Good bye Amerika – Teil 42

Ich rannte los bis, ich an die Person herankam. Berry – mein Gott, es war wirklich Berry.

„Bob, es ist Berry“, schrie ich.

Ich ging in die Knie und strich sanft über Berrys Wange.

„Schatz, sag doch was! Bitte!“

Zärtlich strich ich eine Strähne aus seinem Gesicht, fuhr durch sein Haar. Als ich meine Hand sah, bekam ich einen Schreck – Blut!

„Bob, tu doch was!“, schrie ich.

„Tom…, Bob seid ihr das?“, hörte ich jemand rufen.

„Lesley? Komm schnell, dein Bruder… Berry… scheiße… Schatz, sagt doch endlich was.“

„Tom, dürfte ich mal an Berry ran?“, fragte Bob neben mir behutsam.

Ich kippte einfach auf zur Seite, landete auf dem Hintern. Bob tastete Berry ab, als Lesley bei uns ankam.

„Lesley, ruf bitte einen Krankenwagen“, sagte Bob.

Am Kopf sah ich eine kleine Wunde, aus der Blut sickerte. Ich zog mein Shirt aus und drückte es auf die Wunde.

„Gut so!“, sagte Bob neben mir.

Bob zog nun seinerseits sein Hemd aus und legte vorsichtig Berrys Kopf darauf. Ich zitterte am ganzen Körper. Lesley rief per Handy den Krankenwagen. Wie konnte der nur so ruhig bleiben?

„Der Krankenwagen kommt und die Polizei auch“, meinte Lesley.

„Wieso die Polizei?“, fragte ich heiser.

„Schaut euch die Speichen des Vorderrades an“, meinte Lesley und wies auf diese.

Wie bei Bob, wanderte auch mein Blick zu den Speichen. Ein Teil war ausgerissen und ein paar stark verbogen.

„Sieht so aus, als wäre da was rein gekommen“, meinte Bob ruhig neben mir.

Mein Blick fiel wieder auf Berry. Mir zerriss es fast das Herz, ihn da so liegen zu sehen. In Gedanken driftete ich zu Dad und begann, hemmungslos zu schluchzen. Bob legte den Arm um mich.

„Schhht… Berry geht es soweit gut, Tom… er hat keine Brüche.“

„Aber… aber warum ist er dann nicht bei sich.“

Plötzlich stöhnte Berry.

„Berry…Berry? Ich bin bei dir… was ist passiert?“, rief ich.

Doch aus Berrys Mund drang nur ein Röcheln. Aus der Ferne konnten wir einen Krankenwagen hören. Ich griff nach Berrys Hand.

„Bitte… halt durch, Schatz“, flüsterte ich fast nur noch.

Dicke Tränen rannen mir über die Wangen. Alles um mich herum verschwand irgendwie. Ich sah nur noch Berry. Ich sah sein Gesicht, wie er lächelte. Dieses Lächeln, das mich immer aufmunterte.

*-*-*

Dieses Warten kannte ich schon. Wie damals bei Dad saß ich auf der Bank. Da es schon spät am Abend war, herrschte auf dem Flur der Krankenstation kein hektisches Treiben mehr. Ungehindert liefen mir die Tränen über die Wangen.

Ich spürte Lesleys Hand auf meinem Rücken, wie sie mich zärtlich streichelte. Berry nun auch noch verlieren…, das würde ich nicht verkraften. Ich bekam nicht mit, wie Linda mit Abby und Molly ankam.

Ich bekam gar nichts mehr mit, was um mich herum geschah. Ich sah immer nur Berrys Gesicht, wie er mich heut Abend verlassen hatte. Mit diesem süßen Lächeln auf den Lippen.

„Tom?“

Oh Gott Berry, verlass mich nicht auch du noch.

„Tom?“, hörte ich jemand sagen.

Ich schaute nach oben und konnte leicht verwässert Molly vor mir erkennen. Ich wischte mir meine Tränen ab.

„Tom, ich hab dir einen neues Shirt mitgebracht“, sagte sie und reichte es mir.

Dass mir kalt war, nahm ich nicht mal so richtig wahr, meine Gedanken hingen bei Berry. Fast mechanisch schlüpfte ich in das Shirt. Lesley hielt mir ein Papiertaschentuch hin, das ich dankend entgegennahm.

So putzte ich mir erstmal die Nase und atmete danach tief durch. Ich saß nun zwischen Lesley und Molly. Lesleys Hand lag immer noch auf meinem Rücken und Molly hatte sich meiner Hand bemächtigt.

Eine Schwester kam und fragte nach Berrys Eltern. Ich wollte schon aufstehen, aber die Beiden hinderten mich daran. Linda bat Molly und Bob, mitzukommen. Wie es Berry ging, erfuhren wir nicht.

„He, jetzt mach nicht so ein Trauergesicht, du kannst deinen Berry bald wieder in die Arme schließen“, meinte Molly neben mir.

„Wieso? Weißt du, wie es ihm geht?“, fuhr ich sie an.

„He Alter, Molly meinte es doch nur gut“, knuffte mir Lesley in die Seite.

Ich wendete mein Kopf und schaute einen nach dem anderen an.

„Sorry. Ich hab nur riesen Panik… ich will nicht noch jemand… verlieren“, sagte ich immer leiser werdend.

Wieder kamen die Tränen und ich begann zu weinen.

„Komm, hör auf. Mal den Teufel nicht an die Wand“, meinte Lesley neben mir, „Berry wird schon wieder!“

Ich wollte fragen, wie er sich so sicher sein konnte und vor allem, warum er so ruhig blieb, aber da kamen Bob und Linda zurück. Ich wollte aufspringen, aber irgendwie versagten meine Beine.

„Berry geht es soweit gut, bis auf die Schnittwunde am Kopf, ein paar Prellungen und Aufschürfungen am Körper und einer verstauchten Rippe, fehlt ihm nichts“, meinte Bob.

„Kann ich zu ihm?“, fragte ich.

„Nein Tom, er braucht jetzt seine Ruhe“, sagte Abby.

„Nichts um alles in der Welt bringt mich hier weg. Als ich von der Schlange gebissen wurde, wich Berry auch nicht von meinem Bett!“

Bob und Abby wechselten Blicke.

„Okay, ich rede mit Linda und dem Arzt, aber versprechen kann ich nichts“, meinte Bob.

„Und ihr zwei fahrt mit mir nach Hause und keine Widerrede!“, kam es von Abby.

Ohne Murren gingen Lesley und Molly mit Abby, nachdem sie sich von mir verabschiedet hatten. Bob kam wieder zurück, gefolgt von Linda.

„Es ist lieb von dir, dass du bei meinem Berry bleiben willst, Tom“, meinte sie.

Sie hatte feuchte Augen, also hatte sie so wie ich um Berry geweint.

„Er hat das auch für mich gemacht“, meinte ich schon fast trotzig.

Sie lächelte mich an und strich mir über die Haare. Bob beugte sich leicht vor.

„Ich will keine Beschwerden hören, okay?“, flüsterte er.

Ich nickte und versuchte, zu lächeln.

„Linda, ich bring Tom noch schnell zu Berry, wartest du am Auto auf mich?“

„Ja“, meinte sie und ging.

Bob schob mich derweil vor sich her und wir durchschritten eine Glastür. Dahinter begannen die Zimmer. An der dritten Tür hielt er an, es kam gerade eine Schwester heraus.

„Schwester, das ist der junge Mann, von dem ich ihnen erzählt hatte“, sagte Bob hinter mir.

Die Frau musterte mich von oben bis unten.

„Der Patient braucht vollkommene Ruhe, verstanden?“, meinte sie in einem strengen Ton.

Ich nickte ehrfürchtig. Sie lächelte.

„Wenn etwas ist, klingelst du bitte sofort nach mir, okay?“, sagte sie nun in einem viel sanfteren Ton.

Sie trat zur Seite und Bob schob mich in das Zimmer. Als ich Berry so liegen sah, kamen die Tränen wieder. Bobs Griff an meiner Schulter verstärkte sich. Berry hatte einen kleinen Verband am Kopf.

„Es ist alles in Ordnung“, meinte Bob hinter mir und schob mich weiter ins Zimmer.

Ich ging zu einem Stuhl, der direkt neben dem Bett stand. Berry schien zu schlafen, sein Gesicht sah jedenfalls so aus.

„Wird er wieder zu sich kommen?“, fragte ich ängstlich.

„Er ist schon zu sich gekommen, Tom. Und er hat auch gleich nach dir gefragt“, sagte Bob mit einem Lächeln, „aber er braucht jetzt seinen Schlaf, um sich besser erholen zu können.“

Ich nickte.

„Ich gehe jetzt, Linda wartet auf mich. Und du rufst mich an, wenn irgendwas ist, okay?“

„Danke Bob“, meinte ich und umarmte ihn.

„Nichts zu danken, dafür bin ich da.“

Wieder nickte ich und war wenige Sekunden später mit Berry alleine. Leise setzte ich mich hin. Ich hob meine Hand und griff sanft nach Berrys.

„Bitte werde ganz schnell wieder gesund… Schatz, ich brauche dich!“

*-*-*

Irgendetwas kribbelte in meinem Gesicht. Ich strich mit der Hand darüber. Plötzlich kam mir wieder in den Sinn, wo ich denn überhaupt war. Ruckartig hob ich den Kopf und sah direkt in Berrys Gesicht, das mich anlächelte.

„Hallo…“, hörte ich ihn leise sagen.

Bevor ich etwas sagen konnte, wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich eingeschlafen war. Und das mit dem Kopf auf dem Bett und immer noch auf den Stuhl sitzend. Ich zog die Schultern hoch und drehte etwas den Kopf.

„Warst du… die ganze Nacht hier?“, fragte Berry.

Ich nickte und streckte mich.

„Du kleiner… Verrückter!“

„Du bist genauso verrückt. Du hast auch an meinem Bett gewacht. Hallo Schatz…“, sagte ich und beugte mich vor, um ihm einen Kuss zu geben, der freudig entgegen genommen wurde.

„Wie geht es dir…, wie fühlst du dich?“, fragte ich und setzte mich wieder.

„Wie durch den Fleischwolf gedreht.“

„Kann ich mir vorstellen! Weißt du, was passiert ist gestern Abend?“

„Ja und nein…“, antwortete Berry.

Fragend schaute ich ihn an.

„Ich weiß nicht mehr, was passiert ist… es ist alles weg… Bob hat mir aber erzählt, dass ich vom Fahrrad gestürzt bin.“

Sollte ich ihm das mit den Speichen sagen, oder hatte Bob ihm das schon erzählt? Ich beschloss, erst mal nicht darüber zu reden.

„Bob hat auch erzählt…, dass du dich mächtig erschrocken hast“, redete Berry weiter, „tut mir Leid, Tom.“

„He, das braucht dir nicht Leid zu tun. Als ich das Blut an deinem Kopf sah… ist bei mir eine Sicherung durch gebrannt… irgendwie wiederholte…“

Ich brach mitten im Satz ab und senkte den Blick. Berry schien zu verstehen und streichelte mir über die Hand.

„Ich habe dir versprochen, immer für dich da zu sein und so ein kleiner Sturz wird mich daran nicht hindern, okay?“, hörte ich Berry sagen.

Ich hob wieder den Kopf an.

„Nicht, Tom… nicht weinen… mit einem Lächeln gefällst du mir viel besser…“

Ich hatte nicht bemerkt, wie sich die Tränen wieder ihren Weg bahnten. Meine Augen brannten sowieso. Ich versuchte, etwas zu lächeln, was mir aber deutlich missglückte.

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