Margie 58 – Rückkehr

Hab ich schon mal erwähnt, dass Männer schlimmer sein können als Weiber? Nein? Ist aber so. Da rackert man sich ab ohne Ende, nimmt alle möglichen Strapazen auf sich und von den Nerven, die dabei auf der Strecke bleiben, möchte ich gar nicht reden.

Aber zunächst will ich versuchen, einen Blick (oder ein paar mehr) zurück zu werfen.

Kaum war der Umzugstrubel einigermaßen überstanden, musste ich ja gen Osten. Hin auf diese Baustelle. Gut, im Grunde meines Herzens wollte ich nicht, aber die haben ja so lange auf mich eingelabert, bis ich endgültig nachgegeben hab.

Zwar kann ich behaupten, dass die Zeit dort nie langweilig war, am Tag nicht und Abends meistens auch nicht, aber in jeder Minute, die mir zum nachdenken blieb, musste ich an Angelo denken. An der Handyrechnung werd ich noch ne Weile zu knabbern haben, aber das war es mir wert. Seine Stimme war wie Balsam für meine Nerven, vor allem wenn es mal wieder so richtig nervig war in der Wohnbaracke.

Unerwähnt sollte aber nicht bleiben, dass ich nicht der einzige Azubi auf der Baustelle war. Und ausgerechnet auf meiner 4-Mann-Bude war auch ein ziemlich ansehnlicher Jüngling. Kam aus München und hatte diesen süßen bayerischen Akzent. Nun gut, ich hab mich nach Feierabend öfter mit dem in eine Kneipe nahe der Baustelle verzogen, aber der Josef hatte ne Freundin und pienste nur, weil er sie die Woche über nicht sehen konnte.

Zwar hätte ich an den Wochenenden nach Hause fahren können, aber ich war Freitags so kaputt, dass ich mich lieber auf mein Bett verkrochen habe. Angelo hat dazu nur gesagt, dass er es gut fände wenn ich mich ausruhen und nicht dem Stress aussetzen würde. Außerdem wäre er eh praktisch nur im Sender und würde nicht so viel Zeit für mich haben. Komisch kam mir das schon vor, aber schließlich dachte ich nicht weiter drüber nach. Ich würde ihn ja dann wiederhaben und so eine Aktion mit der Baustelle wollte ich in jedem Fall künftig ablehnen.

Dann dieser Anruf, drei Tage bevor mein Dienst da beendet war. Angelo unterbreitete mir, dass es für ihn sinnvoll sei, doch ganz nach Frankfurt zu ziehen. Mit Sack und Pack sozusagen und das schockte mich. Ich konnte fast nicht glauben, dass dieses ganze Hickhack umsonst gewesen sein sollte. Das Studio, Sebastian, ich.. Ein bisschen angepisst war ich dann schon, denn wo sollte ich dann bleiben? Sebastian würde sowieso mitkommen und für mich würde es schon eine Lösung geben, meinte er. Ja, so einfach machte er sich das. Aber was hätte ich auch sagen sollen? Nein, du bleibst da? Also hab ich mich an dem Abend erst mal vollaufen lassen und was ein Glück, dass Josef so rein gar nichts von Männern wissen wollte. Ich hätte da nämlich für nichts garantieren können.

Als ich dann endlich wieder heimkam, war Angelo schon weg. Genauer – weggezogen. Er müsste Proben für einen wichtigen Auftritt, sagte mir seine Mutter am Telefon. Gut, davon wusste ich auch, aber wenigstens melden hätte er sich können.

Mir blieb nichts, als mich von Papa dann noch an diesem Abend zu ihnen rausfahren zu lassen. Das schöne Zimmer. Hatte mich doch so gefreut auf die Zeit. Dummerweise gelang es mir mal wieder nicht, böse auf Angelo zu werden. Obwohl die Aussichten, allein da zu wohnen, bloß mit seinen Eltern, die waren nicht eben rosig. Ich suchte nach einem Ausweg und der einzig akzeptable war, ebenfalls wieder auszuziehen. Angelo würde selbst an den Wochenenden kaum zu seinen Eltern kommen und immer eine Woche auf ihn zu warten war nicht mein Ding. Zumindest nicht in dem Haus.

Seine Eltern zeigten Verständnis für mein Vorhaben, sie versprachen mir sogar den Umzug zu organisieren. Über die Kosten würde man sich auch einig, hieß es, und damit war die Sache beschlossen.
Ich Angelo ein paar Mal in Frankfurt an, allerdings ohne Erfolg. Seine Mailbox ging dran was mich vermuten ließ, dass er beschäftigt war. Nach einer bestimmten Uhrzeit konnte man sich bei ihm ohnehin nie richten. Die schienen manchmal bis Mitternacht und darüber hinaus zu proben. Also hinterließ ich die Nachricht, dass ich wieder zu Hause sei und auch gleich hinterher, dass ich wieder ausziehen würde. Dagegen konnte er ja auch schlecht etwas sagen.

Zum Glück hatte ich die kommenden drei Tage frei bekommen, ein kleines Geschenk vom Cheffe. „Die Schule ist ja kein Problem für dich“, sagte er noch und weil dem wirklich so war, nahm ich den Rest der Woche Urlaub. Blöd nur, dass diese Zeit für jenen unnötigen Umzug draufgehen würde, aber was konnte man schon machen. Abgesehen davon, drängte mich Papa förmlich zum Führerschein. Recht hatte er ja und zudem war dann die Aussicht, Angelo mit dem Auto besuchen zu können, auch nicht schlecht.

Ich musste mit jemadem reden und deswegen rief ich Felix an. Der war wenigstens gleich am Handy und freute sich wirklich. »Hallo Ralf. Na, wie ist’s?«

Ich schnaufte und dann legte ich los. Wir hatten zwar auch regelmäßig telefoniert, aber eigentlich gings dabei nicht in die Tiefen meiner Seele. Dafür war’s nun Zeit und ich spürte beim reden, dass ich mal wieder den Tränen nahe war. Ich hätte mich nicht mal gewundert, wenn mir Felix die Trennung vorgeschlagen hätte. Tat er aber nicht. »Kopf hoch, das wird schon. Ist halt alles ein bisschen chaotisch im Moment.«
Ja, er hatte sicher recht, aber wirklich beruhigen tat mich das nicht. Während wir so redeten, hatte ich auf einmal das Bedürfnis, Felix ganz in meiner Nähe zu haben. Hätte dringend jemanden gebraucht zum umarmen, anfassen. Mal abgesehen davon, dass die Skala meines erotischen Innenlebens am oberen Anschlag war. In so einer Wohnbude zu wichsen war nicht lustig, ständig horchte man hin ob nicht doch einer wach war und das mitbekommen konnte. Auf dem Klo da war man froh, sich keine Minute länger als nötig aufhalten zu müssen und so kam ich ganz zwangsläufig in gewisse Notsituationen. An den Wochenenden war’s dann ein Fest, wenn alle weg waren und ich die Bude für mich alleine hatte. Aber nun sollte ja eigentlich in dieser Beziehung ein normales Leben beginnen. Was hatte ich mir Angelo neben mir gewünscht, ich kanns gar keinem sagen.
Aber nun, mitnichten. Essig war’s, eine ganze Nacht mit Angelo im Bett zu liegen und in ihn hineinzuschlüpfen.

»Wollen wir uns treffen? Ich hab frei diese Woche.« Sicher hätte ich mir das besser überlegen sollen, denn mein Felix ist alles andere als doof und er konnte sich sehr wohl an zwei Fingern abzählen, warum ich in das gefragt hab. Aber irgendwie war ich zu vernünftigem Denken gar nicht fähig.

»Sicher. Wann und wo?«

Noch war der Sommer nicht vorbei, auch wenns nicht mehr die große Hitze gab. Logischerweise gabs nur einen Ort, wo ich mich mit Felix treffen wollte. »Wie wärs mit dem Fellbach?«

»Ja, kein Problem. Und wann?«

»Gleich?«

Es dauerte einen Moment, dann kam die erhoffte Zusage. »Okay, aber nicht lange, ich muss ja Morgen wieder raus.«

Wieso erschien es mir wie Ewigkeiten, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten? Felix konnte sich ja schlecht verändert haben in den paar Wochen und doch.. „Du bist mal wieder ziemlich scharf auf ihn?“ Hatte ich meine innere Stimme eigentlich vermisst? Sie schwieg all die Zeit auf der Baustelle, hatte scheinbar keinen besonderen Grund sich einzumischen. Nun war sie wieder da. „Ich brauch jemandem zum reden. Ist das schon wieder so schwer zu verstehen?“ „Haha. Selten so eine dämliche Ausrede gehört.“

Ich ignorierte die Stimme und setzte mich nach einer herzlichen Umarmung neben Felix in den Sand. Nein, ich war wirklich nicht scharf auf ihn, das kann man sagen. Es tat einfach gut jemanden zum zuhören zu haben.

Eigentlich redete nur ich an diesem Abend. Kleinigkeiten fielen mir ein, Anektoden aus dem Baustellenleben. Felix hörte wirklich nur zu, fragte nichts. Nur sah er mich dabei ständig so komisch an, dass ich ihn nach dem Grund fragen musste.

»Ist doch ganz einfach, Ralf. Du redest hier wie ein Wasserfall, aber nur um den heißen Brei herum. Mag ja sein dass du einiges dort erlebt hast, aber der wirkliche Grund, warum wir hier sind, ist diese Sache sicher nicht, oder?«

Ich konnte es nicht leugnen. »Er hat noch nicht mal angerufen. Er muss doch mal ne Pause machen, auf sein Handy gucken ob ich mich gemeldet habe. Er weiß doch, dass ich wieder zu Hause bin.«

Felix malte Kreise in den Sand. »Ja, das denke ich auch.«

»Und was denkst du noch?« Mir war klar, dass da noch mehr kommen musste.

»Ich weiß nicht, Ralf. Nun geht dieses ganze Affentheater wieder von vorne los. Wie lange tust du dir das eigentlich noch an? Ich meine, es ist ja deine Sache, aber ich weiß, dass du meine Meinung hören wolltest. Sonst wären wir jetzt nicht hier.«

»Und wie ist sie, deine Meinung?«

»Du kennst sie.«

»Also soll ich Angelo fallen lassen.«

»Moment. Es ist schließlich andersrum. Er weiß dass du da bist und meldet sich nicht. Ich denk, wenn man was für einen anderen übrig hat, dann findet man eine Minute sich zu melden. Pfiffige Mangager nehmen ihr Handy schließlich sogar mit aufs Klo.«

Felix musste nicht weiterreden, er wusste dass er recht hatte und ich nichts dagegen einwenden konnte. Drum legte ich meinen Arm um seine Schulter und er wich nicht zurück, als ich ihn auf die Wange küsste. Ich war mir eben sicher, dass er diese Geste verstehen würde – und er tat es auch.

»Schon gut, Ralf. Denk bitte drüber nach.«

»Felix, warum bloß bist du nicht schwul? Ich hätte mir soviel ersparen können..«

Er lachte, laut und herzlich. »Wer weiß schon was dann wäre. Du weißt ja, ich bin auch nicht sonderlich pflegeleicht.«

»Oh, aber doch schon ein ganzes Stück leichter als Angelo.«

Wir redeten dann nicht mehr viel, mir ging auch langsam die Luft aus. Es war schon fast dunkel als wir aufbrachen und ich mit dem Rad zurückfuhr.
Angelos Eltern waren wie meistens nicht da und Paul versuchte vergebens, mir noch etwas zum essen aufzuschwatzen. Ich hatte alles, bloß keinen Hunger.
Ich trieb mich dann noch vor meinem Rechner herum, ständig das Handy im Blickfeld. Und mit jeder Minute begann diese schreckliche Verzweiflung. Schließlich redete ich mir ein, dass Angelo absolut keine Zeit haben würde und ging schließlich zu Bett.

Ich sparte mir den Blick auf die Uhr, als mich das Handy aus einem traumlosen Schlaf riss.

»Angelo..«

»Hallo Ralf. Entschuldige bitte, aber ich hatte einfach keine Möglichkeit, vorher in Ruhe zu telefonieren. Wie geht es dir?«

Ich war schlagartig wach. »Wie soll es mir schon gehen? Ich hab den ganzen Abend gewartet. Wo bist du jetzt?«

»In der neuen Wohnung. Ist noch alles chaotisch, wie meistens in letzter Zeit, aber ich denk das wird jetzt endlich mal ein Ende haben. Wo bis du?«

»In unsrem Zimmer.«

Schweigen. Er dürfte den Unterton herausgehört haben, aber das war ja auch reine Absicht.

»Ralf, es tut mir wirklich leid. Aber ich sagte dir ja schon, dass es praktisch keine andere Lösung gibt. Wir haben in nächster Zeit soviel zu tun.«

»Schon gut. Wann sehen wir uns?« Ich versuchte, keine Diskussion aufkommen zu lassen. »Ich habe die nächste Woche frei«, fügte ich noch schnell an.

»Wirkllich? Das ist ja klasse. Sebastian kann dich doch dann Morgen holen, wenn du willst.«

Schön fand ich, dass das wie aus der Pistole geschossen kam. Fast, als hätte er es geahnt. »Aha. Aber nicht, um eure Bude einzurichten. Angelo, ich hab drei anstrengende Wochen hinter mir und nicht den allerkleinsten Bock auf Arbeit.«

Er lachte. »Nein, keine Angst. Das machen sowieso die vom Sender. Du kannst bei mir unterkommen, ich hab ein Zimmer in einem Hotel bis der Umzug fertig ist.«

Ich atmete auf. Egal wie auch immer, er versuchte mich nicht zu vertrösten oder abzulenken. Auch vom Gefühl her war ich mir sicher, er wollte mich sehen.

»Wann soll Sebi kommen?«, fragte er.

»Wann er will.«

»Gut. Morgen um Neun ist er da, okay?«

Komisch. Angelo schien richtig aufgeregt und so langsam kam der Verdacht auf, er würde sich wirklich auf mich freuen. Das ließ natürlich alle meine traurigen Stunden zuvor vergessen und ich sagte beruhigt zu. »Ich warte auf ihn. Was machst du noch, ich meine, jetzt?«

»Kann ich dir sagen: Ich bin in wenigen Minuten im Hotel und noch ein paar Minuten später im Bett.«

Sekunden blendete sich die Frage ein, was Angelo außer Geige spielen noch so gemacht hatte während ich auf der Baustelle geschuftet hab. Aber genauso schnell blendete ich sie wieder aus. »Wie geht es Margie?«

»Oh, der geht es sehr gut. Wir werden jeden Tag mehr zu einer Symbiose.«

»Dann.. hast du Erfolg?«

»Oh Ralf, keine Frage. Aber darüber reden wir Morgen, okay?«

»Ja, kein Problem. Bis dann und gute Nacht.«

Zufrieden legte ich mich wieder um. Zu wach um zu schlafen, fast zu müde um mir endlich in aller Ruhe einen runterzuholen. Denn danach war mir dann trotz allem, auch wenn sich mein Schwanz nur widerwillig aus der Ruhe bringen ließ. „Willst es dir nich aufheben bis morgen Abend? Angelo freut sich wenn du wie ein Wilder..“ „Halt wenigstens in der Nacht deine verdammte Klappe. Das geht dich außerdem einen feuchten Kehricht an.“ „Oh, sind wir wieder mal zickig? Dein Schwanz geht schon bald in Richtung beleidigt sein. Dann wirst du schon sehen was du davon.. „ „HALT’S MAUL.“

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