Ai shite iru

Ai Shite Iru

 (jap. f. Ich liebe dich)

 „Verdammt… so lerne ich das nie“, fluchte ich in die Stille des Zimmers hinein.

Es war wirklich zum Verzweifeln, denn dieser ganze Stoff wollte sich einfach nicht lernen lassen… oder mein komisches Denkorgan… auch Gehirn genannt… wollte es nicht lernen. Wie auch immer… mir musste dringend etwas einfallen, sonst würde ich diese Sprache wohl nie lernen…

*-*

Ach so, ja, vielleicht sollte ich mich an dieser Stelle mal kurz vorstellen:

Mein Name ist Larissa.

Ich bin fünfunddreißig Jahre jung, habe blaue Augen und lange rote Haare. Meine Heimat ist irgendwo in Deutschlands Hauptstadt. Seit einiger Zeit lerne ich die japanische Sprache, was nun wirklich nicht so ganz einfach ist. Mir macht es jedoch großen Spaß, zudem gibt es da noch ganz andere Gründe warum ich diese wirklich sehr schwierige Sprache lerne.

Seit einen guten dreiviertel Jahr bin ich jetzt mit Reiji, einem ehemaligen japanischen Tandempartner von mir, zusammen. Den ich wirklich über alles liebe.

Wie es zu dieser Verbindung kam, davon werde ich euch jetzt erzählen.

Nur eines noch, bevor ich hier weiter mache:

Da dies eine wahre Geschichte ist, habe ich selbstverständlich alle Personen relevanten Informationen z.B. Namen, Alter usw.  zum Schutz der jeweiligen Personen sehr stark verändert!

Natürlich kann ich mich auch nicht mehr so genau an alle geführten Gespräche erinnern, deshalb werde ich hier ein wenig improvisieren müssen.

Ich bitte hierfür um euer Verständnis.

Vielen Dank.

Und nun viel Spaß mit der vorliegenden Story.

*-*

Es war der 6.6.2011. als ich fluchend in meinem Wohnzimmer saß und versuchte mir den Stoff einzuprägen. Leider schien es meinem Gehirn nicht zu gefallen, denn es sperrte sich, so dass ich es vorläufig aufgab und mich dem Internet widmete.

Ich erinnerte mich daran, dass mir meine Japanischlehrerin in der VHS, empfohlen hatte, mir einen Tandempartner zu suchen. Dies könnte ich übers Internet tun. Kurz und gut, ich fragte diesbezüglich nun einfach mal „Tante Google“ und Bingo… „Tante Google“ hatte wirklich einige gute Seiten auf Lager, von denen ich mir einige ansah.

Jedoch waren mir viele von denen einfach zu unseriös. Nach längerer Suche kam ich dann auf eine gute Seite, wie ich fand, diese gefiel mir von allen ganz gut und sie vermittelte einigermaßen gute Absichten.

Zudem sagte mir irgendwas in meinem Inneren… die Seite ist okay.

Ich meldete mich also auf der Seite an, machte auch alle Angaben, die die da haben wollten und sah mich dann um. Zunächst nutzte ich mal die Suche und fand dort ein paar wirklich brauchbare Leute, mit denen ich mir vorstellen konnte zu arbeiten.

Eine Seite später erblickte ich… ein Bild und einen Namen dazu… und kriegte mich kaum noch ein…

Ja, genau diesen Partner wollte ich unbedingt haben. Ich versuchte ihm zu schreiben, doch stellte sich mir hier ein Problem in den Weg.

Man konnte einen ausgesuchten Partner nur dann anschreiben, wenn man Premium Mitglied war und das bedeutete, ich musste dafür zahlen, damit ich diesem Partner schreiben konnte.

Na toll…dachte ich… soviel zum Thema seriös…

Aber gut, ich bezahlte per PayPal für einen Monat und konnte meinem Wunschpartner sogleich schreiben. Natürlich tat ich das auch. Nach langem hin und her und reiflicher Überlegung was ich ihm denn nun schreiben wollte… sollte, wie auch immer. Ich war doch vollkommen durch den Wind und glaubte keine Sekunde daran, dass er mir antworten würde.

Dennoch versuchte ich es und schrieb meinen wohlüberlegten Text, dann schickte ich die Nachricht, um 21 Uhr 44, ab.

Nun hieß es nur noch abwarten ob er mir antworten würde.

Minuten wurden zu Stunden und die Stunden wurden zu einer gefühlten Ewigkeit. Immer wieder ging ich auf die Seite und sah mir sein Bild an… ich himmelte dieses verflixte Bild ja förmlich an.

Am 7.6. um 17 Uhr 15 hatte ich die ersehnte Antwort in meinem Postfach und er zeigte tatsächlich Interesse. Wie er schrieb wollte er gern mehr Deutsch reden und es von mir lernen. Er hätte es zwar schon in der Schule gelernt, doch käme er nicht dazu viel Deutsch zu sprechen.

Glaubt es oder nicht, aber ich freute mich riesig… war mir das Glück doch einmal hold und ich freute mich echt  ’nen Kullerkeks.

Um 19 Uhr 27 schrieb ich ihm dann voller Aufregung zurück und meinte, dass ich mich sehr freuen würde ihm ein wenig Deutsch beizubringen. Was natürlich sehr untertrieben war.

Au man, was schrieb ich ihm eigentlich für einen Schrott? Ich wollte doch eigentlich ganz was anderes schreiben… aber gut, es war wohl erst mal besser so.

Schon am nächsten Tag, den 8.6. um 22 Uhr 50 hatte ich wieder eine Antwort im Postfach, doch war ich da wohl anderweitig beschäftigt, denn ich hatte nicht nachgesehen und sah die Nachricht erst am 9.6. frühmorgens um ca. 9 Uhr. Natürlich antwortete ich ihm sogleich und freute mich echt tierisch, denn es schien ja echt gut zu laufen.

Dann kam fast 5 Tage lang nichts mehr und ich dachte echt schon, dass ich ihn jetzt, womit auch immer, vertrieben hätte. War ich mir doch keiner Schuld bewusst.

Beinahe war ich schon drauf und dran das Warten aufzugeben, meinen Account von der Seite zu löschen und die Seite aus meinen Favoriten ebenfalls zu entfernen… obgleich ich eigentlich nicht der Typ bin, der vorschnell aufgibt.

Aber in diesem speziellen Fall hatte ich schon fast alle Hoffnung verloren.

Zudem war er ein Traumtyp, den sicher viele haben wollten und der doch garantiert jedes Mädchen haben konnte… wenn er wollte.

Dann endlich kam, am 14.6. um 14 Uhr 20, die nächste Antwort von ihm und ich atmete erleichtert auf.

Eigentlich hatte ich mich auf der Seite nur eingeloggt, um diesmal meinen Account wirklich zu löschen, sollte wieder nichts in meinem Postfach sein und siehe da …Bingo… „Sie haben eine neue Nachricht.“

Genau um 20 Uhr 30 schrieb ich ihm zurück und schon am 15.6. um 14 Uhr 27 hatte ich wieder eine Antwort von ihm… au man, ich freute mich total. Das hier war doch zu schön um wahr zu sein.

Ich hoffte so sehr, dass er mich nicht nur verarschen würde. Denn soviel Glück konnte ich nicht fassen, geschweige mir vorstellen, dass es ausgerechnet mir passierte.

Nur wenig später um genau 15 Uhr 07 und nachdem ich erst mal mehrere Zigaretten rauchen musste, antwortete ich ihm und jubelte nur noch vor dem PC.

YAY! Wie geil war das denn…?! Ich glaube meine Augen waren nur noch am leuchten.

Allerdings konnte ich mich nun gar nicht mehr auf das Lernen konzentrieren. Zudem ging einfach alles schief was ich anpacken oder tun wollte. Egal ob ich mir nun einen Tee machen wollte und anstatt auch den Tee in die Tasse zu tun, tat ich nur Zucker in die Tasse und goss diesen dann auf… schmeckte wirklich ganz toll… (ironisch)

Oder, als ich einkaufen ging und anstatt mit meiner Geldkarte zu bezahlen gab ich der Verkäuferin, an der Kasse im Supermarkt, meine Krankenversichertenkarte. Wirklich ganz toll… ich war echt super nervös und vollkommen durch den Wind, denn ich musste dauernd an das Treffen und vor allem an IHN denken.

Wieder Zuhause kam ich von meinem PC nicht los. Ich war schon Dauergast auf der Seite und sah mir ständig und mit wachsender Begeisterung sein Bild an…  und immer wieder himmelte ich es an… herrje…

Es nutzte nichts, ich musste mir etwas anderes einfallen lassen und versuchte mich bei einem guten Film zu entspannen und nicht mehr an den nächsten Tag zu denken. Es war nicht ganz einfach, doch irgendwann …so nach dem dritten Film… gelang es mir dann doch endlich.

Klar, hatte ich IHN noch immer im Hinterkopf, aber nun konzentrierte ich mich auf die Filme… auf Splatterfilme wie die siebenteilige „Saw“ Reihe… die mich echt gut ablenken konnte und so auch der letzte Gedanke an IHN „gefoltert“ und danach vorläufig „ermordet“ wurde. Es musste einfach sein, sonst hätten meine Nerven diesen Tag sehr wahrscheinlich nicht „überlebt“.

Ich fragte mich allerdings wie das dann morgen werden sollte, wenn er denn jetzt wirklich noch zusagte. Ich musste mich dringend zusammenreißen… sonst würde ich mich morgen vor IHM womöglich noch blamieren und das wollte ich unter allen Umständen vermeiden.

Die Stunden vergingen und ich nagte schon nervös an meiner Unterlippe… dann um 22 Uhr 10 kam wieder eine Nachricht und ich hüpfte in meinem Zimmer herum, wie ein Flummiball.

Nun war es endlich „amtlich“… wir wollten uns an nächsten Tag, sprich den 16.6. um 14 Uhr vor dem Balzac Cafe, in der Schönhauser Allee, treffen.

YEAH!!! Ich freute mich total und ich heulte beinahe. Gleichzeitig begann mein Herz schneller zu schlagen. Konnte es wirklich möglich sein, dass das Glück auch mal auf meiner Seite war? Nun, es schien wohl so und ich hätte am Liebsten Luftsprünge gemacht.

Ich schluckte erst mal hart und mein Herz begann, bei dem Gedanken daran ihn wirklich zu treffen, immer heftiger zu schlagen, so dass mir beinahe die Luft weg blieb.

Au man, einerseits freute ich mich total und andererseits war ich voll aufgeregt. Was sollte ich bloß anziehen? In welcher Sprache würden wir eigentlich kommunizieren? Okay, so wie er schrieb konnte er scheinbar recht gut Deutsch und ich bewunderte ihn ehrlich dafür. Worüber würden wir eigentlich reden? Wären wir uns eigentlich sympathisch?

Na gut, er war mir ja schon mal sehr sympathisch… na ja, vielleicht ein bisschen …okay… viel mehr. Aber was würde er von mir denken? Sollte ich mich super gut benehmen… oder mich einfach so geben wie ich bin? Herrje, war das schwer. Hoffentlich würde ich mich vor ihm nicht total blamieren.

Erschwerend kam hinzu, dass ich bis dahin noch nie mit einem „echten“ Japaner gesprochen hatte… außer natürlich mit der Lehrerin in der Schule… aber das hier war doch schon gänzlich was anderes. Ich hoffte wirklich, dass ich mich nicht zum Affen machen würde und mich die wenigen Japanisch Kenntnisse, die ich bis jetzt hatte, nicht verlassen würden.

Die, für mich, wichtigste Frage war aber: Würde er überhaupt am Treffpunkt erscheinen oder würde er das Treffen vergessen und mich da verloren stehen lassen?

Unzählige Fragen und doch bekam ich keine Antwort. Ich würde also den nächsten Tag abwarten und alles auf mich zukommen lassen müssen. Herrje, wie ich das hasste.

Na, das konnte ja heiter werden… aber ich versuchte nicht an das Treffen mit meinem „hoffentlich“ zukünftigen Tandempartner zu denken.

Da es nun auch schon so in etwa 0 Uhr 35 war, dachte mir, dass es besser wäre wenn ich so schnell wie möglich schlafen gehen würde. Das tat ich dann auch. Ich konnte jetzt eh nicht mehr viel mit mir anfangen, zudem war es eh schon sehr spät und da ich gern lange schlief, war es so das Beste für mich. So konnte ich wenigstens ausschlafen.

Also machte ich mich Bettfein, ging in mein Schlafzimmer, legte mich ins Bett und versuchte einzuschlafen. Ich wälzte mich in meinem Bett hin und her, doch an Schlaf war nicht zu denken. Meine Gedanken kreisten um IHN und um das Treffen.

Also stand ich noch einmal auf, zog mich wieder an und verließ irgendwann meine Wohnung. Ich wollte nur ein wenig spazieren gehen, um mich zu beruhigen und nachher vielleicht besser schlafen zu können.

Nachdem ich etwa eine Stunde lang spazieren gegangen war kehrte ich nach Hause zurück und lag irgendwann dann wieder in meinem Bett, wo ich endlich zufrieden, aber doch wieder mit einem Gedanken an IHN, einschlief.

*-*

Als ich am Morgen, des 16.6.2011 um 11 Uhr, erwachte war ich zwar noch recht müde, aber ich hatte einigermaßen gut geschlafen. Nachdem ich mich, noch etwas schlaftrunken, aus meinem Bett geschält hatte, latschte ich in die Küche und nahm mir eine Flasche Mineralwasser.

Ich öffnete die Flasche und prompt hatte ich meine erste kalte Dusche an diesem Morgen hinter mir.

Toll… dachte ich… wirklich toll… was soll das nachher werden..?

Trotzdem nahm ich einen Schluck aus der Flasche, schloss diese wieder und ging dann ins Bad um einen Scheuerlappen zu holen und die Pfütze in der Küche wegzuwischen. Das tat ich und ärgerte mich, dass ich meine Gedanken einfach nicht beisammen hatte.

Sodann machte ich mir erst mal einen Cappuccino und setzte mich anschließend mit der Tasse ins Wohnzimmer. Dann zündete ich mir eine Zigarette an, versuchte mich zu beruhigen und an nichts zu denken. Es gelang mir allerdings nur mäßig… aber immerhin war ich nach der vierten Zigarette in gut eineinhalb Stunden etwas ruhiger und nicht mehr ganz so nervös.

Nun hieß es für mich aber langsam mich fertig zu machen, denn ich wollte auch nicht unbedingt zu spät kommen. Ich kam in meinem Leben wirklich noch nie zu spät und so sollte es auch bleiben.

Ich latschte also ins Schlafzimmer, öffnete meinen Kleiderschrank und überlegte krampfhaft was ich anziehen sollte. Ich entschied mich letztlich für eine schwarze Hose, ein schwarzes ärmelloses Shirt und schwarze Schuhe, alles wollte ich zusätzlich mit einer dünnen schwarzen Jacke abrunden.

Wie unschwer zu erkennen ist, mag ich die Farbe Schwarz sehr gern.

Anschließend suchte ich das Bad auf und erfrischte mich. Wieder das Schlafzimmer erreicht, zog ich mich an und versuchte möglichst keine Fehler mehr zu machen. Es war wirklich die „Hölle“ mich auf so vieles gleichzeitig konzentrieren zu müssen und möglichst nicht an das Treffen zu denken, was ja gleich stattfinden sollte. Ich hatte nur noch etwas über eine Stunde Zeit, musste aber noch meine Haare machen, mir passenden Schmuck heraussuchen und dann noch zu dem Cafe gehen.

Das war ziemlich viel für nur eine Stunde Zeit. Aber wie durch ein Wunder schaffte ich es… ja, auch ohne noch irgendwelche peinlichen Zwischenfälle erleben zu müssen. Nur noch einen Blick in den Spiegel, dann schnappte ich mir meine Tasche, nahm die Schlüssel vom Haken und verließ meine Wohnung.

Trotz des wunderschönen Wetters an diesem Tag, denn es war sonnig und angenehm warm, war ich jetzt schon wieder sehr nervös und hatte echt Angst vor IHM wie ein Trottel dazustehen.

Je näher ich dem Cafe kam, umso aufgeregter wurde ich. Auf dem Weg zum Cafe rauchte ich noch mindestens zwei Zigaretten.

Während mir mein Unterbewusstsein immer wieder sagte:

Du kriegst den eh nicht, so Scheiße wie du aussiehst… mach dir also keine Hoffnung.

Etwa eine viertel Stunde später hatte ich das Cafe erreicht und war froh, dass er noch nicht da war und ich fünf Minuten zu früh den Treffpunkt erreicht hatte. Ziemlich nervös sah ich mich um… suchte nach dem Kennzeichen, woran ich ihn erkennen sollte.

„Hallo?“, sprach mich plötzlich jemand an.

Ich drehte mich sogleich um und wäre am Liebsten sogleich im Erdboden versunken. Da stand er …mein Traummann… total süß grinsend… und ich himmelte ihn förmlich an. Er stand wirklich vor mir wie ein wahr gewordener Traum. Ja, ich schmachtete ihn an, während mein Gesicht knallrot angelaufen war und mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmerte, als könnte jeder Schlag der Letzte sein.

Ganz ruhig bleiben… nicht ausrasten, ermahnte mich mein Unterbewusstsein.

Ha ha… besser gesagt als getan… bei so einem Traumtypen.

Doch ich sah ihn an und begrüßte ihn… wie ich es gelernt hatte.

„Konnichi wa.“

Er grinste mich so voll süß an, dass ich dachte, ich müsste jeden Moment tot umfallen. Meine Beine waren weich und drohten nachzugeben. Meine grauen Zellen streikten… setzten aus… und meine Augen musterten ihn und zogen ihn schon beinahe aus… nennt man so was… Liebe… unstillbares Verlangen… oder doch einfach nur …Begierde…?

Ich glaube, ich spürte von jedem etwas.

„Hallo! Mein Name ist Reiji.“

„Ich freue mich dich kennen zu lernen, Reiji. Mein Name ist Larissa.“

„Ich freue mich auch dich kennen zu lernen, Larissa.“, antwortete Reiji und fragte mich dann:

„Gehen wir rein oder setzen wir uns hier draußen hin?“

„Setzen wir uns besser hier draußen hin, das Wetter ist so schön.“, erwiderte ich und versuchte cool zu wirken und zu bleiben, obwohl meine Nerven flatterten und ich mir vorkam wie ein dreizehnjähriges Schulmädchen bei seinem ersten Date.

Während sich mein Hirn noch freute, dass ich tatsächlich das Glück auf meiner Seite und er mich nicht versetzt hatte… gingen wir ins Cafe, bestellten uns je einen Milchkaffee, bezahlten diesen und verließen dann das Cafe wieder.

Draußen angekommen, suchten wir uns einen freien Tisch, stellten dann unsere Tassen drauf und setzten uns dann in die recht bequemen Sessel… jeder dem anderen gegenüber.

Minutenlang sahen wir uns einfach nur an und grinsten. Mein Gesicht tat derweil nichts anderes mehr als im „schönsten“ Rot zu leuchten und mich damit verlegen zu machen… au man, wie peinlich.

Jetzt reiß dich doch endlich mal zusammen und sieh ihm um Himmels Willen nicht in die Augen… sieh ihm nicht in die Augen… sieh ihn nicht an, ermahnte mich mein Unterbewusstsein ständig.

Halt du doch endlich mal die Klappe, dachte ich und versuchte wirklich alles um meine Beherrschung zu behalten.

„Du kannst sehr gut deutsch schreiben und sprechen. Sprichst du noch weitere Sprachen?“, begann ich, um mich ein wenig aufzulockern und nicht ganz so dämlich auszusehen.

„Danke. Ja, ich spreche noch fließend Englisch. Und wie sieht es bei dir aus? Wie gut sprichst du japanisch? Wie weit bist du eigentlich mit dem Lernen? Sprichst du auch noch weitere Sprachen?“

„Na ja, um ehrlich zu sein… bin ich noch nicht ganz so weit. Ich lerne es erst seit etwa eineinhalb Jahren. Englisch kann ich auch ein wenig, jedoch nicht so gut. Aber um ehrlich zu sein, ich mag Englisch nicht besonders.“, antwortete ich und hoffte er würde mich nicht prüfen.

Allerdings ahnte ich irgendwie, dass diese Hoffnung verschwindend gering war.

Wie gering diese Hoffnung war bewies er mir sogleich. Er stellte mir Fragen auf Japanisch und ich war super aufgeregt. Dennoch versuchte ich zu verstehen was er fragte und möglichst korrekt zu antworten, was mir zum Glück auch ganz gut gelang.

„Sehr gut. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, ich helfe dir, okay. Wie bist du darauf gekommen Japanisch zu lernen? Bist du schon einmal in Japan gewesen oder möchtest du irgendwann dorthin reisen?“, lobte er mich, stellte mir noch einige Fragen und ich wurde nun noch ein wenig verlegener… kann ich doch mit Lob nicht wirklich gut umgehen.

„Danke, das Angebot nehme ich gern an. Na ja, ich mag Japan, obwohl ich noch nie dort war, aber ich möchte schon irgendwann dorthin. Sag mal, was machst du eigentlich so beruflich?“, antwortete ich lächelnd und konnte meinen Blick nicht so wirklich von ihm abwenden… so sehr ich mich auch bemühte.

Aber ich wollte ihn natürlich nicht tot starren… also sah ich notgedrungen ab und zu woanders hin.

„Ich arbeite als Englischlehrer.“, erzählte er mir so ganz nebenbei und fragte weiter:

„Willst du auch irgendwann eine Prüfung in Japanisch ablegen?“, antwortete er mir und grinste mich an, denn er hatte meine Bemerkung von vorhin, bezüglich der englischen Sprache, scheinbar nicht vergessen.

Herrje… wie schämte ich jetzt für meine dumme Bemerkung. Ich hasste mich dafür, dass ich nicht einmal die Klappe halten konnte. Zudem musste ich nun auch noch meinen Hass Lehrern gegenüber reduzieren und meine Meinung revidieren.

Eigentlich hasse ich Lehrer, wie die Pest… okay, meine Japanischlehrerin war echt klasse und mit unseren deutschen Lehrern kaum bis gar nicht vergleichbar. Aber trotzdem änderte ich meine Meinung nicht so leicht.

Na Prima… verliebt in einen Lehrer… ging es eigentlich noch schlimmer… wohl kaum…?!

„Ich… es …tut mir leid… wegen… der Bemerkung von vorhin. Ich… wollte das nicht. Und ähm… ja, ich würde gern eine Prüfung in Japanisch ablegen.“, entschuldigte ich mich leicht stotternd, während ich vollkommen nervös und verlegen meinen Ring am Finger immer hin und her drehte.

Hirn an Larissa… man bist du bescheuert… halt doch bloß mal die Fresse… oder denk vorher nach was du sagen willst, meckerte mein Unterbewusstsein mal wieder mit mir herum und ich wusste ganz genau, dass es Recht hatte… ich sollte wirklich öfter mal meine grauen Zellen aktivieren.

„Hey, kein Problem… es gibt sehr viele Menschen, die Englisch nicht mögen. Okay, ich werde dich dann auf die Prüfung vorbereiten… einverstanden?“

„Ja… ich… danke dir. Und… na ja, es ist mir trotzdem sehr unangenehm und es tut mir leid. I’m sorry.“

„Nichts zu danken. Ich helfe dir gern.“, antwortete er, ohne jedoch auf eine weitere Entschuldigung meinerseits einzugehen und fragte mich dann gemeinerweise:

„Was heißt eigentlich „Nichts zu danken“ auf Japanisch? Naaa…?“ und sah mich dann mit einem total frechen Blick an, das war dann wohl seine Art es mir „heimzuzahlen“.

Ich überlegte, während die Röte nicht von meinem Kopf weichen wollte, dann antwortete ich:

„Douitashimashite.“, antwortete ich nach ganz kurzer Überlegung und übernervös.

„Richtig… hey, das ist richtig gut. Siehst du, du kannst das doch.“

Und wieder machte mich seine Antwort verlegen…

Wir saßen noch eine ganze Weile in dem Straßencafé und unterhielten uns teilweise auf Japanisch und teilweise in deutsch. Leider hat alles irgendwann ein Ende und wir verabschiedeten uns vorläufig voneinander… jedoch nicht ohne noch unsere Handynummern und Email Adressen auszutauschen.

„Also, bis zum nächsten Mal?“, fragte er mich.

„Ja, ich freue mich schon auf unser nächstes Treffen.“, antwortete ich mit leuchtenden Augen und konnte es kaum mehr erwarten ihn so bald wie möglich wieder zu sehen… obwohl er doch noch immer vor mir stand… eigentlich wollte ich ihn doch gar nicht gehen lassen.

„Ich freue mich auch darauf.“, erwiderte er grinsend.

„Jaa ne.“

„Jaa ne.“, antwortete ich, dann gingen wir beide unserer Wege.

Ich ging ein Stück, sah mich noch einmal um und ihm noch eine Weile nach.

Ja… dachte ich… wir sehen uns wieder… ganz sicher.

Als er schließlich weg war, drehte ich mich wieder um und ging noch etwas spazieren. Mir war, als würde ich träumen… ja, es musste ein Traum gewesen sein… anders konnte ich mir mein Dauergrinsen im Gesicht nicht erklären.

Nach einem ausgiebigen Spaziergang kam ich endlich wieder zu Hause an und betrat meine Wohnung, hinter mir die Tür schließend. Immer noch war mir, als sähe ich ihn vor mir… diese Augen… dieses Grinsen… dieses Lächeln und diese absolut samtweiche Stimme… meine Sehnsucht nach ihm wuchs und wurde beinahe unerträglich.

An diesem Abend bekam ich dann eine Email von ihm, in der er sich für das Treffen bei mir bedankte, und dass es ihm wirklich sehr viel Spaß gemacht hätte. Aber auch, dass er sich wirklich schon auf das nächste Treffen mit mir freuen würde.

Ich jubelte und kriegte mich kaum noch ein. Diese Email speicherte ich ab und habe sie bis heute nicht gelöscht. Niemals werde ich diese Email löschen. Konnte ich doch noch immer nicht so ganz glauben, dass ich wirklich einen Teilsieg errungen hatte.

Vor allem konnte ich mir weder vorstellen noch war ich davon überzeugt, dass ihm das Treffen wirklich Spaß gemacht hatte und er sich echt schon auf das nächste Treffen freute. Nun ja, aber es stand ja da… schwarz auf weiß in der Email.

Unsicherheit machte sich in mir breit und ich dachte: Jetzt mach dir mal keinen Kopf …warum sollte er dich belügen? Warum sollte er schreiben, dass es ihm Spaß gemacht hatte und er sich auf das nächste Treffen freuen würde, wenn er es nicht so meinen würde? Er ist doch total lieb, nett, süß, hilfsbereit, freundlich… ehrlich und vor allem… ist er ein Traum… mein Traum.

Nachdem ich mich wieder ein wenig unter Kontrolle hatte, beantwortete ich seine Email. Auch ich schrieb, dass mir das Treffen sehr viel Spaß gemacht hätte und auch ich mich schon sehr auf das nächste Treffen freuen würde. Dann schickte ich die Email ab.

Was meine Unsicherheit anging, wusste ich leider nur allzu genau, dass ich es niemals riskieren würde ihm zu sagen, was ich für ihn empfinde. Nicht, dass ich schüchtern wäre oder so, nein… ich hatte eigentlich ein ziemlich loses Mundwerk. Nur wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen ging, konnte ich einfach nicht so richtig aus mir heraus… und was ihn anging schon mal gar nicht.

So würde mir wohl nichts weiter übrig bleiben, als von ihm zu träumen und die Treffen mit ihm zu genießen. Etwas anderes blieb mir bei meiner Unsicherheit, ihm gegenüber, eh nicht übrig. Natürlich hasste ich mich für diese verdammte Gehemmtheit. Aber ich fand schon, dass es jetzt sowieso noch etwas zu früh gewesen wäre ihm zu gestehen was ich für ihn fühlte.

*-*

So ging es Wochenlang weiter, langsam gewöhnte ich mich an die Treffen mit ihm und war auch nicht mehr so aufgeregt. Er übte mit mir das Schreiben, Sprechen und Lesen der japanischen Sprache und mir machte es wirklich sehr viel Spaß. Zudem konnte ich so sehr viel besser lernen als in der Schule oder Zuhause, denn sein Talent mir etwas zu erklären war einmalig und so begriff ich alles sehr schnell.

So kam es, dass ich sehr bald sehr viel weiter war, als meine Klassenkameraden in der Schule und so mit Wissen glänzen konnte, das selbst meiner Lehrerin sehr imponierte.

Dies hatte aber wirklich nur funktioniert, weil ich mich in dieser Zeit sehr zusammennahm und mich wirklich nur aufs Lernen konzentrierte. Okay, es war nicht immer ganz einfach, aber ich kriegte das ganz gut hin, wenn ich ihn nicht andauernd ansehen musste… ich mein, klar, musste ich ihn ansehen, aber ich versuchte eben meine Gefühle weitgehend zu unterdrücken.

Dafür zeigte ich ihm auch wo man kostengünstig einkaufen konnte, wo was war und wie man dorthin kam. Ich lehrte ihn aber auch vieles in Deutsch, was er gut brauchen konnte und noch nicht wusste.

Als wir irgendwann darauf zu sprechen kamen, welche Musik ich mag… erzählte ich ihm sogleich und ohne großartig darüber nachzudenken, dass ich Gackt Camui unheimlich gern hören würde, was ihn sehr frech grinsen ließ.

Und als dann das zweite und dritte Gacktkonzert, hier in Deutschland stattfinden sollte (Das erste Konzert, hier in Deutschland, fand ja 2010 statt.), was ich ihm natürlich sogleich erzählte, quälte er mich immer wieder damit, in dem ich ihm alles über das Konzert auf Japanisch erzählen sollte und neckte mich ein wenig.

Aber ich lernte es so noch viel besser, auch wenn meine grauen Zellen so kurz vor dem Konzert sehr oft streikten und gar nicht lernen wollten. Insbesondere wenn das Thema auf Gackt kam, stellte mein Hirn seine Lernfunktion einfach ein.

Aber Reiji gab eben nicht auf und je mehr sich mein Denkorgan sperrte umso mehr griff er an und „folterte“ es noch ein wenig… im übertragenen Sinne natürlich.

Manchmal, das gebe ich zu, hätte ich ihn echt erwürgen können. Aber wenn er mich dann immer wieder so lieb und süß ansah… konnte ich nicht anders, als mich trotz allem irgendwie aufs Lernen zu konzentrieren und böse sein konnte ich ihm schon mal gar nicht.

Wir hatten wirklich super viel Spaß zusammen und wenn mir mal ein Patzer passierte, nahm er es gleich als Anlass mich zu necken… während ich dann nichts anderes zu tun hatte, als die Beleidigte zu spielen… aber wirklich nur zu spielen. Ich war nie wirklich beleidigt.

Bei ihm lernte ich auch etwas lockerer zu werden und alles ab und zu ein bisschen positiver zu sehen. Er gab mir wirklich sehr viel Kraft. Er lehrte mich auch, dass ich eben nicht doof bin, so wie ich mich teilweise gern darstellte.

Denn er merkte sehr schnell, dass ich Perfektionistin bin und mich nicht mit halben Sachen begnüge, das heißt, dass ich alles entweder sehr gut lerne, oder gar nicht… mit nur einem „Gut“ gebe ich mich niemals zufrieden.

Kurzum, ich konnte wirklich sehr, sehr viel von ihm lernen. Im Gegenzug dazu brachte ich ihm alles bei was er wissen wollte und erzählte ihm alles was ich über Deutschlands Geschichte und Kultur wusste.

Natürlich himmelte ich ihn dabei immer wieder an und irgendwann begannen wir recht heftig miteinander zu flirten.

Jedes Mal dachte ich bei mir: Hach… Reiji… wenn du wüsstest… du bist SO süß… warum nur tust du mir das an… wenn das so weiter geht… oh je…

*-*

Alles lief soweit gut, bis er mir eines Tages sagte, dass er für zwei Wochen nach Japan müsste und ich ihn ziemlich erschrocken ansah. Meine Augen füllten sich mit Tränen, die ich nur schwer zurückhalten und unterdrücken konnte. Er verstand es zunächst nicht und fragte mich:

„Was ist denn los, Larissa?“

„Och… nichts weiter… es ist nur… mir werden unsere Treffen fehlen.“, antwortete ich, doch konnte ich ihm noch immer nicht sagen, was ich für ihn empfand.

Meine Unsicherheit ließ dies einfach nicht zu und ich hasste mich so sehr dafür.

„Ich komme wieder… versprochen.“, erwiderte er und lächelte mich mal wieder total süß an, so dass ich es nicht wagte meinen Tränen freien Lauf zu lassen.

Stattdessen lächelte ich einfach nur zurück und hob mir meine Tränen gegebenenfalls für später auf.

Wir lernten noch ein wenig und sprachen dabei über dieses und jenes, bis es dann mal wieder soweit war und ich ihn gehen lassen musste… ich wollte das doch nicht. Ich wollte ihm doch eigentlich sagen was ich fühlte… aber ich vermochte es eben immer noch nicht.

Diesmal fiel der Abschied aber merklich anders aus, denn er nahm mich ganz lieb in die Arme und drückte mich sanft an sich. Das kam so überraschend, dass ich erst mal nicht mehr wusste ob es ein Traum war oder Realität und es verschlug mir beinahe den Atem.

Mein Herz setzte einen Schlag aus, um sich danach beinahe zu überschlagen.

Meine Augen schlossen sich für diesen so kostbaren Moment und ich genoss es in vollen Zügen. War ja klar, dass ich nicht widerstehen konnte, ihn ebenfalls sanft an mich drückte und ihn nicht mehr loslassen wollte.

Als wir uns wieder voneinander lösten, sah ich ihn an und lächelte… er lächelte zurück und flüsterte mir zu:

„Es sind nur zwei Wochen, dann bin ich wieder da, okay. Bitte, sei nicht traurig.“

„Ist okay. Ich… werde auf dich warten.“, erwiderte ich und hoffte, dass ich mich jetzt nicht verraten hatte.

Reiji grinste mich nur total süß an… es war als würde er auf etwas von mir warten… das ich ihm noch nicht sagen konnte, denn in meinem Kopf herrschte nun das blanke Chaos.

Er fragte mich sogar:

„Möchtest du mir noch etwas sagen, hm?“

Ich antwortete natürlich:

„Nein, außer, dass ich mir wünsche, dass du gesund zurück kommst… nichts weiter.“

Er sah mich fragend und mit einem Blick, der Bände sprach, an… irgendwie schien er nun traurig zu sein und ich wusste ganz genau warum… aber ich konnte es ihm nicht sagen… ich konnte es einfach nicht.

Mein Unterbewusstsein war derweil der Meinung denken zu müssen:

Warum sagst du es mir nicht… sag du mir doch was du für mich fühlst… ich sehe es dir doch an.

Aber auch er schien noch nicht so wirklich über seinen Schatten springen zu können.

So trennten sich schließlich unsere Wege und wir gingen dann jeder für sich in eine andere Richtung.

Auf dem Weg nach Hause dachte ich über die ganze Situation nach und nahm mir vor es ihm vielleicht beim nächsten Mal, wenn er wieder hier wäre, zu sagen… auch wenn ich noch nicht so wirklich davon überzeugt war, dass ich das schaffen würde.

Meine Gefühle wurden nun aber auch nicht weniger… ganz im Gegenteil… sie wurden immer schlimmer und meine Sehnsucht nach ihm wuchs von Tag zu Tag. Ich hätte mir echt die Haare raufen können für meine Blödheit. Am liebsten wäre ich mit dem Kopf gegen eine Wand gerannt. Ich mein, vielleicht war ja da oben nur eine Schraube locker oder so.

Ja, ich ärgerte mich sehr über mich selbst und hätte mich ohrfeigen können.

Aber nun war es eh zu spät…. ich hatte diese Gelegenheit gründlich vergeigt.

Dumme Gans!!!, schalt mich mein Unterbewusstsein und verpasste mir eine gedankliche Ohrfeige.

*-*

Die nächsten beiden Wochen wurden für mich zur Hölle. Immer wieder wartete ich auf seinen Anruf, eine SMS oder wenigstens eine Email von ihm. Aber nichts… gar nichts… Ich saß nur noch daheim und weinte mir beinahe die Augen aus dem Kopf.

Ich sehnte mich so sehr nach ihm.

Zwar ging ich auch weiterhin meiner Arbeit nach, doch tat ich nun alles ziemlich lustlos und die Japanischkurse wurden für mich zu einer Tortur.

Denn ich musste dann immer wieder an ihn denken… beinahe in jedem Wort las ich seinen Namen… in jeder Silbe… in jedem Kanji, das wir geübt hatten, sah ich ihn und musste mich so im Unterricht sehr zusammennehmen um nicht loszuheulen… zudem sagte ich mir: Das ist doch deine eigene Schuld… also brauchst auch nicht zu heulen.

Zwischenzeitlich hatte ich mich jedoch in einem Chat angemeldet, der mir von einer sehr lieben Geschichten – Schreiberin auf einer Internetseite empfohlen worden war. Wie sie meinte, würde ich sie dort auch antreffen.

Selbstverständlich hatte ich vorher hin und her überlegt, ob ich mich echt dort anmelden sollte und ein bisschen aufgeregt war ich auch. Wieder neue Leute, die ich kennen lernen sollte… konnte. Zumal ich es eh nicht unbedingt mochte auf so viele unbekannte neue Leute zu treffen… aber ich überwand mich und meldete mich letztlich doch an.

Eigentlich wollte ich mich in dem Chat nur ein wenig umsehen und erwartete förmlich, dass man sich hier um Gäste oder Neulinge, genauso wenig wie in anderen Chats, kümmern würde.

Ich irrte mich gewaltig.

Denn als ich in den Chat kam, begrüßten mich die Anwesenden sehr freundlich… das war ich erst mal gar nicht gewohnt… und ich kannte ja schon sehr viele Chats… aber dieser hier war so vollkommen anders.

Dieser Chat war wirklich etwas Besonderes.

(Ja, ich weiß sogar noch, wer im Chat war, als ich mich das erste Mal einloggte.)

Man fragte mich alles Mögliche und so konnte… durfte ich wirklich sehr viel schreiben und über mich erzählen. Ich saß währenddessen nur vor meinem Bildschirm und wusste echt nicht ob ich träumte oder was weiß ich…

Dies war wirklich der erste Chat in dem ich mich sofort wohl fühlte… wo ich mich willkommen fühlte… nicht so wie in den anderen Chats, wo man sich nur untereinander unterhielt und die Neulinge einfach mal links liegen ließ.

Nein, diese Leute hier waren gänzlich anders… so lieb, nett und freundlich… so was sah man wirklich selten… eigentlich nie. Ganz ehrlich… ich war geplättet und angenehm überrascht. So merkte ich… Mensch, die fressen mich ja gar nicht und den Kopf haben sie mir auch nicht abgerissen… na, so was aber auch…

Hier konnte ich die sein, die ich eben war. Ich musste mich nicht verstellen. Sie akzeptierten sogar, dass ich meinen realen Vornamen nicht mag und sprachen mich somit weiterhin mit meinem Nicknamen an.

Mit diesen Leuten verstand ich mich sehr bald sehr gut und sie wurden sehr schnell zu meinen Freunden… zumindest sehe ich sie als Freunde an. Denn sie waren für mich da, als es mir schlecht ging. Sie hörten sich meine Probleme an und versuchten mir zu helfen, obgleich sie selbst auch genug Probleme hatten. Sie fingen mich auf, als ich niemanden hatte.

Dafür bin ich ihnen noch heute mehr als dankbar.

Soviel Zusammenhalt in einer Gemeinschaft hatte ich selten erlebt. Sie gaben mir einfach das Gefühl dazu zu gehören.

Sie waren es auch, die mich dazu brachten auf der Seite „Pitstories“, die zum Chat gehört, einige meiner Geschichten zu veröffentlichen. Es bedurfte sehr viel Überzeugungsarbeit ihrerseits, ehe ich mich wirklich getraute zumindest erst mal eine Geschichte auf der Seite zu veröffentlichen. Ich zweifelte an meiner „Schreibkunst“, mein Selbstvertrauen in diesem Punkt war auch nicht gerade das Beste.

Aber sie schafften es und ich ließ mich darauf ein… mit positivem Ausgang.

Ich sprach mit ihnen eines Tages auch über mein kleines „Problem“ mit Reiji und über meine Unsicherheit. Sie rieten mir, dass ich ihm doch sagen sollte was ich für ihn fühlte. Leider verweigerte mein kleines Gehirn die Ausführung und streikte mal wieder…. wie so oft in letzter Zeit.

In der Zwischenzeit war auch Reiji wieder in Deutschland angekommen und wir hatten uns wieder sehr oft getroffen. Ich freute mich total, dass er wieder da war und er hatte mir auch ein kleines Buch aus Japan mitgebracht, das meine Schreib- und Sprachkenntnisse in Japanisch noch etwas verbessern würde.

Aber noch immer konnte ich die Karten nicht auf den Tisch legen. Ich schaffte es einfach nicht.

*-*

Dann eines Abends… eines schicksalhaften Abends…

Ich war mal wieder… so wie eigentlich fast jeden Abend… im Chat. Wir unterhielten uns und lachten auch viel. Ja, in diesem Chat konnte ich wirklich mal richtig lachen. Es war manchmal einfach zu lustig. Ich hatte hier sehr oft, sehr viel Freude und Spaß.

Wie gesagt, war ich wieder im Chat und wir laberten mal wieder über alles Mögliche… so auch über mein „Problem“ mit Reiji. Immer wieder meinten sie, ich sollte es ihm doch sagen. Klar, ich las was sie schrieben, leider kam das aber nicht in meinen grauen Zellen an. Dann klingelte plötzlich mein Handy und ich schreckte auf…

Ich nahm das Handy in die Hand und kriegte beinahe einen Herzkasper… Reiji… was wollte er denn zu dieser Stunde von mir… herrje…?!

Die hatten sich doch wohl nicht etwa abgesprochen… ja nee, ist klar, wo sie ihn ja auch kannten… (ironisch).

Ich drückte also auf die grüne Taste, meldete mich kurz vom Chat ab… gab auch den Grund an… was den meisten, im Chat, ein Grinsen entlockte… und meldete mich dann am Handy.

Herrje… war ich wieder aufgeregt, denn so spät Abends hatte er mich noch nie angerufen. Beinahe hätte ich auch noch das Stottern angefangen.

„Ja, bitte?“, meldete ich mich, so ruhig ich es vermochte, obwohl ich genau wusste bzw. sah wer mich anrief.

„Larissa? Ich bin es Reiji.“

„Ah, hallo Reiji. Was ist denn los?“

„Ich habe nachgedacht und ich denke, wir beide sollten uns dringend mal unterhalten.“

„Warum? Hab ich was ausgefressen, oder so?“, fragte ich, die Unwissende spielend.

Und doch ahnte ich bereits, dass ich mein Schweigen, ihm gegenüber und eine bestimmte Sache betreffend, nicht länger aufrecht erhalten konnte.

„Nun ja, du verhältst dich, wenn wir uns treffen, mir gegenüber, schon seit längerer Zeit sehr seltsam und ich möchte jetzt wissen… warum.“

Genau das hatte ich befürchtet… war ja eigentlich klar, dass es irgendwann so kommen und er mir diese Frage stellen musste. Ich war in diesem Moment einfach nur froh, dass mich jetzt und hier niemand sehen konnte und ich in „Sicherheit“ war.

„Ich… ich… ähm… sorry, ich wollte das nicht… ich…“, verfiel ich nun doch ins Stottern.

„Larissa, warum sagst du mir nicht was mit dir los ist, hm?“

„Verdammt… was willst du denn hören?!“, fragte ich ihn verzweifelt und kam schon ziemlich in Bedrängnis.

Meine Nerven waren schon zum Zerreißen gespannt und ich suchte verzweifelt nach einem Ausweg… einer Ausrede… nach irgendetwas, das mich aus dieser Situation hätte retten können.

Aber ich wusste, dass es keinen anderen Ausweg mehr gab, als mich meiner Angst, ihn vielleicht doch zu verlieren, zu stellen und meine Unsicherheit in diesem Punkt zu überwinden.

Ich dachte mir aber schon, dass er etwas ahnte… sonst würde er mich nicht so direkt fragen und mich damit unbeabsichtigt quälen. Es machte also keinen Sinn weiter zu Schweigen.

„Nun, für den Anfang würde es mir schon reichen, wenn du mir sagst was du denkst und …fühlst.“, bat er mich.

Derweil lief der Chat weiter… ich versuchte noch ein wenig zu schreiben, doch war es umsonst… die Ablenkung funktionierte nun nicht mehr. Ich stand auf und lief aufgeregt in meinem Zimmer herum, wie ein Tiger im Käfig.

Mein Hirn streikte… setzte aus… und alles in mir sagte: Nein, sag es ihm nicht.

Ich schwieg eine Weile. Ich musste schließlich nachdenken… und doch wollte ich ihn nicht warten lassen. Ach herrje… war das kompliziert…

„Larissa, wir können uns auch gleich treffen und dann kannst du es mir persönlich sagen, wenn dir das lieber ist. Ich möchte dir nämlich auch etwas ganz wichtiges sagen.“, meinte er listig, wie ein Fuchs…

Meine Denkmaschine registrierte sofort was er da eben von sich gegeben hatte und schlug „Alarm“.

„N-nein… ich… ich… ist schon gut… ich rede ja mit dir…“, stotterte ich nun völlig verzweifelt weiter, wusste ich doch nicht so ganz genau, was er wollte oder meinte.

„Okay… ich höre.“

Ich holte tief Luft und rollte leicht genervt mit den Augen.

Au man, er wollte es wirklich wissen und ich wusste, dass ich aus dieser Situation so nicht mehr heraus kommen würde. Mir blieb also keine andere Wahl, als ihm zu sagen was ich fühlte… für ihn fühlte…

Wie gesagt, er ahnte es wahrscheinlich ohnehin schon, dachte ich zumindest.

So überwand ich mich… klar, mich konnte ja hier niemand sehen und was hatte ich schon zu verlieren… außer ihn natürlich… was mich ja eigentlich daran hinderte es ihm zu sagen.

„Also… ich… na ja… habe mich.. schon …von Anfang an…“, stotterte ich wieder…

„Ja?“

Du meine Güte… er ließ wirklich nicht locker und wollte es echt wissen. Natürlich, genauso kannte ich ihn und wusste also wie er war und worauf ich mich eingelassen hatte… er gab wirklich niemals auf.

„…na ja, ich habe mich …in… dich… verliebt…“, stotterte ich weiter mit zitternder Stimme, während meine Nerven nur noch flatterten und ich schon fast am Heulen war.

Na, ganz toll… jetzt ist es raus… und was wird er jetzt von dir denken… so wie du gestottert hast… meckerte mein Unterbewusstsein mit mir.

Ach, halt doch die Klappe, meckerte ich zurück.

„Na siehst du, es geht doch. War das nun so schwer, hm?“, fragte er mich mit samtweicher Stimme… die bei mir eine mächtige Gänsehaut hinterließ.

Ich schluckte hart und sagte zunächst nichts mehr, denn alles in mir streikte und meine Nerven würden wohl auch nicht mehr allzu lang mitspielen. Irgendwie wusste ich genau, dass er es mit Sicherheit gewusst oder zumindest geahnt hatte. Und wollte vielleicht nur prüfen, ob ich genug Selbstvertrauen hätte um ihm meine Gefühle, die ich ja ganz offensichtlich für ihn hatte, zu gestehen.

Ja, er hatte es, seit wir uns kennen gelernt hatten, immer wieder getan und mich getestet… immer wieder war ich darauf herein gefallen… wirklich immer wieder… ich stieg einfach nicht dahinter, wenn er mich prüfte. Denn er war wirklich sehr geschickt darin, einen Test wie eine Unterhaltung aussehen zu lassen.

Ich schwieg jedoch zunächst, als er weiter sprach.

„Larissa, weißt du, ich habe mich auch in dich verliebt und ich denke wir sollten uns jetzt doch noch treffen.“

Hmm… seltsame Liebeserklärung… übers Handy… wie unromantisch… dachte ich bei mir, doch war ich auch ganz froh, dass ich es ihm nicht ins Gesicht hatte sagen müssen.

Ich wagte kaum zu atmen, als ich diese Worte von ihm hörte. Schock… schwere Not… der schnelle Tod… er wollte sich jetzt doch noch mit mir treffen? Er hatte sich auch in mich… nein, das konnte doch nicht wahr sein. Ich glaubte mich verhört zu haben.

Ich bin seiner doch gar nicht wert, schoss es mir durch den Kopf, was wieder mal von sehr wenig Selbstbewusstsein zeugte.

Da ich nicht anders konnte und irgendwie wollte ich ihn schon sehen, sagte ich zu und wir verabredeten uns, in etwa einer Stunde… Schönhauser Allee… Ecke Wisbyer Straße, dann verabschiedeten wir uns:

„Gut, dann bis gleich.“

„Ja, bis gleich.“, erwiderte ich, mit noch immer zitternder Stimme.

Wir legten auf und ich erzählte kurz im Chat was mir gerade passiert war, was nicht wenigen im Chat ein breites Grinsen entlockte. Währenddessen suchte ich aus meinem Kleiderschrank Sachen für das Treffen heraus und fragte auch im Chat was ich anziehen „sollte“. Ich war mir so total unsicher…

Sie gaben mir verschiedene Tipps und ich entschied mich letztlich doch wieder für vollkommen schwarze Bekleidung… so fühlte ich mich einfach wohler… und nicht so angreifbar.

Ich machte mich fertig, chattete nebenbei und dachte nur immer wieder daran was mich gleich erwarten würde. Als ich endlich fertig war, verabschiedete ich mich aus dem Chat und sie wünschten mir noch viel Glück und alles Gute. Anschließend loggte ich mich aus dem Chat aus, machte auch meinen PC aus und atmete noch einmal tief durch.

Mit leicht zitternden Händen nahm ich meine Wohnungsschlüssel vom Haken und verließ dann meine Wohnung. Bis zum Treffpunkt brauchte ich etwa dreißig Minuten… okay, ich würde wahrscheinlich fünf Minuten zu spät kommen… ich hasse es zu spät zu kommen… aber es würde das erste und letzte Mal sein… hoffte ich zumindest.

*-*

Auf dem Weg dorthin rauchte ich viele Zigaretten… irgendwie musste ich schließlich meine Nerven beruhigen. Je näher ich dem Treffpunkt kam umso mehr drohten meine Beine nachzugeben. Aber ich zwang mich dennoch zur Ruhe.

Nachdem mir nun vom vielen Rauchen schon ganz schlecht war, erreichte ich den verabredeten Ort.

Puh… Glück gehabt, dachte ich, er ist noch nicht da, und atmete erleichtert auf.

Allerdings war dies nur eine winzig kleine Galgenfrist, denn schon wenig später sprach er mich, von Hinten, an. Ich drehte mich erschrocken um und war vom „Herzinfarkt“ nicht mehr weit entfernt.

Mit Puterrot angelaufenen Gesicht sah ich ihn kurz an, senkte dann meinen Blick und war froh, dass es dunkel war und er meine Gesichtsröte jetzt nicht sehen konnte.

„Hallo Reiji.“, begrüßte ich ihn trotzdem… auch wenn es eher einem Flüstern glich, aber ich wagte es nicht ihn direkt anzusehen und etwas lauter zu reden.

„Hallo Larissa… schön, dass du da bist.“, begrüßte er mich nun auch und grinste mich frech an.

Mir blieb beinahe das Herz stehen.

Oh, mein Gott… Reiji… was tust du da mit mir?, fragte ich mich und konnte kaum noch klar denken.

Minutenlang standen wir einfach nur da und sahen uns gegenseitig an… ich konnte ihn allerdings noch immer nicht direkt ansehen.

Dann durchbrach er die Stille und fragte mich:

„Was ist, gehen wir erst mal was trinken und reden dann?“, wahrscheinlich auch nur um die Stimmung ein wenig aufzulockern, denn er merkte sicherlich, wie angespannt ich war.

Ich nickte verlegen, kramte in meiner Jackentasche, griff meine Zigaretten und mein Feuerzeug, holte beides heraus und wollte mir eine Zigarette anzünden, als er mich lieb ansah und mich bat:

„Bitte… nicht. Die brauchst du doch jetzt gar nicht, oder.“

Ich sah ihn an, atmete tief durch… konnte seinem total süßen Blick… von diesen so schönen braunen Augen… nicht widerstehen… schüttelte fast unmerklich den Kopf und steckte beides wieder in meine Jackentasche zurück.

Na prima, jetzt tust du schon alles was er sich wünscht… au man… ja, natürlich… lass dich mal schön von ihm einwickeln, motzte mein Unterbewusstsein herum.

Ich hörte allerdings nicht darauf.

Normalerweise lasse ich mir tatsächlich von niemandem etwas sagen oder mich womöglich einwickeln.

Aber sorry, so wie er mich bat und angrinste… nein, da konnte ich ihm nicht wirklich widerstehen… auch wenn ich diese Zigarette jetzt eigentlich doch gebraucht hätte, ließ ich sie in meiner Jackentasche stecken.

Mich voll lieb anlächelnd nahm er mich in die Arme und drückte mich sanft an sich. Wiederum konnte ich nicht widerstehen und schmiegte mich einfach an ihn. Erstaunlicherweise beruhigten sich meine Nerven trotz allem langsam wieder.

Nur ein wenig löste er sich von mir, sah mich mit seinen hübschen braunen Augen an… und ich sah ihm nun auch direkt in die Augen… während sich mein Herz fast überschlug.

Mit seinem Gesicht kam er mir gefährlich nahe… langsam, aber unaufhaltsam näherte er sich mir weiter, dann legte er sanft seine Lippen auf die meinen und küsste mich sanft und voller Zärtlichkeit.

Ich konnte nicht anders als den Kuss, mit geschlossenen Augen, zu erwidern und es einfach nur zu genießen, was hier gerade geschah und ich nur allzu gern zuließ. Trotzdem es für mich schon sehr aufregend war, war ich nun doch die Ruhe selbst… es war beinahe so, als hätte er seine Ruhe auf mich übertragen.

Dieser erste Kuss war etwas besonderes… so rein und unschuldig… wie der Morgentau auf einer wunderschönen Blüte.

„Me ga kirei. Ai shite iru.“, flüsterte er mir auf Japanisch zu und ich wusste genau was das hieß.

„Me ga kirei. Ai shite iru.“, erwiderte ich flüsternd, ebenfalls auf Japanisch, was er wiederum mit einem Kuss quittierte, den ich nur allzu gern erwiderte.

Anschließend sahen wir uns einfach nur an und ich spürte regelrecht wie die Luft um uns herum zu knistern begann. Es war als würde die Zeit um uns herum still stehen… so als wären wir ganz allein auf dieser Welt.

Ich wusste, dass ich endlich meine große Liebe gefunden hatte.

Schließlich lösten wir uns wieder voneinander, sahen uns an und grinsten, dann machten wir uns gemeinsam auf den Weg. Da es aber nun schon so spät war, fanden wir nichts Passendes mehr wo wir hätten einkehren können. Und die Lokale, die noch geöffnet waren, waren einfach nichts für uns.

Wir blieben kurz stehen und dachten nach, dann machte er den „unmöglichsten“ Vorschlag:

„Magst du vielleicht mit zu mir kommen?“

Ich sah ihn an und konnte zunächst nicht glauben was ich gehört hatte. Aber wie sollte es anders sein… ich konnte ihm nicht widerstehen …und erwiderte einwilligend:

„Okay… gehen wir zu dir.“ und grinste ihn an, auch wenn ich gerade nicht wusste was das werden sollte… konnte… wie auch immer… aber gut, ich ließ mich überraschen.

Nach meiner Zusage machten wir uns auf den Weg zu ihm. Wie ich feststellen musste wohnte er nicht weit weg von mir. Sein Zuhause erreicht, schloss er die Tür auf und wir betraten seine Wohnung.

Nur zögernd betrat ich die Wohnung und sah mich immer wieder um, während er die Tür hinter uns schloss. Ja, es war eine sehr schöne Wohnung… hier gefiel es mir sehr gut. Er führte mich ins Wohnzimmer, bot mir einen Platz an und fragte mich:

„Möchtest du etwas trinken?“

„Hast du Cola da?“

„Ja, warte kurz, ich bin gleich wieder da.“

Ich nickte, während ich mich zunächst auf das Sofa setzte. Aber irgendwie war ich noch immer ein bisschen durch den Wind, stand wieder auf und ging ans Fenster, wo ich dann hinaus sah.

Dann hörte ich Schritte und wusste, dass Reiji das Zimmer wieder betreten hatte. Ich hörte wie er zwei Gläser auf den Couchtisch stellte, dann kamen die Schritte auch schon auf mich zu.

Ich schloss einen Moment die Augen, als ich spürte, dass er seine Hände von hinten um meine Hüfte legte und mich sacht zu sich umdrehte, so dass ich ihn nun wieder ansehen musste.

Trotzdem ja nun eigentlich alles zwischen uns geklärt war… okay, so halbwegs alles… stieg mir, bei seinem Anblick, noch immer die Röte ins Gesicht. Ich senkte meinen Blick sogleich… warum auch immer.

Sacht hob Reiji meinen Kopf mit einer Hand hoch, die er unter mein Kinn gelegt hatte, sah mir in die Augen und fragte mich:

„Was hast du denn, hm?“

„Nichts, alles okay… wirklich.“, antwortete ich, mich noch immer nicht wirklich öffnen könnend.

„Du bist ein bisschen schüchtern, hab ich Recht?“, traf Reiji gemeinerweise den Nagel mal wieder genau auf den Kopf.

Ich nickte „schuldbewusst“, doch blieb mir zunächst jedes Wort im Halse stecken… erst recht als ich seinen Blick sah… dieser Blick, der schon beinahe einem… Schlafzimmerblick glich und verboten gehörte… herrje… wie süß…

„Na komm, setzen wir uns, okay.“

„Okay.“, willigte ich ein und konnte es noch immer nicht fassen, dass ich es echt geschafft hatte… ich war bei ihm… er hatte mir gesagt, dass er mich liebt… das war schon sehr viel mehr als ich mir je erträumt hatte.

Ich sah ihn kurz an, nahm dann das Glas in die Hand und trank einen Schluck. Reiji tat es mir nach. Dann sah er mich ebenfalls an, nahm meine Hände in die seinen und sprach:

„Larissa, ich liebe dich und ich möchte mit dir zusammen sein.“

Mit kleinen Tränen der unendlichen Freude in den Augen sah ich ihn an und erwiderte:

„Reiji, ich liebe dich auch und… ich möchte auch mit dir… zusammen sein.“, endlich hatte ich es geschafft und konnte es ihm ins Gesicht sagen.

1 : 0 für ihn und ein großer Erfolg für mich.

Ja, es fühlte sich phantastisch an und so ganz langsam taute ich endlich auf. Reiji zog mich ein wenig an sich heran, nahm mich sanft in die Arme und küsste mich unglaublich zärtlich. Ich erwiderte den Kuss und kam kaum von ihm los. Der Kuss wurde immer leidenschaftlicher und ich gönnte den „Schmetterlingen“ in meinem Bauch einen Freiflug.

Ja, endlich konnte ich dieses überwältigende Gefühl zulassen und genießen.

Klar, denn zu verlieren hatte ich ja nun nichts mehr… und ihn hatte ich nicht verloren… sondern… erobert. Nun war wirklich alles geklärt.

Ich war mit meinem Traummann zusammen und hätte am liebsten die ganze Welt umarmt… aber Reiji reichte mir, in diesem Moment, vollkommen aus. Ich hätte heulen können vor Freude… doch das hob ich mir für später auf.

Nachdem wir uns irgendwann voneinander lösen konnten, grinsten wir uns gegenseitig frech an und genossen die Anwesenheit des jeweils anderen.

Als unsere Gehirne nun auch langsam mal wieder ihre Arbeit aufnahmen, redeten wir noch sehr lange über alles Mögliche… bis tief in die Nacht hinein. Dabei erzählte ich ihm nun auch das erste Mal von meiner krankhaften Angststörung und warum ich diese Angststörung habe.

Es erschütterte ihn, was er von mir hörte, aber er bewunderte mich auch, dass ich so super damit umgehen würde. So auch, dass ich mich nicht einsperrte und er versprach mir immer zu helfen, mich zu beschützen und für mich da zu sein.

„Danke… du bist so lieb… und ich liebe dich.“, sprach ich mit leuchtenden Augen… diese sanften schönen Worte verinnerlichend.

„Du musst dich bei mir nicht bedanken. Ich liebe dich und da ist das doch selbstverständlich, oder.“

Ich lächelte ihn verliebt an… meine Herzchen auf den Augen konnten wirklich nicht größer sein.

Irgendwann …es war so gegen drei Uhr… so genau weiß ich das jetzt nicht mehr… waren wir uns einig, dass uns ein wenig Schlaf ganz gut tun würde. Und wieder einmal „testete“ er mich… aber nur ein wenig.

„Bleibst du heute Nacht hier?“

„Ja, ich würde gern bleiben.“

„Okay… und wo magst du schlafen?“

„Ähm…“, ich sah auf das Sofa, grinste und sprach weiter: „…das Sofa hier sieht doch recht bequem aus… meinst du nicht.“

Er sah mich mal wieder nur grinsend an und meinte:

„Ich würde dir gern das Schlafzimmer aber wenigstens mal zeigen. Was meinst du, hm?“

Obgleich ich schon wieder ein wenig angespannt war, versuchte ich cool zu bleiben und erwiderte:

„Okay, ich würde mir dein Schlafzimmer gern mal ansehen.“ und grinste nun ebenfalls… auch wenn mir grad nicht so wirklich danach zumute war.

„Na, dann komm mal mit.“, bat er, nahm meine Hand und führte mich ins Schlafzimmer.

Dort angekommen „begrüßte“ mich ein sehr großes Bett, das schon eher einer „Spielwiese“ glich. Es lud mich förmlich dazu ein, mich wenigstens mal drauf zu setzen… oder… zu legen.

Allerdings wagte ich es nicht und hielt mich zurück.

„Wow…“, überkam es mich staunend, als ich das Bett sah und meine Augen wurden nun schon ein bisschen größer.

Ich dachte schon daran mich doch wieder ein wenig zurückzuziehen, jedoch wagte ich auch das nicht, auch wenn ich nicht wusste wie ich diese Nacht überstehen… „überleben“ sollte.

„Also, was meinst du, willst du immer noch auf dem …Sofa übernachten?“

Zu Boden blickend, erwiderte ich:

„Nein… ich… also… wenn ich darf…“

Reiji sah mich an und nickte einwilligend.

„Natürlich darfst du.“

Ich nickte, dann bat ich ihn, weil sich auch langsam die Cola bemerkbar machte, die ich getrunken hatte:

„Zeigst du mir bitte die Toilette… ich… na ja…?“, ein wenig stotternd.

„Natürlich.“, willigte er ein und ging mit mir den Flur entlang, öffnete dann die Tür auf der rechten Seite und gab das Bad frei.

Nur ganz kurz sah ich mich hier um und fand, dass das Bad sehr hübsch und wirklich sehr sauber war.

Ich betrat das Badezimmer und schloss die Tür hinter mir zu.

Herrje… ich war zum Umfallen müde und doch ging mir diese Situation gerade nicht aus dem Kopf. Und während ich mich erleichterte, fragte ich mich: Hatte ich einen Fehler gemacht? Hätte ich vielleicht doch nach Hause gehen sollen?

Ich mein, ich hatte und habe da ja so meine Prinzipien… wonach es für mich heißt: Geh niemals mit einem Kerl schon in der ersten Nacht ins Bett… lass ihn warten. Doch nun war ich gerade dabei all meine Prinzipien über den Haufen zu werfen.

Natürlich ich liebte ihn, aber war das wirklich ein Grund, mich jetzt schon ihm vielleicht hinzugeben? War ich eigentlich schon bereit dafür? Sicher, ich kannte ihn schon ein paar Monate, aber wir waren doch erst seit heute zusammen… oder vielmehr seit gestern, wenn man es genau nahm. Denn es war ja immerhin schon 3 Uhr 30 in der Früh. Ich war mir so unsicher wie nie zuvor.

Meine Angst einen Fehler zu begehen war übermächtig.

Woher konnte ich überhaupt wissen, ob er nicht doch nur einmal mit mir ins Bett wollte… okay, ich glaubte nicht daran… aber so wirklich wissen konnte ich es dennoch nicht. Meine Zweifel und mein Misstrauen ließen mich auch jetzt nicht los.

Sollte ich wirklich alles auf eine Karte setzen und es riskieren? Aber vielleicht war er ja so „vernünftig“ und ließ die Hände von mir… na gut, so wirklich wollte ich daran nun auch nicht glauben.

Schließlich beschloss ich doch alles auf eine Karte zu setzen und ihm einfach zu vertrauen… entgegen aller Vernunft…

Nachdem ich mich nun endlich erleichtert hatte, ging es mir wesentlich besser. Ich wusch mir die Hände und versuchte einfach an nichts mehr zu denken… alle Zweifel und Unsicherheiten beiseite zu schieben und meiner Menschenkenntnis einfach mal eine Chance zu geben… auch wenn es mir sehr, sehr schwer fiel.

Bevor ich das Bad verließ holte ich noch einmal tief Luft und genoss den kurzen Moment der Einsamkeit, ehe ich das Bad endlich verließ und mich auf den Weg ins Schlafzimmer machte.

Noch immer mit meinen Selbstzweifeln kämpfend, erreichte ich schließlich das Schlafzimmer und traf auf Reiji, der mich total frech angrinste, was mein Gesicht wieder erröten ließ…. ob sich das jemals ändern würde… nun, ich glaubte nicht daran.

Aber er ersparte mir jetzt mal einen Kommentar, schlich sich an mir vorbei und meinte nur:

„Nicht weglaufen, ich bin gleich wieder da.“, zwinkerte mir zu und verließ dann das Schlafzimmer.

Wieder allein, war ich zugegebenermaßen versucht die Wohnung zu verlassen und nach Hause zu gehen. Aber ich brachte es nicht übers Herz… es ging einfach nicht. Es war als würde mich etwas fesseln… festhalten.

So setzte ich mich auf das Bett… das wirklich so weich war, wie es aussah und ich nicht anders konnte als mich draufzulegen und die Augen einfach nur genießend zu schließen.

Selbst als ich Schritte hörte sah ich mich außerstande mich aufzusetzen oder das Bett jetzt zu verlassen. Natürlich wusste ich auch wie unvernünftig ich war… wie das vielleicht auf ihn gewirkt haben musste… dennoch blieb ich liegen.

Ganz plötzlich spürte ich dann, wie die Matratze ein wenig nachgab. Ich öffnete die Augen und sah ihn an. Er war still und leise zu mir auf das Bett gekrabbelt, hatte sich über mich gebeugt und sah mir nun ebenfalls in die Augen.

Er beugte sich ganz nahe zu mir herab und flüsterte:

„Ai shite iru.“, dann küsste er mich sehr leidenschaftlich.

Ich ließ es einfach geschehen… ohne auch nur ansatzweise darüber nachzudenken. Er streichelte mich so sanft und zärtlich und ich genoss es einfach.

Viel zu lange schon musste ich auf Zärtlichkeiten verzichten.

Viel zu lange schon sehnte ich mich nach ihm.

Viel zu lange schon spürte ich dieses unstillbare Verlangen nach ihm.

Ja, jetzt warf ich all meine Vernunft und meine bescheuerten Prinzipien einfach übern Haufen und setzte wirklich alles auf eine Karte… egal was dann passieren würde.

Ich wollte ihn einfach…

In dieser Nacht verführte er mich auf die absolut sanfteste und zärtlichste Art und Weise, die man sich vorstellen kann.

Ähm… nein, ich werde jetzt hier nicht ins Detail gehen, denn auch ein Kavalier in weiblicher Form schweigt und genießt. Was dann passierte, könnt ihr euch sicher selbst ganz gut vorstellen, oder…

*-*

Entgegen meiner Befürchtung nur ein Abenteuer für ihn gewesen zu sein, waren wir auch noch nach dieser Nacht fest zusammen. So blieb es auch und ist bis heute so.

Leider musste er in der Zwischenzeit auch einige meiner Panikattacken mitmachen, was ihn schon sehr erschreckte. Noch schlimmer war für mich allerdings mein schlechtes Gewissen… dass ich ihm das antat.

Wie oft dachte ich daran, mich wieder von ihm zu trennen… weil ich ihm meine Attacken ersparen und ihn damit nicht belasten wollte. Ich hatte mich sogar schon fast von ihm getrennt… war zumindest auf dem besten Wege dorthin. Als er aber noch einmal mit mir sprach… brachte ich es nicht übers Herz. Er wollte das mit mir zusammen durchstehen… egal wie.

Zudem war er der festen Überzeugung, dass es irgendwann besser und weniger werden würde.

Denn wie Reiji auch meinte… und nebenbei auch meine Freunde im Chat… wollte bzw. sollte er selbst entscheiden, was er sich selbst zumuten konnte und was nicht. Dem hatte ich nicht viel entgegen zu setzen… denn ich wusste, dass sie alle im Recht waren.

Er kämpfte ja regelrecht um mich… sollte ich da echt NEIN sagen… sorry, aber das konnte ich echt nicht bringen.

Also gab ich mal wieder nach und machte die „beinahe“ Trennung wieder rückgängig.

Durch ihn lernte ich aber auch, dass ich die Tabletten nicht unbedingt brauchte… sehr oft überwand ich meine Attacken auch ohne eine halbe Tablette nehmen zu müssen. Ich verdankte ihm in dieser Zeit wirklich sehr viel und ich bin ihm für so vieles so unendlich dankbar… vor allem aber für seine unendliche Geduld mit mir und seiner Liebe zu mir.

Seinen Optimismus verdanke ich, dass ich heutzutage sehr viel besser mit meinen Panikattacken klar komme… auch ohne Medikamente. Zudem ist es schon sehr viel weniger geworden und die Abstände zwischen den Attacken werden auch immer größer.

Was wahrscheinlich nicht zuletzt an der Therapie lag, die ich ja machte.

*-*

Es vergingen ein paar Wochen, dann fragte ich ihn eines Morgens beim frühstücken:

„Schatzi, was hältst du davon mit mir an die Ostsee nach Usedom zu fahren?“

„Hey, das ist eine tolle Idee. Da bin ich noch nie gewesen. Wohin denn da genau?“, freute er sich sichtlich.

„Na ja… so… nach Heringsdorf. Es ist wirklich schön dort.“

„Okay… wann soll es losgehen?“

„Och… ich dachte, dass wir diesen Freitag dorthin fahren und das ganze Wochenende dort bleiben.“

Er grinste mich an und meinte:

„Ja, okay, ich freu mich drauf.“, stand auf, kam auf mich zu, nahm mich in die Arme und küsste mich zärtlich.

Dann flüsterte er mir zu:

„Du bist ein Schatz, weißt du das.“

Ich schloss bei seinen Worten genießend die Augen. Herrje, wie ich diesen Mann liebe, kann ich noch immer nicht beschreiben… und werde es wohl auch nie wirklich können. Ich fühlte mich einfach wohl bei ihm. Meine Nerven gaben endlich Ruhe… ich war total zufrieden und …glücklich.

Ja, ich war endlich glücklich.

Ich hatte meinen Traummann erobert, etwas das ich niemals geglaubt hätte, hätte man es mir erzählt. Klar, ich errötete zwar immer noch, wenn er mich so direkt ansah, aber ich wusste auch, dass sich das wohl nie so wirklich geben würde. Zudem fand er es niedlich, wenn ich immer wieder rot anlief.

Aber nun gut, ich erwiderte den so zärtlichen Kuss von ihm und konnte mich kaum noch von ihm lösen. Jedoch hatten wir bis zum Wochenende noch viel zu tun, so dass wir uns nun doch, aber sehr widerwillig, voneinander lösten.

Außerdem musste er eh noch arbeiten… ein notwendiges Übel… und auch ich hatte noch reichlich zu tun… ich musste noch lernen und die Schule wartete eben auch nicht auf mich.

*-*

Die drei Tage zogen sich hin wie ein Kaugummi und schienen echt immer länger zu werden. Aber auch diese Tage gingen vorbei und es wurde Freitag. Wir hatten frei und ich hatte vorher schon alles erledigt, so dass wir nur noch unsere Koffer schnappen und losgehen mussten.

Wir fuhren zum Berliner Hauptbahnhof und stiegen schon bald in den Zug ein, der uns unserem Ziel näher bringen würde. Den Weg dorthin kannte ich ja und ich hatte in der Zwischenzeit für uns eine private Pension gebucht und wusste auch wie wir dorthin kommen konnten.

Die Fahrt nach Usedom war einfach nur herrlich und ich musste andauernd lachen, weil er mich immer wieder neckte oder aufzog… er war einfach nur zu süß. Ich lachte so manches Mal wirklich Tränen. Auch die Leute, die ebenfalls im Zug saßen, mussten zum Teil ebenfalls grinsen.

Ich war nun schon so oft nach Usedom gefahren, aber so lustig, wie jetzt, war es sonst nie… das werde ich niemals vergessen. Auch heute noch muss ich lachen, wenn ich an diese Fahrt denke.

Nach vielem Lachen und etwa vier Stunden Zugfahrt, erreichten wir Seebad Heringsdorf. Reiji gefiel es hier sofort richtig gut und er freute sich schon wahnsinnig auf dieses Wochenende.

Auf dem Weg zu unserer Pension, zeigte und erklärte ich ihm sehr vieles und er hörte mir interessiert und sehr gespannt zu. Es imponierte ihn was ich wusste und er meinte:

„Sag du mir nie wieder, dass du nichts weißt. Du weißt eine ganze Menge… du tust nur so, als ob, richtig.“

Ich sah ihn an, errötete mal wieder und nickte leicht grinsend.

„Ach, und das fällt dir jetzt erst auf.“, zog ich ihn nun auch mal ein bisschen auf.

„Nein, das ist mir schon ganz am Anfang aufgefallen.“, erwiderte er schmunzelnd und ich nur ein wenig grinste.

Die Pension erreicht, wurde uns unser Zimmer gezeigt und wir richteten uns für dieses Wochenende schon mal häuslich ein. Das Zimmer war wirklich wunderschön, mit Blick auf eine wunderbare Landschaft und die Ostsee.

Minutenlang standen wir am Fenster und sahen hinaus, dann beschlossen wir uns umzuziehen und einfach ein wenig spazieren zu gehen. Das taten wir dann auch.

Wir hatten, trotzdem es schon Oktober und eigentlich Herbst war, wunderschönes Wetter… als hätten die Engel selbst das Wetter nur für uns bestellt. Insbesondere für mich wurde dieses Wochenende zum Schönsten überhaupt.

Wir hatten unglaublich viel Spaß miteinander und genossen alles was wir erlebten in vollen Zügen. Jeden Abend gönnten wir uns, Hand in Hand, einen Strandspaziergang entlang der Ostsee…. Route: Heringsdorf – Ahlbeck, und dann oben auf der Promenade wieder zurück. Es war herrlich und dann das Wetter dazu… das alles werde ich ebenfalls mein Leben lang nicht vergessen…

*-*

Tja, aber auch diese wunderbaren Tage gingen leider viel zu schnell vorbei und so kam auch schon bald der Tag der Heimreise…

Als wir am Sonntagmorgen erwachten dachten wir noch nicht an die Heimreise, denn wir wollten das alles hier noch so lange wie möglich genießen und das taten wir auch.

Wir standen also auf, richteten die Betten ordentlich her, gingen dann ins Bad und gönnten uns eine sehr erregende gemeinsame Dusche. Anschließend zogen wir uns im Zimmer an, packten dann alles zusammen was wir nicht mehr brauchen würden und gingen dann frühstücken.

Nach dem Frühstück wartete wieder der Ostseestrand auf uns und wir beide hatten nichts weiter zu tun, als zum Strand zu gehen und den Weg nach Ahlbeck erneut entlang zu laufen. Wiederum hatten wir unheimlich viel Spaß zusammen.

Ganz besonders viel Spaß machte es mir, mich zu bücken, meine Hände nass zu machen und ihn mit dem Ostseewasser vollzuspritzen. Natürlich machte er den Spaß mit und auch ich sah irgendwann aus, als wäre ich Schwimmen gewesen. Es hat einfach nur Spaß gemacht.

Sehr oft blieben wir stehen und sahen einfach nur sehnsüchtig übers Wasser. Wir sahen zum Horizont, wo sich das Meer und der Himmel berühren. Der Himmel bestückt mit Schönwetter Wölkchen und das Meer, das ruhig und entspannt vor uns lag… während wir die Sonne einfach nur genossen.

Schließlich ging es dann über die Strandpromenade wieder zurück, wo wir zwischendurch, in einem Restaurant, eine Kleinigkeit aßen und danach in aller Ruhe weiter spazierten.

Da unser Zug erst um 18 Uhr 33 abfahren würde, hatten wir noch jede Menge Zeit und genossen die restlichen Stunden hier sehr.

Wir waren uns sehr sicher, dass dies nicht unser letzter Besuch hier sein würde.

Irgendwann war es dann soweit, wir holten unsere Koffer und machten uns auf den Weg zum Bahnhof.

Dieser Kurzurlaub schweißte uns noch enger zusammen und wir schworen uns, dass wir uns nie trennen würden.

Etwa 10 Minuten später saßen wir in der Usedomer Bäderbahn nach Züssow… von dort aus würden wir dann mit dem Regionalzug nach Berlin Hauptbahnhof fahren.

Wir waren so richtig müde und nickten schon ein wenig im Zug ein. Meinen Kopf hatte ich an Reijis Schulter gelehnt, während seiner auf meinem Kopf lag.

Den Bahnhof Züssow erreicht, stiegen aus dem Zug aus und da kam auch schon die Ansage, dass der Zug nach Berlin ca. fünfzehn Minuten Verspätung haben würde.

Oh je… wir sahen uns an… uns war kalt, wir waren zum Umfallen müde und wollten einfach nur noch nach Hause. So standen wir irgendwo auf dem Bahnhof herum, umarmten uns und versuchten uns so gut wie möglich gegenseitig zu wärmen.

Ja, fünfzehn Minuten können sehr lang werden, wenn es kalt und man müde ist. Aber auch diese viertel Stunde ging vorbei, der Zug fuhr in den Bahnhof ein, dann kam noch die Ansage und wir stiegen schnell ein.

Dann suchten wir uns zwei bequeme Sitze, setzten uns hin und als der Zug abfuhr, waren wir schon wieder, aneinander gelehnt, eingenickt.

Viele Stunden und Stationen später erreichten wir den Hauptbahnhof, stiegen aus und mussten noch mit der S-Bahn fahren, um dann endlich nach Hause zu kommen.

„Weißt du was…“, begann ich: „…lass uns doch mit dem Taxi fahren, dann sind wir schneller zu Hause.“

„Ja, du hast Recht.“, meinte Reiji schon sehr müde.

Also verließen wir den Hauptbahnhof, suchten uns ein Taxi und stiegen ein. Wir sagten dem Fahrer noch wohin er uns bringen sollte, dann fuhr er auch schon los.

Etwa eine halbe Stunde später, so genau weiß ich das nicht mehr, waren wir dann endlich zu Hause. Nachdem wir den Fahrer bezahlt hatten, stiegen wir aus, bekamen auch die Koffer aus dem Kofferraum, dann gingen wir hinauf in meine Wohnung.

Es war jetzt etwa 23 Uhr und als wir die Wohnung betreten hatten, wollten wir nur noch ins Bett. Die Koffer konnten wir auch noch später auspacken. Also zogen wir uns aus, machten uns noch Bettfein, dann gingen wir ins Bett und schliefen sogleich aneinander gekuschelt ein.

*-*

Auch die nächsten Tage waren wir noch ziemlich fertig, aber es nutzte ja nichts. Die Arbeit und die Schule warteten ja nicht, also hieß es sich aufzuraffen und alles irgendwie zu meistern.

Unter der Woche blieb ich in meiner und er in seiner Wohnung, erst Freitagnachmittags sahen wir uns und blieben dann übers Wochenende bei mir.

Nach dem Kurzurlaub an der Ostsee ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Die Tage vergingen, ohne dass etwas Unvorhergesehenes passierte.

* -*

Im November wurde es wieder einmal richtig aufregend für mich, denn als Reiji Freitagabend zu mir kam und wir es uns bei einer Tasse Cappuccino gemütlich gemacht hatten, erzählte er mir von seinen Eltern.

Wie es aussah hatte er wohl mit ihnen gesprochen und ihnen von mir erzählt, denn sie wollten mich unbedingt kennen lernen. So fragte er mich, ob ich einverstanden wäre über Weihnachten und Silvester mit ihm nach Japan zu seinen Eltern zu fliegen.

Ach herrje… das konnte er doch unmöglich ernst meinen… aber er meinte es eben doch ernst.

„Schatzi, ich weiß nicht… irgendwie hab ich Angst. Wie soll ich mich denn mit ihnen verständigen? Und was ist eigentlich, wenn sie mich nicht mögen?“, fragte ich meinen Schatz sorgenvoll.

Reiji grinste mich an und antwortete:

„Darüber mach dir mal keine Sorgen. Sie werden dich mögen und wie du mit ihnen reden kannst… sie verstehen auch Englisch und zur Not kann ich dir ja helfen, okay. Außerdem du wolltest doch eh immer nach Japan, wenn ich dich richtig verstanden habe. Wäre das nicht die beste Gelegenheit, hm?“

„Du hast ja Recht. Okay… ich komm mit.“, willigte ich ein und hatte schon wieder ein wenig mit meiner Angst zu kämpfen.

Aber ich wusste ja, dass mir nichts passieren konnte, wenn mein Schatzi bei mir war.

„Hab keine Angst. Meine Eltern sind okay, wirklich.“, versicherte mir mein Schatzi und sprach dann weiter:

„Also pass auf, wir fliegen am 21.12. in die Nähe von Osaka… in die Region Kinki, landen auf dem Kansai Flughafen und werden dort von meinen Eltern erwartet. Mit dem Auto fahren sie uns dann nach Kyoto… also nach Hause.“

„Ich hab Angst… ehrlich… muss ich echt mit? Wie soll ich mich ihnen vorstellen? Muss ich irgendwas beachten? Ich hab doch so voll keine Ahnung.“

„Jetzt machst du dich aber richtig schlecht, hm? Du willst mir jetzt nicht wirklich erzählen, dass alles umsonst war. Du kannst unsere Sprache schon sehr gut, vertrau dir doch einfach mal. Und mach dich nicht immer runter. Und du musst dich auch nicht besonders benehmen. Meine Eltern sind da echt locker. Also mach dir keinen Stress und freu dich auf die Reise, okay.“

Ich begann zu weinen und zitterte. Reiji nahm mich in die Arme und streichelte mich.

„Ist schon gut. Ich verstehe dich. Aber ich bin mir sicher, dass du das schaffst… wir schaffen es zusammen, okay. Ich bin doch bei dir und ich passe auf dich auf. Hab keine Angst.“, versuchte mein Schatz mich zu beruhigen und drückte mich sanft an sich.

Ich nickte, doch sagen konnte ich jetzt nichts. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Natürlich freute ich mich auf Japan… mein Traumland… aber ich hatte echt Angst vor den Eltern, auch wenn Reiji meinte, dass sie locker wären… wer weiß was er so unter „locker“ verstand…

Na, das konnte ja heiter werden.

„Sieh mal, meine Eltern wären echt traurig, wenn du nicht mit kommen würdest.“, verriet er sich nun.

Ich hatte ihm vorher scheinbar aber auch nicht wirklich zugehört, so dass es mir jetzt erst richtig klar wurde.

„Wie jetzt? Du hast ihnen doch wohl nicht schon zugesagt, dass ich mitkomme… ohne mich vorher zu fragen?! Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?!“, wurde ich nun doch recht ungehalten, löste mich von ihm, stand auf und sah auf ihn herab.

„Wie konntest du es wagen ihnen zuzusagen… ohne mich zu fragen und mich damit so zu hintergehen?!“, ereiferte ich mich, mit erhobener Stimme.

„Es tut mir leid, wirklich. Aber ich dachte… weil du doch sowieso immer schon nach Japan wolltest, dass du dich freuen würdest. Ich habe es doch nicht böse gemeint. Verzeih mir bitte.“

„Nein, sorry, aber das muss ich jetzt erst mal verdauen. Klar, wollte ich immer schon nach Japan, aber ich wäre auch gern gefragt worden und du weißt auch ganz genau, dass ich Angst vor fremden Menschen habe!“, wurde ich nun noch wütender.

Ich drehte mich um und verließ vorerst das Zimmer, hinter mir die Tür zuschlagend, die dann krachend in den Rahmen fiel.

Auf dem Flur angekommen, nahm ich meine Jacke, zog sie mir drüber und schnappte mir meine Schlüssel, dann verließ ich erst mal die Wohnung.

Ich wollte nur eine Runde um den Block gehen, ein wenig frische Luft schnappen und über alles noch einmal nachdenken.

Während des Spaziergangs beruhigte ich mich langsam wieder und dachte wirklich noch einmal über alles nach. Natürlich hatte es mich erst mal aufgeregt, dass er zusagte ohne mich vorher zu fragen und ich war auch sehr wütend darüber gewesen… aber dann dachte ich mir, dass er es ja vielleicht wirklich nur gut gemeint hatte.

Mir tat es jetzt schon wieder leid, dass ich ihn so angefahren hatte. Also beeilte ich mich, dass ich schnell wieder nach Hause kam.

Etwa eine halbe Stunde später war ich wieder Daheim, öffnete die Tür und betrat meine Wohnung.

Sogleich kam mir Reiji entgegen und sah mich mit seinen braunen Augen… so richtig schuldbewusst… ja fast schon treu doof an. Herrje… wie sollte ich ihm denn bitte bei diesem Blick noch böse sein… nein, das konnte ich echt nicht.

„Es tut mir leid. Bitte, kannst du mir verzeihen?“

„Ja, ist schon okay. Aber Schatz, wir müssen trotzdem noch einmal über die Sache reden, okay.“, sprach ich noch ein wenig ernster, aber nicht mehr böse.

Gemeinsam gingen wir wieder ins Wohnzimmer, nachdem ich meine Jacke ausgezogen und die Schlüssel an den Haken gehängt hatte.

Im Wohnzimmer setzten wir uns auf die Couch und ich sprach nun wieder sehr ruhig:

„Ich habe über die Sache nachgedacht und ich weiß jetzt auch, dass du es gut gemeint hast, dennoch wäre es mir lieber gewesen du hättest vorher mit mir darüber gesprochen. Du weißt, dass ich Panik habe neue Menschen kennen zu lernen. Ich mein, ich stelle mich ja schon jeder Situation… aber .. na ja, nun ist es auch egal. Ich komme auf jeden Fall mit.“

„Weißt du, eigentlich sollte es ja eine Überraschung sein. Ich habe leider nicht bedacht, dass du ja diese Panik hast. Verzeih mir. Es tut mir wirklich Leid.“, antwortete er:

„Aber ich freue mich, dass du trotzdem mitkommst.“

„Ja, klar, irgendwie freue ich mich ja auch auf die Reise. Na ja, dann werd ich mal alles vorbereiten, nicht. Ich brauche ja verschiedene Dokumente. Die werde ich gleich am Montag beantragen und alles soweit erledigen. Echt, das hättest du mir auch etwas früher sagen können.. so hab ich jetzt den Stress.“, erwiderte ich und grinste ihn nun doch wieder an.

Sehr schnell hatten wir uns wieder versöhnt. Natürlich… ich konnte ihm doch eh nicht lange böse sein.

Das Wochenende wurde dann doch noch sehr schön, denn wir verbrachten fast das ganze Wochenende im Bett und ließen es uns richtig gut gehen. Zwischendurch war ich auch mal im Chat und erklärte ihm wer die Leute so waren, so auch, dass sie alle total lieb wären.

Ihn amüsierte die Schreibweise und was sie so schrieben, so dass wir so manches Mal echt lachen mussten.

*-*

Die nächsten Tage und Wochen wurden ziemlich stressig, denn ich hatte wegen der Reise sehr viel zu tun und Schule hatte ich zwischendurch ja auch noch. Aber ich schaffte alles was ich erledigen wollte.

So hatte ich noch eine gute Woche um mich vor der Reise noch ein wenig zu erholen.

Natürlich war ich auch weiterhin abends in meinem Lieblingschat und redete mit den Leuten. Na ja, jetzt war es aber zum Teil so, dass ich anfangs etwas mehr schrieb und mich dann meist lieber zurückzog, wenn zu viele Leute im Chat waren… auch wenn ich sie echt gut leiden kann, aber ich kann mich eben besser mit wenigen, als mit mehreren unterhalten.

So erzählte ich ihnen auch von der bevor stehenden Reise und sie freuten sich mit mir. Auch wünschten sie mir viel Spaß. Ich bedankte mich und hoffte wirklich, dass ich Spaß haben würde.

Nicht mehr lange und mein Traum würde sich erfüllen… endlich würde ich nach Japan fliegen… meinem Traumland.

Irgendwann hatte ich endlich auch alle Dokumente, die ich für die Reise brauchte, zusammen. Nun lagen nur noch ein paar Tage zwischen mir und meinem Traumland.

Natürlich war ich sehr, sehr aufgeregt und meine Panikattacken nahmen ebenfalls wieder zu und wurden sehr intensiv. Reiji tat es unglaublich leid, doch noch immer gab er nicht auf und versuchte wirklich alles um mich zu beruhigen und abzulenken.

Umsonst… ich brauchte leider doch wieder meine Medikamente, um wieder ein wenig zur Ruhe zu kommen. Sicher, es tat Reiji unglaublich leid, aber so schnell gab er dennoch nicht auf. Er versuchte wirklich alles, damit es mir besser ging. Und er schaffte es zumindest teilweise.

*-*

Es war der Mittwoch, des 21.12. und es war sehr, sehr früh… eigentlich eine unchristliche Zeit um aufzustehen und für ein Krokodil wie mich viel zu früh zum Aufstehen. Dennoch quälte ich mich aus dem Bett, nachdem mich mein Schatzi geweckt hatte. Allerdings musste er dann auch damit klarkommen, dass ich doch sehr schlecht gelaunt war und musste sich nun mein Grummeln anhören.

Er war zwar auch noch sehr müde, doch ihm schien das nichts auszumachen. Er war gut gelaunt…. eben wie fast immer. Wahrscheinlich lag es daran, dass er endlich seine Eltern wieder sehen würde und das nach gut zwei Jahren… verständlicherweise.

Während er frühstückte, trank ich nur eine Tasse Cappuccino und rauchte eine Zigarette. Nein, das Rauchen hatte ich mir trotz allem nicht abgewöhnt… warum sollte ich auch. Okay, ihm passte es zwar nicht, aber das war mir nun mal herzlich egal. Denn auch wenn ich ihn noch so sehr liebte, würde ich nicht auf alles verzichten oder alles mögliche aufgeben. Ja, da setzte sich dann doch mal wieder mein Sturkopf durch, den auch er ab und an zu spüren bekam.

Nachdem wir zu Ende „gefrühstückt“ hatten, machten wir uns nacheinander fertig und kleideten uns an. Erstaunlicher Weise lief alles ohne Stress ab und ich war auch einigermaßen ruhig… auch wenn in meinem Kopf das blanke Chaos herrschte.

Wir waren endlich fertig, schnappten uns unsere Koffer und ich sah sicherheitshalber noch einmal nach, ob ich auch wirklich alles ausgeschaltet hatte. Ich wollte schließlich, bei meiner Rückkehr, keine Überraschung erleben.

Endlich verließen wir „unsere“ Wohnung, denn es hatte geläutet und wir wussten, dass das Taxi vor der Haustür stand, das uns zum Flughafen bringen würde. Unten angekommen, stiegen wir ins Taxi ein, dann ging es los und ich sah mich nun doch noch einmal um… ich wusste, irgendwas hier würde mir sehr fehlen… auch wenn ich wusste, dass ich ja wieder hierher zurückkommen würde. Der Abschied fiel mir dennoch sehr schwer.

Es dauerte eine Weile bis wir am Flughafen Schönefeld waren, doch endlich und schließlich hatten wir die erste Hürde überwunden. Wir betraten den Flughafen und sahen uns erst mal um, denn hier war auch ich noch nie gewesen. Mit ist es jetzt sehr peinlich… als Berlinerin noch nie in Schönefeld auf dem Flughafen gewesen zu sein, doch so war es nun einmal.

Nach einigem Umsehen, fanden wir den Schalten, gaben unser Gepäck auf und checkten ein. Mir schlug derweil das Herz bis zum Hals und ich wusste echt nicht mehr ob ich Männlein oder Weiblein war und hätte am Liebsten sofort kehrt gemacht.

Aber nun war es eh zu spät und es würde bis zum Abflug nicht mehr lang dauern. Nur noch eine Galgenfrist blieb mir und ich musste echt noch eine Zigarette rauchen, bevor wir letztlich in das Flugzeug stiegen und unsere Plätze suchten.

Wir setzten uns und mussten uns irgendwann die übliche Belehrung der Stewardess anhören. Reiji schien das alles nicht zu stören. Er war bestens gelaunt und war echt die Ruhe selbst. Nur ich zitterte wie Espenlaub.

Was würde mich erwarten? Ja, das war die einzige Frage, die mich beschäftigte. So viel Neues, das mich sicher erwarten würde… fremde Menschen… noch fremder als fremd, das war schon eine ganze Menge und hoffte echt nur, dass ich bzw. meine Nerven es „überleben“ würden.

Minuten später startete der Flieger und für mich war es nun wirklich zu spät, um es mir doch noch einmal zu überlegen. Nun hing ich sprichwörtlich am Galgen… zumindest fühlte ich mich so.

Aber nun ja, noch ging es mir ja so weit gut und ich redete mir immer wieder ein, dass alles gut werden und sie mir ganz sicher nicht den Kopf abreißen würden.

Während des Fluges, sah ich immer wieder aus dem Fenster. Und es war einfach nur herrlich so viel Neues sehen zu können. Tja, und als hätte man einen Schalter umgelegt verschwand das Chaos aus meinem Kopf und ich konzentrierte mich auf die tollen Gegenden, die vielen kleinen „Spielzeugautos“ auf den Straßen und so einiges andere, was so winzig klein war, dass es mich echt amüsierte.

Auch Reiji amüsierte sich, aber er freute sich auch, dass es mir nun anscheinend sehr viel besser ging. Wir unterhielten uns… nun gar nicht mehr in Deutsch… nur noch auf Japanisch oder Englisch. Das war sehr gut so, denn ich wurde abgelenkt und konnte somit keine Panik oder Angst aufbauen.

Wir hatten wirklich unheimlich viel Spaß zusammen und ich konnte ab und zu sogar wieder lachen. Ich dachte jetzt eben einfach nicht an das was mir bevorstand…

*-*

Nach ca. 23 Stunden, zwei Stopps, zweimal Umsteigen und schier endloser zermürbender Warterei landeten wir am Donnerstag in der Früh endlich auf dem Flughafen Kansai, der in der Nähe von Osaka liegt.

Über kurz oder lang hatten wir auch unsere Koffer wieder und mussten noch durch die Kontrolle.

Man, war das ein merkwürdiges Gefühl. Ich stand hier tatsächlich in Japan und ich hatte nichts anderes zu tun, als mir erst mal die Leute anzusehen… mich umzusehen. Freude kam bei mir zunächst nicht auf… es war eher Panik, die in mir aufstieg. Panik vor meinem Traumland… war für ein Paradox.

Reiji wickelte alles ab und übersetzte mir auch, was gesprochen wurde… denn soweit war ich ja nun doch noch nicht, dass ich die Leute so genau verstehen konnte.

Schließlich und endlich hatten wir alles hinter uns und betraten die große Halle. Nun hieß es seine Eltern zu suchen und ich fühlte mich einfach nur schrecklich. Ich wollte ausreißen, weglaufen… wieder nach Hause fahren… oh mein, Gott… worauf hatte ich mich nur eingelassen?!

Kurze Zeit später hatten wir seine Eltern gefunden und ich hielt mich nun erst recht arg im Hintergrund. Ich schwieg und versuchte so unauffällig wie möglich wirken… aber ach, es war wieder mal alles umsonst.

Reiji stellte mich seinen Eltern vor, die mich wirklich sehr herzlich und …ja… liebevoll begrüßten. Irgendwie hörte sich deren Englisch merkwürdig an, doch ich verstand es und versuchte mich selbst… allerdings sehr schüchtern… auf Japanisch vorzustellen.

Aber auch sie stellten sich mir noch einmal persönlich vor und es hörte sich fast genauso an, wie ich es in der Schule gelernt hatte… yay… ein erster Erfolg!!!

Nun kannte ich wenigstens schon mal ihre Vornamen: Shina und Ryu. (beide Namen sind selbstverständlich, zum Schutz der Beiden, ebenfalls geändert!!!)

Glaubt es oder nicht, aber ich fühlte mich scheußlich. Mein Herz hämmerte wie verrückt gegen meinen Brustkorb… meine Nerven drohten zu versagen und meine Augen schweiften panisch hin und her und ich war über nervös.

Aber sie schienen sich zumindest zu freuen, dass ich mich ihnen in ihrer Sprache vorstellen konnte. Reiji hielt sich weitgehend da raus. Einerseits war ich froh darüber, andererseits hasste ich ihn dafür… hatte er mir nicht versprochen mir zu helfen?

Aber nun ja, ich brachte es, meiner Meinung nach, mehr schlecht als recht hinter mich. Nach der großen Begrüßung verließen wir die Halle gingen zum Auto, dann wurden die Koffer verstaut. Wir stiegen anschließend ein, dann fuhren wir los… „nach Hause“…

Auf der Fahrt „nach Hause“, meinte Reiji dann… wieder Deutsch redend:

„Liebling, du hast das sehr gut gemacht. Ich bin wirklich sehr stolz auf dich.“

„Danke. Aber ein bisschen Hilfe hätte ich schon brauchen können.“

„Nein, du brauchtest keine Hilfe… wie gesagt, du hast das wirklich super hinbekommen.“, versuchte mich mein Schatzi zu beruhigen und lobte mich.

„Wie geht es dir eigentlich jetzt, hm?“

„Ganz ehrlich, ich würde am liebsten nach Hause fahren… ich hab einfach nur Angst.“

„Ich verstehe dich ja, aber mach dir keine Sorgen. Es wird gut, du wirst sehen. Das ist nur die erste Aufregung, das legt sich bald, glaub mir.“

„Okay…“, antwortete ich und nickte zögernd.

„Na, es ist doch alles gut, hm.“, erwiderte Reiji, nahm mich in die Arme und rückte mich lieb an sich.

Ich lehnte mich an ihn und meine Hände krallten sich an seine Sachen und quälten diese ein wenig, so als brauchte ich seinen Schutz.

Während der langen Fahrt unterhielten sich seine Eltern untereinander, aber auch mit ihrem Sohn. Ich verstand von alledem nur das wenigste und das war bei weitem nicht mal die Hälfte.

Ich kam mir so furchtbar fremd vor, das sich leise zu weinen begann und mein Schatzi mich trösten musste. Er erklärte seinen Eltern aber kurz was mit mir los sei, dann schwiegen sie zunächst. Schluchzend hielt ich mich an ihm fest und ich zitterte wieder.

Nun ja, so waren die ersten Minuten halt gründlich in die Hose gegangen… aber es war ja irgendwie abzusehen gewesen.

Ganz langsam beruhigte ich mich wieder und löste mich von Reiji… ebenso langsam. Er wischte mir sanft die Tränen aus dem Gesicht und lächelte mich an.

„Geht es wieder, hm?“, fragte er mich.

Ich nickte und lächelte ihn lieb an. Den Rest der Fahrt blieb ich ziemlich ruhig und versuchte mich darauf zu konzentrieren zu verstehen, was sie sprachen.

Okay, okay, ich konnte natürlich nicht alles verstehen, aber zumindest war es kein „sinnloses“ Geplapper mehr für mich und ich verstand wirklich schon einige Wörter und war echt stolz drauf. Damit es jedoch nicht so aussah, als würde ich lauschen, sah ich angestrengt aus dem Fenster und mir die wunderschöne Landschaft an.

*-*

Nach einer etwas längeren Fahrt schließlich erreichten wir Kyoto und schon bald auch das Haus von Shina und Ryu.

Ryu parkte das Auto, dann stiegen erst Ryu und Shina aus und anschließend wir beide. Als dann auch die Koffer aus dem Auto entfernt worden waren, bat uns Shina ins Haus.

War ja klar, dass ich mich zunächst sehr zurückhielt. Ich sah Reiji an, der mich angrinste und mir zunickte.

„Was hast du denn, hm? Du kannst ruhig reingehen.“

Ja, ich weiß, ich benahm mich wie ein verwirrtes kleines Kind… aber kann ich was dafür, dass ich nun mal Angst hab und skeptisch bin?

Schließlich nickte ich nur und betrat mit meinem Schatz das Haus, nachdem wir uns, wie dort ja üblich, die Schuhe ausgezogen und die Hauspantoffeln angezogen hatten. Bloß gut, dass ich mich vorher schon mal mit den Gepflogenheiten auseinander gesetzt hatte, so hatte ich wenigstens in dem Punkt keine Schwierigkeiten.

Leute, ich weiß echt nicht was ich mir vorgestellt oder was ich erwartet hatte… ganz ehrlich… vielleicht hatte ich einfach zu viel „Shogun“ geschaut… keine Ahnung, aber als ich das Haus betrat, traf mich fast der Schlag.

Ich mein, vielleicht hatte ich mir echt ein altes japanisches Haus mit einer traditionellen Einrichtung vorgestellt. * lach *

Ja, ja, wir doofen Europäer und unsere Erwartungen. * kicher *

Die waren hier doch tatsächlich sehr modern, aber sehr gemütlich eingerichtet. Ich musste unbewusst grinsen, ließ mir jedoch nichts anmerken und sah mich in Ruhe und so unauffällig wie möglich um.

Natürlich machte ich Shina einige Komplimente, was das Haus und die Einrichtung betraf und ich glaube echt, sie hat mich verstanden… denn sie grinste und bedankte sich.

Natürlich hatten wir den Beiden auch eine Kleinigkeit mitgebracht, wie es dort ja auch üblich ist. Es ist sozusagen… wie eine Art Entschuldigung, dass man das Haus „belagert“ und die „Ruhe“ stört. Da macht man das eben so und es ist ein Zeichen der Höflichkeit.

Mein Schatzi zeigte mir dann sein Zimmer, das wohl noch genauso aussah, wie als er hier ausgezogen war… nun, das würde wohl für die nächste Zeit unser kleines Reich sein.

Ich sah mich zunächst ein wenig um und war wiederum angenehm überrascht… wie gesagt, keine Ahnung was ich erwartet hatte. Mein Schnucki erklärte mir noch einiges, dann packten wir unsere Koffer aus und richteten uns, für die nächste Zeit, häuslich ein.

Mir war zwar immer noch nicht wohl bei der ganzen Sache, aber okay… da musste ich jetzt wohl durch.

Shina fragte uns ob wir etwas essen wollten, aber wir waren einfach nur fix und fertig und wollten eigentlich nur noch schlafen oder uns zumindest ein wenig ausruhen. Zudem hatten wir eh keinen Hunger.

Dann jedoch machte sie den Vorschlag gemeinsam einen Tee zu trinken und wir stimmten zu. Also gingen runter ins Wohnzimmer und ich wunderte mich immer mehr… also echt…. ich kanns nicht beschreiben. So langsam begann ich mich hier sehr wohl zu fühlen und setzte mich zu meinem Schnucki auf das Sofa.

Shina servierte den Tee… natürlich in Teeschalen. Zumindest in dem Punkt waren sie sehr wohl traditionell und ich fand das echt spitze. Reiji zeigte mir dann wie ich den Tee aus der Teeschale zu trinken hatte… au man, wie kompliziert… aber okay, auch das lernte ich irgendwie.

Nachdem wir nun alle beisammen saßen, sahen Shina und Ryu mich an und ich merkte, wie ich am Kopf sogleich rot zu „leuchten“ begann. Sie begannen dann ihrerseits mir Fragen zu stellen… mal auf Englisch und mal auf Japanisch.

Herrje… war das schwierig. Ich versuchte möglichst nicht zu meinem Schatzi zu sehen und mich auf seine Eltern und auf meine Antworten zu konzentrieren… das war schon schwierig genug. Da musste ich nicht noch meinen Schnucki ansehen, was mich dann nur noch mehr verwirrt hätte.

Na ja, ich fand, dass ich mehr schlecht als recht antwortete, doch sie verstanden zumindest was ich meinte und lächelten ab und zu, wenn ich mich doch mal ein wenig falsch ausdrückte. Sie lachten mich aber keineswegs aus, nein… es war eher ein liebevolles Lächeln.

So verstand ich mich sehr bald, sehr gut mit ihnen und meine Ängste und Unsicherheiten verschwanden folglich auch sehr schnell. Merkte ich doch, das sie mir eben doch nicht den Kopf abrissen.

Einiges musste mir Reiji allerdings übersetzen und meinte dann irgendwann:

„Meine Eltern sind begeistert von dir… sie mögen dich sehr. Und das soll schon was heißen.“

„Ehrlich? Das kann ich mir gar nicht vorstellen.“, antwortete ich ein wenig zweifelnd… denn so gut kannten sie mich doch gar nicht… aber nun ja, wenn Schnucki meinte… dann war das eben so.

„Ach, komm schon, wir wissen doch beide, dass du dich immer schlechter machst, als du bist, nicht.“

Ich tat mal wieder einen auf beleidigt.. fühlte ich mich doch ertappt. Meinen Schatzi ließ meine Reaktion allerdings grinsen.

„Das diskutieren wir später aus… ist dir schon klar, oder.“, meinte ich unheilvoll und grinste ihn nun meinerseits ziemlich frech an.

„Na, das will ich doch hoffen.“, erwiderte er, wie nicht anders zu erwarten.

Seine Eltern verstanden natürlich kein Wort von dem was wir sagten, denn wir hatten kurz auf Deutsch gesprochen… klar, alles mussten die nun auch nicht mitbekommen. Da es aber zu unhöflich gewesen wäre, hätten wir uns weiter so unterhalten, ließen wir das jetzt mal wieder bleiben und sprachen wieder auf Englisch und Japanisch.

Nach der Teestunde erklärte Reiji seinen Eltern, dass wir müde seien und uns ein wenig hinlegen würden. Sie verstanden es und nickten, dann gingen wir nach oben in sein Zimmer, schlossen die Tür und fielen nur noch ins Bett, das ein großes Futonbett war.

Sehr schnell schliefen wir aneinander gekuschelt ein und nichts hätte es vermocht uns zu wecken…

*-*

Die Tage vergingen und ich lebte mich hier doch recht gut ein. Natürlich passierte es mir immer wieder mal, dass ich versuchte Deutsch mit seinen Eltern zu reden, die mich dann nur lächelnd ansahen und von ihnen nur ein:

„Wakarimasen“ kam, so dass ich mich schnell wieder besann und versuchte in ihrer Sprache oder eben in Englisch zu reden.

Man, das war vielleicht ein Durcheinander. Und es war echt nicht einfach für mich… absolut nicht. Aber ich war froh, dass ich schon vor einiger Zeit gelernt hatte mit Stäbchen zu essen, denn diese Tradition kam hier schon zum Vorschein. Dafür musste ich mich noch ein wenig daran gewöhnen beim Essen auf dem Boden zu sitzen, was dann doch nicht ganz so einfach war, wie es meist aussieht. Denn Frauen haben anders auf dem Boden zu sitzen als Männer.

Okay, ich hatte also noch sehr viel zu lernen und ich lernte ja zum Glück sehr schnell… auch wenn ich nicht alles verstand… warum dies und das so war, wie es eben war. Aber der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier.

Shina war wirklich sehr liebenswürdig und wenn wir mal ein paar Worte miteinander wechseln konnten, was für mich meist nicht ganz so einfach war, wenn Reiji nicht dabei war, aber wir kamen schon irgendwie klar. Ich half ihr auch öfter, denn ich wollte nun nicht faul herum sitzen… auch wenn ich hier Gast war.

Mein Schnucki und sein Vater diskutierten derweil meist lang und sehr heftig miteinander, wovon ich natürlich meist nicht mal den viertel Teil verstand… wenn überhaupt.

So kam der 24.12., der Tag, der bei uns ja „Heiligabend“ genannt wird. Ich hatte wirklich schon die Befürchtung, dass die hier Heiligabend richtig feiern würden. Dem war zum Glück nicht so. Sie feiern es zwar, aber sie feiern nicht die „Geburt Christi“, sondern wirklich nur ein Fest der Liebe.

So kann man seinen Liebsten zeigen, wie sehr man sie liebt und man sitzt hier einfach nur gemütlich beisammen und genießt das viele gute Essen.

Genauso erlebte ich es auch und es war einfach nur herrlich. Was wir im Einzelnen alles gemacht und geschenkt haben, will ich jetzt nicht ausweiten. Es muss eben reichen, wenn ich euch sag, dass es wirklich ein gelungenes Fest war und ich mich daran sogar gewöhnen könnte. Um eine Frage gleich vorweg zu nehmen… ja, es wurde auch ein Weihnachtbaum aufgestellt und geschmückt.

Die richtig großen Geschenke gibt es gleichwohl erst zu Neujahr.

Was das Essen anging, bin ich ja sehr wählerisch und das bekamen sie hier leider auch zu spüren, aber sie stellten sich drauf ein und es war mir deswegen auch niemand böse.

So verbrachten wir wirklich wunderbare Tage und machten auch jede Menge Spaziergänge. Währenddessen spielte ich schon mit dem Gedanken für immer hier zu bleiben und nie wieder nach Deutschland zurückzukehren. Ich hatte Shina und Ryu wirklich sehr ins Herz geschlossen und wusste schon jetzt, dass es mir sehr schwer fallen würde, wenn wir sie wieder verlassen müssten.

So vergingen auch die Weihnachtsfeiertage und nun wurde alles für „Silvester“ (jap. Oomisoka) vorbereitet.

Herrje, jetzt ging es richtig los. Das Haus wurde beinahe auf Hochglanz poliert. Alles wurde geschmückt und herrje… weiß-ich-was-alles. Ehrlich ich konnte es echt nicht fassen. Reiji erklärte mir dann aber alles… also warum, wieso und weshalb. Au man, das war ja schlimmer als bei uns Weihnachten oder sonst was.

Mit dem Hausputz kehrt man symbolisch den Schmutz und die „bösen“ Geister des Vorjahres aus dem Haus und schmückt es mit Kiefern und Blüten. Das sah so krass aus… so unglaublich schön. Ich war einfach nur begeistert.

Aber okay, ich half mit so gut ich konnte und hoffte keine Fehler zu machen. Denn bis jetzt hatte ich mich ganz gut gehalten und mich nicht daneben benommen. Klar, das wärs ja nun auch noch gewesen.

Kurz und gut, „Silvester“ wurde hier auch gefeiert, aber nicht so wie bei uns nur mit „Saufen“, sondern besinnlich. Am Neujahrstag gab es dann kleinere und größere Geschenke und dann kam etwas, dass ich mir nie hätte träumen lassen.

Zunächst mal war da der „heilige Glockenklang“ (jap. Joya no kane), das ich ja auch noch nie erlebt hatte. Ich kann nur eines dazu sagen, mir ist eine mächtige Gänsehaut übern Rücken gelaufen, als ich das hörte. Leute das habt ihr noch nie erlebt… ganz ehrlich. Da muss man einfach dabei gewesen sein. Denn so vermag ich es nicht zu beschreiben.

Dann kam am Neujahrstag (jap. Shin-nen) der Tempelbesuch um zu beten. Na toll… und das wo ich nichts mit alledem zu tun haben will und auch nicht zu tun habe. Aber ich machte es mit, denn ich wollte ja nicht gleich negativ auffallen. So fügte ich mich und machte eben mit.

Was soll es, dachte ich mir, ich werde es wohl überleben.

Aber auch darüber werde ich mich hier nicht weiter auslassen. Das war wirklich das einzige, das sehr gewöhnungsbedürftig für mich war… auch wenn ich den Tempel zugegebenermaßen sehr bewundert habe.

*-*

Leider ging diese schöne Zeit viel zu schnell vorbei und schon bald kam der Tag der Abreise. Ich war sehr, sehr traurig und musste mir das Weinen verkneifen, um seine Eltern und ihn nicht traurig zu machen.

Ja, mein Liebling blieb notwendigerweise zunächst dort. Ich verstand es und fand mich damit ab, auch wenn es mich sehr traurig machte.

So ging es irgendwann im Januar wieder zurück nach Deutschland und ich war mehr als nur traurig. Der Abschied von Shina und Ryu fiel mir sehr, sehr schwer und ich wäre am liebsten wirklich dort geblieben.

Meinem Schatzi ging es nicht so sehr viel anders, aber es half ja nichts, ich musste erst mal zurück, während er hier blieb. Aber auch die schönste Zeit geht eben irgendwann vorbei.

Zudem merkte ich eh, dass mit mir etwas nicht stimmte und das wollte ich unbedingt irgendwann und irgendwie abklären lassen, wenn ich wieder daheim angekommen wäre.

Shina, Ryu und mein Schatzi brachten mich dann zum Flughafen und wir verabschiedeten uns lang und nun doch unter vielen Tränen. Von Reiji konnte und wollte ich mich beinahe gar nicht lösen und auch seine Eltern wünschten sich, dass sie mich bald wieder sehen würden.

Alsdann bestieg ich das Flugzeug und kehrte nach Deutschland zurück…

*

Wieder gut in Deutschland angekommen, machte ich mich in den nächsten Tagen auf den Weg zum Arzt, denn irgendwie ging es mir immer schlechter und ich konnte mir nicht erklären warum.

Meine Hausärztin untersuchte mich, nahm mir Blut ab usw. doch konnte sie nichts feststellen, jedoch gab sie mir etwas gegen diese ständige Übelkeit.

Sie überwies mich an einen anderen Arzt, den ich dann am nächsten Tag aufsuchte.

Es bedurfte keiner längeren Untersuchung seitens der Ärztin, dann teilte sie mir die „Diagnose“ mit:

„Herzlichen Glückwunsch, sie sind schwanger.“

Diese „Diagnose“ traf mich allerdings wie ein Schlag, denn damit hatte ich nun wahrlich nicht gerechnet. Ich sah sie an und wusste erst mal nicht was ich sagen sollte. Ob ich heulen oder mich freuen sollte. Das musste ich erst mal verdauen.

Ich ging dann also heim, musste mich dann erst mal setzen und heulte mich nun aus. Wie sollte ich das Reiji beibringen? Zudem kam erschwerend hinzu, dass ich ja diese Panikattacken hatte. Das war eine sehr schwierige Sache. Ich wusste nicht ob ich das Kind behalten oder… na  ja… abtreiben sollte.

Eigentlich bin ich gegen Abtreibung, aber nun ja, ich würde es Reiji eh sagen und mit ihm besprechen müssen. Eine andere Wahl blieb mir derzeit nicht.

Als ich am Abend dann mal wieder in meinem Lieblingschat war und meiner Chatfamilie, wie ich sie nun nannte, nach reiflicher Überlegung von der Schwangerschaft erzählte, waren natürlich auch sie der Meinung, dass er es erfahren müsste. Okay, das war mir auch klar. Doch konnten auch sie mir logischerweise nicht wirklich raten was ich tun sollte.

Mir blieb also nur meinem Schnucki alles zu erzählen.

So chattete ich nebenbei mit Reiji im MSN:

„Hallo, mein Schatzi.“, schrieb ich ihn an.

„Hallo, mein Liebling.“, schrieb er nach einiger Zeit zurück.

„Schatz, ich muss mit dir reden.“, begann ich und mir war irgendwie nicht wohl, bei dem was ich ihm nun schreiben musste.

„Was ist denn los? Ist irgendwas passiert?“

Ich schrieb es ihm nun ohne große Umschweife:

„Ich bin schwanger.“

Zunächst kam erst mal nichts mehr… das hatte ihn wohl auch erst mal umgehauen. Dennoch antwortete er nach ein paar Minuten:

„Was… ehrlich? Seit wann weißt du es?“, fragte er und ich las diese Worte und ahnte, dass er sich wahrscheinlich freute.

„Ich weiß es seit heute.“, antwortete ich.

„Okay und was machen wir jetzt? Ich mein, ich hab meine Arbeit und muss ständig hin und her reisen, du hast deine Panikattacken und bist in Therapie. Meinst du, dass du das schaffst? Ich mein, würdest du das Kind denn behalten wollen?“

„Ja, ich würde es schon gern behalten, denn ich bin eh gegen Abtreibung. Aber naja, ich weiß auch nicht so richtig was ich tun soll. Würdest du dich denn drüber freuen?“

„Ja, ich würde mich schon freuen, aber du gehst vor und ich möchte dich nicht in irgendeiner Weise verlieren. Ich liebe dich und ich will nicht, dass du dich quälen musst. Aber weißt du was, ich komme zu dir und dann bereden wir das alles noch mal in Ruhe, okay.“

„Okay, einverstanden.“

„Gut, dann werd ich mal gleich, wegen eines Fluges, schauen und wir sehen uns dann. Ach ja, ich soll dich von meinen Eltern grüßen.“

„Danke, grüß sie bitte ganz lieb zurück. Und du pass bitte auf dich auf, ja.“

„Natürlich, mach dir keine Sorgen.“

„Ich versuche es. Ich werd jetzt ins Bett gehen, ich bin echt fertig heute.“

„Okay, gute Nacht und schlaf gut, mein Liebling. Und mach dir nicht so viele Gedanken, wir kriegen das hin.“

„Danke, und du schlaf auf gut. Ich liebe dich so sehr.“

„Ai shite iru. O-yasumi nasai.“

Dann beendeten wir das Gespräch und ich meldete mich auch aus dem Chat ab, um schlafen zu gehen. Leider lag ich doch noch sehr lange wach und machte mir eben doch Gedanken über das alles.

Ich wusste, dass er Recht hatte, aber ich wusste auch, dass ich meiner Psyche keine Abtreibung zumuten konnte… wie sollte ich das, verdammt noch mal, überstehen? Ich würde es vielleicht auch erst mal mit meinem Therapeuten besprechen und hören was er dazu meinte.

Ich legte mich also hin und versuchte zu schlafen, was mir nach einer Weile auch ganz gut gelang…

*-*

Es dauerte eine gute Woche, dann sah ich meinen Schatz wieder… herzte und küsste ihn und wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Ich hatte ihn so schrecklich vermisst und nun hatte ich ihn endlich wieder bei mir und weinte. Ich konnte einfach nicht anders, als zu weinen und lehnte mich an seiner Schulter an, während er mich lieb in die Arme nahm und meinen Rücken sanft streichelte.

Nur sehr widerwillig lösten wir uns wieder voneinander, dann machte ich uns einen Cappuccino und wir setzten uns ins Wohnzimmer. Eine Weile schwiegen wir uns an, als wollte keiner von uns das Thema wirklich aufgreifen. Und doch mussten wir irgendwie eine Entscheidung treffen… und zwar bald.

Schließlich zündete ich mir eine Zigarette an. Mein Schatz sah mich strafend an und schüttelte den Kopf. Aber diesmal kam er damit nicht weiter.

„Doch die brauche ich jetzt.“, meinte ich.

„Warum? Du weißt doch, dass das schädlich ist.“

„Tze… ja, es ist schädlich, aber sein oder ihr Schicksal ist doch eh schon besiegelt, nicht.“

„Bitte, so habe ich das doch nicht gemeint und das weißt du auch ganz genau. Ich würde mich freuen, ja, aber ich will dir das nicht zumuten.“

„Schön und gut, aber habe ich nicht das Recht selbst zu entscheiden?“

„Natürlich hast du das Recht und das will ich dir sicher nicht nehmen. Es tut mir leid, wenn es bei dir so angekommen ist, das wollte ich nicht.“

„Ist schon gut, das weiß ich doch. Aber irgendetwas muss jetzt passieren.“

„Hast du denn schon mit deinem Therapeuten geredet?“

„Ja.“

„Und, was meint er?“

„Na ja, er ist eigentlich derselben Meinung wie du. Aber die Entscheidung, so meinte er, müsste ich selbst fällen.“

„Das ist richtig und egal, wie du dich entscheidest… ich bin immer für dich da, okay. Ich liebe dich.“

Ich begann zu weinen und schluchzend antwortete ich:

„Ich bin aber gegen Abtreibung und ich weiß echt nicht wie ich das durchstehen soll.“

„Du musst das aber nicht allein durchstehen, ich bin für dich da.“

Ich nickte, noch immer schluchzend. Reiji setzte sich zu mir, nahm mich in die Arme und tröstete mich. Nun schwiegen wir erst mal wieder. Das Thema nahm uns beide ziemlich mit und wir wollten jetzt einfach nur noch ein wenig zur Ruhe kommen.

*-*

Da ich das Thema hier nicht weiter ausführen will, werde ich mich an dieser Stelle kurz fassen.

Nach noch einem sehr langen Gespräch haben wir uns schließlich entschieden.

Mir ging es danach echt dreckig… nicht nur körperlich …auch seelisch. Die ganze Sache hatte mich echt mitgenommen und ich dachte in diesen Tagen echt daran diese Erde für immer zu verlassen. Richtig, ich wollte nicht mehr leben.

Aber wir wussten auch, dass wir so etwas wirklich nie wieder tun würden.

Reiji war in dieser Zeit wirklich für mich da… versuchte mich zu trösten und mir wieder Lebensmut einzureden… was er irgendwann schaffte. Doch war es für ihn nicht gerade einfach.

*-*-*

Ja, das war sie eigentlich schon meine… nein, unsere kleine Geschichte. Es sollte eigentlich nur die Geschichte sein wie wir uns kennen lernten… bitte nicht böse sein, dass es doch was mehr geworden ist.

Wir sind noch immer zusammen und glücklich… nun auch wenn ich ab und zu noch immer an mir zweifle und ihm so manches Mal das Leben schwer mache, aber wir lieben uns und das ist doch das wichtigste.

 ♥ Reiji, ich liebe dich über alles und gebe dich nie, nie wieder her. ♥

Owari

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3 Kommentare

    • Mutsch auf 31. Oktober 2012 bei 22:29
    • Antworten

    Hallo Sephi das hast Du sehr schön geschrieben. Vorallem über die Zeit in Japan
    auch ich hoffe das Ihr Beide für immer zusammen bleibt.

    Liebe Grüße
    Mutsch

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    • niffnase auf 18. Oktober 2012 bei 19:23
    • Antworten

    Das hat mich alles jetzt schon sehr berührt und ich hoffe, das ihr beide zusammen bleibt und glücklich seid.

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  1. das war mal eine sehr detaillierte schilderung 😉
    schön

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