Margie 61 – Wiedersehen

Schweigen am anderen Ende, dabei hörte ich jemanden ganz deutlich atmen. »Hallo? Wer ist da?« Nichts. Und dann klick, aufgelegt. Ärgerlich betrachtete ich den Hörer und legte ebenfalls auf.

Angesichts des zwar noch nicht langen, aber anstrengenden Tages beschloss ich eine Runde Augenpflege. Was half alle Aufregung? Ich konnte von hier aus eh nichts an der Sache ändern und so schlich ich mich ins Schlafzimmer. Etwas unschlüssig stand ich vor dem Bett und starrte es an. Da hatte mein Schatz gelegen..
Langsam setzte ich mich auf den Bettrand und fuhr über die Matratze. Sekunden sah ich Angelo da liegen, mit seinen wirren Haaren und dem leichten Bartschatten nach einer Nacht. Ja, und sein Duft kitzelte mich in der Nase. Wobei das keine Einbildung war. Ich würde ihn allein dadurch unter Tausenden anderen herausfinden und niemand hätte mir erzählen können, dass das nicht Angels Schlafzimmer war.
Ich ließ mich auf das Bett sinken, zog meine Schuhe aus und legte mich ausgestreckt hin. Nein, die Idee war echt nicht gut. Jetzt konnte ich meinen Hasen schon förmlich spüren, als läge er wirklich neben mir. Schmecken, riechen, fühlen. Es war unheimlich eigentlich und meine Müdigkeit verflüchtete sich. An ihre Stelle traten dann ohne weitere Verzögerungen die Gefühle. Es erregte mich jede Minute mehr, so dazuliegen und an Angel zu denken. Wäre er jetzt hier gewesen, hätten wir garantiert schon die dritte Nummer hinter uns. So warnte mich meine Stimme denn auch, die Finger von meiner Hose zu lassen. „Heut Abend, so oder so“, raunte sie mir zu. Daran glauben wollte ich allerdings nicht. Wenn Margie verschwunden blieb, dann würde daraus eher nichts.

Das Telefon holte mich erneut rasch aus meinem Sinnestaumel und schwerfällig nahm ich den Hörer des Zweitgeräts auf dem Nachttisch ab. »Bach?«
Wieder nur dieses Schnaufen. Allmählich wurde ich hellhörig. Sowas kann sicher einmal passieren, aber nicht zweimal. »Hallo? Wer verdammt ist denn da?«
Aufgelegt. Ich setzte mich hoch und fuhr mir durch die Haare. Schon vom Gefühl her stimmte da etwas nicht und ich grübelte, was ich bei einem neuerlichen Anruf machen konnte. Aber zum Reden würde ich die Person ja nicht kriegen, weshalb ich dann einen Plan dazu aufgab.

Dann ging mein Handy und das Display verkündete die höchst erfreuliche Botschaft. Mit zittrigen Fingern nahm ich das Gespräch an. »Hallo Angelo.«

»Hallo Ralf. Entschuldige..«

».. macht nichts«, unterbrach ich ihn. »Was ist mit Margie?«

Mein Hase klang verständlicherweise sehr aufgeregt. »Sie ist weg und wir können sie nicht finden.«

Dass Angel verzweifelt war musste man mir nicht sagen, das konnte ich auch so hören. Ich beschloss kurzerhand, keine Fragen zu stellen.

»Sebastian sagt, du wärst im Hotel?«

»Ja, da bin ich auch. Angelo, ich.. «

»Ralfi, ich weiß nicht wann ich kommen kann. Wir müssen Margie finden, sonst habe morgen nicht nur ich ein Problem.«

»Ich weiß. Angel, such Margie, ich warte hier auf dich, okay?«

»Du bist lieb«, sagte er dann und das ging einmal mehr runter wie Öl.

»Du auch. Ich drück euch die Daumen.«

»Danke. Bis bald.«

Es war ziemlich deutlich, dass er mehr sagen wollte, aber scheinbar brachte er es nicht heraus.
Ich legte das Handy auf den Nachttisch und überlegte mein weiteres Vorgehen. Mitten in deses Gegrübel klingelte das Telefon erneut. Diesmal wollte ich es nicht bei einem Schnaufen lassen.

Ich verstellte meine Stimme, irgendwie. »Kassini?«

Zunächst ein Schweigen und mir war sofort klar, dass das derselbe Anrufer war wie vorhin.

»Herr Kassini, Sie vermissen etwas?«

Jetzt saß ich schlagartig senkrecht auf dem Bett, mein Herz klopfte bis hinunter in den kleinen Zeh und ich wusste sofort, worauf dieses Gespräch hinausgehen würde. Es ist grausam, wenn man dann so ganz alleine ist und unter Umständen eine höchst brisante Entscheidung treffen muss. Das stand mir bevor und ich musste da durch.
»Ja, allerdings.«

»Hören Sie, wir wissen wie wichtig Ihnen dieser Gegenstand ist und sind deswegen der Überzeugung, dass Sie ihn unter allen Umständen zurückhaben wollen.«

Ich räusperte mich. »Das sehen Sie völlig korrekt.«

»Schön. Ich denke, wir können uns einig werden. Kommen Sie heute Abend gegen zweiundzwanzig Uhr auf den Römer. Alles weitere dann dort. Und: Kommen Sie alleine. Keine Polizei, verstanden?«

»Ja, gut..«

Klick.

Erst jetzt spürte ich den Schweiß, der mein Hemd patschnass gemacht hatte. Ein Traum, aus dem du gleich aufwachen wirst. Das war im Grunde das erste, woran ich dachte. Aber lange dauerte diese Hoffnung nicht, zu real war alles um mich herum.
Egal wie, das war eine Nummer zu groß für mich.

»Sebastian? Ich hatte grade einen Anruf hier und.. « Wort für Wort erzählte ich ihm am Handy, was da passiert war.

Sebi schwieg auch erst einmal, dann holte er Luft. »Ich hab’s ja befürchtet. Hör zu, du bleibst auf dem Zimmer, verstanden? Wage ja keinen Alleingang, ich denke damit ist nicht zu spaßen.«

»Ja, okay, ich verspreche es.« Wollte nicht dazusagen, dass ich eh eine Mordsschiss hatte und im Leben nicht zum Römer gehen würde. Zumal, was sollte ich dort? Die würden Angelo kennen und dann.. Es war der Horror. »Was macht Angelo.. jetzt damit?«

»Lass das unsre Sorge sein. Ich melde mich.«

Somit saß ich da auf dem Bett, völlig fertig mit den Nerven. Dazu kam langsam die Angst um meinen Hasen. Aber gut, da war ja auch noch Charly. Wenn ich mich nicht furchtbar täuschte, dann würde der nicht mal ein Staubkorn an Angelo heranlassen.

Ich entschloss mich dann zu einer Dusche. Lange, sehr lange wollte ich da bleiben und setzte diesen Plan sofort in die Tat um.
Ein Bad war das zwar nicht in dem Sinne, eher eine Halle. Den Whirlpool würde ich zusammen mit Angelo nutzen, eine Flasche Champagner dabei und eine fette Zigarre rauchen. Jawohl, den Prolo spielen. Aber vorerst genügte es, literweise Wasser an meinem verschwitzten Körper herunter laufen zu lassen.

Als ich nach weiß der Geier wie lange aus der Dusche trat, war etwas anders in dem Raum. Ich konnte nicht sagen was, aber mein Gefühl sagte mir sowas in der Richtung. Ja, die Tür. Die hatte ich geschlossen und jetzt stand sie halb auf.

»Sebastian?«

Nichts.

Noch mal rufen.

Nichts.

Ich wickelte mir eins dieser sicher sündhaft teuren Handtücher um und ging langsam auf die Tür zu. Mein Körper war wie eine Stahlfeder angespannt, wobei ich im Grunde nichts zu fürchten hatte. Meines Wissens war es nicht ganz einfach, ohne Karte in das Zimmer zu kommen. Ein Bediensteter? Vielleicht hatte man den Wagen mit meinem Essen wieder angeholt.
Ich lugte durch die Tür und dann konnte ich es kaum fassen. »Angelo…«

Er saß auf einem der Sessel und sah zu mir herüber. Von seiner anmutigen Schönheit war noch ein Rest geblieben, der andere dürfte dem Schock und Stress zum Opfer gefallen sein. Aber das war mir in dem Moment egal. Rasch sah ich mich um, aber er schien alleine zu sein.
Endlich war er da. Ich ging langsam auf ihn zu, woraufhin er aufstand und seine Arme ausbreitete. Seine Augen leuchteten, was ich eher nicht vermutet hatte.

Ich ließ mich einfach in seine Arme fallen und legte meine um seinen Rücken. Ein Gefühl war das, ich kann’s nicht beschreiben. Seine Wärme und den Herzschlag zu spüren, den Duft zu schnuppern.
Lange standen wir so da, ohne ein Wort zu reden. Mir war irgendwie nicht danach zumute und ihm sicher auch nicht. Obwohl ich mich so quasi fast nackt an ihn drückte, meldeten sich weder meine Gefühle noch meine innere Stimme. Ich war einfach froh, ihn in den Armen zu halten und eigentlich wollte ich ihn so schnell nicht wieder loslassen.

Irgendwann schob er mich dann sanft von sich. »Ich muss Margie suchen, es tut mir so leid. Ich wäre gern hier geblieben, allein mit dir, die ganze Nacht.«

Ich sah ihn verdattert an. Wenn er so sprach, dann wusste er noch nichts von diesem Anruf. Sebastian hatte ihm offenbar noch gar nichts gesagt. Ich schluckte weil ich in dem Augenblick nicht wusste, was ich machen sollte. Ein Wort und Angelo würde zum Römer fahren; keine tausend Pferde würden ihn davon abhalten können. Trotzdem, ihm gar nichts zu sagen fand ich schäbig. Es war seine Geige, sein Kind irgendwie und er trug die ganze Verantwortung.

»Ähm, Angel.. ich glaub ich muss dir was sagen.« Mein Herz war überall bloß nicht mehr in der Brust.

Er sah mich an und todsicher, er ahnte dass das, was ich zu sagen hatte, Gewicht haben würde. Sein Blick drang in mein Hirn, ganz tief rein. »Was ist los?«

»Ich.. ich hatte heute einen Anruf hier.«

»Und?«

Klar, er wurde nervös und ich wollte es nicht auch noch spannend machen. »Ich weiß nicht wer dran war. Nachdem ich bei zwei Anrufen nur Gestöhne gehört hab.. also.. du bist mir jetzt aber nicht böse?«

Er packte mich ziemlich fest an meinen Oberarmen. »Quatsch. Red schon.«

»Ich hab mich mit deinem Namen gemeldet. Und der Typ meinte, er hätte Margie und wenn ich, also du, sie wiederhaben will, sollst du um zehn heut Abend zum Römer kommen. Allein.«

Angelo ließ mich los und lief zum Fenster. Ich konnte förmlich hören dass sich in seinem Kopf alle Rädchen drehten. »Und du hast keine Ahnung, wer das war?«

»Nein. Auch die Stimme kannte ich nicht. Aber.. du darfst da nicht alleine hin. Der hat richtig bedrohlich gewirkt und ich glaub darum nicht, dass das ein Späßchen ist.«

»Das sehe ich auch so«, seufzte er.

»Wo ist Charlie? Sebastian?«, wollte ich wissen.

»Weiß nicht. Ich bin abgehauen nachdem wir Margie nicht finden konnten. Ich denk, sie wissen nicht wo ich bin.«

»Angel, du musst zur Polizei. Was kann schon passieren? Sie werden dich wegen einer Geige.. schließlich nicht umbringen. Und anzeigen musst du es sowieso, denn nach diesem Trubel..«

»Das ist nicht einfach eine Geige, Ralf. Das weißt du.«

»Hase, ich weiß. Aber sie ist doch nicht wertvoll, hast du selber gesagt. Was wollen die schon damit anfangen?«

Angelo stand auf und ich hörte seine Fingerknochen knirschen. »Sie ist mein Leben, Ralf. Selbst wenn sie nur ein paar Cent wert ist – für mich ist sie unersetzlich.«

»Ja, aber was wollen die denn dann von dir? Geld?«

»Was sonst?«

Ich ging zu ihm hin. »Glaub ich nicht. Die haben was anderes vor..« Und in diesem Moment schwante mir etwas. Ich traute nicht, es auszusprechen, aber nach einigen Sekunden gab es gar keine andere Erklärung.

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