachen sind gepackt“, und beide mussten losprusten.
Mitten im Essen klingelte das Telefon von Ron. Heinrich hatte gute Nachrichten. Er lauschte den Ausführungen und bedankte sich bei ihm. „Das war der Bürgermeister von Neudorf. Er hat sich erkundigt, wegen dem Objekt. Es ist zu haben, aber ich muss dort hin um einige Sachen zu klären.“
Ralf schaute ihn groß an.
„Kann ich mitkommen, vielleicht kann ich was helfen?“
Ron lachte.
„Natürlich nehme ich dich mit, schließlich brauche ich einen Fahrer.“
Ralf betrachtete ihn lächelnd.
„Der Herr braucht also einen Chauffeur, so, so. Diese Neureichen immer.“
Wieder mussten sie beide lachen. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag und planten, zwei Tage ein, die sie bleiben wollten. Ron erklärte Ralf, dass sie sich wieder in dem Hotel einquartieren wollten, das er bei seiner ersten Fahrt schon genutzt hatte.
Als Ron wieder in seiner Unterkunft angekommen war, fühlte er sich müde und ausgelaugt. Morgen würde ein schwieriger Tag werden, und er brauchte unbedingt Ruhe. Aber er konnte keinen Schlaf finden. Zu sehr ging ihm Ralf durch den Kopf. Er sah ihn in Gedanken mit einem Handtuch um die Hüfte…
Am nächsten Morgen machte er sich mit einer Dusche frisch und musste sich beeilen, um pünktlich bei Ralf zu sein. Der wartete auch schon vor der Pension mit seiner Tasche in der Hand. Als sie sich schon auf dem Weg aus der Stadt befanden, bremste Ron plötzlich. „Planänderung, ich muss noch mal zum Heim zurück.“
Ralf schaute ihn überrascht an, sagte aber nichts. Sie stiegen beide aus dem Auto und liefen zu Rons Zimmer.
„Ich muss in ein paar Tagen eh ausziehen. Also mache ich es gleich, die Sachen sind ja noch alle verpackt und passen bequem ins Auto. Also bist du heute mal dran, mir beim Auszug zu helfen.“
Ralf lächelte gequält.
„Dein Auszug ist aber freiwillig“, und schnappte sich die ersten Sachen.
„Entschuldige, ich hab es nicht so gemeint. Es war dumm von mir.“
Ralf machte ein grinsendes Gesicht.
„Komm Chef, wir wollen noch nach Neudorf“, und schleppte die Sachen zum Auto.
Schnell waren sie fertig, den Schlüssel hatte Ron beim Bereitschaftshabenden abgegeben. Das Auto war zwar ganz schön beladen, aber den beiden blieb noch genug Platz. Ralf saß nun am Steuer und Ron führte einige Telefonate während der Fahrt.
„Was ist der Olaf eigentlich für ein Typ?“, fragte Ralf plötzlich.
Ron zuckte zusammen. Er wollte eigentlich gestern noch bei Heinrich anrufen, um sich die Nummer geben zu lassen, aber er hatte es total vergessen.
„Olaf hab ich kennengelernt, als ich eine Panne hatte, hab ich dir gestern doch schon erzählt“, wollte Ron ablenken.
„Ja, das weiß ich. Ich meinte wie ist er so?“
Ron wusste nicht worauf Ralf hinaus wollte. Ihn plagte ein schlechtes Gewissen, dass er ihn vergessen hatte.
„Bitte warte mal einen Moment, mir ist gerade etwas eingefallen“, und Ron griff wieder zum Handy. Heinrich meldete sich.
„Heinrich, ich hab ein Anliegen. Hast du vielleicht die Nummer von Olaf?“
Er hörte es kurz rascheln und griff sich auch einen Stift und Zettel.
„Also, die von seinem Handy oder die vom Festnetz?“
„Wenn es geht, nehme ich beide Nummern.“
Heinrich diktierte ihm die Nummern. Danke Heinrich, ich komme nachher noch mal zu dir rum und dann sprechen wir uns weiter.“
„Du bist auf dem Weg hier her?“, fragte Heinrich verwundert.
„Ja, in circa einer Stunde bin ich da.“
„Ich freu mich Ron, komm doch einfach zum Mittag zu uns. Hannelore hat einen super Eintopf gemacht, der wird dir schmecken.“
„Heinrich, ich bin nicht allein unterwegs“, er blickte zu Ralf, der sich auf die Straße zu konzentrieren schien.
„Das macht doch nichts, bring deine Begleitung einfach mit, es ist genug da, bis gleich dann.“ Und Ron hörte nur noch das Tuten im Handy.
„Ralf, wir sind beim Bürgermeister zum Essen eingeladen, ich hoffe dir macht es nichts aus. Aber es sind nette Leute, hab ich dir ja schon gesagt.“
Ralf schielte kurz zu Ron rüber.
„Klasse, freu ich mich drauf. Aber Ron, was ist denn nun mit Olaf? Wie ist er so?“
Ron wurde es wieder unbehaglich.
„Später, ich muss erst noch mal anrufen.“ Wieso bohrt Ralf immer wieder nach Olaf? Was will er denn wissen von mir, und wieso überhaupt? Inzwischen hatte er die Nummer von Olafs Handy gewählt.
„Hallo, Olaf Richter, wer ist da?“
Rons Herz schlug bis zum Hals. Er traute sich kaum Luft zu holen. „
Hallo, hier ist Ron, entschul…“, weiter kann er nicht.
„Ron!“
Beide waren überrascht. Ron vom lauten Aufschrei und Olaf vom unerwarteten Anruf.
„Ich muss mit dir reden, es ist wichtig“, Ron hatte sich als erster wieder gefangen.
„Es geht im Moment schlecht, ich bin auf Arbeit und mein Meist…“, und Ron hörte nur noch ein Rauschen und kurze Zeit später ein Besetztton.
Olaf hatte einfach aufgelegt. Was war denn nur mit ihm los? Ron ließ das Handy resigniert sinken. Er schaute wie gebannt aus dem Fenster, aber sein Blick war leer.
„Ron, alles in Ordnung?“, kam die Stimme von der Seite.
Aber Ralf bekam keine Antwort. Er schaute zu seinem Nebenmann und sah seinen leeren Blick. Ralf sagte nichts mehr, fuhr an der nächsten Abfahrt ab und hielt den Wagen. Er stieg aus und lief um das Auto herum, um die Beifahrertür zu öffnen.
„Ron, steige aus und wir rauchen erst mal eine.“
Er zog Ron am Arm und dieser stieg langsam aus. Ralf zündete zwei Zigaretten an und reichte eine davon Ron.
„Los, sag, was war los? Ron, ich bin zwar kein Hellseher, aber mit dir stimmt was nicht. Was ist denn nun mit Olaf. Du machst um dieses Thema einen Bogen, wie die Katze um den heißen Brei. Sag schon, was war denn eben?“
Ralf schaute seinen Freund tief in die Augen und wartete auf eine Reaktion.
„Ach, er hat aufgelegt, einfach so.“
Ron sah trotzig zu Ralf.
„Er hat seinen Meister vorgeschoben.“
„Hast du dir schon mal überlegt, dass er ihn nicht vorgeschoben hat? Der ist vielleicht grade reingekommen und hat ihm beim Telefonieren erwischt, an dem du ja schuld bist!“
Ron überlegte einen Moment und nickte.
„Hast vielleicht Recht.“
„Schick im doch ´ne SMS. Die kann er auch heimlich lesen“, grinste Ralf und trat seine Zigarette aus.
„Weiter?“, fragte er Ron.
Sie stiegen ein und Ron überlegte, was er in der SMS schreiben sollte. Er nahm mehrere Anläufe, bis ihm der Text gefiel und auf senden drückte. Zufrieden mit sich selbst lehnte er sich im Autositz zurück und genoss die weitere Fahrt.
*-*-*
Olaf war so überrascht, dass Ron auf seinem Handy anrief, dass er einen kurzen Schrei losließ, den sein Meister gehört hatte. Er wollte noch schnell zu Ron sagen, dass er nicht sprechen konnte, als Manfred sich vor ihm aufbaute und die Augen sich zu kleinen Sehschlitzen verengten.
Olaf brauchte einige Zeit, eh er die richtige Taste fand, um das Gespräch, was eigentlich keins war, zu beenden. Dann traf ihm schon die Hand des Meisters im Gesicht und dieser fing nun an, eine ellenlange Litanei runterzuspulen, was Lehrlinge durften und was nicht. Olaf war es leid, er konnte einfach nicht mehr.
In zwei Tagen würde er seinen Facharbeiterbrief überreicht bekommen, also noch den heutigen Tag überstehen, dann morgen noch mal und dann wär es vorbei! Wenn Ron doch etwas für ihn tun könnte. Wie sehr brauchte er einen Freund, der ihm aus all dem helfen konnte. Er versuchte seine Tränen zu unterdrücken, als sich sein Handy per Vibrationsalarm bemerkbar machte.
Manfred schaute ihn an, als ob er es gehört hätte, aber Olaf machte weiter seine Arbeit, als ob nichts gewesen wäre. Kurze Zeit später, er war grad auf dem Weg um Material zu holen, zog er es aus der Tasche um die schönste Nachricht seines Lebens zu lesen! >Olaf, möchtest du bei meinem Projekt mitmachen? – vllt. als Technikwart? mfg Ron<
Olaf war wie benommen. Natürlich wollte er! Immer und immer wieder schlug er sich mit den Händen vors Gesicht und auf die Schenkel. Wenn es einen Gott gab, dann hat er im richtigen Moment seine Ohren aufgehabt und ihn erhört! Olaf musste sich in seinem Freudentaumel setzen. Sein Blick war verschwommen und er dachte an Ron.
In diesem Moment sah er Ron nur als seinen Erretter, der, der ihn vor Manfred erlöste und es ihm ermöglichte vielleicht im Dorf zu bleiben. Olaf wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte eine SMS zu schreiben.
„Ron, du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Wer oder was ist Olaf für dich?“
Ron, eben noch auf Wolke sieben kam wieder in der Realität an. Er schaute zu Ralf, der ein schmunzeln im Gesicht hatte.
„Ralf, ich hab es dir doch schon ein paar Mal gesagt. Er hat mir geholfen bei einer Panne. Er ist sehr geschickt und sieht….“
Ron schluckte. Hatte er sich verplappert?
„Und sieht gut aus, wolltest du mir das sagen?“
Ron wusste nicht, wie er aus dieser Sache heraus kommen sollte und schwieg einfach.
„Ron, versteh mich nicht falsch, ich hab nichts dagegen, dass du einen Jungen magst. Und scheinbar hat es dir dieser Olaf angetan. Jedenfalls haben deine Augen immer so gestrahlt, als du von ihm erzählt hast.“
Ron schluckte. Sollte er sich vor seinem Freund outen? Niemand wusste etwas von seiner Neigung. Er selbst hatte jahrelang diese Gefühle unterdrückt. Sie flammten erst wieder auf, als er Ralf kennenlernte, den er sich jedoch nicht zu offenbarte getraute. Ralf hatte es ihm angetan, sein Aussehen und seine Art hatten ihn dereinst in seinen Bann gezogen. Aber immer und immer wieder hat er diese Gefühle unterdrückt, sich nie getraut etwas zu sagen.
Dann gestern die Erkenntnis, dass Ralf vielleicht auch auf Jungen stand. Aber war das sicher? Der Vater hat ihn einfach rausgeschmissen, weil er sie in seinem Bett gesehen hatte. Und Ralfs Vater hatte auch gesagt, dass er es schon immer geahnt hatte, dass sein Sohn schwul war. War Ralf schwul? War er selbst schwul? Ron drehte der Kopf. Was sollte er antworten?
„Ralf, darf ich dir zuerst eine Frage stellen, bevor ich versuche deine zu beantworten?“
Ron wollte versuchen etwas Licht in die Dunkelheit zu bringen.
„Also, wenn du fragen willst ob ich schwul bin, dann kann ich nur sagen, dass es nicht so ist. Mein Vater ist ein Choleriker. Ich hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass er mich loswerden will und wir hatten ihm unabsichtlich einen Grund dafür geliefert. Ist das genug für eine Erklärung?“
Ron nickte. Brach da grad eine Welt in ihm zusammen? Dachte er nicht, dass er mit Ralf an seiner Seite sein Leben einfacher würde? Er wär dann nicht allein der, der außerhalb der Normen steht. Aber steht er wirklich außerhalb der Normen? Nur weil von allen gepredigt wird, dass Männlein und Weiblein zusammengehören, muss es doch nicht unbedingt der Norm entsprechen! Er mochte keine Weiblein, das hat er schon im Alter von zwölf Jahren gespürt. Aber er konnte diese Gefühle erst viel später deuten, aber nicht ausleben.
Er mochte Frauen, so war es nicht, aber er konnte sich keine Beziehung mit einer vorstellen. Er hatte, wenn es ihm die Schule und das Studium erlaubte, nur flüchtige Beziehungen zu Männern gehabt, die er aber immer schnell beendete.
Mal schob er vor, dass der Typ zu alt, oder zu jung war, mal zu groß oder zu klein. Er hatte Angst eine Beziehung einzugehen, da es bei ihm nur um Sex ging. Aber nun tat sich etwas in seinem Leben, das er vermisst hatte. Er hatte Olaf kennengelernt und die Schmetterlinge im Bauch waren deutlich größer als die, dereinst bei Ralf.
Dieses Gefühl, schon nach dem ersten Treffen war unbeschreiblich. Er hatte sich verliebt, aber sollte er das Ralf auf die Nase binden? Ron wurde sich in diesem Moment bewusst, dass er wirklich schwul war. Nicht nur der Sex mit Männern, das man vorher noch auf pubertäres rumgemache abtun konnte war es, er konnte sich nur einen Mann an seiner Seite vorstellen.
„Ralf, es ist jetzt nicht so einfach das zu sagen, aber ich bin schwul!“
Nun war es heraus! Er befreite sich mit diesen Worten. Er hatte keine Familie mehr, mit denen er es teilen konnte, aber er hatte einen Freund an seiner Seite, der ihn verstehen würde. „Ron, das hab ich schon immer geahnt.“ Ron schluckte.
„Du bist der erste, dem ich es erzählt habe. Ich bin mir grade erst selbst darüber klar geworden, dass ich es bin.“
„Und Olaf spielt eine Rolle dabei?“
Ron wurde rot und verlegen. Was sollte er auf diese Frage antworten? >Ja! < hätte er am liebsten geschrien, aber aus seinem Mund kam nichts.
Ralf nahm die Abfahrt von der Autobahn und hielt in einer Parknische an. Beide stiegen aus und zündeten sich eine Zigarette an.
„Ron“, begann Ralf zögerlich, „mir ist dein Geld scheißegal, versteh mich nicht falsch, aber du bist mein Freund! Und unter Freunden sollte man sich immer alles sagen können. Glaubst du, dass du Olaf liebst?“
Ron horchte auf und wurde unsicher.
„Bitte sag es keinen, ich hab Olaf erst zwei Mal gesehen. Aber er ist so…, so…, wie soll ich es nur beschreiben?“
„Ron, du hast dich in ihn verliebt“, stellte Ralf nüchtern fest, „das kannst du ruhig zugeben, aber erwidert er deine Liebe auch? Ich mein, ist er auch schwul?“
Ron wurde unsicher, es zog ihm den Boden unter den Füßen weg.
„Ich weiß es nicht.“
Schweigend traten sie ihre Kippen aus und fuhren noch ein Stück, dann waren sie in Neudorf. Ron dirigierte sie zum Haus von Heinrich und sie stiegen aus. Die Schuberts hatten sie schon erwartet.
„Hallo Ron, schön dich wiederzusehen!“
Die Freude der beiden war echt. Als Ron Ralf vorstellte, hielt Hannelore einen kurzen Moment inne, legte den Kopf schief und mustere den Begleiter von Ron.
„Bist du nicht einer von den Rappes aus Berlin?“
„Äh, ja“, stotterte Ralf, der sich sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte.
„Komm her mein Kleiner, lass dich drücken“, und Hannelore schloss den verdutzten Ralf in den Arm.
„Rappes Kleiner?“, fragte Heinrich, „das ist ja ein Ding, die Welt ist doch so klein“, und Heinrich drückte ebenfalls den verdutzten Ralf.
„Wo, woher kennen sie mich denn, wenn ich fragen darf?“ Ralf war immer noch durch den Wind, nur die Schuberts lächelten.
„Ralf“, setzte Hannelore zu einer Erklärung an, „ mein Bruder heißt Rolf Rappe, ich glaub das ist dein Vater.“
Ralf wurde bleich.
„Dann, äh, dann bist du meine Tante?“
Er wurde immer weißer im Gesicht. Ron hatte Angst um seinen Freund und griff ihn am Arm und setzte ihn auf einen Stuhl.
Heinrich eilte aus der Küche und kann kurze Zeit später mit einigen Flaschen Bier zurück. „Lasst uns erst mal auf den verlorenen Neffen anstoßen“, und reiche jedem eine Flasche.
Alle prosteten sich zu und Ralf bekam wieder etwas Farbe im Gesicht.
„Ralf, es ist erstaunlich, was du für ein großer Junge geworden bist. Zuletzt haben wir dich als vierjährigen gesehen. Dann brach der Kontakt zu deinem Vater und deiner Familie ab, aber die Ähnlichkeit ist enorm.“
Hanelore schaute Ralf intensiv an.
„Ja, dein Vater. Davon kann ich ein Lied singen. Vor achtzehn Jahren hab ich den Kerl aus meinem Haus geschmissen. Er hat sich benommen, wie ein Rindvieh. Entschuldige, ich kann es nicht anders ausdrücken. Aber der Kerl ist einfach nur verbohrt. Wenn etwas nicht seiner Meinung entsprach, dann hat er so lange geredet und lamentiert, bis alle anderen die Fahnen gestrichen haben. Aber als er dann noch von Themen anfing, die mir gar nicht gefielen, und er sich mit seiner Meinung durchsetzen wollte, hab ich ihn einfach vor die Tür gesetzt.“ Heinrich war sichtlich ergriffen. Die Erinnerungen holten ihn wieder ein.
„Mein Vater hat mich gestern aus der Wohnung geschmissen. Er denkt, ich bin schwul!“, sagte Ralf trocken.
Hannelore schaute entsetzt auf.
„Wie kommt denn Rolf darauf?“
„Er hat gesehen, wie ich mit Ron in meinem Bett gelegen habe.“
Heinrich und Hannelore schüttelten den Kopf.
„Der ist immer noch so bescheuert!“, sagte Heinrich grinsend.
„Bist du denn schwul Ralf?“ Hannelore sah ihn eindringlich an.
„Nein, ich bin nicht schwul, aber würde es etwas ändern, wenn ich es wäre?“
Hannelores Gesichtszüge entspannten sich wieder.
„Natürlich nicht, wie kommst du denn darauf?“
„Sie haben mich so angeschaut, als ob es schlimm wäre.“
„Ralf, das ist doch nicht schlimm, wirklich nicht. Aber mir ging nur durch den Kopf, was du da ertragen musstest. Ich kenn meinen Bruder. Es war sicher heftig. Ach, und sag „du“ zu deiner Tante, dass wir uns gleich verstehen“, und Hannelore herzte Ralf noch einmal.
Während des Essens berichtete Heinrich ausführlich, was er schon in Erfahrung gebracht hatte. Ron beschloss, dass er noch am Nachmittag in die Kreisstadt fahren wollte um die ersten Sachen zu klären. Ralf wollte bei seiner Tante bleiben, wofür Ron vollstes Verständnis hatte. Heinrich bot an, ihm zu begleiten, worüber Ron froh war. Gleich mit dem Bürgermeister zu erscheinen, war eine gute Idee.
*-*-*
Olaf tippte die ersten Zeilen, als ihn ein harter Schlag am Handgelenk traf und sein Handy davonflog.
„Sag mal geht’s noch?“, schrie Manfred ihm mit hochrotem Gesicht an.
„Du bist hier um zu arbeiten, und nicht um zu faulenzen. Ich warte auf das Material und du sitzt hier rum und spielst mit dem Handy!“
Manfred brachte sich in Position und hob den Arm. Olaf schnappte sich im Ausweichen das Handy vom Boden und brachte schnell zwei Meter Abstand zwischen sich und Manfred.
„Komm her“, sagte Manfred drohend.
Olaf schüttelte den Kopf und wich noch weiter zurück.
„Du wirst bei mir nie und nimmer eine Anstellung bekommen. Auf so etwas kann ich verzichten.“
Manfred ging ein Schritt auf ihm zu, den er abermals auswich.
„Ich will deine Scheiß Arbeit auch nicht mehr“, sagte er seinem Meister ins Gesicht und setzte damit alles auf eine Karte.
Manfred blieb mit einem Ruck stehen. Seine Miene verzog sich zu einer grinsenden Grimasse.
„Und ich sorge dafür, dass du auch keine bekommst! Jedenfalls nicht hier in der Gegend.“ Manfred war sich sicher, dass er Olaf nun in der Hand hatte. Aber er irrte.
„Ich nehme heute meine Überstunden die ich zu genüge bei dir gemacht habe und verschwinde jetzt.“
Manfreds Gesichtsfarbe wurde blass.
„Wie redest du eigentlich mit mir? Noch bin ich dein Meister und ich lasse es nicht zu, dass du jetzt verschwindest!“
Olaf ging immer weiter rückwärts, drehte sich um und rannte davon. >Scheisse< hämmerte es in seinem Kopf. Was hab ich nur getan? Aber es musste sein, da war er sich sicher. Es gab keinen anderen Weg. Hoffentlich meinte es Ron ernst, mit der SMS. Das waren seine einzigen Gedanken, als er sein Moped aufschloss und er es versuchte in Gang zu setzen.
Er war fast zu Hause, als er anhalten musste. Ihm war übel und sein Handgelenk schmerzte. Er holte sich eine Zigarette aus der Tasche und musste sich erst einmal beruhigen. Das wird mächtig Ärger geben.
Er dachte dabei mehr an seine Eltern, als an Manfred. Was würden die dazu sagen? Er hatte keine Vorstellung davon. Eins konnte Manfred aber nicht, da war er sich sicher. Er würde morgen seinen Facharbeiterbrief bekommen. So hatte er wenigstens einen Beruf, mit dem er sich notfalls weit weg bewerben konnte, falls das mit Ron nicht klappen würde.
Das war eh sein Plan, lieber wär es ihm natürlich, wenn er mit Ron zusammenarbeiten könnte. Er kam wieder ins Schwärmen. Ein warmes Gefühl machte sich in seinem Bauch breit und vertrieb die schlechten Gedanken. >Mist< durchfuhr es ihm, er hatte noch nicht auf die SMS geantwortet!
Wieder zog er das Handy hervor. Aber im Display konnte er nichts sehen. Er drehte es und sah, dass der Akku verschwunden war. Der muss bei dem unsanften Stoß von Manfred verloren gegangen sein. Was sollte er nun machen. Ein Ersatz Akku war auf die Schnelle nicht aufzutreiben. Und die Nummer von Ron war nur im Gerät. >Was für ein beschissener Tag< und machte sich die nächste Zigarette an.
Derweil machten sich Ron und Heinrich auf den Weg in die Kreisstadt. In der Küche von Schuberts saßen Ralf und Hannelore und erzählten miteinander. Ralf musste alles erzählen, was sich in den letzten achtzehn Jahren zugetragen hatte. Ab und an schaute er auch aus dem Fenster, als sich ein strohblonder Junge dem Haus näherte.
„Sag mal Tante, hast du schon Enkel?“, fragte er.
„Nein mein Junge, wir haben keine Kinder, leider. Aber wie kommst du darauf?“
Im selben Moment schellte die Klingel.
„Weil du Besuch bekommst“, grinste Ralf.
„Ah, du bist es, schon Schluss heute? Möchtest du noch etwas Eintopf?“, hörte Ralf seine Tante in der Diele reden.
Kurz darauf wurde der Junge von Hannelore durch die Tür geschoben.
„Das ist der Nachbarsjunge“, stellte die Tante den Blondschopf vor, der mit geröteten Wangen in der Küche stand.
„Das am Tisch ist mein Neffe, aber setzt dich doch, ich hol dir einen Teller.“
Olaf musste scharf nachdenken. Von einem Neffen hatte er noch nie etwas gehört. Wo kam der auf einmal hier her? Gut, er sah nicht schlecht aus, mit den grünen Augen. Das braune Haar passte einfach toll dazu.
Hannelore wieselte umher und stellte einen Teller vor dem Jungen, der sich an den Tisch setzte. Ralf beobachtete ihn. Wie alt mag er sein, vielleicht sechzehn?
„Olaf, möchtest du noch ein Stück Brot zum Eintopf?“
Ralf entglitten alle Gesichtszüge! Das war Olaf? In diesen Jungen hatte sich Ron verliebt? Das kann doch nicht sein, so ein junger Kerl? Olaf bemerkte die Veränderung an Ralf.
„Äh, ist was?“, war das einzige, was er rausbrachte.
„Du bist Olaf?“
Ralf betrachtete ihm noch immer mit Unglauben.
„Ja, Olaf. Er wohnt nebenan“, sagte die Tante während sie ihm die Suppe auftat.
Ralf schüttelte unmerklich mit dem Kopf. Steht Ron auf Kinder, war der einzige Gedanke, der ihm durch den Kopf ging.
„Olaf bekommt morgen sein Facharbeiterzeugnis. Er ist dann ein richtiger Kemptner“, sagte Hannelore und tätschelte Olafs Schulter. Ralf holte innerlich tief Luft. Facharbeiter – dann muss er doch mindestens achtzehn, neunzehn Jahre alt sein! Ihm fielen mehrere Steine von Herzen. Olaf schaute so gebannt auf seinen Teller, als wäre er der Mittelpunkt der Welt.
„Wollen wir heute Abend grillen, wenn Heinrich und Ron wieder da sind?“ Die Tante setzte sich auch wieder an den Tisch. Olaf hob mit einem Ruck den Kopf.
„Ron ist hier?“, fragte er mit sich überschlagender Stimme.
„Aber ja doch, er ist mit Ralf gekommen, wegen dem Projekt.
Nun ist er mit Heinrich in der Kreisstadt um was zu klären.“
Hannelore schaute zu Olaf. Sie war überrascht, von der heftigen Reaktion. Hatte Olaf sich irgendwie verraten? Er grübelte und betrachtete wieder seinen Teller. Aus dem Augenwinkel sah er Ralf grinsen
„Ich bin Rons Freund.“, und Ralf hielt Olaf die Hand hin.
Zögerlich erhob dieser den Kopf, legte den Löffel beiseite und gab Ralf ebenfalls die Hand. „Ich bin Olaf, wohne nebenan. Hat Ron von mir erzählt?“
Ein rötlicher anstrich verlieh seinem Gesicht eine besondere Note, wie Ralf feststellen musste.
„Ja, etwas“, und Ralf musste wieder lächeln.
Olaf war scheinbar mächtig an Ron interessiert. Jedenfalls konnte er das Zittern des Löffels sehen. Tante Hannelore erzählte, was sich alles zugetragen hatte und Olaf sog die Informationen förmlich in sich auf.
Ohne viele Worte verabschiedete er sich, nicht ohne auch von Hannelore zum heutigen Grillen eingeladen worden zu sein. Ralf grinste immer noch übers ganze Gesicht als sie wieder allein waren.
„Ralf, du weist mehr als du gesagt hast. Ist da etwas, was ich vielleicht wissen sollte“, Hannelore war gar nicht neugierig.
Ralf schüttelte den Kopf, konnte sein Grinsen aber nicht abstellen. Hannelore ließ nicht mit sich reden.
„Nein, ihr fahrt nicht ins Hotel! Das wäre ja noch schöner! Ich mache das zweite Gästezimmer fertig für dich. Ron werde ich seins auch wieder herrichten.“
Resignierend ließ Ralf die Schultern sinken. Innerlich war er aber froh, dass er so gut von seiner Tante und Onkel aufgenommen wurde.
Die beiden waren einfach spitze, er konnte sich gar nicht vorstellen, dass Hannelore und sein Vater verwandt sind. So unterschiedlich sind die beiden. Wieso konnte sein Vater nicht so sein? Ein schmerz erfüllte seine Brust. Langsam ließ er sich aufs Bett sinken und fiel in einen tiefen Schlaf.
Als Ralf erwachte war es still im Haus. Er schlich sich auf die Terrasse und sah Hannelore dort sitzen, die über ein Sudoku grübelte.
„Hallo Tante. Sind die beiden immer noch nicht da?“
„Es dauert noch, Heinrich hat zwischendurch angerufen. Möchtest du erst mal einen Kaffee?“ Ralf nickte und Hannelore eilte in die Küche, um noch ein Gedeck zu holen. Sie plauderten eine Weile, bis Hannelore ganz nebenbei fragte, ob denn Ron auf Männer stehen würde. Ralf wäre fast die Tasse aus der Hand gefallen.
„Wie kommst du denn da drauf“, fragte er, nachdem er sich wieder gefasst hatte.
„Ich kann es dir nicht so genau sagen, aber ich hab das Gefühl, als ob sich da mehr entwickeln könnte zwischen Olaf und ihm.“
Ralf dachte nach. Ron war schon mal hier gewesen, also hatte die Tante die beiden sicher schon mal beobachtet. Aber konnte man in so kurzer Zeit etwas mitbekommen?
„Ach, Tante, ich glaub, die beiden werden auch Freunde. Ron ist ein super Typ. Denk nur mal daran, dass er mir ohne lange zu fragen geholfen hat, als mich Rolf rausgeschmissen hat.“
Hannelore lächelte versonnen.
„Ich weiß, dass er ein lieber ist, aber so wie die beiden sich angeschaut haben, als Ron das erste Mal hier war.“
Ralf wollte seinen Freund nicht outen, dass sollte er mal schön allein machen. Aber ihm kam es auch so vor, dass Olaf mehr für Ron empfand. Allein aus der Reaktion heraus, als er erfuhr, dass Ron da ist.
„Steht Olaf denn auf Männer?“, er konnte es sich nicht verkneifen zu fragen.
„Ralf, gesagt hat er es noch nie, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es so ist. Ich kenn ihn nun schon so lange, da denkt man sich seinen Teil. Und Ron würde super zu ihm passen, meinst du nicht?“
In Ralfs Kopf wirbelten die Gedanken. Sollte Olaf wirklich schwul sein? Dann hätte die Geschichte ja noch ein großes Happy End.
„Ich weiß nicht Tante, warten wir es ab. Heute Abend werden wir vielleicht schlauer sein“, und Ralf lenkte sie auf ein anderes Thema.
Plötzlich tauchte vor der Terrasse eine Frau mittleren Alters auf.
„Hannelore, ich muss dringend mit dir reden! Oh, du hast Besuch?“
Ralf stand auf.
„Darf ich vorstellen, das ist Ralf, mein Neffe. Du weißt schon, der Sohn von Rolf.“
Ralf reichte der Frau die Hand.
„Oh, der Ralf. Das ist ja nun schon Jahre her.“ Sie schüttelten sich die Hände und Tante Hannelore eilte in die Küche um noch dein Gedeck zu holen.
„Sie haben sich aber gemacht. Das letzte Mal hab ich sie gesehen, hm, mal nachdenken. Ich glaub da waren sie drei oder vier Jahre alt.“
„Vier“, sagte Hannelore, die das Gedeck auf den Tisch stellte.
„Wo ist nur die Zeit geblieben“, seufzte die Dame.
„Ralf, dass ist Frau Richter unsere Nachbarin und die Mutter von Olaf.“
„Was, Olaf war hier“, schlussfolgerte sie richtig.
„Ja, er hat noch Mittag gegessen bei uns, was ist denn los Ursel, du bist ja total aus den Häuschen.“ Hannelore hatte inzwischen Kaffee eingefüllt.
„Der Manfred hat angerufen und gesagt, dass Olaf von der Arbeit verschwunden ist.“ Nun erst sah Ralf die Niedergeschlagenheit der Frau.
„Ach, der Olaf macht so was doch nicht. Was hat er denn genau gesagt?“
Ursel rührte gedankenversunken in ihrem Kaffee.
„Er hat gesagt, dass Olaf frech geworden ist und alles stehen und liegen gelassen hat.“
„Dann hat er auch einen Grund dafür gehabt“, sagte Hannelore bestimmt.
Ralf wurde es unangenehm, in der Runde zu sitzen. Aber er wollte erfahren, was mit Olaf los war. Das Benehmen war nicht das, was er von Ron über Olaf gehört hatte.
„Olaf hat zu ihm gesagt, dass er nicht bei Manfred arbeiten wollte. Wir haben uns doch so viel Mühe gegeben, dass er eine ordentliche Ausbildung und eine Anstellung bekommt. Was ist nur in den Jungen gefahren. Schon seit ein paar Tagen ist er so komisch.“
Ralf musste nachdenken. Ron hatte ihm aus dem Auto eine SMS geschrieben. Was hatte er ihm mitgeteilt? Aber es musste etwas gewesen sein, was Olaf dazu bewegte, mit seinem Meister zu brechen. Also konnte es nur etwas entscheidendes sein. Ralf grinste, ihm ging ein Licht auf.
In diesem Moment kamen Heinrich und Ron um die Ecke. Ursel sah auf und lächelte gequält. Hannelore berichtete in kurzen Worten ihrem Mann, was vorgefallen war und Rons Ohren wurden zuerst spitz, dann rot. Ralf beobachtete ihm, verbiss sich aber jeden Kommentar. Schwer ließ sich Ron in den Stuhl fallen. Heinrich machte eine wegwerfende Bewegung. „Ursel, der Junge weiß genau was er tut. Vertrau ihm.“
„Heinrich, der Junge wird keine Arbeit im Dorf finden, dann muss er weg. Ich kann…“ und die Tränen rannten der besorgten Mutter über die Wangen.
Heinrich warf einen vielsagenden Blick in die Runde. An Ron blieb er hängen und beide sahen sich verschwörerisch an. Sie mussten also etwas erreicht haben, schoss es Ralf durch den Kopf. Hannelore sah es auch und vier Leute am Tisch fingen erst langsam, dann immer lauter an zu lachen.
Ursel hob verwundert den Kopf und schaute verwirrt in die Runde. Sie wischte die Tränen mit dem Taschentuch beiseite.
„Ist das denn so lustig? Ich finde das nicht!“, sagte sie ernst.
„Ursel, lass es dir erklären, aber vorher hol ich mal eine Flasche Sekt, es gibt was zu feiern“, und Heinrich ging ins Haus und hinterließ eine sichtlich verwirrte Ursel.
Ralf und Hannelore standen auf und räumten das Kaffeegeschirr zusammen, um es in die Küche zu bringen.
„Darf ich fragen wer sie sind“, fragte Ursel Ron, die nun beide allein waren. Ron erhob sich von seinem Stuhl und reichte der Frau die Hand.
„Ich bin Ron Kramer, ein Freund von Ralf.“
„Ah, sehr angenehm, Ich bin Ursula Richter. Ich wohn nebenan.“
Heinrich kam mit klappernden Gläsern und stellte sie auf den Tisch. Nachdem er eingeschenkt hatte und sich alle wieder gesetzt hatten stießen sie an.
„Was gibt es denn zu feiern?“, fragte Ursel nun und schaute Heinrich an. Lächelnd begann er zu erzählen, von Rons Projekt. Ralf erfuhr nun auch, dass das Objekt so gut wie im Besitz von Ron war.
„Woher haben sie denn das Geld dafür?“ Ursel hatte die Frage gestellt, vor der Ron sich am meisten gefürchtet hatte.
Sollte er die Karten auf den Tisch legen, oder eine Ausrede erfinden? Auch Heinrich und Hannelore schauten fragend zu Ron, nur Ralf lächelte.
„Ich, ähm“, stotterte er. Er wollte nicht mit einem Vertrauensbruch beginnen, aber die Wahrheit wollte er auch nicht sagen, konnte er nicht.
„Das Geld kommt von einer Stiftung. Ron ist beauftragt, in ihrem Namen die Geschäfte abzuwickeln“, half ihm Ralf aus der Patsche.
Dankbar schaute er zu seinem Freund, der ihm zuzwinkerte. Von der Antwort befriedigt, erzählte Heinrich weiter. Ursel zog die Augenbrauen hoch. Ihr dämmerte etwas.
„Und hat die Sache etwas mit Olaf zu tun?“
Sie schaute in das grinsende Gesicht von Heinrich.
„Das kann dir Ron erklären“, und schob den schwarzen Peter weiter.
„Also, ich dachte, dass Olaf vielleicht beim Projekt mitmachen möchte. Ich meinte mit festen Arbeitsvertrag und allem Drum und Dran.“
Ursel griff fahrig zu ihrem Glas. Fasst kippte sie den Inhalt über ihre Kleider.
„Und das meinen sie nicht nur so?“
Ihr Erstaunen konnte sie nicht verbergen. Sie hatte heute schon Alle Möglichen und unmöglichen Gedanken gehabt, aber mit einer solchen Wendung hatte sie nicht gerechnet. Ron schaute ihr in die Augen.
„Wenn er will, dann ist er mit bei, mein Wort darauf!“ Ursel hatte keine Bedenken.
„Ich, ich weiß nicht was ich sagen soll.“
Ihr fehlten wirklich die Worte.
„Ich kann ihnen gar nicht genug danken“, sagte sie, „ich nehme ihr Angebot an.“
Ron zog die Augenbrauen hoch.
„Sie können das Angebot nicht annehmen, dass muss er schon allein machen. Er ist schließlich alt genug um selbst seine Entscheidungen zu treffen.“
Nun war sie es, die die Augenbrauen hochzog und das Wort ergreifen wollte. Aber Heinrich kam ihr zuvor.
„Ursel, Ron hat Recht. Du kannst doch den Jungen nicht immer alles vorschreiben, was er machen soll. Er musste doch schon den Beruf lernen, den du ihm vorgeschrieben hast. Hast du dich denn nie gefragt, ob er das auch wollte“
Ursel schnappte nach Luft. Hannelore legte beruhigend die Hand auf ihren Arm.
„Ursel, lass es Olaf selbst entscheiden. Er weiß, was er will. Bei Manfred wäre er eh nicht geblieben.“
Ursel schluckte einen Kloß herunter.
„Woher weißt du das?“
„Er hat es mir schon vor Wochen gesagt. Er ist gut in der Lehre, aber das ist nicht sein Beruf. Du kennst ihn doch, wie gern er an Motoren rumschraubt. Das ist es was er will und nicht verstopfte Rohre reinigen.“
Ursel sah sich unsicher in der Runde um.
„Aber ich muss doch auf meinem Jungen achten. Ich kann ihn doch nicht…“
„Doch du kannst Ursel, du kannst es.“
Heinrich schenkte ihr noch Sekt nach.
„Er wird die richtige Entscheidung treffen“, und Heinrich zwinkerte Ron zu.
Ron aber war sich nicht sicher, ob er auch zu ihm ins Projekt käme. Er hatte sich schließlich noch nicht gemeldet. Hin und hergerissen stand er auf und ging zur Straße um eine zu rauchen. Die anderen schauten ihn hinterher, aber er nahm die Blicke nicht wahr. Es sind schon Stunden vergangen, seit er die SMS an ihm geschickt hat. Hatte er Olaf falsch verstanden? Wollte der vielleicht nicht? Ron traf es wie ein Stachel im Herzen. Er kam sich auf einmal so dumm vor. Hat er denn gedacht, wenn er mit dem Finger schnippt, kommen alle gelaufen? Wie blöd war er nur, das anzunehmen.
Begann er die Realität nicht mehr ins Auge blicken zu können? Hatte ihm das Geld schon sein Urteilsvermögen verblendet? Erste Zweifel kamen an dem Projekt. Wollte er es überhaupt ohne Olaf? Wie stand der zu ihm? Er bekam Magenschmerzen, alles war so sinnlos. Er mochte den strohblonden Bengel doch, mehr als ihm lieb war.
Ron spürte eine Hand auf seiner Schulter. Ralf stand neben ihn, er hatte sein Kommen gar nicht bemerkt.
„Olaf freut sich, dich zu sehen. Ich hab ihn schon kennengelernt, wirklich ein ganz süßer, den du dir da angelacht hast.“
Ron wurde rot und seine Knie wurden weich.
„Du hast ihn schon gesehen?“
„Ja, ihr wart kaum weg, da kam er an. Ich konnte es dir nicht früher sagen, wir haben ja noch keine Zeit gehabt.“
„Was hat er gesagt?“
Ron kramte mit zitternden Fingern eine zweite Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an.
„Also“, setzte Ralf mit einer wichtigen Mine an.
„Nun erzähl schon“, drängte Ron.
„Wenn ich alles richtig deute, dann bist du bei ihm genau richtig.“
Ron schaute verwundert.
„Wie >richtig deute< und >richtig< sein? Sprich nicht in Rätsel, sondern sag was los ist!“ Ron hätte gerade jemand würgen können.
„Ich hab mich mit Hannelore über ihn unterhalten. Sie meinte, dass ihr zwei super zusammenpasst.“
Ron verschluckte sich am Zigarettenqualm und musste Husten.
„Sie meint was?“
„Sie meint, dass ihr ein schönes Paar abgebt.“
„Hast du etwa was von mir erzählt?“
Rons Augen wurden immer größer und seine Fäuste ballten sich.
„Nein, brauchte ich nicht. Sie hat es dir wohl angesehen, dass du schwul bist. Und das denkt sie auch von Olaf.“
„Sie denkt, oder sie weiß?“
„Sie denkt es von euch beiden, aber sicher ist sie sich nicht.“
Ron atmete hörbar aus. Seine Oma hatte es ihm auch schon mal auf dem Kopf zu gesagt, dass er schwul ist, aber er hat es abgestritten. Haben die älteren Damen etwa einen siebten Sinn dafür? Was sollte er davon halten? Er kam sich plötzlich durchschaut vor. Ron wollte nur noch weg.
„Lass uns ins Hotel fahren, es wird langsam spät.“
„Ron, das mit dem Hotel kannst du knicken. Ich kenn meine Tante zwar erst ein paar Stunden, aber sie scheint sehr erfreut zu sein, dass wir bei ihr übernachten. Ich denke nicht, dass du sie davon abbringen kannst.“
Ron schaute unsicher umher. Was sollte er nun machen?
„Ron, sei einfach ehrlich und steh zu dir selbst. Sie mag dich, glaub es mir. Wenn sie dich fragt, erzähl es einfach. Sie hat da keine Vorurteile.“
Ron zog die Schultern hoch.
„Wenn du meinst. Ach, die Idee mit der Stiftung ist toll. Daran hab ich auch schon gedacht. Ich muss mich mal mit unseren Anwälten in Verbindung setzen, ob die da etwas machen können.“
Sie gingen zurück zur Terrasse, wo sich die anderen drei fröhlich unterhielten. Heinrich war Feuer und Flamme für Rons Projekt. Mit strahlenden Augen erzählte er einige Sachen, die er sich vorstellen könnte.
Ron hörte aufmerksam zu und musste einige Sachen, an die er noch gar nicht gedacht hatte zur Kenntnis nehmen. Heinrich schien ein richtiger Organisator zu sein, mit ausgeprägtem Fachwissen. Er sollte ihn auch mit einbinden, kam es Ron in den Sinn.
„Ich geh mal hinüber um meinen Mann Bescheid sagen, dass wir heute Abend hier grillen.“ Ursel stand schon ein wenig angesäuselt auf und reichte Ron die Hand.
„Danke für alles, und ich bin die Ursel für dich.“
Ron grinste und reichte ihr ebenfalls die Hand.
„Ron“.
Heinrich und Hannelore gingen in die Küche und Ron und Ralf zum Auto, um ihre Sachen auf die Zimmer zu bringen. Ron bekam wieder sein Gästezimmer vom ersten Mal, und Ralf das Zimmer gegenüber. Sie zogen sich noch lockere Kleidung an und machten sich auf den Weg in die Küche, um den beiden zu helfen. Ralf schnippelte mit seiner Tante einen Salat und Ron und Heinrich richteten den Grill her.
Gerade hatte Ron die Holzkohle in den Grill geschüttet, als sich jemand neben ihn stellte. Er wendete seinen Kopf und sah in die strahlenden Augen von Olaf.
„Kann ich mal kurz mit dir sprechen“, und zeigte mit dem Kopf in Richtung Straße. Ron stellte mit Schwung den Sack ab und hätte ihm am liebsten umarmt, aber Heinrich stand hinter den beiden. Außerdem wusste er nicht, ob es Olaf recht wäre.
„Ich hab deine SMS bekommen“, begann Olaf, als sie an der Straße standen und sich eine Zigarette aus der Schachtel fischten.
„Und, was hältst du davon?“
Ron musste seine Erregung in seiner Stimme unterdrücken. „Meinst du das ehrlich, ist das wirklich ein Angebot?“
„Ja, es ist mein Angebot. Du weißt, was ich vorhabe und dabei könnte ich dich wirklich gebrauchen.“
Olaf sah ihm in die Augen.
„Ich muss erst noch mit meiner…“
„Musst du nicht, es ist deine Entscheidung. Die triffst du ganz allein. Du bist alt genug um das zu machen.“
Olaf zog die Augenbrauen hoch und eine leichte röte kam in sein Gesicht.
„Du kennst meine Mutter nicht.“
„Doch, ich hab sie eben kennengelernt. Ich glaub sie ist auch der Meinung, dass du kein kleines Kind mehr bist.“
Ron lächelte entwaffnend offen.
„Habt ihr mit ihr…“
„Ja, alle haben wir mit ihr geredet.“
Ron schaute abwartend auf Olaf. Der schien einen inneren Kampf auszufechten.
„Wann kann ich anfangen?“
Das waren die Worte auf die Ron gewartet hatte. Er konnte es sich nicht verkneifen, dem strohblonden Jungen in seinen Arm zu nehmen. Der ließ es sich gefallen und es war für beide ein intensives, und zärtliches Gefühl, dass beide noch nicht kannten. Lange dauerte die Umarmung nicht.
„Übermorgen ist dein erster Tag“, sagte Ron mit belegter Stimme.
„Danke, ich bin pünktlich“, und auch seine Stimme war belegt.
Als sie wieder auf der Terrasse erschienen, wendeten sich drei Köpfe in ihre Richtung. Alle mussten schmunzeln, aber keiner sagte etwas. Die roten Gesichter von Ron und Olaf sprachen Bände.
Scherzend wurde das Abendessen weiter gerichtet. Olaf hatte ganz schön was zu laufen, denn er kannte sich gut aus im Haus der Schuberts. Als alles fertig war, kam die Mutter von Olaf mit dessen Vater. Sie wurden einander vorgestellt.
Reinhard, der Vater schaute Ron mit einem prüfenden Blick an, der ihm aber standhielt. Sie reichten sich die Hände.
„Reinhard, sag einfach du zu mir. Wirst ja bald ein neuer Nachbar.“
Ron lächelte.
„Hallo Nachbar, ich heiße Ron.“
Das Eis war gebrochen. Während des Essens ging es nur um Rons Projekt. Von allen Seiten kamen gute Ratschläge, die er sich gar nicht alle merken konnte. Er hätte einen Stift und mehrere Zettel gebrauchen können.
Alle waren begeistert, vorneweg wie immer Heinrich. Als sich der Abend dem Ende neigte stand Olaf auf und klopfte mit einer Gabel an sein Sektglas.
„Also, ich möchte auch noch etwas sagen.“
Die Gespräche verstummten und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf Olaf. Er wurde wieder rot im Gesicht. Er war es nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, aber da musste er nun durch, er hatte etwas auf dem Herzen.
„Also, morgen bekomme ich in der Handwerkskammer unserer Kreisstadt mein Facharbeiterzeugnis überreicht. Ich möchte euch alle dazu einladen.“
Alle erhoben ihr Glas und prosteten Olaf zu.
„Außerdem möchte ich mich bei Ron bedanken. Ohne ihn, wär ich sicher nicht mehr lange in Neudorf. Ich habe schon mehrere Bewerbungen abgeschickt. Auf keinen Fall wäre ich bei Manfred in der Firma geblieben.“
Olafs Eltern sahen sich zuerst entsetzt an. Das hatte gesessen. Hannelore schaute die beiden wissend an und nickte ihnen zu. Dann machte sich ein Lächeln im Gesicht der Eltern breit, als ob sie es nun endlich verstanden hätten.
Die Gläser wurden noch geleert und schnell verabschiedeten sich die Richters. Ron ging es zu schnell, jedenfalls die Verabschiedung von Olaf, aber sie mussten zeitig ins Bett, wollten doch alle morgen in die Kreisstadt.
Der nächste Morgen war von Hektik begleitet. Im Haus der Schuberts wimmelte es wie in einem Armeisenhaufen. Hannelore war in ihrem Element. Sie schickte Heinrich drei Mal, um die Krawatte neu zu binden.
Ron und Ralf waren auf so ein Ereignis nicht vorbereitet. Sie suchten sich die besten Sachen raus und machten sich auch fertig. Hannelore begutachtete sie und gab letztlich ihr ja.
Vor dem Haus trafen sie die Richters. Alle waren aufgeregt, Olaf hopste von einem Bein aufs andere. Am liebsten hätte ihn Ron in den Arm genommen. Aber das ging nicht. Obwohl Olaf den gleichen Gedanken hegte.
Im großen Saal der Handwerkskammer herrschte reges Treiben. Die angehenden Handwerker saßen in den ersten Reihen, die Angehörigen dahinter. Die Schuberts suchten sich zusammen mit Ron und Ralf einen Platz in der Mitte.
Es folgte ein würdiges Programm und anschließend die Übergabe der Facharbeiterzeugnisse. Als Olaf an der Reihe war, brandete Applaus auf. Die vier rissen den ganzen Saal mit, und Olaf wurde auf der Bühne stehend rot.
Im Anschluss der Feier gab es einen kleinen Stehimbiss. Olaf gesellte sich an die Seite von Ron und Ralf. Sie grinsten sich an, aber keiner sagte etwas. Ein Mann im dunklen Anzug näherte sich der Gruppe. Ron fiel er als erster auf.
„Olaf, herzlichen Glückwunsch zum Facharbeiter. Willst du nicht doch bei mir arbeiten? Vergessen wir das Ganze doch einfach.“
Olaf fiel der Happen herunter, als er die Stimme von Manfred hörte. Er drehte sich zu ihm, wurde rot und holte Luft.
„Nein!“
Olaf sah ihn ärgerlich an. Manfred machte ein flehendes Gesicht.
„Olaf, überleg es dir doch noch mal, bitte.“
„Auf gar keinen Fall werde ich bei dir arbeiten!“
Man konnte den aufsteigenden Ärger in Manfreds Gesicht sehen.
„Gut, wenn du willst. Aber ich verspreche dir, dass du im Umkreis keinen Job bekommst. Dafür werde ich sorgen!“
Er klang drohend, aber Olaf grinste nur. Schnaubend zog Manfred ab.
„Der hat mir heute auch noch gefehlt“, kicherte Olaf, während er sich einen weiteren Happen in den Mund schob.
Am späten Nachmittag saß man wieder auf der Terrasse bei Schuberts. Olaf schaute immer wieder in Richtung Ron, der dasselbe machte. Immer wieder trafen sich die Blicke der beiden und Ralf konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Auch Hannelore bekam dieses Spiel mit und zwinkerte den beiden zu. Es wurden Pläne geschmiedet, wie das Projekt ins Rollen gebracht werden sollte.
„Ron, morgen soll ich ja bei dir anfangen zu arbeiten, aber es gibt sicher noch nichts zu tun. Mit dem Objekt wird es noch dauern, oder?“
Olaf schaute zu Ron.
„Doch, du hast ab morgen Arbeit. Du wirst dich in der Fahrschule anmelden und den Führerschein machen. Die Kosten übernimmt die Stiftung. Der Techniker muss doch fahren können.“
Ron grinste über das verwunderte Gesicht, was sich ihm bot. Zuerst war Olaf wirklich verwundert, dann begriff er und sein Herz machte Freudensprünge.
„Du meinst ich soll, also ich soll wirklich den Führerschein machen?“
Seine Stimme bebte, sein Traum wurde schneller wahr, als er es je für möglich gehalten hatte. Ron nickte, erklärte aber auch gleichzeitig, dass er heute wieder zurückmusste. Olaf war darüber natürlich nicht glücklich, aber er verstand, dass es sein musste.
Eine Stunde später standen Ron und Ralf umringt von allen am Auto und machten sich startklar.
„Wir werden dann übermorgen wieder hier sein.“
„Ihr werdet wieder bei uns wohnen, eure Zimmer lass ich gleich so, wie sie sind“, Hannelores Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meinte.
Sie verabschiedeten sich und machten sich auf die Fahrt nach Hause. Gut, ein zuhause hatten sie nicht in dem Sinne. Ralf hatte ein Hotelzimmer und Ron musste sich auch noch eine Unterkunft suchen. Seine ganze Habe war ja noch im Auto eingelagert.
Der Rückweg verlief schweigend. Jeder hing seinen Gedanken nach. In der Pension mietete Ron ebenfalls ein Zimmer und sie trugen die Sachen hoch.
„Bis morgen dann, ich hab noch zu tun“, verabschiedete sich Ron von seinem Freund. Der wollte auch nur noch ins Bett und war froh über den schnellen Abschied. Kaum war Ron allein im Zimmer, als sich das Handy bemerkbar machte. Eine unbekannte Nummer aber er konnte sich denken wer da dran war.
„Hallo Olaf, schön dass du anrufst.“
Auf der anderen Seite war ein kichern zu hören.
„Hallo Ron. Heinrich hat mir die Nummer gegeben. Ich wollte nur sagen, dass ich ab morgen mit der Fahrschule beginne. Die haben hier ein Intensivprogramm im Angebot, was ich mitmachen kann. Dann hab ich es in zwei Wochen geschafft.“
Ron war glücklich, wieder die Stimme von Olaf zu hören.
„Das ist ja super, hätte ich gar nicht mit gerechnet, dass es so schnell geht. Aber ich hab noch was vergessen.“
Ron hörte es auf der anderen Seite atmen.
„Du musst auch den Motorradführerschein machen, den wirst du auch brauchen.“
Ron musste grinsen.
„Äh, da muss ich dann erst noch mal nachfragen, ob ich das zusammen machen kann. Aber wofür brauche ich den denn?“
„Ich dachte, dass wir dann mal zusammen fahren können, wenn du Lust hast.“
„Natürlich!“, kam es aus der Hörmuschel. Ron konnte die Freude förmlich spüren.
„Olaf, dann leg dich hin, dass du ausgeschlafen bist. Wir sehen uns dann wieder. Schlaf gut.“ Ron tat es leid, dass er das Gespräch beenden musste, aber er hatte noch etwas zu klären.
„Schlaf du auch gut“, er hörte sich traurig an, „bis dann und melde dich mal wieder.“
Ron suchte in seinem Handy eine bestimmte Nummer, die er jetzt brauchte. Zuerst rief er Johann, den Notar an. Er erkundigte sich, was alles zu beachten war, bei einem Hauskauf. Dieser war zwar überrascht, von Ron solche Fragen gestellt zu bekommen, gab aber bereitwillig Auskunft.
Schließlich bot er seine Hilfe vor Ort an, falls Ron sie nötig hätte. Anschließend wählte er die Nummer von Mike und Katrin, dem Traumpaar der Uni. Nach dem Austausch der neusten Informationen kam Ron zum eigentlichen.
„Du willst eine Stiftung gründen, es aber so machen, dass dein Name nicht genannt wird?“ Mike überlegte krampfhaft.
„Das mein lieber wird nicht gehen, aber ich mach mich mal kundig, wie man das so dreht, dass nicht jeder gleich deinen Namen herausbekommt. Sag mal hast du im Lotto gewonnen?“
Es sollte sicher nur ein Witz sein, aber Ron fühlte sich ertappt.
„Ich erklär es dir morgen. Ich komme dann mal in die Kanzlei. Ich fahr eh bei dir lang.“
„Na, da bin ich aber mal gespannt“, lachte Mike in die Muschel und sie verabredeten sich zum Mittag.
„Ich bring noch einen Überraschungsgast mit, aber den Namen verrate ich nicht“, und Ron beendete das Gespräch.
So, die dringendsten Sachen waren geklärt. Ron zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Er genoss das warme Wasser, schloss die Augen und dachte an Olaf. Wie zu erwarten stellten sich unheimlich gute Gefühle ein, denen er sich hingab. Mit weichen Knien ging er zum Bett und schlief ein.
Am nächsten Morgen war Ralf überrascht, als Ron erzählte, dass sie Mittag essen würden, mit Mike und Katrin. Er freute sich, die Freunde wiederzusehen.
„Ron, ich hab gestern Abend auch noch mal mit meiner Tante telefoniert. Das mit dem Objekt scheint ja zu klappen, da hat sie gesagt, dass wir doch zu ihnen ziehen sollen. So wären wir dichter am Geschehen und bräuchten nicht in dieser Pension Geld auszugeben. Sie freut sich darauf, du kennst sie doch.“
Ron überlegte. Die Idee war gar nicht so schlecht. Was sollten sie hier auch noch. Neudorf würde über kurz oder lang ihr Lebensmittelpunkt werden.
„Ralf, dann lass uns die Sachen wieder packen und ins Auto verladen. Viel Arbeit ist es ja nicht, meine hab ich noch nicht ausgepackt.“
„Ich hab meine Säcke auch noch alle im Zimmer, aber das Auto wird dann ganz schön voll werden.“
„Ralf, ich fahre mit dem Motorrad, dass muss ich ja auch mitnehmen. Da kann das Auto bis unters Dach vollgestopft werden.“
So machten sie sich nach dem Frühstück daran, die Sachen wieder zu verladen. Der letzte Sack musste mit etwas Nachdruck hineingepresst werden, aber sie haben alles untergebracht. Ron zog sich noch die Motorradsachen an und anschließend checkten sie aus. Der erste Weg führte sie zum Friedhof. Anschließend schlugen sie den Weg nach Neudorf ein, um unterwegs noch mal zu halten.
Mike und Katrin erwarteten sie schon. Natürlich war die Freude der vier groß, sich wiederzusehen. Sie setzten sich in eine ruhige Ecke des Lokals und Ron begann zu erzählen. Die beiden schauten sich immer wieder ungläubig an.
Aber als Ron von seinem Projekt erzählte, in dem er sein Geld investieren wollte fanden sie es eine super Idee. Mike sicherte ihm zu, alle Unterlagen vorzubereiten, um eine Stiftung zu gründen.
Ron beauftragte offiziell Mike und Katrin als Anwälte der Stiftung, was die beiden überraschte. Aber zu den beiden hatte er Vertrauen, was er damit zum Ausdruck brachte. Sie gaben ihm noch einige Tipps, gerade was die Geldgeschäfte betraf.
Er musste noch Konten anlegen und Geld umlagern. Dringend war auch ein privates Konto nötig, um seine laufenden Ausgaben besser abrechnen zu können. Sie verabschiedeten sich, nicht ohne die Versicherung von Mike sich zu melden, wenn die Verträge fertig sind.
Als sie Neudorf erreichten fühlten beide schon ein wenig Heimatgefühl. Sie stellten die Fahrzeuge vor dem Schubertschen Grundstück ab und wurden durch Hannelore und Heinrich herzlich begrüßt. Hannelore musste sich ein Tränchen verdrücken, dass sie es wahrmachten und bei ihr einzogen. Es sollte vorerst aber nur eine Übergangslösung sein, wie sich alle gegenseitig versicherten.
Am Abend saßen sie gemütlich auf der Terrasse als sie Schritte im Garten hörten. Olaf kam freudestrahlend an den Tisch und drückte beide zur Begrüßung. Die Umarmung mit Ron dauerte länger als nötig, was den anderen ein lächeln ins Gesicht zauberte.
Begeistert sprach Olaf von der Fahrschule. Seine Augen blitzten Ron immer wieder an. Als er hörte, dass Ron und Ralf jetzt immer in Neudorf bleiben würden, sprang er auf und drückte Ron an sich.
„Und, was ist mit mir, bekomme ich keine Umarmung?“
Ralf schaute zu Olaf, der sich wieder setzen wollte. Erst da fiel ihm auf, dass er nur Ron im Übereifer gedrückt hatte.
„Entschuldigung“, stammelte er und ging zu Ralf.
Wieder wurden Pläne bis in die Nacht geschmiedet, dann löste sich die Runde langsam auf. Ron und Heinrich hatten am nächsten Tag einen Termin in der Kreisstadt, Olaf wieder Fahrschule und Ralf wollte mal einen Tag nichts tun, sich einfach nur mal gehen lassen. Ron brachte Olaf noch zum Tor.
Sie schauten sich zaghaft um, dass sie nicht beobachtet würden und nahmen sich in den Arm. „Danke, dass ich dich kennenlernen durfte“, Ron hatte eine belegte Stimme.
Olaf schaute tief in seine Augen, nickte leicht und die Köpfe der beiden näherten sich.
„Ich bin so froh, dich zu kennen“, Olaf küsste ihm zärtlich auf die Wange.
Beiden war die Nähe zum anderen mehr als angenehm. Am liebsten hätten sie sich stundenlang so im Arm gehalten, aber ein Ruf von Ralf ließ sie auseinanderfahren.
„Oh, ich wollte nicht stören“, kam es von ihm, der mittlerweile hinter den beiden stand. Schnell entfernte sich Olaf und Ralf schaute grinsend zu Ron.
„Was?“, fragte dieser genervt.
„Ich wollte euch wirklich nicht stören. Also hat es echt gefunkt zwischen euch beide?“
Ron schaute seinen Freund an, klopfte ihm mit der Hand auf die Schulter und nickte.
„Ron, ich wünsch dir viel Glück.“
Beide gingen ins Haus und machten sich für die Nacht fertig. Ron und Heinrich standen im Rathaus der Kreisstadt und warteten nun schon eine Stunde. Dann wurden sie gerufen und eine überaus höfliche Dame erklärte den weiteren Weg zum Erwerb des Objektes. Sie waren überrascht, wie einfach und schnell das ging. Der Bund war wohl froh, das Teil endlich los zu werden. Die Kaufsumme war auch nicht so hoch, wie Ron vermutet hatte, aber die Instandsetzung würde noch etliches kosten.
Bevor sie zum Notar fuhren, hielten sie an der Bank, wo Ron noch zwei Konten anlegte. Eines statte er mit genügend Geld aus, um sich die nächsten Wochen versorgen zu können, das andere erhielt die geschätzten Kosten für die Instandsetzung und die Kaufsumme.
Er rechnete großzügig, hatte er keine Vorstellung von den Kosten. Aber die Summe sollte reichen. Beim Notar wurden sie sofort vorgelassen. Es dauerte noch geschlagene zwei Stunden, bis Ron seinen Namen unter das Schriftstück setzen konnte. Das alles so schnell ging hatte er auch Heinrich zu verdanken, der im Vorfeld schon viel erledigt hatte.
An einem kleinen Imbiss hielten sie und aßen erst mal was.
„Sag mal Ron, ist da etwas zwischen dir und Olaf?“
Heinrich tat als wär die Frage das normalste der Welt, Ron verschluckte sich fast an seinem Bissen. Er schaute sich Hilfesuchend um, aber wer sollte ihm helfen?
„Du brauchst nicht rot zu werden, ist doch schön, das der Olaf endlich jemand hat“, und kaute weiter auf seiner Bockwurst.
„Und ich freue mich für euch beide.“
Damit war für Heinrich alles geklärt und er schaute Ron grinsend an.Ron ging der Gedanke nicht aus dem Kopf. Olaf sein Freund. Er bekam ein seltsam schönes Gefühl in der Magengegend und seine Knie wurden auch etwas wacklig. Er fühlte sich hervorragend. Seine Hand ging zu der Stelle im Gesicht, die Olaf gestern Abend geküsst hatte und er träumte vor sich hin.
„Da hat es einen aber ganz schön erwischt“, und Heinrich biss wieder von seiner Wurst ab.
Ron fing sich wieder und lenkte seine Gedanken ab.
„Heinrich, kann ich dich für dieses Projekt wieder aus dem Ruhestand holen? Ich mein, würdest du mich dabei unterstützen?“
Nun war es Heinrich, der sich fast an seinem Bissen verschluckte.
„Ist das ernst gemeint?“ Er schaute verwirrt, mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet.
„Ja, das ist mein voller Ernst! Ohne dich wär ich noch nicht so weit. Außerdem hast du so viele Ideen das ich glaube, dass du der richtige Mann bist, der mich beim Umbau und allem was danach kommt unterstützen kann.“
Heinrich wischte die Hand an seinem Hemd ab.
„Ich bin dabei, also wird der alte Buchhalter noch mal zum Schreibtisch zurückkehren“, und reichte Ron die Hand.
Der schlug ein und beide aßen grinsend weiter.
„Was sollen wir als erstes tun? Das Objekt haben wir, also müssen Firmen gesucht werden für den Umbau. Ich würde vorschlagen, dass wir auch einen Architekten beauftragen, der sich der Sache annimmt, wenn es ins Budget passt.“
Heinrich war in seinem Element.
Ron gefiel der Gedanke.
„Kennst du denn einen Architekten?“
„Hier in der Stadt sitzt einer, den können wir gleich noch aufsuchen.“
„Lass uns hinfahren. Ach, der Architekt passt schon ins Budget. Allein glaub ich nicht, dass wir das schaffen.“
„Stimmt, es muss so viel beachtet werden, da sollen mal Profis ran“, und Heinrich machte ein zufriedenes Gesicht.
*-*-*
Im Architektenbüro trafen sie nur die Sekretärin an. Diese vereinbarte einen Termin für morgen. Der Architekt und sein Gehilfe sollten gleich zum Objekt kommen. Zufrieden machten sich Ron und Heinrich auf den Rückweg.
„Heinrich, du warst mal Buchhalter?“
„Ja, ich bin erst vor zwei Jahren in den Ruhestand gegangen. Die Arbeit hat zwar nicht immer Spaß gemacht, aber ich hatte noch etwas zu tun. Nun habe ich ja nur noch den Garten. Weißt du, es ist schön, dass ich wieder gebraucht werde. Der Job als ehrenamtlicher Bürgermeister bringt auch nicht so viel Arbeit mit sich.“
„Könntest du dir vorstellen, nach dem der Umbau fertig ist, auch wieder als Buchhalter zu arbeiten?“
Heinrich grinste.
„Wenn der neue Chef nicht so schlimm ist, wie mein alter, dann sicher.“
Ron musste nun auch grinsen. Ralf und Hannelore staunten, wie schnell das ganze Projekt Fahr aufgenommen hat.
„Ron, ich hab mir das Teil noch nicht mal angesehen. Wann machen wir das?“
„Morgen fahren wir hin und schauen. Der Architekt will auch kommen. Ach da fällt mir noch etwas ein“, und Ron nahm die Unterlagen zur Hand.
„Heinrich, kannst du damit etwas anfangen“, und schob ihm eine schlecht kopierte Flurkarte herüber.
„Das ist das Grundstück, was mit zum Objekt gehört. Sieht aber ziemlich groß aus“, staunte Heinrich.
„Das ist gut, das passt mir ganz recht“, sinnierte Ron und vor seinem geistigen Auge entstand sein Projekt in voller Blüte.
„Das muss ich mir morgen mal genauer ansehen, kannst du mir dabei behilflich sein, ich kenn mich doch hier nicht aus.“
Heinrich nickte und gleichzeitig klopfte es an der Tür. Olaf erschien in der Küche und wurde von allen begrüßt. Er wurde erst mal auf das laufende gebracht und staunte auch nicht schlecht, über die schnelle Entwicklung.
Ron konnte seinen Blick nicht von dem strohblonden Jungen lassen. Er spürte wieder den zärtlichen Kuss auf der Wange und verfiel ins Träumen.
„Hallo, Ron, schläfst du schon“, wurde er aus den Gedanken gerissen.
Ralf sah ihn an und lächelte.
„Ich fragte gerade, ob wir nicht einen Vermesser bestellen sollten, der das Grundstück kennzeichnet.“
„Ah, eine gute Idee, ich such nachher noch im Internet nach Adressen.“
Ron war immer noch gebannt von Olaf. Als Ron im Bett lag, dachte er an die Umarmung und den zärtlichen Kuss, den sie sich beide zum Abschied gaben. Diese weichen Lippen und dieser drahtige Körper, den er halten und fühlen durfte lösten in ihm Gefühle aus, die er noch nie in seinem Leben gespürt hat. Er griff sich an seine Erregung und konnte an nichts anderes mehr denken, als an Olaf. Heftig kam er, immer und immer wieder pumpte sein Schwanz die Ladungen heraus. Und er genoss, stellte sich den Akt mit Olaf vor und wurde schon wieder scharf. Im Nachbarhaus ereignete sich zur selben Zeit ähnliches. Olaf lief eine kleine Träne herunter. Wie konnte sich sein Leben in so kurzer Zeit so ändern? Er war sich sicher, dass er sich verliebt hatte. Aber noch war nichts zwischen den beiden ausgesprochen. Aber so kurz er Ron auch erst kannte, so sicher war es, dass seine Gefühle erwidert wurden.
*-*-*
Nach dem Frühstück setzten sich die drei ins Auto und fuhren zum Objekt. Heinrich sprang aus dem Wagen und öffnete die schwere Kette vom Tor und hielt es auf. Ron fuhr auf den Hof und Ralf staunte nicht schlecht.
„Man, das gehört alles dir?“
Ralf staunte und Ron lief es siedend heiß den Rücken runter.
„Ralf, das gehört der Stiftung, denk bitte daran.“
Ralf verstand und machte ein erschrecktes Gesicht, aber Heinrich hatte von all dem nichts mitbekommen. Staunend schaute sich Ralf noch immer um, während Heinrich sich wieder an der Tür zu schaffen machte.
„Ich glaub, wir sollten so schnell als möglich jemand kommen lassen, der das in Ordnung bringt.“
Ralf lächelte Heinrich an. Der begriff sofort, was gemeint war.
„Heinrich, du hast freie Hand. Du kannst die Firmen beauftragen, die Kontonummer bekommst du und natürlich auch eine Vollmacht, wenn wir erst mal wieder in der Stadt sind.“ Heinrich hatte es endlich geschafft, die Tür zu öffnen und sie traten ein.
„Kann ich die Küche sehen?“
Ralf war nun auch in seinem Element. Er wollte Ron zeigen, dass er die Sache ernst nahm und schaute sich in den Räumen um.
„Das ist ja eine Wucht, also da habe ich schon ein paar Ideen im Kopf.“
Staunend lief er durch die Räume und murmelte immer wieder vor sich hin. Auf dem Hof hupte es und Ron und Heinrich gingen nach draußen. Ralf konnte sich nicht dazu bewegen lassen. Er holte seinen Zollstock aus der Tasche und begann wie ein Versessener zu messen. Zwei Herren stiegen aus dem Auto, das können nur die Architekten sein. Man begrüßte sich und stellte einander vor. Dann gingen sie in den Plattenbau und Ron erklärte seine Vorstellungen.
Der Architekt machte sich Notizen, nahm aber kein Maßband zur Hand, was Ron verwunderte. Als sie in der Küche und den Speisesälen angekommen waren, übernahm Ralf. Er erklärte den Architekten schon ziemlich genau, wie er sich die Sache vorstellte. Dieser war so begeistert von den genauen Vorstellungen, dass er kaum noch etwas ergänzen musste. Ralf hatte beim Einrichten von Großküchen wirklich gute Arbeit in der Lehre geleistet.
Ron hörte es nur ganz schwach, aber wieder hupte es auf dem Hof und er ließ die drei zurück um nachzuschauen. Auf dem Hof stand ein kleiner Polo mit einem Aufkleber an der Seite, welcher für eine Fahrschule warb. Sein Herz begann schneller zu schlagen und er rannte die Treppen herunter. Olaf kam ihn entgegen und beide vielen sich in die Arme.
„Schon dich wiederzusehen“, raunte Ron in Olafs Ohr. Der gab ihm schnell einen Kuss auf die Wange und sah sich nach dem Fahrlehrer um, der neben sie getreten war.
„Das ist Herr Frenzel, mein Fahrlehrer und das ist Ron, mein Freu…, äh neuer Arbeitgeber“, stellte Olaf sie einander vor. Sie reichten sich die Hände und Ron grinste Olaf übers ganze Gesicht an.
„Meinst du das ehrlich, mit dem Freund?“, flüsterte Ron ihm ins Ohr.
Olaf wurde rot und machte ein komisches Gesicht.
„Wenn du auch möchtest?“, flüsterte er nun in Rons Ohr.
Beide schauten sich an und der Fahrlehrer stand fragend neben beiden. Dann fielen sie sich in den Arm und drückten sich. Herr Frenzel kratzte sich am Kopf und musste lächeln.
Nach Ewigkeiten lösten sie sich und beide hatten einen hochroten Kopf. Hatten sie sich eben vor einem anderen öffentlich geküsst? Es war ihnen Peinlich, aber die Gefühle hatten sie überwältigt. Sie hörten, wie ein Fenster geöffnet wurde und schauten zum Haus. Dort schauten zwei Köpfe raus und grinsten um die Wette. Heinrich sagte etwas zu Ralf, was sie aber nicht verstehen konnten. Also wurden sie von allen gesehen, schoss es den beiden durch den Kopf, aber sie grinsten zurück und nahmen sich an die Hand.
„Wie macht sich denn der Fahrschüler?“, fragte Ron.
„Sehr gut, ich denke es wird keine Probleme geben. Aber langsam sollten wir weiter Olaf.“ Sei umarmten sich noch mal und Ron schaute dem Auto traurig hinterher.
Ron ging wieder ins Haus, wo die Architekten immer noch mit Ralf beschäftigt waren. Ron ging in die andere Richtung und öffnete eine Tür. Der Raum dahinter war nicht groß. Da könnte man ein Büro einrichten und im ehemaligen UvD – Zimmer ein Empfangszimmer einrichten. Er ging von Tür zu Tür und seine Vorstellungen wurden immer lebendiger.
Er schaute noch im zweiten Stock vorbei, sah sich noch einmal die Zimmer an und ging weiter in die obere Etage. Die Zimmer hier waren auch alle gleich. Aber hier wollte er sich eine Wohnung für sich einrichten. Ob Olaf wohl zu ihm ziehen würde? Dann musste die Wohnung größer ausfallen, schließlich sollte jeder sein eigenes kleines Reich bekommen und ein Wohnzimmer für beide, ein Schlafzimmer… Ron ließ sich treiben und vor ihm tauchte wieder Olafs Gesicht auf.
Die Architekten kamen plötzlich den Flur entlang. Bevor Ron etwas vergessen konnte, erzählte er von seinen eben gemachten Vorstellungen und sie schrieben eifrig mit. Platz hatte er. Er rechnete mit fünf Jugendlichen pro Durchgang, die im mittleren Stockwerk untergebracht werden sollten. Das obere würde Privaträume werden, dass unterste für Küche und Büros genutzt werden.
„Wollen sie wirklich nur fünf Räume im mittleren Stockwerk haben?“ Die Frage vom Architekten überraschte ihn.
„Ich wollte immer fünf Jugendliche pro Durchgang nehmen, für jeden ein Zimmer, aber wieso fragen sie?“ Der Architekt sah ihn an.
„Ihre Vorstellungen von den Zimmern kenn ich. Jedes Zimmer soll ein eigenes Bad und Dusche erhalten. Die Räume sind so groß, dass es mit wenig Aufwand einzurichten ist, aber was machen wir mit den restlichen fünf Räumen, die dann noch übrig sind?“
Ron überlegte. Wäre es sinnvoll, zehn Zimmer einzurichten und auch zehn Jugendliche pro Durchgang zu nehmen? Würde die Gruppe damit nicht zu groß werden?
„Machen sie zehn Zimmer draus“, rang sich Ron endlich durch.
Der Architekt nickte, machte sich eine Notiz und sie gingen wieder nach unten.
„Also, die Räume für Küche und Speisesäle sind schon vergeben und von ihrem Kollegen komplett verplant. Was soll mit den anderen werden?“
„Ich dachte da an ein Büro für mich und Heinrich, einen Empfang und eine große Kleiderkammer.“
Der Architekt machte sich wieder Notizen und schaute von seinem Zettel fragend auf.
„Was ist mit den restlichen drei Räumen?“ Heinrich trat heran.
„Mach doch noch drei Unterkünfte daraus. Lieber zu viel, als zu wenig.“
Heinrichs Idee hatte etwas. So wurde Rons Gruppe von fünf auf dreizehn erhöht, aber es konnte nichts schaden.
Sie stiegen die Treppe hinab und waren im Keller. Der Architekt machte nun einige Vorschläge, für die Wirtschaftsräume, was Ron verwunderte. Noch immer hatte er kein Maßband zur Hand und machte den Eindruck, als ob er sich auskennen würde im Objekt. Der fragende Blick von Ron ließ ihn lächeln.
„Herr Kramer, ich hab dieses Haus vor über dreißig Jahren projektiert, ich hab noch alle Blaupausen zu Hause“, sagte er lächelnd und Ron fiel der Unterkiefer herab.
„Was soll mit der alten Gemeinschaftsdusche werden?“
Ron lächelte.
„Die bleibt, kann ja mal sein, dass wir so schmutzig wiederkommen, dass wir durch den Kellereingang reingehen und uns umziehen und duschen müssen.“
Der Architekt zog die Augenbrauen hoch. Ron erläuterte ihm noch mehr Einzelheiten zum Projekt und er verstand.
„Gut, dann hätten wir im Haus alles geklärt, soll an den anderen Gebäuden auch was gemacht werden?“
Ron nickte und sie gingen nach draußen. Zuerst gingen sie zur Garage, die Heinrich öffnete und die er selbst zum ersten Mal betrat. Hier konnten jede Menge Fahrzeuge untergestellt werden, der Boden war noch in Ordnung nur die Heizungsanlage war total hinüber.
Das wanderte zu den Notizen und sie besahen sich den ehemaligen Munitionsbunker. Das wäre die perfekte Werkstatt für Olaf, schade dass er nicht da war. Ron erklärte seine Vorstellung mit diesem Gebäude. Er wollte große Fenster einbauen lassen und einen Heizungs- und Wasseranschluss. Der Architekt schrieb und stimmte in den wichtigsten Punkten mit Rons Meinung überein, hier und da machte er Verbesserungen, die ihm gefielen und auch mit aufgenommen wurden.
Zum Schluss ging man zu den ehemaligen Hundeställen.
„Am besten abreißen“, war der nüchterne Kommentar von Heinrich.
Aber Ron schüttelte den Kopf.
„Kann man das Gebäude total entkernen?“
Der Architekt dachte nicht lange nach.
„Ja, die ganzen Zwinger kann man wegreißen, so dass nur noch die Außenhülle bleibt.“ Ron lächelte.
„Kann man denn ein Schwimmbecken einbauen vielleicht noch eine Sauna zum Entspannen?“ Der Architekt überlegte kurz.
„Das wäre machbar, aber ein ganz schöner Aufwand. Wie groß soll das Becken denn werden?“
„Ich dachte so an die zwanzig, fünfundzwanzig Meter.“
„Dann müssen sie aber noch anbauen, wenn sie noch eine Sauna dabei haben wollen. Aber machbar ist es.“
„Wird es Probleme mit der Baugenehmigung geben, wenn wir noch anbauen?“
„Ich denke nicht, den Antrag stellen wir und dann sollte es klappen“, der Architekt war von der neuen Nutzung des Gebäudes, was sich eigentlich nicht so recht in das Ensemble einfügte überrascht. War aber von dieser Idee begeistert.
„Aber wir sollten die Fenster vergrößern und noch eine Warmwasseranlage aufs Dach setzen, das spart Heizkosten, bei der Größe des Beckens.“
Ron machte einen zufriedenen Eindruck.
„Machen sie alles fertig und dann reden wir noch mal darüber. Kennen sie vielleicht Firmen, die diese Arbeiten ausführen können und auch Qualität liefern? Nach Möglichkeit möchte ich ortsansässige Betriebe nehmen.“
Der Architekt nickte.
„Ich werde mich sofort an die Arbeit machen. Auch Firmen werde ich kontaktieren und ihnen dann bescheid geben.“
„Ach noch etwas, ich möchte dass sie die Bauaufsicht führen. Wenn es ihnen nichts ausmacht.“
Der Architekt lächelte.
„Natürlich übernehme ich das, ich komme morgen noch mal zu ihnen, wir müssen noch einen Vertrag machen.“
Ron und Heinrich verabschiedeten sich von den beiden und standen auf dem Hof.
„Ron, da hast du dir ganz schön was vorgenommen“, sagte Heinrich nachdenklich.
„Ja, und du sitzt im gleichen Boot“, lächelte Ron ihm zu.
Heinrich legte den Arm um die Schulter von Ron und beide stiegen die Treppe wieder hoch. Aus der Küche hörten sie das Klatschen des Zollstockes, der immer wieder auf den Boden geworfen wurde und dann ein schurren. Ralf war immer noch am Messen und sie wollten ihm nicht stören.
Sie gingen beide in das Empfangszimmer und sahen sich um.
„Schöner heller Raum“, sagte Heinrich und in seinem Kopf richtete er es schon ein. „Heinrich, ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass wir nichts zum Sitzen und keinen Tisch haben. Ich denke, das sollten wir morgen ändern, auch ein paar Schränke sollten wir holen, es wird sicher bald jede Menge Papierkram geben.“
Heinrich nickte und ging ein Zimmer weiter.
„Das wolltest du zum Büro machen. Es sieht doch für den Anfang ganz brauchbar aus.“
Ron stimmte Heinrich zu.
„Also ist heute Nachmittag erst mal Möbelschau angesagt. Und wenn ich schon in der Stadt bin, werde ich gleich noch was anderes erledigen.“
Heinrich sah verwundert zu Ron.
„Ich glaub, dass wir uns einen Transporter zulegen sollten. Nicht nur für die Möbel, später müssen wir auch die Verpflegung und alles Mögliche zum Objekt bringen und immer einen Leihwagen? Da kommen wir mit unserem eigenen besser.“
Heinrich nickte.
„Da hast du Recht, so ein Fahrzeug wäre schon was, aber nimm eins, wo man auch Sitze einbauen kann. Denn ich denke nicht, dass die Jugendlichen vom Bahnhof herlaufen. Das sind immerhin fast fünfzehn Kilometer.“
Ron war Heinrich dankbar für den Vorschlag. Er war einfach unbezahlbar. Ralf kam in das zukünftige Büro und strahlte.
„Na, Ralf, hast du alles im Griff?“
Er schaute in die Runde und sein Gesicht war vor Eifer etwas gerötet.
„Ich hab gehört, dass du nachmittags in die Stadt willst. Da komme ich mit, die haben dort einen Großhandel für Küchen, den werde ich mal einen Besuch abstatten.“
„Vergiss aber die Kaffeemaschine nicht“, sagte Heinrich und sie verließen gut gelaunt das Objekt.
Hannelore hatte einen herrlichen Braten gemacht, den sie sich schmecken ließen. Während des Essens wurden noch Notizen gemacht, was zu aller erst erledigt werden muss. Mit einem Bündel Aufgaben machten sich Ron und Ralf auf den Weg. Ron ließ sich von Ralf an einem Autocenter absetzten. Sofort fiel ihm ein Auto auf, das seinen Wünschen entsprach.
Der Verkäufer kümmerte sich um seine Akten und Ron wurde sichtlich übelgelaunt.
„Ich möchte gern ein Auto kaufen, hätten sie vielleicht Zeit?“
Der Ton war ziemlich trocken und der Verkäufer schaute endlich auf. Ron zeigte nach draußen und ein gezwungenes Lächeln glitt in das Gesicht des Verkäufers.
„Den würde ich gern haben, kann man die Sitze rausbauen?“
Ron stand neben dem Transporter und der Mann legte plötzlich ein Grinsen an den Tag, dass Ron alles andere als gefiel.
„Kann man, ja, ist aber aufwändig. Zahlen sie bar?“
Ron verschlug es die Sprache. Er hatte schon einiges Erlebt, aber das war ja wohl die Höhe.
„Lassen sie mal, ich geh zu einem anderen Autohaus. Vielen Dank für ihre Mühe“, drehte auf dem Hacken um und ließ einen verdutzten Verkäufer zurück.
Weit musste Ron nicht laufen, da stand er vor dem nächsten Autohaus. Diese Marke war zwar teurer, aber die Qualität auch besser. Kaum hatte er das Haus betreten, kam auch schon ein Verkäufer auf ihn zu.
„Guten Tag der Herr, möchten sie sich nur umschauen, oder kann ich ihnen helfen?“
Ron war überwältigt von der Freundlichkeit des jungen Mannes. Zudem sah er auch recht passabel aus, wie er feststellen musste.
„Ich suche einen Transporter bei dem man auch die Sitze ausbauen kann“, stammelte er.
Der Verkäufer lächelte ihn wissend an.
„Dann kommen sie mal mit, ich hab genau das richtige für sie“, und er setzte sich in Bewegung.
Ron musste sich zusammenreißen und zwang seinen Blick zu den Autos. Der Verkäufer stellte ihm einen Wagen vor, der Ron sofort gefiel. Mit einigen Handgriffen konnte man die Sitze entnehmen und eine große Ladefläche tat sich auf.
Die sollte ausreichen, um genügend Material transportieren zu können. Schnell wurde man sich einig. Das Fahrzeug hatte eine gültige Zulassung, was Ron erst jetzt am Nummernschild auffiel.
„Sie können das Fahrzeug gleich mitnehmen, die Ummeldung machen wir für sie und ich komme dann einfach zu ihnen und tausche die Nummernschilder“, bot der Verkäufer an und schenkte beiden eine Tasse Kaffee ein.
Der süße Verkäufer machte den Vertrag fertig und zog die Augenbrauen hoch, als Ron die Art der Bezahlung beantwortete.
Er reichte dem Verkäufer seine Karte und dieser verschwand in der Kassenabteilung und kam immer noch erstaunt zu Ron zurück. Er sagte aber kein Ton, stellte keine Frage, wie es sich ein so junger Herr leisten konnte, das Auto bar zu bezahlen.
Er überreichte den Schlüssel und sie tauschten die Telefonnummern aus. Auf dem Weg nach draußen blieb Ron wie vom Blitz getroffen stehen. Er hatte sich noch nie für Autos interessiert, aber was er da sah, verschlug ihm die Sprache.
Dort stand er, sein heimlicher Traum. Ein SUV stand da und rief nach ihm. Das wäre das richtige Fahrzeug fürs Gelände! Damit konnte man auch ohne aufzusetzen die Kolonnenwege langfahren! Und erst im Gelände. Mittlerweile ist er ganz um das Fahrzeug gelaufen, das genauso groß war wie er. Er schaute durch die Scheibe, konnte aber nicht richtig sehen. „Wollen sie vielleicht dieses Auto haben, statt des Transporters?“
Der Verkäufer stand wieder neben ihm.
„Nein, das nehme ich auch noch“, platzte es aus Ron heraus und ihm wurde ein wenig schwindlig. Nie hätte er es sich träumen lassen, mal ein Auto zu fahren, das ein Stern zierte, aber er konnte es sich leisten. War er aber nicht etwas zu verschwenderisch mit dem Geld?
Warf er es nicht mit vollen Händen zum Fenster raus? Sollte er nicht noch mal eine Nacht darüber nachdenken? Wieder vernünftig werden? >Nein< sagte er sich, er war vernünftig. Er würde so oder so einen Geländewagen brauchen, wieso nicht den nehmen, der ihm gefiel.
Inzwischen kam der Verkäufer mit dem Schlüssel und öffnete den Wagen. Ron setzte sich rein und war überrascht, wie hoch er saß. Man hatte einen tollen Überblick und er fühlte sich sofort wohl in dem Auto. Grinsend sah er den Verkäufer an.
„Den nehme ich, gibt’s noch einen Kaffee?“
„Aber sicher doch. Folgen sie mir ins Büro.“
Der junge Mann war so überrascht, gleich zwei Autos an einem Tag zu verkaufen, dass er gleich noch ein Fläschchen Pikkolo spendierte. Ron zitterte immer noch am ganzen Körper, aber freute sich schon auf die Gesichter, die ihm zu Hause erwarten würden.
Einige Extrawünsche hatte Ron noch, so sollte ein anderes Radio eingebaut werden und eine Hänger Kupplung stand auch auf seiner Liste. Nachdem der Vertrag unterzeichnet war ging der Verkäufer wieder zur Kassenabteilung und wunderte sich, dass die Karte nicht geschreddert wurde.
In zwei Tagen sollten die Arbeiten erledigt und das Auto angemeldet sein. Dann würde es zu ihm gebracht. Ron bedankte sich und stieg froh gelaunt in den Transporter. Der Verkäufer sah noch lange hinter ihm her. So schnell hatte er noch nie an jemanden ein Auto verkauft.
Ron machte sich auf den Weg um ein Möbelgeschäft aufzusuchen. Er wurde fündig und hatte schließlich vier Stühle, eine Tisch und einige Schränke sowie einen Schreibtisch samt Stuhl im Transporter verstaut. Zwei Geschäfte weiter entdeckte er eine Filiale der Telekom. Auch hier hatte er noch einen Termin wahrzunehmen.
Die Dame machte ihm wenig Hoffnung, dass die alte Telefonleitung noch brauchbar wäre, die zum Objekt ging. Aber am morgigen Tag sollten sich Techniker das Anschauen und dann würde man weiter entscheiden.
Sein Handy klingelte und auf dem Display sah er, das Ralf ihn anrief.
„Hallo Ralf, was gibt es?“
„Hallo Chef, es dauert bei mir noch etwas, soll ich dich zwischendurch abholen?“
Ralf konnte ja nicht ahnen, dass er zwischenzeitlich schon mobil unterwegs war.
„Nein, fahr wenn du fertig bist nach deiner Tante, ich bin mobil, hab auch schon eingekauft“, grinste Ron in die Muschel.
„Gut, sag, wie viel darf ich eigentlich ausgeben?“
Ralf war so beschäftigt, dass ihm die Bemerkung von Ron gar nicht bewusst wurde. „
Sagen wir mal so, eine Küche aus Gold soll es nicht werden, aber was gebraucht wird, musst du holen, da hast du freie Hand.“
„Danke, ich muss weitermachen“, und nur ein tuten war in der Leitung zu hören.
Verwundert schüttelte Ron den Kopf. Er stieg wieder in den Transporter und machte sich zum örtlichen Energieanbieter. Dort gestaltete sich die Sache schon einfacher, als bei der Telekom. Morgen früh würde der Strom im Objekt wieder zur Verfügung stehen, versicherte man ihm. An einem Getränkehandel machte er noch einmal kurz halt und lud noch einige Getränkekisten ein. Nun war der Transporter aber ganz voll, gut, dass er die Sitze im Autohaus gelassen hatte. Diese sollten auch gebracht werden, nun aber erst zusammen mit seinem SUV. Beschwingt machte er sich auf den Weg zu Heinrich und Hannelore.
Dort wurde er schon ungeduldig erwartet. Ron sah, wie Olaf am Zaun stand und die Straße beobachtete. Erst als der Transporter neben ihm zu halten kam, erkannte ihn Olaf. Er ging zur Beifahrertür und öffnete diese.
„He, klasse Auto, Leihwagen?“, und Olaf krabbelte ins Auto.
„Nein, das wird mal dein Arbeitswagen, ich hoffe er ist nicht zu groß“, lächelte er ihn an. Olaf bekam große Augen.
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“
„Doch mein lieber. Aber wenn er zu groß ist, dann …“
„Nein, nein, ich kann es nur nicht fassen.“, unterbrach Olaf Ron.
„Wieso bist du eigentlich eingestiegen, soll ich dich die fünf Meter mitnehmen?“
Ron schaute verträumt zu Olaf.
„Ach, ja, hätte ich fast vergessen. Wir sollen zum Objekt kommen, Heinrich ist da und sagte was von Handwerkern, die dort sind.“
Ron schaute ungläubig.
„Handwerker? Na dann lass uns mal losfahren. Da können wir auch gleich alles ausladen.“ Olaf schaute nach hinten und grinste.
„Willst du schon einziehen?“
Der strohblonde Jüngling machte ihn fertig. Aber keine schlechte Idee, wenn er auch mit einziehen würde.
Am Objekt stand das Tor weit offen und auf dem Hof stand neben dem Auto von Heinrich auch dass einer Tischlerei. Heinrich sah das Auto kommen und staunte nicht schlecht, als Ron und Olaf ausstiegen.
„Ron, ich hab schon mal die Handwerker geholt, um die Tür gangbar zu machen. Glücklicherweise hatten sie eine neue, die auch passt. Wie ich sehe hast du schon eingekauft.“
Ron ging zu den Handwerkern und begrüßte sie, während Olaf dem verdutzten Heinrich erzählte, dass auch das Auto zu den Einkäufen von Ron gehörte. Mit einem Grinsen nahm Ron wahr, wie Olaf Heinrich stolz erzählte, dass das mal sein Dienstwagen werden sollte. Plötzlich wendeten sich beide Köpfe und schauten angestrengt den Weg zum Dorf nach unten. Kurze Zeit später fuhr das Auto von Ron auf den Hof und Ralf stieg aus. Heinrich und Olaf begrüßten ihn, dann ging er auf Ron zu und reichte ihm mehrere Zettel.
„Du hast gesagt, ich hab freie Hand. Das ist erst mal das Wichtigste, was man braucht, Kleinigkeiten kommen auch noch dazu, aber die werden auch noch mal teuer.“
Ron überflog den Zettel und reichte ihm Heinrich.
„Das ist fortan deine Aufgabe“, grinste er.
Heinrich nahm die Zettel und überflog die Summen, die ihm die Augenbrauen hochwandern ließen.
„Hätte das nicht billiger gehen können“, seufzte er aber Ron lachte nur.
„Ich dachte es wird noch teurer. Aber mal Spaß beiseite, wo ist die Kaffeemaschine?“
Ralf setzte ein breites Grinsen auf und ging zum Auto. Dort holte er eine Maschine und hob sie triumphierend hoch.
„An alles gedacht, aber sollen wir uns zu Kaffeetrinken auf den Rasen setzen?“
Ron ging nun auch zum Transporter und öffnete die Schiebetür.
„Hier ist alles, müssen nur noch ausladen, also ran ans Werk.“
Jeder griff sich ein Teil und schleppte es an die Handwerker vorbei, die an der Tür werkelten. Schließlich hatten die drei es geschafft, den Transporter auszuladen und begannen die Schutzfolie abzuziehen.
„Ralf, schau dir die Tische und die Stühle an, die könnte man doch nehmen für die Speisesäle?“
Ralf begutachtete die Sachen genauer und nickte bestätigend.
„Ja, die sehen gut aus, haben die noch mehr davon?“
„Ja, ich hab schon mal gesagt, dass, wenn sie gefallen, ich noch mal komme und noch mehr bestelle.“
Als sie fertig waren räumten sie das Verpackungsmaterial zusammen und wussten nicht wohin damit.
„Heinrich, wir müssen uns noch um die Müllabfuhr kümmern. Ach, und um einen Briefkasten auch. Es werden bestimmt bald viele Rechnungen kommen“, griente Ron.
„Das mach ich morgen, ich kümmre mich darum. Aber Ralf sollte mal einen Kaffee machen, mal sehen ob er das kann.“
Ralf stand auf und schnippte mit dem Finger, „kein Problem, wo finde ich Wasser? In der Küche ist keines, dort sind die Hähne alle abgebaut.“
Moment, ich komme mit suchen, schließlich bin ich Kemptner“, und Olaf sprang auf, um mit Ralf zu verschwinden.
„Ich glaub, wenn die Wasser finden, müssen sie es über offenem Feuer kochen. Der Strom kommt erst morgen“, griente Ron.
Er erzählte Heinrich von seinen Besorgungen und Terminen, die er gemacht hatte und beide packten nebenbei die anderen Möbel aus.
„Zusammenbauen werde ich die Schränke und den Schreibtisch morgen, für heute reicht es.“ Ron reckte sich und wie aus dem nichts standen plötzlich Ralf und Olaf im Raum.
„Leute, wir haben kein Wasser, nicht ein Tropfen kommt aus der Leitung.“
Ralf zuckte mit den Schultern.
„Also haben wir morgen noch was zu erledigen“, sagte Ron und nahm sich einen Zettel und machte sich Notizen.
Die Handwerker meldeten den erfolgreichen Einbau der Tür und übergaben die Schlüssel. Ron machte sie vom Ring lose und überreichte jeden einen.
„Also, es geht los. Morgen wird ein langer Tag und ehrlich gesagt muss ich nun ins Bett.“
Alle nickten Ron zu und er verschloss als letzter die Tür. Hannelore hatte belegte Schnittchen gemacht, die sie schweigend aßen, ein jeder machte sich seine Gedanken. Ron fiel ein, dass er mit Olaf noch gar nicht über die Werkstatt gesprochen hatte, die er für ihn einrichten wollte, aber heute hatte er keine Kraft mehr dazu. Sie waren alle platt, der Tag hatte es in sich.
Ron begleitete Olaf noch nach draußen und kam kurze Zeit mit rotem Kopf wieder zurück. Ralf grinste nur und Heinrich und Hannelore kicherten.
Der nächste Tag begann mit Hektik. Fast hätten sie verschlafen, aber Hannelore bestand darauf, dass sie erst mal in Ruhe Frühstück aßen. Am Objekt wartete schon ein Mitarbeiter vom Energieunternehmen. Er betrat das Gebäude und ging gleich in den Keller. Ron und Heinrich machten sich daran, den Schreibtisch zusammenzubauen und Ralf war wieder in der Küche verschwunden.
„Verzeihen sie, dass ich störe, aber ich muss noch mal zur Firma zurück. Ich brauche noch etwas Material, aber bis zum Mittag sollten sie wieder Strom haben“, sagte der Mann und verschwand.
Ron griff sich sein Handy und wählte die Nummer vom örtlichen Wasserlieferanten. Die Frau am Telefon war sehr freundlich und wollte gleich jemand losschicken, der die Sache überprüfen sollte. Ron war erleichtert. Wieder klingelte sein Handy.
Es war der Architekt, der ihm ein Vorschlag machte, den er nicht ablehnen konnte. In Neudorf gab es schon seit einigen Jahren einen Erdgasanschluss, den fast alle Bewohner nutzten. Zwar würde es einige Euros kosten, die Leitung bis zum Objekt zu legen, aber diese Investition würde sich über kurz oder lang bezahlt machen.
Bis die Leitung verlegt würde, könnte man einen Tank auf dem Hof stellen, der vorerst die Versorgung der Heizung übernimmt. Ron willigte ein und der Architekt wollte noch am Nachmittag vorbeikommen. Kaum hatte er aufgelegt, hupte schon wieder ein Auto auf dem Hof. Die Telekom hat auch ihr Versprechen gehalten, aber es war ernüchternd, was sie zu sagen hatten. Es lag zwar ein Kabel bis zum Objekt, aber das würde nicht ausreichen, um die von Ron gewünschte ISDN Leitung mit Internetanschluss aufzubauen. Vorerst hatten sie aber ein Telefon angeschlossen, das sogar funktionierte, wie sich Ron überzeugen konnte.
Gut, dass sie das Büro in einem der ehemaligen Offiziersräume eingerichtet hatten, es gab sogar Dosen, mit wenigen Handgriffen von den Technikern umgebaut, und funktionierten. Ron unterschrieb den Vertrag und reicht die Durchschrift Heinrich, der diese entgegennahm.
Ron und Heinrich hatten grade den Schreibtisch fertig, als wieder jemand ins Haus kam und rief. Der Techniker des Wasserversorgers war da, im Schlepptau kam der Elektriker wieder und verzog sich gleich in den Keller. Der Kemptner, es war erstaunlicherweise nicht Manfred, der ehemalige Lehrausbilder von Olaf, wollte sich erst mal ein Überblick verschaffen, ehe er den Haupthahn öffnete.
Ron baute weiter mit Heinrich an den Schränken, als der Kemptner ins Büro kam.
„Ich stelle jetzt das Wasser an. Aber sie haben nur eine Entnahmemöglichkeit und die ist im Keller. Aber ich geh davon aus, dass die gesamte Anlage umgebaut wird.“
„Ja, das wird sie“, sagte Ron und ging mit dem Wasserwerker in den Keller.
Die ersten Liter die kamen waren sicher kein Trinkwasser. Der Techniker hatte einen Schlauch angeschlossen, der nach draußen führte. „Das müssen sie ordentlich ablaufen lassen, aber es wird schon besser“, sagte der Mann.
Auch er legte einen Vertrag vor, den Ron unterschrieb.
„Den Schlauch hole ich später mal, auf Wiedersehen“, und schon war er weg.
Ron war begeistert, Telefon ging, Wasser war da, Heizungsproblem geklärt – was fehlt ist Strom, aber im nächsten Moment summte es und eine Neonröhre wurde aus dem Tiefschlaf erweckt.
„So, alles klar, Strom ist da. Aber ein Tipp hab ich für sie, das Kabel was vom Hauptverteiler im Dorf hier rauf führt, sollte erneuert werden.“
Ron nickte.
„Ich werde es auf meine Liste setzten.“
Ron und Heinrich stellten fest, dass die Firmen gute Arbeit geleistet hatten, und das an einem Freitag! Sie bauten grade den letzten Schrank zusammen, als das Fahrschulauto auf den Hof fuhr und Olaf ausstieg. Ron konnte nicht anders und rannte auf den Hof. Der Wagen setzte grade zurück, als sich beide in den Arm fielen.
„Schön, dass du da bist, ich hab noch was mit dir zu klären“, flüsterte Ron ihm ins Ohr.
Am Fenster sahen sie Heinrich und aus dem Speisesaal grinste ihnen Ralf entgegen.
„Komm, ich muss dir was zeigen“, und Ron zog Olaf zum ehemaligen Munitionsbunker. „Das soll deine Werkstatt werden“, Ron ging von einer Wand zur anderen und zeigte, wo er Fenster einbauen lassen wollte.
Olaf war begeistert. Dann standen sie dicht voreinander und schauten sich beide tief in die Augen. Es folgte ein zärtlicher Kuss und beide versanken in den Armen des anderen.
Sie genossen die Nähe des anderen, beide waren erregt, aber sie wurden wieder einmal gestört. Heinrich kam und mahnte zum Aufbruch, das Essen war fertig, Hannelore hatte angerufen. Beim Mittagstisch wurden Hannelore und Olaf die Neuigkeiten verkündet.
Es waren bisher nur kleine Schritte, die sie vorangekommen waren, aber alle waren glücklich, dass es vorwärts ging. Nach dem Essen machten sie sich wieder auf den Weg zum Objekt. Der Architekt kam kurz darauf und besprach sich mit Ron.
Die Zeichnungen die er vorlegte entsprachen seinen Vorstellungen. Auch die geplanten Kosten des Umbaus hielten sich in Grenzen, also stimmte Ron zu. Am Montag würden die ersten Firmen auf der Matte stehen und mit den Arbeiten beginnen, Ron wunderte sich zwar, dass so schnell alle Gewerke antreten konnten, vertraute aber seinen Architekten und Bauberater.
Olaf und Ralf ließen sich von Heinrich alles erklären, was Ron mit dem Haus und den anderen Gebäuden geplant hatte und waren vor allem vom Schwimmbecken begeistert. Olaf schaute sich die Garage genauer an, das wäre später auch sein Aufgabengebiet und war beeindruckt von der Größe. Er hatte auch schon genaue Vorstellungen, wie er alles einrichten würde, aber da musste er noch mal mit Ron reden. Der stieß kurze Zeit später zu den drein und machte ein betrübtes Gesicht.
„Ich muss übermorgen weg. Mike, der Anwalt vom Projekt, hat angerufen, er muss viele Sachen mit mir klären, das geht nicht anders. Ich komme erst am Montag wieder zurück, wenn alles klappt, ansonsten später. Aber ich muss da hin, es geht auch um eure Arbeitsverträge.“ Olaf schaute ihn traurig an.
„He, du bist doch bald wieder da“, versuchte er Ron aufzumuntern, was ihm aber nicht recht gelang. Schließlich fuhren Ron, Heinrich und Olaf noch mal in die Stadt, um die Vollmacht über das Geschäftskonto besiegeln zu lassen.
Ralf verkroch sich derweil in die Küche und machte an Wänden und Boden Markierungen, die er immer wieder verbesserte. Er war grade im Begriff, den Standort des Herdes genau einzumessen, als er hochschreckte. Durch die Theke sah er einen Kopf, und er ballte seine Hände zu Fäusten. „Oh, entschuldige dass ich störe, aber ich suche Heinrich. Hannelore sagte mir, dass er hier zu finden wäre.“ Das Mädchen hatte lockige rote Haare und ein niedliches Gesicht.
„Oh, Heinrich ist im Moment nicht da, aber wenn du warten möchtest“, Ralf hatte sich wieder gefangen und sah das Mädchen interessiert an. Sie gefiel ihm und er ließ alles stehen und liegen.
„Soll ich dir etwas Gesellschaft leisten?“
Wie plump kam sich Ralf bei diesem Spruch vor. Aber ändern konnte er ihn nicht mehr.
Das Mädchen lächelte, „wenn du einen Kaffee machst, warte ich noch“, sagte sie verschmitzt.
Er kam um die Theke herum und sah sie nun ganz. Sie hatte eine tolle Figur, sah gut aus und passte wie die Faust aufs Auge in sein Beuteschema. Zwar hatte Ralf noch nie eine Freundin, aber so sollte sie sein.
„Ich bin Ralf, Ralf Rappe.“
Er reichte ihr die Hand. Sie ergriff die Hand.
„Ich heiße Anne Kundler, freut mich dich kennenzulernen. Ich hab schon gehört, dass du der Neffe von Schuberts bist.“
Ralf wurde etwas verlegen, in dem Dorf sprach sich alles schnell rum.
„Komm mit, ich mach erst mal einen Kaffee, dann können wir weiter reden“, und führte sie ins Büro.
*-*-*
In der Stadt fiel im gleichen Moment die Kinnlade von Heinrich runter. Er hatte gerade unterschrieben und sollte seine Pin testen, indem er einen Auszug vom Konto drucken ließ. Es waren nicht die Abbuchungen die ihm aus der Bahn warfen, es war der Kontostand, der unmöglich stimmen konnte.
„Ron, sag, les ich da richtig?“
Er reichte den Schein rüber und Ron musste abermals staunen. Obwohl er schon einige Sachen gekauft hatte, war die Summe nicht merklich geschrumpft. Gewöhnte er sich etwa an solch große Zahlen?
„Ja, Heinrich, es ist alles richtig.“
„Das kann aber unmöglich stimmen.“
Heinrich bekam sich nicht mehr ein und musste sich erst mal setzten.
„Was ist das für eine Stiftung? Seid ihr die Maffia? Ron, das ist doch etwas faul“, Heinrich entwich alle Farbe aus dem Gesicht.
Auch Olaf wurde unruhig und griff nach dem Zettel. Als er die Zahl erblickte, wurde er auch bleich. Mehrmals musste er die Stellen zählen.
„Ron, du bist sicher, dass die Zahl echt ist?“
Ron wusste, dass es nur einen Weg gab, den er beschreiten konnte. Er bat den Bankangestellten das Büro zu verlassen und erzählte den beiden seine Geschichte. Immer wieder änderte sich deren Gesichtsfarbe, als er unter Tränen von seiner Oma sprach, nahm ihn Olaf in den Arm und machte ihm es leichter zu reden. Staunend sahen sich die beiden an. Als er geendet hatte herrschte Stille im Raum. Olaf hielt ihn noch immer und Heinrichs Kinn zitterte.
„Ich kann das gar nicht glauben, aber ich bin froh, dass du das alles gesagt hast.“
Olaf strich Ron über den Rücken.
„Danke, dass du so ehrlich bist. Ich kann verstehen, dass du dich hinter der Stiftung verstecken wolltest, aber so ist es besser. Natürlich werden wir nichts sagen, zu keinem, versprochen“, und Heinrich schaute zu Olaf, der bestätigend nickte.
Alle verließen nachdenklich die Bank, jeder hatte andere Gedanken. Heinrich dachte daran, was er wohl mit dem Geld gemacht hätte, war aber mächtig stolz, dass ein so junger Kerl alles für seinen Traum einsetzte.
Ron dachte an den Freund, den er erst grade gewonnen hatte. Würde er auch weiterhin zu ihm stehen, oder würde das Geld etwas zwischen ihnen zerstören, was noch nicht mal richtig ins laufen gekommen war. Olaf dachte an die Großzügigkeit von Ron.
Er nahm sein Geld, um etwas für Jugendliche zu machen. Auch ihn hatte er aus eine Lage befreit, die ihm unangenehm war. Er sah ihn weiter als Ron, den er liebte, auch lieben würde ohne das ganze Geld!
Die Fahrt endete am Objekt, dass sie schweigend, aber befriedigt betraten. Aus dem Büro konnten sie lachen hören und waren erstaunt, Ralf in Begleitung vorzufinden. Heinrich begrüßte Anne, ebenso Olaf. Sie wurden einander vorgestellt, aber Ron konnte sich nicht konzentrieren. Ihm gingen immer noch so viele Gedanken durch den Kopf.
„Bin ich nun anders?!“, platzte es aus ihm heraus und in diesem Augenblick konnte man eine Stecknadel auf dem Boden fallen hören.
Ron schaute sich fragend um und erntete ebenso fragende Blicke.
„Sagt, ändert es etwas an eurer Meinung mir gegenüber?“
Ralf dämmerte um was es ging.
„Du hast es ihnen gesagt?“
Ron schaute zu Ralf und nickte. Heinrich stand auf und ging zu Ron. Er zog ihn hoch und drückte ihn an sich.
„Ron, ich hab noch nie einen solchen Menschen wie dich kennengelernt. Es wird sich nichts ändern, ich verspreche es! Das was du das machst, verdient meinen Respekt und ich steh voll und ganz hinter dir!“
Ron rannte eine Träne aus dem Augenwinkel. Das so ein gestandener Mann diese Worte zu ihm sagte, ging ihm nahe. Wie sehr vermisste er in diesem Augenblick seien Vater.
Als Heinrich ihn wieder losließ, schnappe ihn sich sofort Olaf.
„Ich, ich, also wenn, wenn du mich wirklich…“, stotterte er.
Er hatte sich schon überlegt, was er Ron sagen wollte, aber er konnte es nicht, es ging nicht. Bei allem was er gesagt hätte, würde er sich so vorkommen, als ob er sich grade jetzt aufdrängen würde. „Olaf, ich liebe dich.“ Mehr brachte Ron nicht raus, aber ihre Lippen berührten sich und sie versanken in einem tiefen Kuss.
Als sie sich lösten, auch das musste mal sein, waren alle Probleme zwischen ihnen geklärt. Sie fühlten und spürten es. Anne schaute verdutzt von einem zum anderen. Sie hatte noch nicht mitbekommen um was es eigentlich ging.
Was sie aber gesehen hatte ließ sie lächeln. Da hat der kleine Olaf endlich jemand gefunden, mit dem er glücklich ist. Sie kannte ihn schon vom Sandkasten an, wohnten fast Tür an Tür und hatte schon immer geahnt, dass sie keine Chance bei ihm hat.
„Möchte jemand Kaffee?“
Ralf brachte alle wieder zum Durchatmen. Jeder winkte mit der Hand und Ron konnte nur grinsen und zwinkerte Ralf zu. Ralf war auch froh, dass sie es wussten. Aber was sollte er Anne sagen, die immer noch eine fragende Miene hatte.
„Also, falls es kein Staatsgeheimnis ist, würdet ihr mich bitte mal aufklären?“
Anne schaute fragend in die Runde, bei Ron blieb ihr Blick haften. Er zuckte mit den Schultern.
„Anne, ich hab heute schon einmal meine Geschichte erzählt, lass sie dir von Ralf erzählen, bitte sei nicht böse, aber ich kann heute nicht mehr.“ Anne schaute Ralf an, er ein „später“ Zeichen machte.
Beide verließen den Raum und nur Heinrich, Olaf und Ron blieben zurück. Olaf hatte Ron immer noch umklammert und hauchte ihm ein Kuss auf die Wange. Heinrich musste grinsen. Ron fühlte die Wärme, die von seinem Freund ausging und fühlte sich beschützt und geborgen zugleich. Er hätte stundenlang so sitzen bleiben können, aber Heinrich räusperte sich. Olaf ließ Ron los und setzte sich auf den Stuhl neben ihn.
„Ron, hab ich uneingeschränkte Befugnis über das Geschäftskonto?“ Ron war verwundert über diese Frage, schien sie doch schon längst geklärt zu sein. „Sicher Heinrich, aber das muss reichen für den Umbau und noch einige anderer Anschaffungen. Du kennst mein Projekt, das soll mein Lebenswerk werden. Ich möchte nicht klotzen, aber auch nicht kleckern.“ Heinrich nickte nachdenklich. „Ich werde das Geld verwalten, wie es noch nicht mal die Deutsche Bank schafft.“
Die Tür ging auf und Ralf und Anne betraten das Büro mit frischem heißem Kaffee. Anne ging auf Ron zu und umarmte ihn. „Schön, dass du das durchziehen willst“, Ralf hatte sie zwischenzeitlich aufgeklärt. Ron war die Umarmung nicht unangenehm, hätte aber lieber Olaf in seinem Arm gehalten.
In der Runde, die gelöst und locker war, gab es wiedermal viele Informationen, wie man was machen konnte, wer für was verantwortlich war. Ron schaute zu Olaf. Der sofort alles Technische an sich ziehen wollte. Es machte ihm Spaß, seinen strohblonden Freund zuzusehen, wie er sich um die Arbeit riss.
Anne entführte zwischenzeitlich Heinrich, um mit ihm etwas zu besprechen, schließlich war sie deswegen gekommen. Ralf schaute der feschen roten mit einem Grinsen hinterher, dass Ron und Olaf nur zu gut zu deuten wussten.
Aber auch der schönste Abend ging einmal zu ende. Im Haus der Schuberts wurden sie schon erwartet, Hannelore hatte reichlich Bratkartoffeln gemacht, die Pfanne wurde bis auf den letzten Krümel geleert.
Ron musste sich von seinem Freund verabschieden, am nächsten Morgen würden sie sich nicht sehen können, da Olaf zu Besuch bei Verwandten war, am Sonntag musste Ron zu Mike fahren. Es sollten ewig lange Tage werden, die die beiden nur mit vielen SMS und Telefonaten über die Runden bringen würden.
Am Sonnabend wollte sich Ron endlich mal ein wenig Ruhe gönnen. Er zog sich die Schuhe an und wollte zum Objekt laufen. Ralf dauerte das zu lange und bekam den Autoschlüssel um hoch zu fahren. Der Spaziergang tat Ron wirklich gut. Er dachte an die letzten Wochen, an Olaf und was schon alles am Laufen war.
Hoffentlich konnte er Montagabend wieder da sein und Olaf sehen, ging ihm immer wieder durch den Kopf. Er liebte ihn, so wie er war. Würde sich wirklich nichts ändern an der Beziehung? Würde Olaf ihn wirklich auch so lieben, wenn er kein Geld hätte?
Je mehr er nachdachte, umso größer wurden seine Zweifel. Aber er musste sie wegwischen. Noch nie hatte Olaf etwas in diese Richtung verlauten lassen. Er konnte es sich auch nach längerem Überlegen nicht vorstellen, dass Olaf ihn nur des Geldes wegen wollte.
Als er endlich im Objekt ankam, waren seine Gedanken wieder klarer. Ralf fand er immer noch messend und zeichnend in der Küche.
Er selbst machte noch mal einen Gang durch das Gebäude. Im Keller sah er sich noch mal die Dusche an. Die Idee, sie zu behalten gefiel ihm, aber er musste noch eine Zweite einbauen lassen, für die Mädchen, die es ja auch gab. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Es würden sicher auch einige dabei sein, die so einen Urlaub, wie er es nannte, mitmachen wollten.
Auch musste die Kammer für die Outdoorsachen in der Nähe der Duschen sein. So könnte man von draußen kommend aus den Sachen steigen, duschen und wieder in die privaten Sachen steigen, die man vorher im Umkleideraum abgelegt hatte.
Das wäre sicher nur nötig, wenn sie verschlammt und verdreckt von draußen kommen würden, aber es würde nötig sein um nicht das ganze Haus zu verdrecken. Für die Mädchen sollte das gleiche auf der anderen Seite des Kellers gemacht werden.
Ron zückte sein Handy und rief seinen Architekten an, um ihm die Änderung mitzuteilen. Dieser saß wohl grade noch an der Arbeit und sicherte ihm die Änderungswünsche zu. Dann machte er sich auf den Weg nach draußen, zu den ehemaligen Hundeställen. Er stellte sich den Bau ohne Zwischenmauern vor und sah das Schwimmbecken. Das würde eines seiner liebsten Gebäude werden, da war er sich schon jetzt sicher.
Träumend ging er wieder ins Haus zurück um sich im Büro die Verträge durchzulesen, die er schon abgeschlossen hatte. Ralf trat mit einem seligen Lächeln ein und zeigte auf die Kanne Kaffee, die er kurz zuvor angesetzt hatte. Ron nickte und Ralf schenkte jeden einen Becher ein.
„Du denkst an Olaf?“
Ron schaute von den Papieren auf.
„Ja.“
„Es hat dich ganz schön erwischt, man sieht es dir an.“
„Ähm, macht es das?“, fragte Ron leicht irritiert.
Ralf schmunzelte.
„Ja, du kannst froh sein, ihn kennengelernt zu haben, ihr passt wirklich zusammen.“
Ron wurde leicht rot.
„Na, du bist ja der Experte“, grinste er, „was ist eigentlich mit Anne? Es scheint dich auch erwischt zu haben?“
Nun war es Ralf, der seine Gesichtsfarbe änderte.
„Ich weiß nicht“, stammelte er, „sie ist schon toll, aber ob sie was von mir will?“
Ron schaute seinen Freund an.
„Also ich bin in Sachen Mädchen kein Spezialist, aber es hatte auf mich den Eindruck gemacht, als ob sie dich immer so, so, sagen wir mal interessiert angeschaut hat.“
Ralf zuckte mit den Schultern.
„Schön wär es ja“, murmelte er, stand auf und verschwand wieder in die Küche. Hoffentlich sitzt er nicht immer da drin, dachte Ron sich und las die Verträge weiter. Am nächsten Tag machte er sich früh auf um zu Mike zu fahren. Am Abend zuvor hatte er nur kurz mit Olaf telefoniert, viel zu kurz, ging es ihm nun durch den Kopf. Es kam ihm vor, als ob er diesen strohblonden schon ewig kennen würde und sie nicht viele Worte brauchen würden, um den anderen zu verstehen.
Der Tag war ausgefüllt mit viel Schreibkram. An was man nicht alles denken musste, bei einem solchen Vorhaben. Nur gut, dass Mike sich da drin auszukennen schien. Immer mehr Sachen kamen zum Vorschein, an die er nie im Leben gedacht hätte.
Sie arbeiteten bis spät in die Nacht. Der nächste Tag sollte mit Behördengängen ausgefüllt sein. Ron hatte über das ganze Zeug vergessen, bei Olaf anzurufen, und eben dieser traute sich auch nicht, bei Ron anzurufen. Er konnte sich denken, dass Ron Ruhe brauchte.
Der Montag war wie schon befürchtet mit Behördengängen befürchtet, die kein Ende zu nehmen schienen. Erst am späten Nachmittag trennten sich die beiden und Ron machte sich mit einem brummenden Schädel auf den Weg nach Hause.
Vor dem Haus der Schuberts war alles ruhig, so dass er wieder Gas gab und zum Objekt hochfuhr. Dort war er überrascht, über das Gewimmel, was auf dem Hof herrschte. So viele Autos hat der Hof sicher schon lange nicht mehr gesehen.
Vorsichtig drückte er sich an die vielen Handwerker vorbei und ging zum Büro, in dem Heinrich saß und Verträge studierte.
„Hallo, ich bin wieder da“, sagte Ron erschöpft und schmiss einen dicken Ordner auf den Tisch. Heinrich fuhr herum und grinste.
„Ich hab schon mal angefangen, ein bisschen Ordnung in den Haufen zu bringen.“
Ron zeigte auf den Ordner. „
Da kannst du gleich weitermachen. Auch die Arbeitsverträge für dich, Olaf und Ralf sind da drin. Die müssten dann noch unterschrieben werden.“
Ron machte einen müden Eindruck.
„Eine Tasse Kaffee für den Chef“, und Ralf stellte den Becher vor Ron auf den Tisch. Der sah seinen Freund dankbar an und nippte gleich an dem heißen Getränk. „Ist ja schon jede Menge los hier auf dem Bau“, sagte Ron und erntete zwei nickende Köpfe. „Im Keller sind die Elektriker und die Kemptner, im mittleren Stock die Trockenbauer, die Tischler und Fensterbauer verteilen sich übers ganze Gebäude und die Maurer sind an deinem Schwimmbecken beschäftigt“, brachte ihm Heinrich auf den neusten Stand. „Nicht zu vergessen die Fliesenleger, die sind in meiner Küche“, grinste Ralf.
Das geht ja richtig ab hier, dachte Ron, als der Architekt und Bauaufseher das Büro betrat. Man begrüßte sich und er gab Ron die Zeichnungen, die er von den Kellerräumen überarbeitet hatte zur Ansicht. So gefiel es Ron. Der Eingang zur Umkleidekammer war vom Mittelgang aus. Zur linken Seite lag der Raum mit den Sachen und zur rechten ging es in die Dusche. So hatte er sich das vorgestellt.
Der Architekt nahm ihn noch mit nach oben, um seine Vorstellungen der zwei Wohnungen zu präsentieren. Ron war begeistert. Sein Architekt leistete wirklich hervorragende Arbeit. Als sein Blick vom oberen Stockwerk auf den Hof fiel, sah er zwei Personen mit dem Fahrrad halten und sich staunend umschauen.
Die eine Person hatte rote Haare, die andere dagegen war strohblond. Ron hüpfte das Herz in der Brust. Er bekam die letzten Sätze vom Architekten gar nicht mehr mit und eilte zur Treppe.
Auf halben Weg begegnete er den Jungen, der ihm so gefehlt hatte. Olaf ging es nicht anders. Es kam ihnen beide wie eine Ewigkeit vor. Sie nahmen sich stürmisch in die Arme und auch ein Kuss durfte nicht fehlen. Einige Bauarbeiter, die langsam zum Ausgang gingen, sahen sie verwundert, andere angewidert und wieder andere lächelnd an. Aber die beide hatten keine Blicke für sie. Sie waren beide in ihrer Welt und es dauerte eine Weile, bis sie wieder im jetzt und hier gelandet waren.
„Komm, lass uns nach unten gehen und einen Kaffee trinken“, sagte Ron, der als erster die Sprache wiederfand.
Sie gingen nach unten ins Büro und setzten sich. Heinrich saß am Schreibtisch und suchte in den Papieren. Dann gab er Olaf mehrere Zettel.
„Durchlesen und unterschreiben, es sei denn du machst noch einen Rückzieher.“
Heinrich kicherte. Olaf las seinen Arbeitsvertrag, grinste immer wieder zu Ron und staunte nicht schlecht, über seinen Lohn, der doch deutlich höher war, als er bei Manfred bekommen hätte. Olaf machte keinen Rückzieher. Er griff sich den Stift und unterschrieb, anschließend setzte Ron auch noch seine Unterschrift unter das Dokument, ebenso unter die Verträge von Heinrich und Ralf.
Unmerklich kehrte Ruhe auf dem Bau ein, was die drei im Büro erst nach einer Weile mitbekamen, da es still war im Haus. Aber sie konnten aus Richtung Küche lachen hören. Sie gingen den Geräuschen nach und sahen gerade noch, wie zwei auseinandersprangen und etwas rot in ihre Gesichter kam.
„Wir haben, ich meine, ich habe Anne grade die Küche erklärt“, stammelte Ralf.
„Ach so“, sagte Ron mit einem ironischen Unterton in der Stimme.
Im selben Augenblick sahen alle aus dem Fenster. Gemächlich fuhr ein großer SUV, gefolgt von einem Transporter auf den Hof. Ron nahm Olaf in den Arm und flüsterte etwas in sein Ohr.
„WAS?! Deiner?“
Alle schauten zu Ron, dem es wohl etwas peinlich war.
„Das ist dein Auto?“
Ralf konnte es auch nicht fassen. Sie gingen nach draußen, wo sie von Verkäufer des Autohauses begrüßt wurden. Olaf und Ralf standen staunend am SUV und mussten mit dem Kopf schütteln.
„He, ich brauche doch ein Auto, um im Gelände fahren zu können“, verteidigte Ron seinen Kauf und Heinrich sah ihn grinsend an.
„Ich war zwar vom Kontostand irritiert, aber die Abbuchung hab ich gleich gesehen. Wollte nur wissen, wann du damit rausrückst“, sagte Heinrich leise in Rons Ohr.
„Das hab ich echt vergessen. Tut mir leid. Aber das war ein Spontankauf, den ich sicher nicht bereuen werde.“
„Ja, den wirst du brauchen für dein Projekt“, stimmte ihm Heinrich zu.
Nacheinander nahmen hinter dem Lenkrad Ralf und Olaf Platz und strahlten um die Wette. Der Verkäufer und der Fahrer des Transporters hatten inzwischen die Sitze ausgeladen und stellten sie in die Garage, die schon vor Material aus den Nähten zu platzen schien. Ron staunte nicht schlecht, was die Firmen schon alles angeschleppt hatten. Als er wieder auf den Hof trat, sahen sie, wie die beiden die Nummernschilder am Transporter austauschten.
„So, die Papiere und dann noch allzeit gute Fahrt wünsche ich.“ Ron bedankte sich und verabschiedete die beiden.
Im SUV herrschte immer noch reges Treiben. Am liebsten wären Ralf und Olaf gleich eine Runde gefahren, aber der eine durfte noch nicht und der andere traute sich nicht zu fragen. „Ralf, fahr doch ein Stück.“
Das ließ sich dieser nicht zwei Mal sagen. Er winkte Anne auf den Beifahrersitz und startete den Motor. Langsam fuhr das Auto vom Hof und den Kolonnenweg aufwärts. Er wollte nicht zum Dorf, sondern die Fahreigenschaften auf dem schlechten Weg testen. Ron wurde von Olaf angerempelt.
„Tolles Auto, darf ich auch mal mit fahren, ich mein, wenn du nichts dagegen hast?“
Ron überlegte eine Weile.
„Sicher kannst du fahren, von mir aus auch sofort, aber der Weg ist öffentlich zugänglich. Meinst du nicht, dass wir noch warten sollten, bis du deinen Führerschein hast?“ Olaf nickte. „Alles klar, so lange kann ich noch warten, dauert ja nur noch ein paar Tage.“
Ron war froh, über die Einsicht, lange hätte er diesen Blick nicht mehr wiederstehen können. Die drei gingen zu den ehemaligen Hundeställen, wo sich schon einiges getan hatte. Volle Schuttcontainer standen herum und im inneren konnte man schon die Ausmaße des Gebäudes erkennen.
Zwar standen noch einige Zwischenwände, aber für einen Tag Arbeit war es schon beachtlich, was geleistet wurde.
„Wenn das einmal fertig ist, werde ich jeden Tag ein paar Bahnen schwimmen“, sinnierte Olaf vor sich hin.
„Dann tun wir uns zusammen, ich bin auch dabei“, und Ron legte seinen Arm um Olaf. Sie gingen wieder zum Haus zurück und verschlossen die Tür.
Als sie auch die Garage verschlossen hatten, näherte sich der SUV wieder dem Objekt. Ralf ließ die Scheibe herunter und lehnte sich lässig aus dem Fenster.
„Schade, dass du mich als Koch eingestellt hast. Fahrer würde ich auch gern machen“, und setzte sein breitestes Grinsen auf.
„Dann fahr nach unten, ich und Olaf fahren mit den Rädern, die müssen ja auch wieder zurück.“
Das ließ sich Ralf nicht entgehen und gab grinsend Gas. Heinrich setzte sich in sein Auto und fuhr auch los. Endlich waren Ron und Olaf mal ganz allein. Sie gingen zu den Rädern, aber bevor sie aufsetzten gaben sie sich einen langen Kuss. Schnaufend trennten sie sich wieder. „Olaf, du kannst gar nicht glauben, wie ich mich in dich verliebt habe“, und Ron fuhr zärtlich mit der Hand durch das Gesicht von Olaf und schob ihm eine Haarsträhne zurück.
Olaf sah in Rons Augen.
„Als ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich, dass du derjenige bist, den ich wollte. Ich bin so glücklich…“ und wieder verschmolzen ihre Münder.
Die Fahrt ins Dorf dauerte länger als gedacht, aber sie mussten unterwegs einige Male anhalten. Nicht weil es einen Defekt an den Rädern gab, sondern der Grund war einfacher: Es küsste sich schlecht beim Radfahren.
Die nächsten Tage waren ganz dem Bau gewidmet. Auch das Vermessungsbüro meldete sich an und Ron war überrascht, wie groß das dazugehörige Grundstück war. Holzpfähle wurden eingerammt und mit Leuchtfarbe markiert.
Er hatte zwar schon eine Vorstellung von der Gestaltung des Geländes, wusste aber nicht wie er das anfangen sollte. Aber er kannte doch einen, der davon vielleicht Ahnung hatte. Er musste Andreas, seinen Freund mit dem grünen Daumen kontaktieren.
Er war zwar Landschaftsarchitekt, konnte ihm aber vielleicht Hilfe geben. Zwei Tage später war dieser zur Stelle.
„Was ist denn hier los? Wo hast du denn angefangen zu arbeiten?“
Sie begrüßten sich herzlich und als auch Ralf seinen Freund entdeckte war die Begrüßung noch größer. Die drei Freunde tauschten erst mal eine Menge Neuigkeiten aus, ehe Ron auf das eigentliche Thema kam.
„Ich geh dann mal Chef“, sagte Ralf und klopfte Andreas noch einmal auf die Schulter.
„Hab ich das richtig verstanden? Du bist der Chef von Ralf? Los, erzähl mal, was wirklich los ist!“
Andreas schaute ungeduldig zu Ron. Der winkte ihm zum SUV und fuhr mit ihm ins Gelände.
Bei einer Zigarette erzählte Ron seinen Freund die ganze Geschichte und zupfte nebenbei nervös Grashalme ab und zerrieb sie zwischen seine Finger. Staunend hörte Andreas sich die Geschichte an und klopfte zum Ende Ron auf die Schulter.
„Mann, das hätte ich gar nicht von dir gedacht, aber so warst du schon immer. Einen Freund hast du noch nie hängen gelassen und die Arbeit mit den Jugendlichen hat dir auch immer Spaß gemacht.“
Ron war froh, dass Andreas es so leicht aufnahm. Er erklärte ihm was er sich genau vorgestellt hatte und Andreas kratzte sich am Kopf.
„Also, so etwas hab ich noch nie gemacht, aber ich werde es versuchen. Ich bräuchte noch eine Flurkarte mit den genauen Maßen und einige Bilder muss ich auch noch vom Gelände machen. Es wird aber einige Zeit dauern, bis ich das fertig habe.“
„Danke, damit tust du mir einen großen Gefallen. Es soll aber auch nicht umsonst sein, betrachte es als einen offiziellen Auftrag. Außerdem wäre es echt schön, wenn du die Baumaßnahmen überwachen könntest.“
„Das ist kein Problem, wenn es offiziell ist“, grinste Andreas und zog eine Kamera aus der Tasche.
Sie liefen kreuz und quer über das Gelände, Andreas machte sich Notizen und viele Bilder. Als er zufrieden war, fuhren sie zum Objekt zurück. Dort wurden sie im Büro schon von Hannelore erwartet, die den Eintopf samt Geschirr gebracht hatte. Heinrich saß am Schreibtisch und aß nebenbei, Ralf rannte mit dem Teller in der Hand hin und her und die Handwerker saßen auf dem Rasen und machten dort Mittagspause.
„Zuerst muss die Küche fertig werden, dann kann ich endlich kochen und meine Tante entlasten“, sprach Ralf mit vollem Mund.
„Ach, das ist doch kein Problem mein Kleiner“, und seine Tante drückte ihn auf einen Stuhl. „Heinrich, setzt dich auch endlich an den Tisch, oder willst du Magengeschwüre bekommen?“
Ron und Andreas setzten sich ebenfalls und bekamen einen Teller mit herrlich duftendem Eintopf gereicht. Eine halbe Stunde später konnte man im Haus sein eigenes Wort nicht mehr hören. Überall wurde gehämmert, geschraubt, gemeißelt und geflext.
Es ging zu wie in einem Bienenhaus. Ron wurde immer mal wieder gerufen, um Probleme zu klären. Materiallieferungen trafen ein und volle Schuttcontainer wurden abgeholt. Inzwischen wurde die Wiese zum Parkplatz umfunktioniert, die großen Fahrzeuge brauchten Platz zum Wenden.
So wurde es Freitagnachmittag und ein Auto fuhr mit lauten Hupen auf den Parkplatz. Ron schaute aus dem Fenster und sah, wie Olaf aus dem Fahrschulauto sprang und mit einer kleinen Plastikkarte wedelte. Ron lief zu ihm und beide umarmten sich.
„Ich hab´s geschafft, Ron, ich hab endlich den Führerschein!“
Olaf bekam kaum Luft. Herr Frenzel trat auf die beiden zu und wartete, bis sich Olaf beruhigt hatte.
„Die Theorie für den Motorradschein haben wir ja schon gemacht, in den nächsten Tagen werden wir dann noch die praktischen Übungen machen, dafür nehmen wir uns aber Zeit. Das Wetter soll sich ja verschlechtern.“
Olaf nickte seinen Fahrlehrer zu und Ron bedankte sich bei ihm.
„Hat sich ganz schön was getan“, staunte der Fahrlehrer nicht schlecht, als er sich umsah.
„Dann noch viel Erfolg und wir sehen uns Olaf.“
Er stieg in den Wagen und fuhr vom Hof.
„Dann kann ich dich heute ins Dorf fahren, oder?“
Ron lachte, legte den Arm um die Schulter von Olaf und zog ihm zum ehemaligen Munitionsbunker.
„So, mein lieber, mach dir Gedanken, wie du deine Werkstatt einrichten willst. Der Architekt ist noch da und wartet auf dich.“
Olaf gab Ron einen Kuss auf die Wange und rannte ins Haus, um den Herr seiner Begierde zu suchen. Ron schaute ihn grinsend hinterher und schlurft weiter zu seinem Lieblingsobjekt.
Auch hier konnte man die Fortschritte schon mehr als deutlich sehen. Spundwände wurden in die Erde getrieben, um die spätere Grube für das Schwimmbecken ausheben zu können. Auch der Anbau hatte schon ein Fundament bekommen, auf dem sich schon die ersten Reihen Steine befanden. Ron war mit dem Fortschritt der Arbeiten sehr zufrieden, aber eines machte ihm Kopfzerbrechen.
Die Telefonleitung musste erneuert werden, die Gasleitung sollte verlegt werden, Die Stromleitung war auch nicht mehr die beste. Also musste neben der Straße ein Graben ausgehoben werden, in dem alle Leitungen zum Objekt verlegt würden. Er brauchte noch eine Firma, die das erledigen sollte.
Ron sprach mit Heinrich darüber. Der Griff zum Telefon und zehn Minuten später hatte er die Zusage, dass ab Montag begonnen wird mit dem ausheben des Grabens. Es wurde Feierabend und die Geräusche verstummten. Nach und nach verabschiedeten sich die Arbeiter und gingen in ihr verdientes Wochenende.
Heute Abend wollte Heinrich noch mal grillen, auch die Richters waren dazu eingeladen. Es wurde gemütlich und Olaf erzählte immer wieder von seiner Werkstatt. Er war feuerrot vor Begeisterung und allen war anzusehen, wie gut es ihm tat, endlich auch ins Geschehen eingreifen zu können.
Ron kam grad von der Toilette wieder, als er am Arm in eine dunkle Ecke gezogen wurde. Reinhard stand vor ihm und sah ihn ernst an.
„Ist da was zwischen dir und Olaf?“
Der Ton war ungewöhnlich frostig. Ron schluckte nur und brachte kein Ton heraus.
„Ich hab etwas gefragt“, die Stimme wurde immer eisiger.
„Selbst wenn es so ist, es geht sie nichts an, Olaf ist volljährig und kann selbst entscheiden!“ Ron wurde wütend. Sollte der Vater von Olaf etwa einer der homophoben Leute sein?
„Es geht mich aber etwas an! Schließlich ist er mein Sohn! Also, ist da was zwischen euch?“ Ron wich ein Stück zurück und sah Reinhard an. Noch nie hatte er das Gefühl, dass dieser Mensch auch eine andere Seite haben konnte. Stets war er nett und steuerte auch allerhand Ideen zum Projekt bei. „Junge“, begann er mit einem friedlicheren Ton, „ich will doch nur wissen, ob es stimmt, was im Dorf getratscht wird. Es arbeiten bei euch viele Leute, die so manche Sachen über meinen Sohn erzählen. Und über dich. Also, ist da was zwischen euch?“
Reinhards Blick war nicht mehr so streng, wie noch Minuten zuvor.
„Reinhard“, fing Ron an nach Worten zu ringen, „wäre es denn so schlimm für dich, wenn da was wäre? Ich mein, du bist ein besorgter Vater, aber dein Junge hat das Recht zu lieben, wen er will.“
„Also stimmen die Gerüchte.“
Er klang niedergeschlagen und setzte sich auf eine kleine Mauer. Er zog eine Schachtel Zigaretten aus der Brusttasche und hielt sie Ron hin. Der ergriff eine und setzte sich neben Reinhard.
„Weißt du, ich hatte es schon immer geahnt, dass mein Sohn…, ähm…, äh, schwul ist. Aber glaubst du nicht auch, dass es vielleicht nur eine Phase ist, dass er sich nur wegen dem Job in dich verliebt hat?“
Ron zog den Rauch tief in seine Lungen.
„Frag ihn. Mehr kann ich dir nicht sagen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass er so denkt.“
„Vater?“ kam es leise aus der Dunkelheit.
Die Köpfe von Reinhard und Ron schnellten in die Richtung und konnten in der Dunkelheit die Silhouette von Olaf sehen.
„Vater, es tut mir Leid, aber ich hab mich in Ron verliebt, ob er nun mein Chef ist oder nicht.“ Olafs Stimme ließ keinen Zweifel an den Worten. Inzwischen war er bei den beiden und ergriff die Hand von Ron. Reinhard versuchte in der Dunkelheit das Gesicht seines Sohnes zu lesen.
„Ron, wehe wenn du meinem Sohn etwas antust, dann rechne damit, dass ich dir wehtue.“, Reinhard erhob sich und reichte Ron die Hand. Beide Männer standen sich gegenüber und wussten, dass sie fortan mehr verband.
Ron und Olaf blieben noch einen Moment stehen und drückten sich.
„Das ging ja leichter als gedacht“, und Olaf begann im Arm von Ron zu zittern.
„Ja“, sagte Ron nachdenklich und drückte seinen Freund fester an sich.
„Wehe, wenn du mich mal bei deinen Vater anschwärzt“, und Ron lächelte. Beide gingen Hand in Hand zum Tisch zurück und Mutter Richter lächelte wissend.
Nachdem sie den offiziellen Segen der Eltern hatten, grinsten die beiden um die Wette. Öfter gingen sie zusammen ins Haus, um zusammen Getränke zu holen und nebenbei Küsschen zu tauschen. Aber als der Abend zu Ende war, musste jeder in sein Bett. Wie gern, hätte Ron Olaf bei sich gehabt, aber auch dem anderen ging es nicht besser.
Am nächsten Tag regnete es. Rons Stimmung war nicht grade sehr gut. Er hatte schlecht geschlafen, ständig wurde er von einem Mann mit Baseballschläger verfolgt und entkam immer nur knapp. Er hatte das Gefühl, die ganze Nacht gerannt zu sein. Die Schuberts sahen es Ron an, wie fertig er war und versuchten ihm aufzumuntern. Aber was auch immer sie anstellten, nichts gelang ihnen.
Aber als sich ein strohblonder Junge an den Frühstückstisch setzte, war er wie verwandelt. Plötzlich schien die Nacht vergessen zu sein und sie alberten um die Wette. Heinrich und Hannelore waren wieder zufrieden und Ralf nickte den beiden zu.
„Junge Liebe, ach wie ist das schön“, sagte er und erntete zwei vernichtende Blicke.
„Kommt Anne heute nicht zu Besuch“, und Ralf entglitten die Gesichtszüge.
„Woher wisst ihr denn davon?“ Olaf grinste.
„Ach, junge Liebe.“
Alle am Tisch lachten und Hannelore schenkte etwas vom selbstgemachten Kirschwein ein. Sie stießen auf das Projekt an und ließen das Leben hochleben. Am Nachmittag kam dann auch Anne und wie auf Befehl, hörte der Regen auf.
„Los, lasst uns spazieren gehen“, schlug sie vor und die anderen waren begeistert.
Zur Sicherheit wurden noch einige Regenschirme eingepackt und der Tross setzte sich in Richtung Objekt in Bewegung. Die Luft roch wieder frisch und die Natur zeigte sich in den schönsten Farben, die der Spätsommer zu bieten hatte. Scheinbar waren sie nicht die einzigen, die diese Idee hatten.
Hinter ihnen schien das halbe Dorf auch zum Objekt unterwegs zu sein. Ron und Olaf, die ganz vorn liefen schlossen Tor und Tür auf und warteten schon auf die anderen. Die Dorfbewohner wurden langsamer und schauten immer wieder zum Haus.
Ron suchte den Blick von Heinrich und nickte ihm zu. Der bat die Dorfbewohner hineinzukommen, was sie auch annahmen. Viele Gerüchte geisterten die letzten Wochen durchs Dorf. Sie wurden von Heinrich herumgeführt, es waren viele darunter, die zum ersten Mal in ihrem Leben das Grundstück betraten, war es doch vorher militärisches Sperrgebiet und danach immer verschlossen.
Ron nutzte die Gelegenheit, um den Dorfbewohnern Rede und Antwort zu stehen. Es wurden auch kritische Anmerkungen gemacht, die Heinrich aber verstand zu zerstreuen. So wurde aus einem Sonnabendspaziergang eine Informationsveranstaltung.
Die Bewohner schauten sich überall um und staunten über die vielen Arbeiten, die schon gemacht wurden. Man musste das Objekt nicht von früher kennen, um zu begreifen, was schon alles geleistet wurde.
Vor allem dem jüngeren Dorfbewohner hatte es das Schwimmbecken angetan. Ron wollte keine voreiligen Bekanntmachungen geben, aber er hatte wiedermal eine Idee im Hinterkopf.
Schließlich machte sich das halbe Dorf wieder auf den Rückmarsch und die Neugierde vieler war gestillt.
Auch viele Gerüchte wurden zu den Akten gelegt. Aber über ein Thema wurde nach wie vor hinter vorgehaltener Hand getuschelt: Hatte Olaf einen Freund? Ron und er hatten sich mit Absicht sehr distanziert gehalten, sollte es doch heute nur um das Objekt und Projekt gehen.
Für den morgigen Tag verabredeten sich Ron, Olaf, Ralf und Anne. Sie wollten gemeinsam in die Stadt fahren. Etwas im Stadtpark spazieren gehen und Eis essen. Aber das Wetter machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Es schüttete wie aus Eimern. So saßen sie im Wintergarten von Heinrich und Hannelore und spielten Monopoly. Sie mussten herzhaft lachen, als Ron der erste war, der die weiße Fahne wegen Zahlungsunfähigkeit schwenkte.
Die nächste Woche stand wieder ganz im Zeichen des Projektes. Einzig das Wetter machte die Arbeiten am Graben zu einem Geduldsspiel. Immer wieder kamen Regengüsse und zwangen zu einer Pause. Ralf und Olaf widmeten sich ihrer eigenen Baustellen, Ron stand jederzeit für Fragen zur Verfügung und Heinrich fuhr mit dem Transporter in die Stadt, um benötigte Sachen zu holen.
Das Büro füllte sich langsam mit allen möglichen Ordnern und Heftern, Ablagen und sonstigem Zeug. Auch konnten sie den Kaffee schon aus richtigen Tassen trinken und die Plastikbecher zur Seite stellen.
Dann mussten sie aber alle mit anpacken und das Büro umräumen. Die Handwerker wollten diesen Raum bearbeiten. Also schleppten sie das ganze Zeug einen Raum weiter, der schon fertig war. Es roch alles frisch und der neue Teppichboden strömte einen angenehmen Geruch aus. Endlich konnte man das Fenster ohne Mühe öffnen, die alten klemmten ständig.
Sie waren fast fertig mit dem Umzug, als ein großer Lieferwagen auf den Hof rollte. Ralf schaute aus dem Fenster und rannte wie ein geölter Blitz nach draußen. Alle wurden neugierig und gingen hinterher. Es war die Küche, die geliefert wurde.
Heinrich nahm die Papiere entgegen und typisch Buchhalter zeichnete er jedes Stück ab. Ralf kontrollierte alles und zeigte für jedes Teil den Platz. Ron war erstaunt, wie groß die Kühltruhen waren, aber Ralf wusste, was er tat.
Sofort holte Ralf die Kemptner und die Elektriker heran und wollte so schnell wie möglich die Geräte angeschlossen haben. Aber so schnell ging das nicht und er musste sich in Geduld üben. Jedoch schrieb er einen Zettel, eigentlich vier Seiten voll, und drückte sei Ron in die Hand.
„So, ab morgen kann ich kochen und meine Tante endlich entlasten. Fahr in die Stadt und kauf die Sachen ein, die ich aufgeschrieben habe.“
Ron betrachtete die Zettel und zog die Augenbrauen hoch.
„Ich denke, die Handwerker wissen, wie sie die Geräte anschließen sollen. Also kannst du auch fahren. Nimm den Transporter und Olaf mit, wenn er Zeit hat.“
Ralf war es nicht recht, machte sich dann aber auf den Weg. Olaf freute sich, das erste Mal mit dem Teil fahren zu dürfen. Die Handwerker waren auch froh, dass sie diesen nervösen Koch mal eine Weile los waren und bedankten sich bei Ron.
Der grinste und ging ins oberste Stockwerk. Dort waren die Fußbodenleger grade dabei, den Teppich in seiner Wohnung zu verlegen. Ron freute sich, dass sie morgen endlich fertig sein würde. In der anderen Wohnung war es noch lange nicht so weit. Er zog sein Handy aus der Tasche und rief beim Möbelhaus an, dass die Sachen morgen Vormittag geliefert werden sollten.
Er setzte seinen Weg durchs Gebäude fort. In der mittleren Etage waren die Elektriker und Kemptner dabei, die restlichen Arbeiten zu machen. Auch hier gab es das gleiche Problem wie in seiner Wohnung.
Die Armaturen für die Bäder waren noch nicht da. Sie sollten aber in der nächsten Woche geliefert werden. So war nur die Sammeldusche im Keller schon bereit. Aber das war für Ron kein Problem.
So sehr er sich auch freute, morgen den ersten Tag hier zu schlafen, so sehr taten ihm auch Heinrich und Hannelore leid, die sich sehr um ihn und Ralf bemühten. Aber der Abschied musste ja mal kommen, das hatten alle gewusst. Ralf müsste noch ein paar Tage bei den beiden bleiben, schließlich war nur Ron seine Wohnung fertig. Inzwischen war er im Keller angekommen, als der Transporter wieder auf den Hof fuhr. Er ging durch den Kellereingang nach draußen und half beim Ausladen mit.
Sie stellten alles in den Speisesaal, Ralf wollte die Sachen allein einräumen, um sie später auch wiederzufinden, wie er immer wieder betonte. Das einzige was gleich in die Küche durfte, waren die eingefrorenen Sachen. Die Kühlschränke und Gefrierschränke liefen schon, was Ralf mit einem zufriedenen Nicken zur Kenntnis nahm.
Olaf wurde aber von Ralf trotzdem eingespannt und er musste auf Zuruf die gewünschten Sachen über die Theke, die zukünftige Essenausgabe, reichen. Es war lustig, die beiden dabei zu beobachten und Ron konnte sich nicht satt sehen an Olaf.
In den letzten Tagen waren beide so sehr eingespannt, dass sie nur wenige Minuten hatten, um mal allein für sich zu sein, aber beide wussten, dass auch wieder ruhigere Zeiten kommen würden.
Anne kam regelmäßig nach der Arbeit zum Objekt und wurde heute auch gleich dazu von Ralf verdonnert, ebenfalls Sachen zu suchen und dem Chefkoch zur Hand zu reichen. Fast hatte Ron den Eindruck, dass Ralf ein kleiner Diktator war, aber er machte alles mit Witz und bei Anne natürlich auch mit Charme.
Als die Handwerker das Objekt verließen, teilte Ron ihnen mit, dass sie ab morgen alle im Haus verköstigt würden. Sie nahmen dankend an, aber einer der Fliesenleger wies auf fehlende Sitzgelegenheiten hin.
Da wurde Ralf erst blass und dann sehr aufgeregt. Er rannte ins Büro und Heinrich musste die Nummer vom Möbelhaus raussuchen. Er hatte Glück und erreichte noch jemand im Geschäft. Nur gut, dass Ron die Tische und Stühle schon bestellt hatte und sie am Lager waren. Sie sollten im Laufe des Vormittages geliefert werden.
Also mussten sich die Handwerker zum Frühstück noch einmal auf ihre Eimer und Werkzeugkisten setzen, wie schon die Tage zuvor, zum Mittag würde es dann schon Stühle und Tische geben. Auch das Essen, das erste was er in seiner neuen Küche zubereiten wollte, stand schon fest. Er freute sich darauf, endlich den Kochlöffel wieder zu schwingen. Beseelt von diesem Gedanken schlief er ein, wachte aber immer wieder auf und musste sich neue Notizen machen.
Ron schlief an diesen Abend auch schlecht. Hannelore schaute ihn beim Abendbrot immer wieder traurig an und schien mit den Tränen zu kämpfen.
„Hannelore, der Junge ist doch nicht aus der Welt. Er bleibt doch im Dorf“, aber die Worte von Heinrich konnten sie nicht trösten.
Zu sehr hatte sie sich an den Jungen gewöhnt, liebte das Gewusel im Haus, das Lachen, dass schon so lange gefehlt hatte. Auch Olaf schlief schlecht. Immer dachte er an Ron, seine Arbeit, was noch alles zu tun war. Auch hatte er morgen Abend Fahrstunden. Die Fahrt in der Dämmerung stand an. Aufgeregt war er nicht, aber er musste wieder früher das Objekt verlassen.
Ralf war als erster von allen wach. Er zog sich an und nahm den Transporter um zum Bäcker zu fahren und frische Brötchen zu holen. Er hatte am Vortag schon eine Bestellung aufgegeben. Dann fuhr er ins Objekt und betrat es als erster. Es war unheimlich im ersten Moment. Kein Ton war zu hören, wo doch am Tag immer so ein Krach herrschte. Er genoss die Stille, setzte Wasser an und machte die Kaffeemaschine fertig. Die Eier landeten grade im Topf, als Ron die Küche betrat.
„He, musst du nicht so eine Kochmütze aufhaben, als Küchenchef?“
Ron konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen und prustete los.
„Leg dich nicht mit dem Koch an, du weißt nicht, was du sonst in deinem Essen findest“, gab Ralf Contra.
Olaf schaute auch in die Küche rein und begrüßte Ralf. Er ist zusammen mit Heinrich und Hannelore nach oben gekommen. Er ging zu Ron, drückte ihn und setzte einen Schmatzer auf seine Wange.
„Morgen mein Schatz, hast du gut geschlafen?“, säuselte er in Rons Ohr.
Ron strahlte wieder. Wie konnte es dieser Junge nur immer wieder schaffen, seine trüben Gedanken sofort zu vertreiben und die letzte Nacht vergessen machen? Er hob Olaf hoch und setzte ihn auf die Essenausgabe. Er strich dem strohblonden das immer länger werdende Haar aus dem Gesicht und küsste zärtlich die Lippen.
„Jetzt geht es mir wieder gut.“
Ralf blickte vom Eier Topf auf.
„He, runter von meiner Ausgabe. Knutscht woanders“, und machte eine Grimasse, die ernst aussehen sollte, aber die beiden konnten sich nicht mehr ein bekommen vor Lachen.
Olaf sprang wieder auf den Boden und beide gingen ins Büro. Dort holten sie den Tisch und die vier Stühle und stellten sie in den Speisesaal. Sie sahen verloren aus, aber für die fünf würde es erst mal reichen, der Schreibtischstuhl musste natürlich auch noch dazugestellt werden. Die ersten Arbeiter trudelten ein und ein Lastwagen bahnte sich den Weg zwischen die Leute.
„Ich werd verrückt“, konnte man Ralf rufen hören, als er aus der Küche gerannt kam.
„Guten Morgen, wir wollen doch nicht, dass sie auf dem Boden essen müssen“, grinste der Fahrer und öffnete die Klappe.
Der Blick war frei auf jede Menge Tische und Stühle.
„Der Chef meinte, es ist eine Notsituation, da haben wir gestern Abend noch beladen.“
Was hatte Ralf da nur am Telefon gesagt, aber es hatte ja geklappt. Heinrich überwachte zählend das Ausladen und Ralf war wieder in seiner Küche verschwunden. Ron und Olaf machten sich ans Auspacken, unterstützt von Hannelore. Auch Heinrich machte sich mit an die Arbeit, als alles ausgeladen war und die Papiere unterschrieben waren.
Pünktlich zum zweiten Frühstück hatte Ralf ein Buffet aufgebaut, das sich hinter keiner Hotelbar verstecken musste. Die Handwerker staunten und erwarteten schon großes, zum Mittagessen. Ralf lächelte vor sich hin, setzte sich an den Tisch und schien sichtlich zufrieden zu sein.
„Wenn das jeden Tag so geht, musst du aufpassen, dass du dein Budget nicht überziehst. Nicht dass wir am Monatsende nur bei Brot und Schmalz sitzen“, und Ron biss herzhaft in sein Brötchen.
„Keine Angst, ich halte mich an die Vorgaben, pass du lieber auf, dass meine Wohnung fertig wird.“ Am liebsten hätte er sich nach diesem Satz auf die Zunge gebissen, als er das traurige Gesicht von Hannelore sah.
Nach dem Essen machten sie sich wieder an die Arbeit. Ron musste einen bestimmten Händler suchen, aber wurde fündig. Sie vereinbarten ein Treffen noch für Vormittag und so machte er sich auf den Weg, Olaf musste natürlich mitkommen. Schließlich waren die Mopeds und Quads sein späterer Job. Er musste sie instand halten, deshalb sollte er auch ein Mitspracherecht beim Einkauf haben.
Beim Händler sah sich der strohblonde Junge die Fahrzeuge an, baute diverse Teile ab und musterte sie genau. Seine Fachkenntnis beeindruckte Ron immer wieder. Er war genau der richtige, den er brauchte, nicht nur der Liebe wegen, ging es Ron durch den Kopf.
Schließlich einigten sie sich auf ein Modell mit etwas weniger Leistung, aber dafür besser in der Wartung. Außerdem sollten die Jugendlichen auch nicht mit vollem Tempo durch die Strecken donnern.
Da fiel es Ron wieder ein. Sein grüner Daumen und nun ernannter Streckenplaner Andreas hatte sich noch nicht bei ihm gemeldet. Ron ist inzwischen dazu übergegangen sich die Geländemopeds näher anzusehen. Auch hier traf er eine Wahl, die sich erst viel später als richtig erweisen sollte.
Ron bestellte von jedem dreizehn Stück, dass alle Teilnehmer eines Durchganges ein Fahrzeug hatte. Für sich und Olaf bestellte er zwei Quads die leistungsmäßig größer waren und auch eine Straßenzulassung hatten. Wer weiß, was sie mal allein Unternehmen wollten?
Sie fuhren wieder auf den Hof und sahen vor lauter Autos gar nicht, das Andreas im Haus auf sie wartete. Er unterhielt sich grade angeregt mit Ralf, als sie ihn in der Küche stehend sahen. „He, da ist ja mein grüner Daumen. Und Erfolg gehabt?“
Ron ging zu ihm und reichte ihm die Hand.
„Andreas, darf ich vorstellen mein Mitarbeiter und Freund Olaf, Olaf, mein Freund Andreas.“ Ron betonte die beiden „Freunde“ verschieden. Sie reichten sich die Hand, Andreas schaute mit gerunzelter Stirn zu Ron, sagte aber nichts weiter.
„Ron, ich hab da einen Vorschlag ausgearbeitet, schauen wir uns den Mal an“, ging zum Tisch und zog aus seiner Tasche einen Plan.
„Ich bin kein Streckenplaner, hab mir aber auf einigen Internetseiten Ideen gesucht und dachte es mir so…“
Andreas hatte letztendlich genau des Pudels Kern getroffen. Ein großer Außenring für Fahrten mit dem Moped mit langen Graden. Im inneren die Strecke für die Quads. Ein altes Wasserloch sollte zum Durchfahren für die besonders mutigen mit eingebaut sein. Auch Huckel und andere Hindernisse sollten in den Streckenverlauf mit eingebracht werden.
„Das ist echt super, wird aber ganz schön lange dauern, das anzulegen“, sinnierte Ron vor sich hin.
Andreas schaute vom Plan auf.
„Gib mir eine Planierraupe und das Ding ist in zwei Tagen fertig. Du willst doch keine befestigten Wege, es sollen doch Geländefahrten werden, die du machen möchtest. Das ist also schnell erledigt. Viel länger dauert es einen Zaun darum zu bauen.“
Das mussten sie leider machen. Die Jugendlichen wären sicher noch nicht im Besitz eines Führerscheines, deshalb musste das Gelände eingezäunt werden. Ein Zugangsweg hatte Andreas auch eingeplant, der vom Hof aus zur Strecke führte. Es musste zwar der Zaun um das Objekt an der Hinterseite geöffnet werden, aber so war ein sicherer Zugang zur Strecke gewährleistet.
Ron war froh, dass der Vorschlag auch von Olaf und Heinrich als gut gewertet wurde. „Andreas, wenn ich die Raupe miete, dann machst du die Strecken klar, oder hab ich dich da falsch verstanden?“
Andreas sah ihn grinsend an.
„Das mache ich tatsächlich, aber erst in zwei Tagen, ich hab noch ein Projekt am Laufen. Aber sobald ich es fertig habe, komme ich und mach mich an die Arbeit.“ Ron reichte seinem Freund die Hand und lud ihm zu einer Besichtigungstour ein.
Er staunte nicht schlecht, was schon alles entstanden ist, das Schwimmbecken nahm auch schon Form an und der Anbau war fast fertig. Als sie in einer ruhigen Ecke allein waren schaute Andreas zu Ron.
„Sag, ist Olaf wirklich dein Freund?“
„Ja, er ist das Beste, was mir jemals passiert ist.“
„Meinst du nicht, dass er ein wenig zu jung für dich ist? Er ist doch noch ein Kind.“
Andreas schaute seinen Freund musternd in die Augen.
„Er ist neunzehn, hat eine abgeschlossene Lehre und ich liebe ihn“, Ron schaute unsicher.
Andreas dagegen holte tief Luft und nickte bedächtig.
„Also, dass sieht man ihm nicht an. Entschuldige, ich wollte, ich meine…“
„Ist schon gut Andreas. Das geht nicht nur dir so, dass sie ihn falsch einschätzen. Aber du hast Recht, er sieht verdammt schnuckelig aus“, und beide gingen lachend ins Haus zurück.
Dort wurde durch den Chefkoch und Olaf das Mittag zur Ausgabe vorbereitet. Ralf weihte seine neue Küche mit einem deftigen Eintopf ein, was unter den Bauarbeitern zu einigen spöttischen Bemerkungen herhalten musste. Aber als sie erst mal aßen, wurde deren Appetit immer größer. Er hatte es geschafft, sie alle in seinen Bann zu ziehen, auch mit so einem einfachen Essen. Heinrich fand es spitze und Hannelore sagte so etwas wie: >Hätte ich auch nicht besser hinbekommen<.
Alle waren zufrieden und Ron glücklich, den Koch zu haben, der ihm schon immer Gaumenfreuden bereitete. Nach dem Essen verabschiedete sich Andreas von seinen Freunden, mit der Zusage am Montag die Arbeiten aufzunehmen. Der Nachmittag tröpfelte so vor sich hin. Ron wurde immer mal wieder gerufen, Olaf war am Einrichten der Werkstatt und Heinrich sichtete die neuen Unterlagen und Rechnungen. Hannelore war bei ihrem Neffen in der Küche und half dort etwas aus.
Ron schaute grade aus einem der Fenster im mittleren Stock, als der Möbelwagen mit seinen Sachen den Hof befuhr. Er eilte die Treffen hinunter und wies den Trägern den Weg zu seiner Wohnung. Nun war er ganz mit dem Einrichten seiner Heimat beschäftigt. Er wuselte im Zimmer umher und zeigte, wo was stehen sollte. Olaf trat vorsichtig hinter ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. Fast hätte er aufgeschrien, konnte es aber grade noch so unterdrücken.
„Ich muss los, die Fahrstunde“, sagte der strohblonde und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange.
Schon war er verschwunden und Ron eilte wieder durch sein Wohnzimmer, das grade eingeräumt wurde. Der Lärm im Haus verebbte, die Feierabendzeit war ran und Ron glücklich, dass die wichtigsten Sachen aufgebaut waren. Es war noch viel zu tun, aber die nächsten Tage hatte er Zeit. Olaf und Ralf wollten ihm am Wochenende helfen. Das Haus leerte sich, bis am Ende nur noch Heinrich Hannelore und Ralf im Büro saßen. Sie waren alle zufrieden mit dem Tag, wenn auch Hannelore nicht so glücklich schaute.
Die drei verabschiedeten sich und Ron ging noch mit nach draußen um das Hoftor zu schließen. Dann war er allein auf seinem Grundstück. Das wurde ihm nun erstmals in der Stille bewusst.
Er zündete sich eine Zigarette an und drehte eine kleine Runde über den Hof. Ein Gefühl der Erregung stieg in ihm auf. Er konnte es einfach nicht fassen, der Herr über das Ganze zu sein. War er nun im Begriff, egoistisch zu werden? Nein, so war es nicht, aber er erfreute sich an seinem Besitz. Er ging ins Haus, verschloss die Tür und eilte in seine Wohnung.
Viele Sachen hat er noch nicht da, aber etwas zum Umziehen hatte er schon. Er wollte sich nach diesem Tag erst einmal frisch machen. Also suchte er die Sachen und… Verdammt, wo war das Handtuch? Er hätte seine Tasche auch umkrempeln können, aber es war keines zu finden. Sie lagen noch alle im Haus der Schuberts. Und um diese Zeit noch mal loszufahren, hatte er auch keine Lust mehr.
Er nahm die Sachen unter den Arm und ging nach unten. Diese Stille war er gar nicht gewohnt. Kein Mensch weit und breit. Zum ersten Mal ganz allein im Haus, brachte seine Fantasie zum überkochen.
Was würde er jetzt mit Olaf machen, wenn dieser hier wäre? Sie könnten gemeinsam duschen und nackt durchs Haus laufen, sich einfach so trocknen lassen. Aber wieso sollte er es nicht allein machen? Also ging er zu den Duschen im Keller und zog sich langsam aus.
Hoffentlich gab es schon warmes Wasser, gesagt hatten es die Handwerker, aber selbst getestet hatte er es noch nicht. In der Dusche drehte er vorsichtig den Hahn auf und nach kurzer Zeit war das Wasser angenehm warm. Er stand in dieser großen Gemeinschaftsdusche ganz allein, es war für ihn ein seltsames Gefühl.
Kein Mensch würde kommen, aber wie sehr sehnte er sich Olaf herbei. Was würde er mit dem strohblonden Jungen alles anstellen. Seine Hand wanderte seinen Körper immer weiter herunter, bis er seine Erregung ergriff.
Unter dem warmen Strahl der Dusche schloss er die Augen und versuchte sich Erleichterung zu verschaffen, aber so richtig wollte es nicht gelingen. Zu ungewohnt war die Umgebung. Er öffnete die Augen wieder und schüttelte mit dem Kopf. Er griff zum Rasierer und begann sich nach Tagen zu enthaaren. Er mochte es, seinen Körper so makellos zu sehen. Viel Zeit ließ er sich dabei. Endlich war es geschafft und kein unnötiges Haar zierte mehr seinen Körper. Er duschte sich noch ab und ging in den Umkleideraum.
Dort betrachtete er sich in einem der Spiegel und war zufrieden mit seinem Aussehen. Er drehte sich mehrmals, um auch alles von sich zu sehen, nein, eitel war er nicht, aber er mochte seinen Körper, er war stolz darauf. Einige Kilo mehr würden ihm sicher auch stehen, aber bei der Küche von Ralf, war er sich sicher, diese auch auf die Rippen zu bekommen.
Wieder tauchte das Bild von Ralf vor ihm auf. Er besah sich selbst im Spiegel und begann sich langsam zu verwöhnen. Kurz vor dem Höhepunkt hörte er auf, streichelte sich selbst und nach einer Pause wiederholte er das Ganze.
Bald würde er nicht mehr können und der Punkt wäre überschritten dachte er grade wieder, in einer der vielen Pausen. Aber er wollte, er musste sich Erleichterung verschaffen und begann wie ein wilder an sich zu reiben. Der Höhepunkt kam so kräftig und überwältigend über ihn, dass er taumelte und sich, immer noch entleerend, rückwärts auf die Bank fallen ließ. Seine Augen hatte er vor Geilheit geschlossen und genoss einfach nur das Pulsieren seines Schwanzes.
So heftig war er schon lange nicht mehr gekommen und öffnete seine Augen, um sie sogleich wieder zu schließen. Sein Gehirn schien bei der Flut der Informationen zu kochen, alles an seinem Körper begann zu zittern, aber er traute sich nicht, die Augen wieder zu öffnen. Er fiel in ein Loch, das er so tief noch nie erlebt hatte. Immer mal wieder, kurz nach dem Höhepunkt, fiel er in ein solches Loch. Dann dachte er immer daran, ob es wirklich wert war, sich mit diesem Typen einzulassen. Was vorher noch schön und geil war, war im nächsten Augenblick einfach nur noch abstoßend und fade.
Aber dieses Loch war tiefer. Er fühlte sich so beschissen, wie noch nie, nach einem Höhepunkt. Das lag aber nicht an der ungewohnten Umgebung, die ihm auch schon solche Gefühle verschafft hatte. Es lag an dem Bild, das seine Augen wahrgenommen hatten, als er sie kurz öffnete.
Und dieses Bild ließ sich nicht löschen. Es war keine Einbildung, zu klar war es. Er begann zu zittern, als er weiche Hände auf seinen Knien spürte. Mit aller Kraft presste er die Augen und den Mund zusammen, um nicht loszuschreien. Dann spürte er einen warmen Hauch an seiner Wange und ein kleines Licht begann in seiner Grube zu leuchten.
Er merkte, wie die Hände auf seinen Knien sich ein Stück nach oben schoben und der Hauch im Gesicht kam näher. Das Licht wurde etwas heller und erstrahlte plötzlich, als sich zwei warme Lippen auf die seinen legten.
Er wurde ruhiger, das Zittern ließ nach und seine Lippen öffneten sich leicht. Eine Zunge verlangte Eintritt und zaghaft öffnete er den Mund weiter. In diesem Moment wuchs sich das Licht zu einem wahren Feuerwerk aus.
Er schaffte es, seine Arme, die immer noch schwer wie Blei waren anzuheben und sich auf dem Rücken seines gegenüber sitzenden zu legen. Die Lippen lösten sich wieder von seinen und er hatte das Gefühl, aus der Grube gesprungen zu sein.
„He, keine Angst. Sei ganz ruhig und schau mich an“, eine bekannte Stimme nahm er wahr und ein warmer Schauer durchflutete seinen Körper.
Er öffnete zaghaft die Augen und sah in zwei wunderschöne blaue Augen, die etwas von einigen strohblonden Haarsträhnen verdeckt waren. „Ich liebe dich“, und die Augen kamen wieder näher, bis er wieder die weichen Lippen auf seine spürte.
Er ließ sich fallen, aber nicht mehr in die Grube, sondern in ein noch nie erlebtes Glück. Olafs Hände schoben sich weiter in seinen Schritt, glitten über die Tropfen der Lust, die er noch vor wenigen Sekunden vergossen hatte und umfasste dann seine Taille und glitten seinen Rücken nach oben.
Von dort wanderten sie über seine Schultern zu den Brustwarzen und wieder über Glückstropfen. Schließlich hielten sie seine Männlichkeit und strichen um seine Scham, die sich so glatt und rutschig anfühlte. Die Lippen lösten sich wieder und beide sahen sich an. Ron begann mit seinen Armen den Rücken von Olaf zu streicheln.
Dieser schloss vor Verlangen die Augen und ein Laut drang aus seinem Mund. Er fuhr mit der Hand unter sein Hemd und spürte zum ersten Mal diese glatte, seidige Haut seines Freundes. Olaf hob die Arme und Ron streifte ihm das Hemd mit einer schnellen Bewegung über den Kopf. Ron stand auf und zog Olaf mit in die Senkrechte.
Er umschlang seinen Körper und zog ihn dicht an seinen. Er spürte auf seiner nackten Haut die Erregung, die sich in der Hose von Olaf bemerkbar machte.
„Darf ich?“, fragte er vorsichtig und schob die Fingerspitzen unter dem Hosenbund.
„Ja“, hauchte ihm dieser ins Ohr und zog seinen dünnen Bauch noch weiter ein, so dass die Hose fast schon von allein runtergerutscht wäre. Aber die Erregung hielt sie. Ron fuhr mit den Fingerspitzen den Hosenbund nach vorn herum und hob diesen über den steifen Schwanz seines Freundes. Die Hose rutschte bis zu den Knöcheln herunter und beide standen nackt und eng aneinander in der Umkleidekabine.
Es war ein berauschendes Gefühl für Ron, der eben noch in der tiefsten Grube seines Lebens gesessen hatte. Er wurde auch wieder erregt, von den Berührungen der Hände auf seinem Rücken. Sein Schwanz begann sich langsam wieder zu erheben und dann spürten sie beide, wie ihre Schwänze dicht aneinander lagen und sich heiß, sehr heiß anfühlten.
Ron setzte sich wieder auf die Bank und betrachtete Olaf seine Erregung aus nächster Nähe. Es war ein schöner, nicht zu großer und zu langer, aber dafür steil aufgerichteter Schwanz, den er zu sehen bekam. Er war umringt von einem Kranz Schamhaaren und auch der Sack war leicht behaart.
Er legte seine Hände auf den festen Po von Olaf und zog ihn dichter zu sich. Als er ganz dicht bei ihm vor dem Gesicht war, öffnete er seine Lippen und nahm ihn in seiner Höhle auf. Olaf entwich ein Stöhnen, und Rons Hände bemerkten ein Zittern in den kleinen strammen Apfelbäckchen. Langsam schob er mit den Lippen die Vorhaut zurück, setzte neu an und leckte über die entblößte Eichel.
Das Zittern wurde stärker und Ron bewegte mit seinen Händen den Unterleib von Olaf so, dass dieser immer ein Stück in seine Mundhöhle vordrang, dann wieder zurück. Nach einigen Bewegungen ging ein Zucken durch Olafs Körper. Er warf den Kopf in den Nacken, stöhnte laut auf und sein Schwanz begann zu pumpen.
Ron zog ihn dicht an sich heran und merkte, wie sich sein Freund ergoss. Er schluckte das erste Mal in seinem Leben den Saft eines anderen und war so überrascht vom schnellen Eintreffen des Ereignisses, dass er immer mehr saugte, dann wieder schluckte. Olafs Körper zitterte wie Espenlaub, er sank leicht nach unten, seine Knie gaben immer mehr nach, bis er auf den Fliesen ankam und seinen Kopf auf die Knie seines Freundes legte. Er atmete hechelnd, hielt die Augen geschlossen und Ron war dankbar.
Er strich mit seinen Händen über den Rücken von Olaf, der nach einer ganzen Weile seinen Kopf hob und ihn von unten ansah.
„Das war das geilste, was ich bisher erlebt habe.“
Er sagte es mit sehr leiser, zitternder Stimme und Ron strich weiter über seinen Rücken. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich beide wieder beruhigt hatten. Sie atmeten ganz gleichmäßig und Olaf erhob sich aus seiner Position und setzte sich neben Ron. Beide hielten sich im Arm und nahmen den Geruch des anderen auf. Sie schauten sich in die Augen und ein unendlich langer und zärtlicher Kuss folgte.
„Lass uns duschen, ich klebe“, brachte Ron als erster wieder einen klaren Gedanken vor. Olaf nickte, sie standen auf und gingen in die Gemeinschaftsdusche.
Bevor sie das Wasser anstellten nahmen sie sich noch mal in den Arm und küssten sich. Rons Erregung stand noch immer, was Olaf zu einen Lächeln brachte.
„Nach dem Duschen mach ich es dir“, und Olaf drehte den ersten Hahn auf.
Die Stimmung war plötzlich ganz gelöst. Sie seiften sich gegenseitig ein und alberten auch wieder rum.
„Findest du das besser, ich mein ohne Haare am Schwanz“, und Olaf sah Ron fest in die Augen.
„Ja, es ist auch viel hygienischer“, sagte Ron und wollte wieder nach Olaf greifen. Der hatte sich aber mit einer schnellen Bewegung aus dem unmittelbaren Bereich von Ron entfernt, stand nun an der Ablage, und griff sich den Rasierer von Ron.
„Dann will ich es auch machen“, sagte er und setzte den Rasierer ungeschickt an.
„Warte, pass auf und schneid dich nicht“, rief Ron und machte einen großen Schritt auf Olaf zu.
Dieser hielt inne und sah ratlos zu Ron.
„Ich hab so ein Teil noch nie in der Hand gehabt, kannst du es mir zeigen?“
Ron nahm ihm den Rasierer ab und nickte. Er hockte sich vor Olaf und begann ihn die Schamhaare zu entfernen. Erst war es ungewohnt für ihn, einen anderen zu rasieren, dann hatte er den Kniff raus.
Es dauerte nicht lange und Olaf sah an sich herunter und schaute sich das ungewohnte Bild an, das er sich selber bot. Er strich mit der Hand über seine Scham und sein Schwanz begann sich wieder zu erheben.
„Das ist ein echt geiles Gefühl, ich glaub ich könnte schon wieder“, sagte er leise und Ron lächelte.
Sie duschten sich noch ab.
„Wir müssen aber lufttrocknen“, sagte Ron und Olaf schaute ihn verwirrt an.
„Ich hab keine Handtücher hier.“
„Ah, verstehe.“ Olaf griff Ron am Arm und zog ihn auf den Flur.
Beide gingen, nackt wie sie waren zur Kellertür und Ralf verriegelte sie von innen und sah Ron grinsend an.
„Solltest du in Zukunft immer machen. Dann kann dich auch keiner überraschen.“
Ron lächelte gequält.
„Was willst du überhaupt hier, ich mein, eigentlich hätte ich dich erst morgen erwartet.“
Olaf senkte den Kopf.
„Ich dachte, ich besuch dich mal in deiner ersten Nacht.“
„Bleibst du bei mir?“
„Wenn ich darf“, und er schaute Ron grinsend an.
„Sicher kannst du bleiben, hast du schon was gegessen nach der Fahrschule?“
„Nein, lass uns Ralfs Kühlschrank plündern“, und zog Ron zum Treppenaufgang.
Nackt wie sie waren gingen sie durch das Haus und machten sich in der Küche über einige Leckereien her, die Ralf sicher nicht für ein Abendmahl in dieser Form eingekauft hatte. Anschließend gingen sie noch in den Keller, holten ihre Sachen, ohne sie aber anzuziehen und gingen in die Wohnung von Ron. Sei bezogen das Bett gemeinsam, stellten hier und da fest, was noch alles fehlte in der Wohnung und kuschelten sich dann ins Bett.
„Ron, ich liebe dich“, kam es auf einmal ganz leise.
Er drehte sich zu seinem Freund und seine Hand ging auf Wanderschaft. Als sie flach auf seiner Brust lag, konnte er den Herzschlag spüren.
„Ich dich auch. Schon vom ersten Tag an.“
Olaf seine Hand ging ebenfalls auf Wanderschaft und kam auf dem Schenkel von Ron zu liegen. Er schob sie höher und spürte die Erregung von Ron. Zärtlich zog er ihm die Vorhaut runter und begann seinen Mast zu reiben. Ron suchte ebenfalls den Kontakt zum Freund, seines Freundes und machte es ihm nach.
Glücklich schliefen sie nah beieinander liegend ein und beide hatten einen schönen Traum.
*-*-*
Am nächsten Morgen kitzelte die Sonne ihre Gesichter. Sie schlugen fast gleichzeitig die Augen auf und sahen einander lächelnd an.
„Guten Morgen mein Schatz“, und Ron schaute verliebt zu Olaf. Der streckte sich erst einmal. „Hast du auch so gut geschlafen, wie ich?“ Ron nickte.
„Lass uns frühstücken, mal sehen ob Ralf schon da ist.“
Sie standen auf und zogen sich erstmals seit gestern Abend wieder etwas an.
„Du weißt, dass wir das nie mehr machen können. Wenn Ralf hier erst eingezogen ist, geht es nicht mehr, dass wir nackt durchs Haus laufen. Und wenn erst mal die Jugendlichen hier wohnen, dann schon gar nicht.“
„Schade, mir hat es gefallen so ungezwungen rumzulaufen. Es ist doch eine etwas andere Erfahrung.“
„Bleibst du heute da, oder musst du wieder nach Hause?“
„Darüber wollte ich mit dir noch reden. Also ich dürfte schon dableiben…“
„Aber?“ Ron sprach aus, was Olaf nicht beendete.
„Aber willst du eigentlich, dass ich hier bleibe?“ Ron schnappte sich den strohblonden Kerl, umarmte ihn, gab ihn einen Kuss auf den Mund und sagte: „Ja“.
Olaf strahlte seinen Freund an.
„Du kannst von mir aus auch deine Sachen holen und bei mir einziehen.“
Olafs grinsen wurde noch breiter.
„Wirklich?“
„Ja, wirklich.
„Nach dem Frühstück fahr ich los und hol sie.“
Damit hätte Ron nun nicht gerechnet, aber ihm war es recht.
„Wir müssen aber zuerst noch in die Stadt einkaufen. Du weißt, was wir noch alles für die Wohnung brauchen.“
Olaf nickte.
„Dann werden wir den Vormittag nutzen um in die Stadt zu fahren, am Nachmittag holen wir meine Sachen und am Abend…“
Er ließ den Satz unbeendet, aber Ron verstand und grinste.
„Gut, machen wir es so. Nun aber nach unten und mal schauen, ob Ralf schon da ist.
Ralf stand in der Küche und grübelte. Als er die beiden sah hob er eine Augenbraue hoch. „Morgen ihr zwei.“
Sie kicherten über den Gesichtsausdruck von Ralf und wünschten ihm ebenfalls einen guten Morgen.
„Ich hab keinen kommen gehört und das Haus war auch noch verschlossen. Habt ihr beide…“ „Ja, wir haben beide hier geschlafen“, nahm ihn Ron den Satz aus dem Mund.
Er schaute erstaunt, dann begann er zu grinsen.
„Ah ha.“
Ron grinste ihn immer noch an und Ralf nickte wissend.
„Hast du einen Kaffee für uns? Außerdem, was machst du an einem Sonnabend hier?“
„Kaffee mach ich gleich und um dir deine zweite Frage zu beantworten, ich arbeite, auch sonnabends“, drehte sich um und bestückte die Maschine.
„Wir wollen nachher noch in die Stadt, etwas für unsere Wohnung holen“, begann Ron beiläufig. Ralf drehte sich ruckartig um.
„Eure Wohnung?“
„Ah, das wollte ich dir noch sagen, Olaf zieht bei mir ein.“
Ralf schaute von einem zum anderen, sah strahlende Gesichter und musste nun auch lächeln. „Schade dass meine Wohnung noch nicht fertig ist, dann hätten wir drei heute noch feiern können.“ >Gut das seine Wohnung noch nicht fertig ist, so können wir heute noch feiern< dachten die beiden und erahnten den Gedanken des anderen.
„Ralf, es dauert doch nicht mehr lange, dann ist es soweit.“
Ron setzte sich an den Tisch, gefolgt von Olaf mit Tassen in der Hand und Ralf mit dem Kaffee.
„Wie war die erste Nacht in der neuen Wohnung? Man sagt ja, was man dann träumt wird wahr.“
„Also ich hab gut geschlafen, aber was ich geträumt habe, hab ich vergessen“, Ron nahm einen Schluck Kaffee.
„Ich hab was geträumt, es war gut, aber ich werde es nicht verraten“, grinste Olaf und nippte auch an seiner Tasse.
„Hauptsache es wird wahr“, sagte Ralf abwesend und blättere in der Anleitung vom Konvektomaten.
Sie verabschiedeten sich vom immer noch lesenden Ralf und machten sich mit dem Transporter auf in die Stadt. Dort hatten sie allerhand einzukaufen und fuhren wieder, nach einem kleinen Imbiss, zurück, um die Sachen nach oben zu schleppen.
Ralf war immer noch in der Küche beschäftigt, grüßte sie nur kurz und war wieder weg. Als sie die Sachen eingeräumt hatten gingen sie wieder in die Küche.
„Das ist ja ein ganz tolles Gerät, aber ich glaub um es zu bedienen, muss ich auch noch studieren“, und Ralf schüttelte resignierend den Kopf.
„Also ich kann dir dabei nicht helfen“, sagte Ron und zuckte mit den Schultern, „du wolltest dieses Teil haben, also sieh zu, wie du damit klarkommst.“
Ralf schaute auf.
„Die Grundfunktionen kenn ich ja, aber was man damit noch alles machen kann ist beeindruckend. Nur es ist alles so komisch beschrieben.“
„Du hast ja noch Zeit, um alles zu probieren. Wir fahren ins Dorf, um die Sachen von Olaf zu holen.“
„Soll ich einen Kaffee machen, wenn ihr wiederkommt?“
„Das wäre sehr nett von dir. Also, bis gleich.“
Die beiden stiegen wieder in den Transporter und fuhren zum Haus der Richters.
*-*-*
Ron schnappte sich ein großes Blumengebinde und ging zuerst zum Schubertschen Haus. Hannelore war erstaunt und glücklich, Ron wiederzusehen. Er erklärte kurz den Grund seines Besuches.
„Das ist ja toll, also zieht er wirklich zu dir. Ursula hat gestern schon was zu mir gesagt, aber ich konnte es nicht glauben.“
Rons Gedanken rotierten. Gestern schon was gesagt? Da wusste er selbst noch nicht mal, dass es so kommen würde. Als er dann im Richterschen Haus war, begann er zu begreifen. Die Sachen waren fast alle schon gepackt, das hätte Olaf nie und nimmer in der kurzen Zeit eben geschafft.
„Olaf, seit wann wusstest du, dass du bei mir einziehen wirst?“
Olaf schaute ihn mit seinem hinreißensten Ausdruck an.
„Ich wusste es seit unserem ersten Treffen“, und gab ihm einen Kuss.
Da hatte er Ralf aber mit der Antwort überrumpelt. Der lachte und schnappte sich Sachen um sie zum Transporter zu bringen. Mutter und Vater von Olaf halfen auch und so war der Auszug des Sohnes schnell erledigt.
Der Abschied viel nicht schwer, wohnte der geliebte Sohn immer noch im Dorf. Als sie auf den Hof fuhren, hupte Olaf und Ralf erschien zusammen mit Anne auf dem Hof. Sie begrüßten sich und Anne gratulierte Olaf zum Ein- und Auszug. Sie packte auch sofort mit an und mit vereinten Kräften waren die Säcke und Taschen schnell nach oben gebracht. Zum Auspacken blieb Olaf keine Zeit, auch die Säcke von Ron blieben vor den Schränken stehen.
Alle vier saßen gemütlich bei einer Tasse Kaffee.
„Morgen wollen Anne und ich in die Stadt, kommt ihr mit?“
Ralf schaute in die Runde.
„Nein, wir müssen noch auspacken und in der Wohnung noch etwas machen. Aber nächstes Wochenende können wir gemeinsam was unternehmen.“
Ralf und Anne nickten.
„Kann ich dein Auto haben?“
Ralf wirkte plötzlich ganz schüchtern, als er Ron die Frage stellte.
„Welches möchtest du denn?“
„Also wenn ich darf…“
„Hier“, und Ron reichte ihm den Schlüssel von SUV.
„Danke“, kam es grinsend von Ralf.
Kurze Zeit später verabschiedeten sich die beiden und Ron schloss hinter ihnen das Tor und die Haustür. Wieder waren sie allein und es herrschte wieder diese einmalige Stimmung im Haus. Ron ging nach oben, wo er Olaf beim Auspacken der Sachen fand.
„He, schnapp dir ein Handtuch und lass uns duschen, auspacken können wir auch noch morgen.“ Ron grinste lüstern, aber Olaf nahm den Vorschlag sofort an. Sie zogen sich aus und wie gestern gingen sie splitternackt durchs Haus in den Keller. Diesmal hatten sie aber Handtücher dabei, wie sie lachend feststellten.
Nach dem Tag tat die Dusche den beiden richtig gut. Sie seiften sich gegenseitig ein und erlösten sich von ihren Qualen. Lachend gingen sie in die Küche, bereiteten sich etwas zu essen und verschwanden in der Wohnung. Zum ersten Mal testeten sie auch den Fernseher, aber alles funktionierte einwandfrei.
Am nächsten Tag waren beide beschäftigt, ihre Sachen in die Schränke zu verstauen. Anschließend richteten sie die Wohnung her, dekorierten und Bilder kamen an die Wand. Es machte ihnen so viel Spaß, dass sei die Zeit darüber vergaßen.
Sie suchten im Kühlschrank noch einige Leckereien, die sie dann gemeinsam im Bett verdrückten. Grade wollte Ron sich Olaf nähern, als dieser bemerkte, dass sein Schatz schon schlief. Er zog die Decke richtig über ihn und hauchte einen Kuss auf die Wange. Er sah so niedlich aus. Er schaute ihm noch eine Weile zu, als auch ihm die Augen zufielen.
Ein Poltern riss die beiden aus dem Schlaf. Die Sonne schien ins Zimmer und der Alltag hatte sie wieder. Unten auf dem Hof wurde die bestellte Raupe abgeladen. Sie gaben sich nur flüchtig einen Kuss und rannten nach unten. In der Küche war Ralf beschäftigt, das Frühstück herzurichten. Immer mehr Handwerker eroberten das Haus wieder und rissen es aus seinem Schlaf.
Kaum hatten sie aufgegessen, kam auch schon Andreas gut gelaunt und setzte sich auf eine Tasse Kaffee zu ihnen.
„So, dann kann es losgehen. Ich fahr nachher noch mal alles ab, mache mir Zeichen und fange dann an die Strecken anzulegen.“
„Was ist mit dem Zaun?“
Ron schaute zu Andreas.
„Die Arbeiter kommen morgen. Es geht wohl schneller als gedacht.“
Andreas schaute zufrieden in die Runde.
„Auf, auf ihr müden Leiber, der Wald steckt voller Weiber“, Andreas erhob sich und Ron grinste über den schon lange nicht mehr gehörten Spruch von ihm.
Alle machten sich wieder an die Arbeit. Heinrich saß auch wieder im Büro und ordnete Akten.
„Ron, so wie ich das sehe, werden die Arbeiten schneller fertig, als ursprünglich gedacht. Wann soll es denn losgehen mit dem ersten Durchgang?“
Ron traf die Frage wie ein Hammer. In zwei Wochen würde wirklich alles fertig sein, also hieß es keine Zeit mehr zu verlieren, um den ersten Durchgang zusammenzustellen. „Heinrich, in zwei Wochen wollen wir die ersten Gäste begrüßen, ich werde mich gleich darum kümmern.
Er schnappte sich das Telefon und seinen Adresskalender und begann zu telefonieren. Er hatte genügend Stellen, die er anrufen konnte. Immer wieder erklärte er den Verantwortlichen, worum es ging und welche Jugendliche in Frage kommen würden. Die Jugendlichen sollten sich untereinander nicht kennen, um schon im Vorfeld Gruppenbildungen auszuschließen.
Auch wollte er den ersten Durchgang auf zehn begrenzen. Es sollte sich erst mal einspielen, sie mussten sicher viel improvisieren. Einige Einrichtungen, die er anrief standen der Sache ziemlich skeptisch gegenüber. Sie wollten erst mal abwarten, wie sich das Projekt entwickelte und dann entscheiden, ob sie Jugendliche schicken wollten.
An Abend hatte er schon fünf Namen auf seiner Liste zu stehen. In den nächsten Tagen hatte er schon neun, fehlte noch einer. Er rief bei Karl an, der sehr erfreut war, etwas von ihm zu hören. Ron erzählte wie weit sie waren und dass es in einer Woche losgehen würde. Karl hörte aufmerksam zu.
„Ron, ich hab da jemand, der passen würde, Ich frage ihn und dann melde ich mich noch mal bei dir.“
Ron war zufrieden. In den letzten Tagen lief alles hervorragend. Ralf hatte seine Wohnung bezogen, die Zimmer waren eingerichtet. Auch das Schwimmbad war fertig, in der nächsten Woche sollte noch die Technik eingebaut werden, dann stand nur noch die Wasserfüllung an. Auch die Werkstatt von Olaf präsentierte sich in einem sehr guten Zustand, die Garage stand voll mit Mopeds und Quads und die meisten Gewerke waren abgezogen. Der Versorgungsgraben war fertig und die Leitungen lagen.
Auch das Telefonnetz wurde von der Telekom eingerichtet und der provisorische Gastank konnte wieder verschwinden. Und das wichtigste: Ralf hatte seinen Konvektomaten voll im Griff. Täglich bewirtete er seine Mannschaft mit einem herrlichen Mittag und bastelte schon am Plan für den ersten Durchgang.
Bei Ron und Olaf war alles wie am ersten Tag. Sie duschten nun in ihrer Wohnung zusammen, freuten sich auf jeden neuen Tag, um dann abends vor Erschöpfung ins Bett zu fallen. Anne kam jeden Tag zum Objekt und machte sich bald unabdingbar.
Als Ron ihr vorschlug, mit einzusteigen wäre er fast zu Boden geknutscht worden. Ralf strahlte übers ganze Gesicht und die beiden waren das glücklichste Paar als Anne zu ihrem Ralf zog.
Die Strecken waren fertig, Ron und Olaf ließen es sich nicht nehmen sie einzuweihen. Sie hatten ihren Spaß und sahen nach dem fahren auch entsprechend aus. Selbst Anne und Ralf schnappten sich ein Quad und fanden Spaß an der Sache. Ralf war aber nicht dazu zu bewegen, sich auf ein Moped zu setzen. Das überließ er Anne.
Heinrich sah die Sache sehr wohlwollend. Mehr und mehr übergab er Arbeiten an Anne, die als gelernte Bürokauffrau alles im Griff hatte.
Ein feierlicher Augenblick war das befüllen des Beckens. Sie standen ehrfürchtig dabei, als es „Wasser Marsch!“ hieß. Nach zwei Tagen war es dann auch endlich voll, aber so sehr sich die Heizung auch mühte, war die Temperatur grade mal auf achtzehn Grad gestiegen. Jedenfalls fand sich keiner aus der Mannschaft, wie sie sich mittlerweile nannten, der es einweihen wollte.
Am Sonntag vor der Anreise des ersten Durchgangs liefen Ron und Olaf durch das Objekt um noch einmal alles zu inspizieren.
„Schau mal, das Becken hat schon zweiundzwanzig Grad“, stellte Ron erstaunt fest.
„Na dann Chef, bade mal an“, grinste Olaf.
„Du kommst aber mit rein, oder hast du Angst?“
Olaf wiegte den Kopf hin und her.
„Ich weiß nicht, mir ist es noch zu kalt, ich bin doch so eine Frostbeule.“
„Komm mach schon, wer als erster drin ist, darf sich verwöhnen lassen“, und Ron zog seine Schuhe aus. Willst du nicht erst mal eine Badehose holen?“
„Dann werde ich nur zweiter“, sagte dieser und streifte schon sein Hemd über den Kopf.
Olaf betrachtete seinen Freund von der Seite. Jetzt fiel auch seine Hose und die Boxer fielen als letztes. Es gab einen Klatscher und Ron war im Becken.
„Los, komm rein, es ist wärmer als man denkt.“
Er drehte sich rum und machte einige kräftige Schwimmbewegungen. Am Ende der Bahn hielt er sich am Beckenrand fest und schaute zu Olaf, der sich nun ebenfalls begann auszuziehen. Als er seinen Schatz nackt am Beckenrand stehen sah, kam ihn wieder der Gedanke, den er schon vor längerer Zeit hatte. Er musste mal mit der ganzen Mannschaft darüber reden.
Olaf stand noch immer am Beckenrand und hielt den Fuß ins Wasser, als hinter ihm die Tür aufging und die Stimmen von Ralf und Anne zu hören waren. Er ließ sich vor Schreck ins Wasser fallen und hörte nach dem Auftauchen Gelächter.
„He, ihr seid ja schon drin. Los Anne, das können wir auch.“
Er zog sich die Schuhe aus und schaute zu Anne, die ihm skeptisch ansah.
„Hab nicht solche Angst und mach mit.“
Ralf hatte sich inzwischen ganz ausgezogen und stand auch nackt am Beckenrand.
Er setzte zu einem perfekten Köpper an und kam erst nach einigen Metern wieder aus dem Wasser hoch.
„Los, komm, es ist einfach toll“, rief er ihr zu und schwamm nach Ron an den Beckenrand.
Olaf presste sich immer noch an den Rand des Beckens. Ihm war es peinlich, dass er so überrascht wurde. Ron und Ralf gingen dagegen ganz natürlich mit ihrer Nacktheit um, obwohl Ron mit seinem Körper zu kämpfen hatte. Besonders ein Körperteil machte ihm zu schaffen, aber mit wirren Gedanken lenkte er sich ab. Noch nie hatte er Ralf nackt gesehen. Aber dieser Körper hatte es in sich.
Drahtig und durchtrainiert war er, auch zwischen den Beinen war alles in Ordnung. Anne hatte inzwischen auch ihre Scheu abgelegt und zog sich aus. Sie sprang ins Wasser und fühlte sich gleich wohl.
„Mann, ist das herrlich, hätte es nie gedacht.“
Olaf bewegte sich langsam von Beckenrand weg, machte einige Schwimmzüge und bald fühlte er sich pudelwohl im Wasser. Ron stieg aus dem Wasser und holte einen der Schwimmbälle, die am Rand lagen und warf ihn zu Olaf, der gab weiter an Anne und die traf Ralf am Kopf. Es entwickelte sich eine wahre Wasserschlacht mit Ball und bald vergaßen sie alle, dass sie nackt waren.
Als sie alle zur Ruhe kamen hielten sie sich am Beckenrand fest und ließen sich treiben.
„Sagt mal, was haltet ihr davon, das Becken immer nur nackt zu benutzen. Ist doch viel besser, als mit den nassen Klamotten am Leib“, sagte Ron und erntete Beifall.
„Aber wir müssen eine Regel machen, sagen wir mal an allen Tagen mit „M“ gehen die Männer rein und an allen Tagen mit „D“ gehen die Damen rein.“
Dieser Vorschlag von Anne wurde angenommen.
„Was ist mit den anderen Tagen?“
Olaf schaute in die Runde.
„Ich hatte schon immer den Gedanken, dass die Dorfbewohner das Becken auch mit nutzen sollten. Wie wäre es, wenn wir sie am Sonnabend und Sonntag Zutritt gewähren. Am Freitag ist dann für alle im Haus gemischt, also Weiblein und Männlein.“
„Sollen die Dorfbewohner auch nur nackt rein?“
Ralf schaute zu Ron. Der schüttelte mit dem Kopf.
„Nein, nur Montag bis Freitag ist Textilfrei. Am Wochenende mit den Dorfbewohnern zusammen natürlich nicht. Außer in der Sauna, aber das versteht sich von selbst, dass man da ohne Sachen reingeht.“
Der Vorschlag wurde von der ganzen Mannschaft angenommen und als erstes in das neu zu erstellende Regelwerk aufgenommen. Sie stellten in lustiger Baderunde weitere Regeln für das Objekt. Jeder schien durch seine Nacktheit alle Scheu abgelegt zu haben.
Das würde bei einigen Jugendlichen auch Schwellen abbauen. Das war Rons Konzept, den anderen auf gleicher Augenhöhe zu begegnen, ohne Unterschiede.
Sie kletterten aus dem Wasser und es war so normal für sie, dass sie gar nicht mitbekamen, dass sich Anne auch in der Herrenkabine duschte. Sie trockneten sich ab und gingen wieder in das Schwimmbad um ihre Sachen anzuziehen. Nach diesem Bad fühlten sie sich noch zusammengehöriger, als sie es schon waren.
Das hat ihre Verbundenheit noch mehr gestärkt. Am Abend wurde noch eine Flasche Sekt geköpft und auf den ersten Durchgang angestoßen. Es sollten nur acht Jugendliche kommen, zwei hatten gestern abgesagt. Grade die zwei Mädchen wollten auf einmal nicht mehr und machten einen Rückzieher.
Sicher, Mopeds und Quads waren nicht ausgesprochene Mädchensachen, aber es ging ja nicht nur da drum. Sie mussten auch nicht mitfahren, wenn sie nicht wollten. Zu keiner Aktivität bestand ein Zwang. Sie sollten nur mal andere Leute kennenlernen, ein Gruppengefühl entwickeln und mal von allem abschalten.
Die Nacht war für Ron und Olaf kurz. Sie kuschelten eng beieinander und malten sich die Sache in den schillerndsten Farben aus.
5 Kommentare
Zum Kommentar-Formular springen
Hallo ich habe eben deine Geschichte genossen.
sehr schön und interessant geschrieben……leider hat es nach so vielen Jahren immer noch keine Fortsetzung gegeben…..diese Story schreit gerade dazu das es mind. 1 Fortsetzung gibt.
Liebe Grüße Ralph
Hallo Nala,
alles schön reden bringt auch nichts, weil diese Geschichten auf unserer Seite zwar oft erfunden sind, aber immer persönliche Dinge der Autoren sich darin befinden. Vieles wurde selbst erlebt, somit auch dicht an der Realität. Und es ist eben nicht immer Friede, Freude und Eierkuchen zum Thema Homosexualität.
Klar, wir haben einen schwulen Außenminister und der Berliner Bürgermeister ist es auch, aber höre dir mal die Leute genau an. Nach außen hin ist das alles okay, aber es gibt doch viele, die das anstössig oder schlimm finden.
Homosexuelle männlich wie weiblich zählen nach wie vor als Minderheit, auch wenn es davon genug gibt, da sollten wenigstens die Leute, die zu einer Minderheit zählen zusammenhalten und nicht andere noch für etwas kritisieren, was sie freiwillig in ihrer Freizeit machen, für andere, die etwas nicht so gut können.
Gruß Pit
Ron schluckte. Sollte er sich vor seinem Freund outen? Niemand wusste etwas von seiner Neigung. Er selbst hatte jahrelang diese Gefühle unterdrückt. Sie flammten erst wieder auf, als er Ralf kennenlernte, den er sich jedoch nicht zu offenbarte getraute. Ralf hatte es ihm angetan, sein Aussehen und seine Art hatten ihn dereinst in seinen Bann gezogen. Aber immer und immer wieder hat er diese Gefühle unterdrückt, sich nie getraut etwas zu sagen.
Dann gestern die Erkenntnis, dass Ralf vielleicht auch auf Jungen stand. Aber war das sicher? Der Vater hat ihn einfach rausgeschmissen, weil er sie in seinem Bett gesehen hatte. Und Ralfs Vater hatte auch gesagt, dass er es schon immer geahnt hatte, dass sein Sohn schwul war. War Ralf schwul? War er selbst schwul? Ron drehte der Kopf. Was sollte er antworten?
Deine Geschichte ist klasse aber wieso müssen immer die Jungen sich outen? Wieso haben die eine „Neigung“?? Sind wir den krank weil wir Jungen mögen?? Wirklich ich finde es eine schöne Geschichte und so aber können wir nicht mal eine Geschichte lesen worin Jungen nicht umständlich sich outen müssen sondern ganz „normal“ einen Jungen lieben?????????? Bitte??????????????????
Danke,
nala.
Hallo Hardy,
die Geschichte gefällt mir sehr gut und freue mich Ralf auf eine Fortsetzung *grins*
Gruß Pit
Eine richtig tolle Geschichte, wo ich mich auf den nächsten Teil freue. viel Erfolg beim schreiben und es dürfen ein paar Seiten mehr sein, grins
Es lohnt sich also doch, auch Leser zum schreiben zu bewegen……. Weiter so
Gruß aus Berlin
Ralf