Margie 63 – Lauschaktion

Just in dem Moment klopfte es erneut an die Tür. Wieder sahen wir uns alle an, Charly machte den berühmten Satz nach vorn. Jetzt fiel mir auf, dass er seine Hand irgendwie komisch in Hüfthöhe hielt, was mich dann mutmaßen ließ, dass er doch eine Waffe trug.

Auf einmal war es Mucksmäuschenstill in dem Raum, ich glaub, wir haben sogar die Luft angehalten. Dabei war das irgendwie Blödsinn – wer sollte hier herkommen und Arges wollen? Die bösen Buben warteten ja sicher schon am Römer, was sollten die hier?
Vielleicht war es eben auch nur die allgemeine Nervosität und ich für meinen Teil ging mit ein paar Schritten direkt auf Angelo zu. Ich war mir sicher, dass er nichts gegen meine unmittelbare Nähe hatte und so griff ich ihn denn auch am Arm.

Charly lauschte wieder an der Tür, dann öffnete er die Tür einen Spalt. Ich fragte mich in dem Moment, wie oft das an diesem Abend noch passieren würde.
Charly lugte hinaus in den Gang, aber er machte die Tür nicht weiter auf. Wir konnten nicht sehen wer da draußen stand und sicher brannten alle vor Neugier.

Man konnte ein Murmeln hören, aber nichts verstehen. Das ließ darauf schließen, dass Charly die Person da draußen nicht kannte. Wie lange das so ging kann ich gar nicht mehr sagen, ich weiß bloß noch dass mein Herz klopfte. Unter anderem deswegen, weil uns die Zeit am davonlaufen war. Weit war’s zum Römer, man schaffte die Strecke nicht in fünf Minuten, aber das mussten die anderen ja auch wissen.

Schließlich wandte sich Charly an Angelo. »Kommst du mal?«

Angelo zitterte leicht, ich konnte das spüren, dann ließ ich ihn aber los und er ging langsam zu der Tür hin. Wer zum Geier war das da draußen? Gefährlich schien der oder die nicht zu sein, sonst hätte Charly anders reagiert.

Angelo streckte jetzt seinen Kopf durch die Tür, die Charly nach wie vor mit seinem Fuß vor weiterem öffnen abhielt. Er traute dem Frieden offenbar nicht so ganz und ich fand’s gut wie er das machte.

Dann wieder Gemurmel. Angestrengt hörte ich hin und irgendwie kam mir die Stimme da nicht unbekannt vor. Das Gerede wurde lauter, ich vermutete dass Angel diesen jetzt unliebsamen Gast loswerden wollte. Und nach ner Weile schien das auch gelungen zu sein, denn Angelo schloss die Tür und atmete erleichtert aus. Er tätschelte Charly auf die Schulter, warum auch immer, und kam in den Raum zurück.

Schumann wollte es natürlich genau wissen. »Wer war das?«

Angelo winkte ab, was mir persönlich sehr gefiel. »Kennst du nicht.«

Das schien dem Schnösel nicht zu gefallen, ich sah an seinem leicht roten Kopf. Nervös, ich sag es ja. Aber mir schien, der kannte meinen Angel gut genug und stellte keine weiteren Fragen. Dafür kam mein Schatz direkt zu mir, nahm mich am Arm und dann Beiseite. »Das war Ronald.«

Was sollte mich an dem Abend noch groß wundern? Klar, in Sekunden versuchte ich eine Verbindung zwischen Ronny und Margie herzustellen, aber das war dann zu abstrus. Der hatte ja keinen Grund und zudem.. Ich schielte zu Sebastian hin, jetzt begann es, sich um Minuten zu drehen. Schumann musste raus hier, auf der Stelle.

Auch Charly schielte auf seine Uhr, die Atmosphäre in dem Raum begann zu knistern. Wahrscheinlich suchte jeder nach einer raschen, effizienten Lösung.

Tja, und dann nahm das alles diese äußerst dämliche Wendung. Man hörte nämlich plötzlich laute Stimmen draußen, auf dem Flur. Man musste sich nicht anstrengen, dieser Tumult galt uns irgendwie und das löste eine allgemeine Ratlosigkeit aus. Wir sahen uns an, wobei, ich würd das schon als Panik bezeichnen wollen.

»Was ist denn da draußen los?«, wollte Schumann wissen, wobei sich das der Depp angesichts unserer Mienen hätte sparen können.

»Wir können sicher nicht hellsehen«, entwich es mir dann prompt, woraufhin er mir einen giftigen Blick zuwarf. Ja, ich mochte den Typ einfach nicht und es war offensichtlich, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte. Schlimm genug, dass er soviel Macht hatte und in gewissem Sinn Angelo auf den angewiesen war.

Charly – ich konnte kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn glitzern sehen, diese Sache schien ihn dann doch allmählich zu überfordern. Aber gut, das war am Ende sein Job und keiner zweifelte in dem Raum, dass es nun an ihm alleine lag, den Dingen auf den Grund zu gehen.

»Angelo, mach dass du ins Schlafzimmer kommst. Ralf, geh mit ihm und verhaltet euch ruhig.«

Wir fackelten dann auch nicht lange, das Wort Schlafzimmer hat sowieso irgendwie was Anziehendes für mich, zumal wenn mein Schatz dabei ist.

Angel schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. »Das halt ich bald nicht mehr aus«, seufzte er und ich legte meine Arme um seine Schultern.

»Lass mal, das kriegt Charly schon hin.« Natürlich war das eine Annahme, aber an irgendwas muss man ja auch glauben können.

So nah war ich ihm jetzt endlich und wir waren zumindest auf diesen paar Quadratmetern alleine. Die kleine Nachttischlampe spendete ein beruhigendes Licht, aber viel Wirkung zeigte das nicht.

»Mensch, wenn ich nicht zum Römer komme.. «, grummelte Angelo und ich hatte da auch keinen Plan.
Draußen war jetzt irgendwie ein Stimmengewirr, mal laut, mal leise. Angelo legte sein Ohr an die Tür, wobei ich mal wieder automatisch die Luft anhielt.

»Kannst du was verstehen?«, fragte ich nach einer Weile, ganz leise.

»Hm, wenn mich nicht alles täuscht.. das klingt so nach Presse.«

Aha. Klar, kein Wunder. Margie hatte ja inzwischen so einige Kreise gezogen und der Sender war mit Sicherheit gespickt von heimlichen Informanten. Alles schön und gut, aber die konnten sich überhaupt keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen.
Wie man nun auch ohne angestrengtes Lauschen vernehmen konnte, regte sich Schumann wohl am meisten über diesen Besuch auf. Er faselte von nichts wissen, Herr Kassini nicht zu sprechen und Margie würde man wieder finden, kein Grund zur Panik und so weiter.

»Angelo, wenn wir jetzt nicht zum Römer fahren..«

»Ja, Schlaumeier, was glaubst du, woran ich die ganze Zeit denke?«

Mein Blick fiel auf den Balkon. Den konnte man wegen seiner schönen Länge vom Wohn- als auch vom Schlafzimmer aus betreten. Ich lugte vorsichtig hinaus, aber da war niemand. Einzig, hier verstand man wegen der offenen Tür zum Wohnzimmer jedes Wort. Charly mischte nun auch mit bei der Debatte und scheint’s versuchte er, jeder Art von Fotos oder gar Filmaufnahmen zu verhindern.

Angelo kam zu mir nach draußen. »Und? Hast du eine Idee?«

Mein Blick fiel auf die linke Seite. Der Balkon war durchgängig, die ganze Hausfront entlang. Lediglich Sichtblenden grenzten ihn von den anderen Räumen ab. Ich bin sicher kein Held, aber wenn’s um meinen Angel ging, da musste ich eben den inneren Schweinehund zum Teufel jagen.
Die Sichtblenden waren kein großes Hindernis, zumal nicht für zwei junge, einigermaßen sportliche Typen wie Angelo und mich. Darum sah ich ihn auch nur kurz an und in der Tat, er ahnte meinen Plan.

Rasch fummelte Angelo in seinen Taschen, dann hielt er mir grinsend seinen Autoschlüssel vor die Nase. »Komm, ich hab keinen Bock auf das Theater da drinnen.«

»Meinst du ich?«

Mit diesen Worten krabbelten wir über die linke Sichtblende und es hatte auf einen Schlag etwas beruhigendes, diesem Hickhack entkommen zu sein. Ich betete kurz, dass sich die Pressefuzzies nicht so schnell abwimmeln ließen und uns noch genügend Zeit blieb zur Flucht.

Drei Sichtblenden überwanden wir, die Zimmer auf dem Weg waren dunkel. Niemand schien dort im Augenblick zu wohnen und das machte die Sache doch einfacher.

Nach dem vierten Hindernis dann das große Glück – ein Zimmer, da drin war’s zwar dunkel, aber die Tür stand offen. Eine großartige Auswahl hatten wir ja nicht und so zögerte Angelo auch nicht lange und betrat vorsichtig und auf Zehenspitzen den Raum. Ich folgte ihm im Millimeterabstand da hinein. Es roch nach Veilchen oder Rosen, so irgendwas und es lagen im Dämmerlicht erkennbar, Sachen auf der Couch und den Sesseln. Hier hauste wer, war aber zum Glück nicht da.

Leise durchquerten wir den Raum Richtung Tür. Es war aufregend, das muss ich sagen und mein Herz meldete denn auch so was wie einen Alarmzustand. Vielleicht hat es ja auch eine Art Vorahnung, denn in dem Augenblick, wo Angel die Tür öffnen wollte, gab es von draußen ein Geräusch. Kein Zweifel, jemand steckte grade seine Karte in den Türöffner.

Warum auch hätte es anders sein sollen? Alles war gut gegangen bis hierher, nun war eben Schluss mit Lustig. Klar hab ich geflucht, wie ein Rohrspatz, nur ganz leise. Und es musste binnen Sekunden eine Lösung her. So groß, dass man sich mal eben verstecken konnte, waren diese Räumlichkeiten nun auch nicht, trotzdem wichen wir zunächst behände zurück. Die Person da draußen hatten zum Glück anscheinend Probleme, die Tür ganz normal zu öffnen. Vielleicht hatte sie sich ja auch in der Tür geirrt oder war Sturz betrunken, was ich denn auch, während wir wieder in Richtung Balkon flüchteten, herbeisehnte.

Kaum waren wir draußen und hinter der Wand in Deckung gegangen, erwies sich mein Wunsch als daneben. Das Licht ging an. Wir standen eng an die Wand gepresst und hielten wie schon so oft an diesem Abend die Luft an.
Das Dumme an der Sache war nur – dieses war das letzte Zimmer, das auf diesen Balkon führte. Weiter links gab’s keine Sichtblende mehr, nur noch die Hauswand – und da ging’s gemäß dieser Höhe ziemlich weit abwärts. Steil, senkrecht und ohne Klettermöglichkeit. So gesehen waren wir gefangen, denn ungesehen an der offenen Tür vorbeizukommen war auf den ersten Blick nur mit Tarnkappe möglich.

Der Bewohner kruschelte in dem Zimmer herum, räusperte sich, ein Feuerzeug war zu hören und dann ein Hüsteln. Zumindest stand dann fest, dass es sich bei der Person um eine Frau handelte. Und sie schien alleine zu sein.

Vorsichtig hob Angelo seinen Arm und schielte auf seine Uhr. Ich wollte jetzt gar nicht wissen, wie spät es war, mit Sicherheit nämlich zu spät. Margie ade, wie auch immer. Selbst wenn wir jetzt hier loskämen, wir würden es nicht mehr schaffen. Und alles wegen diesem Schumann. Der hatte den ganzen Verein aufgehalten und folglich wurde mein Hals auf diese Arschmade noch größer.

Wir zuckten gleichzeitig zusammen, als irgendwann ein Handy in dem Zimmer klingelte. Und als wäre das ein Zeichen gewesen, zogen Angel und ich gleichzeitig unsre Phones aus den Taschen. Wehe, wenn uns jetzt jemand angerufen hätte.. Rasch stellten wir die Dinger auf Stumm, während die Person da drin das Gespräch entgegennahm.

»Hallo? Erich?«

Ich glaub, unsere Ohren wurden größer als die eines Elefanten. Eigentlich eine gute Gelegenheit, die Flucht zu versuchen, denn meistens ist man ja bei einem Gespräch irgendwie abgelenkt. Aber wir blieben wie angewurzelt da stehen.
Nun gut, man kann diese Situation ganz bestimmt nicht unter der Rubrik Romantik unterbringen, aber als wir so da standen, ganz eng beieinander, da kam dann trotzdem so was Bestimmtes in mir hoch. Klar, für eine Nummer da zu schieben, das war dann doch wohl eher unpraktisch, aber gewisse Gefühle schaukelten sich schon hoch. Zumal wir uns ja nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befanden. Denn, was hätte die Dame wohl mit uns angestellt, wenn sie uns entdeckt hätte? Höchstens laut um Hilfe rufen oder in Ohnmacht fallen.

»Angelo, hab ich dir heute schon gesagt dass ich dich lieb hab?« Ich hauchte das mehr als dass ich flüsterte und ohne eine Antwort abzuwarten, drückte ich meinem Schatz einen zarten Kuss auf die Wange.

»Sag mal, ist dir nicht gut?«

»Doch, sehr sogar.«

»Lass das jetzt«, fauchte er mich an, aber das nahm ich natürlich nicht persönlich.

Das Gespräch da drin schien ziemlich einseitig zu sein – bis zu diesem Moment.

»Wie, er ist nicht gekommen? Bist du sicher?«, fragte die Frau hörbar überrascht. »Hm, das hätte ich nicht gedacht. Aber okay, vielleicht ist ja was dazwischen gekommen. Warte noch eine viertel Stunde, dann kommst du hierher, verstanden?«

Wieso hatte ich das Gefühl auf einmal, dass dieses Gespräch in irgendeiner Form mit uns zu tun haben könnte? Aber mir ging’s nicht alleine so, denn Angel sah mich plötzlich an, mit seinen schönen, großen Augen. »Hast du das gehört?«

Ich nickte bloß. Und von jetzt an war guter Rat echt teuer. Hatte das eine Relevanz für uns? War’s ein dummer Zufall?

»Hallo? Bringen Sie mir bitte die Nummern 23, 56 und.. ähm.. 58. Und eine Flasche Sekt. Wie? Ja, genau von dem. Danke.«

Aha, eine Bestellung aufs Zimmer. Das ließ darauf schließen, dass man sich hier nun häuslich einrichtete. Aber damit stiegen auch die Chancen auf Flucht. Angelo schien ähnlich zu denken, mutig rückte er, der Tür, im Schneckentempo näher. Wohl wollte er sich einen Überblick verschaffen. Wenn dieser Erich hier auftauchen würde, könnte es eng werden. Zwei Personen limitierten die ungesehene Flucht bereits erheblich.

»Was machen wir jetzt?«, wollte ich dann wissen. Wir waren eh zu spät, der Römer war gegessen und zudem brannte die Neugier, was da drin vor sich ging.

»Wir warten.«

Hatte ich doch alles schon mal gehört. Aber gut, ich wagte nun einen Blick zum Balkon hinunter. Von da hatte man einen vorzüglichen Blick auf den Eingangsbereich und eindeutig war auch aus dieser Höhe zu erkennen, dass da eine Menge Autos standen. Also nicht auf dem regulären Parkplatz, sondern direkt am Eingang. Die Presse? Polizei? Staatsanwälte? Was einem so alles einfällt..

Mir war dann nach rauchen, aber das war wohl eher nicht sonderlich angebracht. Was mich etwas stutzig machte, war der rötliche Himmel über Frankfurt. Wolken reflektierten das Licht und er roch eindeutig nach Regen. Im Grunde das einzige, was wir jetzt hier nicht brauchen konnten, denn der oberste Balkon war nicht überdacht.
Aber am Ende gesehen dennoch das kleinere Übel.

Wie schnell die Zeit verging. Ich rechnete aus, dass der Erich noch eine viertel Stunde warten musste, etwas länger dauerte die Anfahrt. Alles in allem müsste er nach etwa einer halben Stunde hier auftauchen.

Aber vorher klopfte es da drinnen und dem Vernehmen nach kam das bestellte Essen. Trotz all der Aufregung verspürte ich dann auch so etwas wie Hunger und ich wurde neidisch auf die da drinnen.

»Könnt jetzt auch was vertragen«, flüsterte Angelo mir zu und damit plante ich, nach diesem Theater hier mit meinem Schatz irgendwo essen zu gehen, Margie hin oder her.
Ja, die gab’s auch noch irgendwie. Nur, wo und bei wem?

Allmählich fand ich’s dann doch an den Haaren herbeigezogen, dass die Leute hier etwas mit uns zu tun haben könnten. Hunderttausende Menschen wohnten in Frankfurt, warum.. Aber ausgerechnet im selben Hotel? Umgerechnet zu genau dem Zeitpunkt?

Meine Füße begannen weh zu tun, nichts ist schlimmer als auf der Stelle stehen zu müssen. Denn über den Balkon lehnen und der schönen Aussicht zu frönen war ja schließlich auch nicht. Also drückten wir uns brav an die Wand und ließen die unendlich langen Minuten an uns vorüber streichen.

Als es dann klopfte, war die Aufregung wieder da.

Die Frau begann mit dem Gespräch. »Und?«

»Nichts, ich habe ihn nicht gesehen. Eine Menge Leute waren da, aber von ihm keine Spur.«

»Na schön, vielleicht hat er es ja auch nicht ernst genommen. Ich glaube, wir sollten ihm klar machen, dass wir es aber genau so meinen.«

»Und wie willst du das machen?«

»Nun, was schon? Hast du dem Chef schon Bescheid gesagt?«

»Nein, ich wollte erst mit dir reden.«

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