Tja, lieber Leser, wir waren glücklich auf Malta gelandet, der Auftrag des Modeschöpfers konnte in Angriff genommen werden. Es war zwar kein Badewetter, aber zum Spaß im Meer waren wir ja auch nicht gekommen, obwohl ich textile Utensilien für diesen Zweck ins rechte Licht setzen sollte.
Davor hatte ich keine Angst, auch vor Unterhosen und Shirts machte ich mir nichts ins Hemd, ich weiß ja, was ich kann und was nicht. Gut, mein letztes Modeshooting war zwar mehr als acht Jahre her und endete in einem Fiasko, allerdings ohne mein aktives Zutun, denn man kann mich nicht für plötzlich aufziehende Tropenstürme mit einhergehenden Umweltschäden verantwortlich machen.
Tom Batchfield hatte mich gebucht, setzte sein ganzes Vertrauen in mich; gut, ich war zwar nur eine Art Notlösung, aber der Jungdesigner sollte seine Bilder kriegen und es sollten gute Aufnahmen werden. Irgendwie freute ich mich auch auf den Ausflug von meinem „normalen“ Leben als Fotograf, es war – nach so langer Pause – auch eine Herausforderung für mich. Dass das aber, was da als Abwechslung vom Alltag geplant war, sich zu einem Wendepunkte in meinem Leben entwickeln sollte, konnte ich nicht ahnen, als ich den Boden des ehemaligen Ritterstaates betrat. Aber ich bin mal wieder zu schnell und greife vor, man möge mir verzeihen; zurück zur eigentlichen Zeitachse.
Ich hatte schon Befürchtungen, wir müssten uns auf Taxen aufteilen, Luigi nannte ja nur einen roten Alfa Romeo Spider 916 aus dem Jahre 1996 sein eigen, aber ich staunte nicht schlecht, als Paul, einer seiner Jungs, eine der Gepäckkarren zu einem nagelneuen Ford Tourneo steuerte; Daniel, die kleine Ölkanne, folgte ihm mit dem zweiten Wagen. Das Einladen durch den Blonden, ich schätze ihn auf Mitte 20, und unseren Schrauber verlief relativ zügig, ich hatte noch nicht einmal Zeit für eine Zigarette. Während ich gebannt ihrem Tun folgte, musste ich schmunzeln; wäre bei dem Schrauber nicht der Rotstich in den Haaren, man hätte die zwei Packer glatt für Geschwister halten können.
Für die 13 Kilometer vom Flughafen zu unserem Stützpunkt in Sliema brauchte der Liebesdiener, der Marvins Freund wie selbstverständlich zu seinem Beifahrer erkoren hatte, fast eine halbe Stunde; mir fiel ein Stein vom Herzen, denn maltesische Autofahrer zeichnen sich normalerweise nicht gerade durch eine vorsichtige Fahrweise aus, besonders in Kreisverkehren herrscht oftmals das Recht des Stärkeren. Obwohl auf der Insel eigentlich der Linksverkehr herrscht, so hatte es mir der maltesische Stier einmal erklärt, fährt der Malteser weder rechts noch links, sondern dort, wo Schatten ist.
Sliema, was so viel wie Frieden bedeutet, war einst ein ruhiger Fischerort gegenüber von Valletta, der Hauptstadt des Inselstaates. Heute ist er, neben St. Julians, Maltas wichtigster Urlaubsort, vor allem für Sprachreisende und – wegen des milden Winterklimas – auch für ältere Touristen. Ob es an dieser Tatsache lag, dass Luigi gerade dort sein Etablissement aufgeschlagen hatte, entzog sich meiner Kenntnis, aber eigentlich war es mir auch egal. Sein Haus in der Nähe der Triq It – Torri, der Tower Road, war jedenfalls eine gute Herberge und Luigi ein guter Herbergsvater.
Nachdem der Wagen in der Garage sein Obdach gefunden hatte, standen wir im Empfangsraum des Freudentempels, der eigentlich eher der Lobby eines noblen Hotels glich, alles ziemlich gediegen und ziemlich alt; die Einrichtung hatte überhaupt nichts mit einem typischen Bordell, wie man es aus schlechten Filmen kennt, gemein. Luigi wollte gerade die Zimmer verteilen, da kam Nicky, eine Mischung aus Koch, Barkeeper, Zimmermädchen und Hausmeister, aus der Küche gestürmt und umarmte mich mehr als herzlich, er erdrückte mich fast.
Der dunkelhaarige Hüne drängte uns erst einmal in Richtung Bar, die zu einem provisorischen Speisesaal umgebaut worden war. Das Buffet bestand aus verschiedenen Antipasti, selbst gemachten Spaghetti mit zweierlei Soßen und einem leichten Salat. Mit Nicolas, wie der Spross einer alten Fischerfamilie eigentlich heißt, hatte ich mehr als eine heiße Nacht während meines letzten Urlaub hier auf der Insel verbracht. Igor reagierte zunächst etwas eifersüchtig, Nicky wich mir nicht mehr von der Seite, aber als mein Gatte erfuhr, dass sich dieser Sommerflirt direkt an die Trennung von Manuel anschloss, wurde er wieder umgänglicher. Männer!
Daniel wollte sich zum zweiten Mal an den wirklich köstlichen Nudeln bedienen, ich blickte ihn nur stirnrunzelnd an. „Wofür hast du eine Diät gemacht, wenn du vor dem ersten Shooting …“
„Sorry.“ Er wirkte verschüchtert. „Aber … es schmeckt so gut.“
„Warte ab, was Nicky heute Abend auf den Tisch bringen wird.“ Ich lachte, denn der Hüne war mal Koch des Erzbischofs von Malta gewesen, bis seine sexuelle Orientierung ruchbar wurde. „Aber wir müssen jetzt eh gleich los.“
„Jetzt schon? Ich dachte, wir machen jetzt erst ein Mittagsschläfchen, ehe wir …“ Servet wieder.
Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln, aber ich hatte es mit Amateuren zu tun, obwohl sie einen Profi-Vertrag unterschrieben hatten. „Ihr könnt in euren Pausen dösen, ich muss arbeiten. Aber wir müssen das Licht ausnutzen, von daher … Ihr solltet jetzt kurz unter die Dusche hüpfen und euch schrittfrisch machen, rasiert seid ihr ja hoffentlich, ansonsten … Aufbruch ist in einer halben Stunde.“
„Alles klar!“ Gürkan salutierte fast und zog den kleinen Kurden hinter sich her.
Daniel blickte mich mit großen Augen an. „Äh, wie meinst du das? Rasiert ist klar, aber schrittfrisch?“
„Du solltest gespült sein.“ Warum wurde ich verlegen? „Wenn gleich jemand seinen Kopf an dein Hinterteil schmiegt, solltest du … wie soll ich es sagen … keine unangenehmen Düfte verströmen und das geht mit einem leeren Darm einfacher als …“
„Alles klar!“ Wurde der kleine Schrauber verlegen?
Ich winkte Luigi heran, der mit seinen drei Angestellten zu mir kam; zu Paul hatten sich während des Imbisses noch zwei weitere Knaben gesellt, ein rothaariger Wuschelkopf namens Ian und ein Vertreter schwarzer Hautfarbe. Ich wiederholte meine Anweisungen, diesmal auf Englisch. Den Begriff, der Daniel gerade Kopfzerbrechen bereitet hatte, musste ich zwar umschreiben, mir fiel die passende Übersetzung nicht ein, aber die Profis nickten nur. Wie zum Beweis zog Ian, der rothaarige Student, seine Trainingshose herunter, präsentierte mir seine blanke Rückseite, bückte sich dann und zog die Backen auseinander. „Ok?“
Ehe ich reagieren konnte, war mein Engel schon dabei, die Geruchsprobe zu vollführen. Setzte er etwa seine Zunge dafür ein? Luigi grinste nur frech, Ians dunkelhäutiger Kollege Abu – Paul war komischerweise urplötzlich verschwunden – feixte erst und schickte sich dann an, die gleiche Position wie der Rotschopf vor dem angehenden Lehrer einzunehmen. Nicky starrte den angehenden Lehrer verwundert und ich konnte nur die Augen verdrehen: Männer!
Igor war mit Auspacken beschäftigt, als ich den Ort, der unsere Schlafstatt beherbergte, betrat; Luigi und ich hatten erst noch den Papierkram erledigt. Das Fenster zeigte auf den kleinen Hinterhof des Freudenhauses: Straßenlärm war also nicht zu befürchten. Es war zwar kein Luxus, den ich vorfand, aber als spartanisch konnte man die Einrichtung auch nicht gerade bezeichnen. Luigi hatte uns auf der Personaletage untergebracht; er arbeitete, wie er beim Imbiss erzählte, den Winter über nur mit drei festen Pferden im Stall, drei Boxen waren also frei.
Ich tippte meinen Gatten auf die Schulter. „Kannst du mir verraten, was das gerade sollte?“
„Was?“ Er hängte gerade eine Hose in den Schrank – wir hatten ja den allgemeinen Kleiderkoffer als Erste – drehte sich zu mir um und blickte mich keck an. „Meinst du etwa die Geruchsprobe?“
Ich verzog mein Gesicht. „Genau die meine ich! Musstest du die Zunge einsetzen?“
„Schatz, ich weiß gar nicht, was du hast und wieso du dich jetzt so künstlich aufregst!“ Er griff erneut in den Koffer und beförderte ein Hemd auf einen Bügel. „Du hast mir doch gesagt, ich bin hier als dein Assistent, oder?“
Ich konnte nur Nicken, genau das waren ja meine Worte gewesen. „Das habe ich, aber …“
„Kein Aber! Als dein Assistent bin ich doch dazu da, dir Arbeit abzunehmen, oder?“ Unsere Socken wanderten in den Kleiderschrank. „Du hattest Daniel genau eine Minute vorher erklärt, warum er sich spülen sollte, nämlich um unangenehme Gerüche, die die Aufnahmen verzögern könnten, von Anfang an auszuschließen.“
„Hatte ich, aber …“ Hatte er etwa genau die Zeit gestoppt?
Igor zog mich zu sich. „Ich habe dir nur die Prüfung abgenommen! Die beiden sind wirklich sauber.“
„Schatz!“ Ich verdrehte erneut die Augen. „Luigis Pferdchen sind immer gespült, in der Hochsaison haben die in der Regel keinen normalen Stuhlgang mehr; das sind Liebesdiener … ein sauberer Arsch ist einfach ihr Arbeitswerkzeug.“
„Ich bin also in eine Falle getappt?“ Unschuld lag in seinem Blick.
Ich küsste ihn sanft auf die Nase. „Bist du, aber das ist nicht deine Schuld, ich hätte dir vorher sagen müssen, wie das hier abgeht. Luigi ist zwar ein Freund, aber er ist auch Geschäftsmann, er beteiligt seine Leute am Umsatz. Im Moment herrscht hier aber eher so eine Art „saure Gurkenzeit“, von daher … Wir zahlen für sie das ganze Wochenende, die wollen uns daher bei Laune halten.“
„Und was ist dann mit diesem Nicky?“ War das Eifersucht in seinem Blick?
Ich stöhnte. „Nicolas, also … er ist ein lieber Mensch, aber … wie soll ich es sagen? Nicky ist irgendwie eine gescheiterte Existenz. Er hätte als Koch viel erreichen können, mit knapp 30 schon Chefkoch des Erzbischofs? Aber Malta? Malta ist ein Dorf, jeder kennt jeden, ist leider so. Als man ihn wegen seines Schwulseins vor Jahren geschasst hatte, kriegte er hier kein Bein mehr an die Erde, hier sind ja sogar Scheidungen nicht erlaubt; die Kirche hat halt einen großen Einfluss.“ Ich suchte nach den passenden Worten. „Er hätte zwar ohne Probleme auf einem Schiff anheuern oder nach Italien gehen können, weg von all dem Mist hier, aber Nicky wollte seine Mutter nicht alleine lassen. Die Gute wurde von ihrem Mann aufs Abstellgleis geschoben. Luigi hat ihn aufgefangen und …“
„… und nutzt ihn jetzt aus?“ Mein Schatz ließ seine Hand tiefer wandern.
Ich schüttelte den Kopf. „Ausnutzen wäre zu viel gesagt, die beiden … nennen wir es so: Die beiden sind eine Art Symbiose eingegangen. Durch Luigi konnte Nicky hier auf Malta bleiben, denn er liebt seine Heimat, und er kann auch weiterhin seine Mutter unterstützen, die sonst ganz unten gewesen wäre, so als verlassene Ehefrau. Die Sitten hier sind halt etwas anders als bei uns Daheim!“
„Und was sollen wir jetzt machen?“ Warum fuhr sein Finger ausgerechnet jetzt durch meine Spalte?
Ein Stöhnen drang aus meinem Mund. „Du packst erst einmal weiter aus, ich kümmere mich derweil um das Equipment. Alles andere machen wir so nebenbei, denn die meiste Zeit bei diesem Shooting wird wohl Leerlauf angesagt sein.“
„Wie?“ War das Verwunderung in seinen Augen?
Ich musste grinsen. „Schatz! Sind am Set nur Profis, geht das relativ fix über die Bühne: Jeder will so schnell wie möglich wieder seiner Wege ziehen. Hier aber sind fast alles Amateure, angefangen vom Catering bis hin zu den Modellen, den man wohl alles dreimal erklären muss! Ich wäre schon mehr als glücklich, wenn ich heute Abend nur die Hälfte der geplanten Bilder im Kasten habe.“
„Vielleicht hilft die Lehrer-Müller-Methode!“ Mein Engel gluckste.
Ich war überfragt. „Lehrer Müller?“
„Naja, pädagogisch zwar nicht besonders sinnvoll, aber ziemlich effektiv: Lehrer Müller ist vom alten Schrot und Korn, wenn du verstehst?“ Warum tat er so geheimnisvoll? „Er bestraft jeden Fehler, auch kleinste Kleinigkeiten und das nötigenfalls auch mit Backpfeifen. Er ist der alleinige Herr im Ring, alle haben Angst vor ihm, Lob verteilt er kaum.“
„Ich soll also den großen Diktator spielen?“ War es das, was er von mir wollte?
Mein Russe grübelte kurz. „Was kann denn schon passieren? Servet und Gürkan würden zwar gerne ihren Spaß haben, aber sie wissen, sie sind in erster Linie wegen des Geldes hier. Bei den Jungs von Luigi dürfte es ähnlich sein, denn der Kunde bestimmt normalerweise die Spielregeln. Luigi ist eh Geschäftsmann und dein Nicky? Er wird es verstehen, wenn du es ihm heute beim Abendessen erklären wirst.“
Ich musste nachdenken. „Aber? Was … was ist mit Daniel?“
„Was soll mit ihm sein?“ Warum hatte Igor dieses diabolische Grinsen auf seinem Gesicht? „Wir sind auf keinem Familienausflug, auch er will Kohle machen und du bist jetzt sein Arbeitgeber! Wenn er das nicht trennen kann, tut es mir leid.“
Konnte ich mich diesem pädagogischen Rat entziehen? „Wenn du meinst, dann … dann machen wir das so. Aber ich … ich bin bei der Arbeit eher der gutmütige und sanfte Typ. Gut, ich habe zwar auch schon Leute vom Set geschmissen, weil sie sich unprofessionell verhielten, aber was soll ich denn meinem Neffen sagen, wenn ich seinen Freund …“
„Daniel mag vielleicht Marvins Lover sein, mein Herz, aber er ist hier und jetzt auch nur eins der gebuchten Modelle.“ Er atmete tief durch. „Was sollen denn Servet und Gürkan denken, wenn du sie hart, den kleinen Schrauber aber mit Glacéhandschuhen anpackst? Schon daran mal gedacht?“
„Nein, aber ich …“ Ich war mir wirklich unsicher.
Mein Engel strich mir sanft über die Wange. „Schatz, auch wenn es sich jetzt dumm anhört, aber du … du bist wie der Schiedsrichter auf dem Fußballplatz: Der muss neutral sein, alle gleichbehandeln. Der bevorzugt auch keinen Spieler, nur weil der vielleicht …“
„… mit einem seiner Familienangehörigen ins Bett stiefelt?“ Ich blickte in glänzende Augen.
Der angehende Lehrer nickte. „Yepp, außerdem hat er sich dir aufgedrängt, nicht du ihm. Wenn du dir, wie ein guter Unparteiischer, gleich zu Anfang den notwendigen Respekt verschaffst, dann sind die meisten Spieler eh vorsichtig und der Rest der Partie verläuft eher in geregelten Bahnen.“
„Dein Wort in Gottes Gehörgang, dann …“ Ich küsste ihn sanft auf die Nase. „… dann machen wir das so. Aber wir jetzt auch sollten so langsam los, denn …“ Ein schelmisches Grinsen huschte über mein Gesicht. „… die Männer in Schwarz sollten nicht als letzte Akteure auf dem Rasen erscheinen.“
„Wieso? Ich bin doch nur … dein kleiner Handlanger!“ Verwunderung lag in seinem Blick.
Grinsend schüttelte ich den Kopf. „Falsch, mein Engel: Du bist so etwas der vierte Offizielle auf dem Platz, mein verlängerter Arm.“
Die Fahrt zur Ġnejna Bay dauerte knapp eine halbe Stunde, wir mussten schließlich von der Ost- zur Westküste der Insel. Zwar hätte man auch abgelegene Stellen auf dem Weg nach Bugibba oder Mellieħa finden können, aber auf der Ostseite des Zwergstaates ist die Küste eher felsig und steinig, für typische Strandaufnahmen also weniger geeignet. Außerdem gilt besagter Küstenabschnitt als ‚warm‘, von daher würde eine Meute von Männern, die am zweiten Februarwochenende durch die Botanik marschiert, um in leichtbekleidetem Zustand dort erotisierende Fotoaufnahmen zu machen, wohl weit weniger Aufsehen erregen als andernorts auf der Insel.
Die abzulichtende Mannschaft verteilte sich auf den Tourneo und einen ehemals silbernen Toyota-Kleinbus mit abgebrochenem Außenspiegel. Ein Bagagewagen, ein geländegängiger Range Rover, der auch schon bessere Zeiten gesehen hatte, ergänzte den Tross; der eigentliche Materialwagen mit den Strandspielzeugen war schon vorausgefahren.
Knapp einen Kilometer hinter dem Dörfchen Mġarr liegt, direkt in Strandnähe, ein asphaltierter Parkplatz. Nach dem Aussteigen spielte der maltesische Stier Fremdenführer, denn zur eigentlichen Location mussten wir noch noch einen kurzen Fußmarsch in Richtung Norden hinter uns bringen. Ich staunte nicht schlecht, der Ort war wirklich gut: Auf dem breiten Sandstrand war ein Volleyballnetz aufgebaut, daneben standen, in Richtung der Klippen, einige Plastikliegen in der Gegend und ein Zelt, dass wohl als mobile Umkleide dienen sollte. Luigi, der anstatt eines G lieber ein C in seinen Vornamen hätte, bezeichnete den Ort als Marl Clay Klippe, aber ich kann mich diesbezüglich auch verhört haben, ich bin ja auch nur ein Mensch.
Ein gutes Modeshooting muss generalstabsmäßig geplant werden: Es ist wie ein Manöver, der Erfolg hängt hauptsächlich von einer guten Vorbereitung ab. Oft verschlingt diese Vorarbeit das Doppelte, wenn nicht sogar das Dreifache der Zeit, die man später für die eigentlichen Aufnahmen braucht, und wird von vielen fleißigen Helfern erledigt, deren Namen man nie erfährt. Auch beim Bannen auf den Chip des Fotografen sind Mitarbeiter des auftraggebenden Labels am Set anwesend, die die Ausgabe der neu entwickelten Bekleidungsstücke an die menschlichen Modepuppen akribisch notieren, einige Vertreter dieser Gattung machen sogar Polaroidaufnahmen nach dem Anlegen der Stoffprodukte, nur um auf Nummer sicher zu gehen.
Den Fotokünstler interessiert es in der Regel nicht besonders, ob er nun die Badehose ‚Royal C‘ in Größe 7 oder die Swimshort ‚Republic D‘ in M ablichtet, er achtet lediglich auf den guten Sitz des Stoffstückes am Modell, auf nicht mehr. Aber ich zeichnete ja auch für die Gestaltung des Katalogs verantwortlich, also durfte mir dieser Punkt nicht ganz egal sein. Igor hatte die Idee, alle uns von dem Hamburger Duo übergebenen Muster im Vorab mit einer fortlaufenden Nummer abzulichten. Diese Zahl prangte, mit einer einfachen Sicherheitsnadel an den Stoff gebannt, jetzt an sämtlichen Stücken der Kollektion. Mein Gatte musste also nur noch besagte Ordnungszahl zu den einzelnen Szenen zuordnen, um mir das eigentliche Layout einfacher zu machen.
Ich musste mich beeilen, die Sonne hatte noch längst nicht die Kraft wie im Spätsommer, wo normalerweise solche Bilder gemacht werden. Zuerst nahm ich also die Szenen auf, in denen Leute aus dem Wasser kamen, sich dann in der Brandung oder an den Klippen lagerten, ob alleine, zu zweit oder zu dritt. Gewöhnlich werden die Abgelichteten am Ende einer Serie von mehreren Hilfskräften in Empfang genommen, die sich sofort um deren seelisches und körperliches Wohlbefinden kümmern. Ein frierendes Modell kann eine wirkliche Plage sein und ich spreche da aus Erfahrung!
Bei diesem Shooting übernahmen entweder die anderen Modelle diese Aufgabe oder Nicky und der Fahrer des Materialtransporters, ein gewisser Rick, sorgten sich um die Aufgenommenen. Luigi hatte zwar zuerst die Idee geäußert, einige seiner Klienten könnten sich doch – gegen adäquate Bezahlung versteht sich – um die Frierenden kümmern, aber ich lehnte dankend ab, die Aufnahmen sollten nicht unnötigerweise in die Länge gezogen werden. Aber auch die laienhafte Durchführung musste erst einmal eingeübt werden; nach einigen holprigen Anläufen wurden auch Körperteile bemuttert, die normalerweise bei einer solchen Prozedur nicht bedacht werden.
Erst grinste ich noch, als Daniels Anhängsel von Paul mit ein paar extra Streicheleinheiten bedacht wurde; die beiden standen am Umkleidezelt und wärmten sich wohl gegenseitig. Als sich dann der Schrauberlehrling kurze Zeit später hierfür revanchierte, blieb ich ja auch noch ruhig, dachte mir nur meinen Teil. Ich wusste schließlich nicht, ob er und Marvin irgendeinen Verhaltenskodex für dieses Wochenende aufgestellt hatten; Igor und ich haben ja auch unsere speziellen Spielregeln für solche Situationen. Adäquat fand ich es jedoch nicht gerade, tauschte die kleine Ölkanne doch in aller Öffentlichkeit und vor den Augen des potenziellen Schwiegervaters Intimitäten mit einem Geschlechtsgenossen aus; aber Daniel war alt genug, musste wissen, was er tat.
Die Wasserszenen waren zur Gänze abgefrühstückt, jetzt sollte das schlecht gespannte Volleyballnetz zum Einsatz kommen; an einem Strand spielt man ja auch gelegentlich. Das Licht war immer noch gut, aber ich fand, bei den langsam nachlassenden Temperaturen, konnte etwas Bewegung nicht schaden. Gut, echte Spielszenen wollte ich nicht ablichten, mein Augenmerk lag eher auf hochspringenden Oberkörpern am Netz oder Rücken bei Ballannahme. Allerdings brauchte ich, um das Bild etwas näher an die Realität heranzubringen, herumlungerndes Hintergrundpublikum. Igor rief die Truppe zusammen, alle kamen, nur zwei Leute brauchten Extraeinladungen, ehe sie auf der imaginären Spielfläche erschienen. „Sorry, wir haben Musik mit Kopfhörer gehört! Laut Plan hätten wir nämlich jetzt Pause.“ Daniel blickte mich ganz unschuldig an.
Innerlich kochte ich, blieb aber nach außen hin ruhig, auch wenn es mir merklich schwerfiel. „Daniel, das ist ein Ablauf- und kein Pausenplan! Der kann sich jederzeit ändern! Als ich den geschrieben habe, wusste ich noch nicht einmal, wie das Wetter heute hier sein wird; pass einfach auf, wir wollen alle irgendwann ja mal fertig werden!“
„Alles klar, wird nicht wieder vorkommen!“ Er nahm seinen Platz in der Zuschauerriege ein.
Die Aufnahmen dieser Einstellung fanden jedoch später nur mit zwei Bildern Einzug in den Katalog; ich hätte entweder eine Hochgeschwindigkeitskamera, die ich als Nicht-Sportfotograf nicht habe, oder bessere Spieler benötigt. Besonders die einheimischen Recken erwiesen sich – bei dieser Art des Ballsports – eher als Bewegungslegastheniker; die bezahlbaren Liebesdiener können halt besser mit kleineren Bällen in fleischlichen Beuteln umgehen.
Erheblich besser lief es dann mit der nächsten Szene, den Liegen: Fast nackte Körper rekeln sich lasziv auf ihnen, nur die Badehose sieht man deutlich, der Rest vom Körper, sprich Rücken und Haaransatz, verschwindet fast im Hintergrund. Solche Bilder kommen immer gut, besonders wenn noch eine fremde Hand ober- oder – besser noch – innerhalb des Bündchens erkennbar ist.
Ich schaute auf die Uhr, es war kurz vor sechs; wir lagen immer noch gut in der Zeit. Die Dämmerung hatte zwar schon eingesetzt, aber genau dieses Licht, diese Stimmung, diese Atmosphäre brauchte ich für meinen weiteren Plan, denn die letzten Freiluftaufnahmen des Tages wollte ich an dem 1637 vom Großmeister Juan de Lascaris-Castellar erbauten Lippia Tower machen.
Der alte Wachturm, Teil des Frühwarnsystems der Johanniterritter (man verständigte sich entweder mittels Flaggen am Tag oder Signalfeuer bei Nacht), thront auf dem Felsen etwas oberhalb der Bucht; der Ausblick ist einfach nur gigantisch. Dort wollte ich junge Leute, die glücklich und zufrieden vom Strand kommen, sich vielleicht gegenseitig anschmachten, zu Werbezwecken für das Modelabel Tom Batchfield ablichten; ich liebe halt romantische Szenen im Sonnenuntergang vor großer Kulisse.
Obwohl beide Orte keine 200 Meter Luftlinie voneinander entfernt liegen, stellte die Verlagerung von A nach B das größte Problem dar. Entweder läuft man zurück zum Parkplatz und fährt dann mit dem Wagen zum Turm oder man erklimmt die Anhöhe über einen Trampelpfad. Ich entschied mich für die zweite Alternative: Nach dem Umziehen sollten die Jungs quer durch die Botanik zu dem steinernen Bollwerk, vielleicht fiel auf dem Weg dorthin ja noch die eine oder andere Aufnahme ab.
Die mittlerweile dreiköpfige Transportmannschaft, im Laufe des Shootings hatten sich noch zwei weitere Personen zu Rick gesellt, und die drei nicht benötigten Lustknaben sollten, nebst Luigi, derweil die Location am Strand abbauen und uns oben wieder in Empfang nehmen. Nicky würde dann vorfahren, er musste ja das Abendessen vorbereiten. Zum Anlegen der Straßenkleidung könnte man ja auch auf einen der Busse ausweichen, ein gesondertes Zelt war also nicht notwendig.
Aufgrund des Gewusels im Zelt – Packen, Umziehen und beginnender Abbau – war an einen geordneten Abmarsch nicht zu denken. Ich zählte die Häupter meiner Lieben, Daniel und Peter waren noch nicht umgezogen, sie hätten mal kurz für kleine Königstiger gemusst. Ich schüttelte konsterniert den Kopf, sagte aber nichts. Sie wollten aber – so schnell wie möglich – nachkommen.
Ian, er spielte unseren Führer durch die Wildnis, Abu und ein gewisser Andy – Igor hielt ihn
für einen Russen – und ich bildeten die Vorhut, mein Gatte folgte später zwei Minuten mit unseren türkischen Handwerkern und einem der Kofferträger. Der Trampelpfad erwies sich als Glücksgriff, ich liebe halt Blicke in die Ferne. Aufgrund der Leere der Gegend Zeit konnte man auch das eine oder andere Aktfoto schießen; das Bild von Igor, wo er, wie Gott ihn erschaffen, sentimental hinaus auf das Meer schaut, steht heute auf meinem Schreibtisch.
Neben dem Turm, dessen Eingang leider durch ein Eisengitter versperrt war, steht ein kleiner Anbau, der früher wahrscheinlich als Speicher oder Unterkunft diente. An dieser Wand lichtete ich, mit halben Blick auf das im Dämmerlicht liegende Mittelmeer, gerade Servet und Gürkan ab, wie sie, eng umschlungen, leichte Zärtlichkeiten austauschten, als es plötzlich hupte; die Abbaumannschaft hatte uns erreicht. Ian und Andy hatte ich, zwar aus anderem Blickwinkel – aber in ähnlicher Situation – bereits fototechnisch verewigt, Abu sollte später als Solokünstler folgen.
Ich hörte Stimmen im Hintergrund, die langsam lauter wurden. In diesem Moment, der Kurde bohrte gerade seine Zunge in den Türken, betraten – vom Abhang her kommend – Daniel und Paul die Szenerie, ziemlich laut prustend. Was sie genau sprachen, verstand ich nicht, aber die Aufnahme konnte ich vergessen, meine Konzentration war weg, verschwunden wie 100-Euro-Schein im griechischen Staatshaushalt.
„Sorry, wir haben uns verlaufen!“ Die kleine Ölkanne blickte mich verlegen an.
Mir reichte es! Langsam ließ ich die Kamera sinken, gab sie Igor, der neben mir stand, und ging, tief einatmend, auf Daniel und Paul zu. Die beiden Sünder – sie sahen tatsächlich fast wie Geschwister aus – grinsten verlegen zu Boden. Zeichen erhöhter Einsatzbereitschaft konnte ich zwar nicht mehr erkennen, aber Paul hatte die Badehose an, die eigentlich Marvins Bettgenosse tragen sollte, und der Schrauber trug sein Shirt auf Links.
„Stefan, Paul … er hat sich gestochen, an einer dieser blöden Sicherheitsnadeln. Ich … ich … muste ihn erst verarzten!“ Daniel versuchte sich in Schadensbegrenzung. „Wir haben dann wohl den falschen Abzweig genommen, um zu euch zu …“
Für was hielt er mich? Wir hatten für den Aufstieg, aufgrund der vielen Fotopausen, die wir eingelegt hatten, mehr als eine halbe Stunde gebraucht. Bei dem Gelände wäre es aber auch kein Problem gewesen, laut nach Hilfe oder Ähnlichem zu rufen.
Zugegeben, ich hatte die beiden Nachzügler über die Bilder vergessen, aber musste ich mich hier und jetzt von diesem Bengel wirklich derart vorführen lassen? Seine Gründe waren ja mehr als fadenscheinig.
„Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich sehe weder Blut noch irgendein Pflaster an Paul, also so schlimm kann die angebliche Verletzung nicht sein, ansonsten wärt ihr ja mit dem Abbautrupp hier hochgefahren. Was ich aber sehe, das sind zwei notgeile Jungspunde, die die ganze Mannschaft mit ihren pubertierenden Spielchen aufhalten, nur weil sie …“
Ich blickte die Zwei noch schärfer an. „… ihren Schwanz nicht unter Kontrolle haben. Du solltest, nach eventuellen Eskapaden sexueller Art, etwas mehr auf deinen Bekleidungszustand achten, mein lieber Daniel!“ Ich deutete auf sein Oberteil, der kleine Rotstichige erschrak. „Du kannst von Glück sagen, dass du von keiner Agentur geschickt worden bist, denn wenn du es wärst, dann wärst du jetzt draußen und müsstest zusehen, wie du wieder nach Hause kommst!“
„Paul!“ Der Bass unseres Herbergsvaters war laut und deutlich zu vernehmen, er stand urplötzlich schräg hinter mir. „Four hours pillory!“
Der Blonde wurde bleich, schlotterte wie Espenlaub, aber, ehe er überhaupt protestieren konnte, hatte sich der maltesische Stier schon wieder abgewandt. Ein Einspruch hätte jetzt nichts gebracht, das Gericht hatte sich schon längst wieder zurückgezogen.
Daniel wusste wohl auch nicht so richtig, wie er sich verhalten sollte, sein Blick wechselte laufend zwischen Paul und mir hin und her. Ich ließ die beiden im Regen, der nicht fiel, stehen, ich hatte ja noch Aufnahmen zu machen.
Nachdem ich auch Abu im Kasten hatte, zog mich Igor zur Seite, die anderen waren mit dem Abbau auf der Klippe beschäftigt. „Schatz, ich hatte dir zwar zur Lehrer-Müller-Methode geraten, aber musstest du ihm gleich mit Rausschmiss drohen?“
„Was hätte ich denn deiner Meinung nach machen sollen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte ihn ohne Abendessen ins Bett geschickt?“
„So meine ich das nicht, es ist eher …“ Mein Gatte suchte wohl nach den passenden Worten.
Ich strich ihm kurz über die Wange. „Igor, jeder, den ich an diesem Wochenende vor der Linse haben werde, hat das Model Release unterschrieben. Es geht zwar hauptsächlich um die Bildrechte, aber im Kleingedruckten findet man auch einen Passus über den Abbruch eines Shootings, also wer wem wann Schadensersatz leisten muss. Von daher …“
„Jeder? Auch die …“ Der angehende Lehrer deutete in Richtung von Luigis Mannen.
Ich nickte. „Ja, auch die Liebesdiener haben ihre Unterschrift unter den Vertrag gesetzt. Ich habe Daniel also nur an seine Pflichten erinnert. Wer hat mir denn gesagt, der kleine Schrauber wäre auch nur eins der gebuchten Modelle? Genau so habe ich ihn behandelt.“
„Das war ich, aber …“ Mein Engel rieb sich die Nase. „… so, wie Paul reagiert hat? Luigi scheint ihm eine Strafe aufgebrummt zu haben, die sich gewaschen hat. Ist das denn … vertragskonform?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, welche vertraglichen Bindungen zwischen Paul und dem maltesischen Stier existieren, ich habe mit Daniels großem Bruder nur einen Modelvertrag und könnte ihn nur dann in Regress nehmen, wenn durch ihn und sein Verhalten der Auftrag gefährdet werden würde, für den er gebucht worden ist, aber …“
„… auf deiner Liste stehen ja noch etliche Szenen, die du knipsen willst.“ Mein Schatz grinste; Igor wusste genau, dass ich den Ausdruck ‚Knipsen‘ im Zusammenhang mit meiner Arbeit nicht mochte. „Von daher könntest du den Job, trotz dieser Eskapaden, doch noch erfolgreich beenden.“
Sollte ich darauf antworten? Ich verzog mein Gesicht und packe meine sieben Sachen zusammen.
In welchem Wagen die beiden Gebrandmarkten fuhren, entzog sich meiner Kenntnis. Ich sah sie erst wieder, als wir unsere Herberge der besonderen Art in dem ehemaligen Fischerdorf erreichten: Sie verluden gerade die Liegen, die wir am Strand gebraucht hatten, in einen braunen Pick-up, ich glaube es war ein Mitsubishi, aber ich kann mich auch irren, ich kenne mich bei Wagen japanischer Bauart nicht so besonders aus.
Nicky hatte einen kleinen Snack vorbereitet, neben kalten Getränken standen auf der Bar zwei Platten mit frischem Weißbrot, bestrichen mit Bigilla. Die Paste, die auf das fast noch warme Teigprodukt geschmiert worden war, bestand aus zerdrückten und mit Butter, Salz, Pfeffer, Knoblauch und Petersilie gemischten weißen Bohnen. Als Amuse Gueule, dem Gaumenkitzler vor einem Menu, konnte man die Happen nicht wirklich bezeichnen, denn bis zum eigentlichen Essen würde es noch etwas über eine Stunde dauern, wie uns Abu im Vorübergehen mitgeteilt hatte.
Ich fragte Luici, der sich wohl darüber amüsierte, dass ich mir das vierte Stück Brot binnen von fünf Minuten in den Mund schob, ob es noch den alten Weinkeller geben würde, indem Nicolas und ich vor Jahren anderen Saft als den von Reben ausgetauscht hatten.
Er verneinte; das Relikt vergangener Zeiten war der Renovierung vor anderthalb Jahren zum Opfer gefallen. Erfreut war ich nicht darüber, denn der Ort wäre ideal gewesen: Ein junger Mann, nur in Slip und Shirt, sucht für sich und seinen Liebsten nach dem passenden Getränk, auch die steinerne Mauer mit all ihren Unebenheiten hätte einen guten Hintergrund abgegeben.
Der Malteser schlug eine Hausbesichtigung vor, wir hätten außer dem Empfangsbereich und unseren Zimmern ja noch nicht viel von der Herberge gesehen. Eigentlich hätte ich die Zeit bis zum Diner lieber noch für Aufnahmen genutzt, aber man soll seinen Gastgeber nicht mehr als unbedingt nötig vor den Kopf stoßen, vielleicht braucht man ihn ja noch einmal. Ich fügte mich also in mein Schicksal, die multikulturell zusammengesetzte deutsche Delegation machte sich auf zur Tour d’Horizon.
Ich staunte nicht schlecht, was der ehemalige Pornodarsteller im Laufe der letzten Jahre aus seinem Haus gemacht hatte: Bei meinem ersten Besuch hier erinnerten die Zimmer an Klosterzellen: Neben Bett, Stuhl und wackligem Tisch gab es nicht viel an Einrichtung. Gut, die Zimmer wurden mit den Jahren immer komfortabler und die Betten machten dann auch nicht mehr den Eindruck, als würden sie bei stärkerer Belastung zusammenbrechen, aber – dessen Trotz – man hatte immer noch das Gefühl, man wäre in einer besseren Bedürfnisbefriedigungsanstalt.
Was aber mein Freund aus Londoner Tagen bei der letzten Sanierung geschaffen hatte, war wirklich aller Ehren Wert: In der zweiten Etage, dem eigentlichen Arbeitsbereich seiner Jungs, gab es sechs Zimmer, wie man sie auch in einem „normalen“ 4-Sterne-Hotel finden würde, darüber hinaus gab es im dritten Stock des Hauses vier „Suiten“: ein Klassenzimmer, eine Arztpraxis, eine Mannschaftsstube wie beim Militär und ein Gefängnis; Gitterstäbe und Pritsche inklusive.
Als wir aus dem Knast herauskamen, wollte ich eigentlich eine Etage höher in unser Zimmer, um mich frisch zu machen, aber der Hotelier war mit seiner Führung noch längst nicht am Ende: Es ging in das Untergeschoss.
Ich musste grinsen, als er die Tür zum ehemaligen Weinkeller aufmachte, dahinter verbarg sich nun ein SM-Spielzimmer mit allem Komfort und zurück. Der aktive Hengst, der nur mit seiner passiven Seite dieses Haus erwerben konnte, deutete – mit natürlichem Stolz – auf die fast martialisch anmutende Einrichtung.
Ich sah ein Andreaskreuz, mehrere Haken und Ösen steckten in Wänden und der Decke, dicke Ketten hingen herunter. In einer Ecke des Raumes befand sich ein Sling, in der anderen eine Art Käfig. Dann konnte ich noch einen mit Leder bezogenen Bock erkennen und so etwas wie eine mittelalterliche Streckbank.
In der Mitte des Raumes befand sich eine Gerätschaft, die ich so noch nicht kannte: Vor einem Pranger war eine Art Podest aufgebaut, knapp einen halben Meter hoch und zur freien Seite mit einem Geländer gesichert.
Der Hausherr grinste fies. „That’s our pillory!“
Mein Engel verdrehte die Augen; das war also der Denkzettel, der Paul erwarten würde. Aber war es eigentlich eine Strafe für einen käuflichen Spielgenossen? Ich wusste es nicht, lauschte aber gespannt dem Gespräch zwischen meinem Gatten und dem Herren des Etablissements. Luigi ist eigentlich ein ziemlich umgänglicher Typ, aber die Möglichkeiten, die ihm dieser Raum bietet, nutzt er manchmal zur Disziplinierung seiner Angestellten.
Sie verdienen an ihren Kunden nicht schlecht, aber machen sie Unsinn, von Schaden wollte er gar nicht reden, dann werden sie zu Diensten in diesem Raum zwangsverpflichtet. Während dieser Zeit in dem SM-Keller verdienen sie nichts, müssen nur leiden, etwaigen Gewinn streicht allein der Hausherr ein.
Ich weiß nicht, ob es an der Kühle lag, die hier im Untergeschoss herrschte, aber Daniel, der kleine Schrauber, war weiß wie die Wand; er schien mehr als froh zu sein, als wir diese Örtlichkeit wieder verließen. Seine Gesichtsfarbe hatte sich wieder normalisiert, als wir eine Viertelstunde später am Tisch saßen, um das Abendessen einzunehmen.
Nicky hatte sich wieder einmal selbst übertroffen: Als Auftakt servierte er eine Aljotta, eine Fischsuppe mit Unmengen an Knoblauch, zwar eher ein Sommergericht, aber es schmeckte auch im Februar. Als Zwischengang kredenzte er Ravjul, eine Art Teigtaschen mit einer Füllung aus Ricotta und Petersilie.
Der Hauptgang war ein Ross fil-forn, eine Reispfanne mit Hackfleisch, Eiern, Tomaten und Safran; früher stellte man sie beim Bäcker um die Ecke in den Ofen, heute in den eigenen Herd. Als Nachspeise servierte er uns Imqaret, das sind frisch in Öl ausgebackene Teigtaschen, gefüllt mit einer dunklen Anis-Dattelmasse.
Wie mir mein ehemaliger Bettgenosse beim anschließenden Grappa verriet, wollte er eigentlich eine Fenkata, das Kaninchenmenü schlechthin, zubereiten: Zuerst Spaghetti mit Kaninchensoße, dann kommt das Tier mit Rotweinsoße und feinem Gemüse auf den Tisch. Aber er wusste nicht, ob das Fleisch des sich emsig vermehrenden Grasvernichters glaubenskompatibel war, Servet und Gürkan hatten ja schließlich den Koran als Bibel.; typisch maltesische Gastfreundlichkeit halt, sich auch darum Sorgen zu machen. Auch hätte er beim Hack für das Ross fil-forn auf durchgedrehtes Fleisch von Wiederkäuern bestanden, es gäbe schließlich ja auch die schweinische Variante.
Die Stimmung bei Tisch konnte man durchaus als ausgelassen und harmonisch bezeichnen, lässt man die beiden Missetäter, die einsam in trauter Zweisamkeit nebeneinandersaßen, einmal außen vor. Es wurde viel gelacht und gescherzt. Zwar war die verbale Kommunikation nicht ganz einfach – neben Deutsch waren Englisch, Malti und auch andere Zungen zu hören – aber das tat der Ausgelassenheit keinen Abbruch.
Gürkan griente mich über einen Cuba-Libre hinweg an. „Sag mal Stefan, wolltest du heute Abend nicht noch ein paar Aufnahmen machen? Auf dem Plan steht ja noch ne Menge.“
„Wollte ich auch, aber das lassen wir jetzt besser!!“ Ich lachte den Handwerker an.
Er zog die Augenbrauen hoch. „Wie jetzt?“
„Gürkan, schau doch bitte mal auf den Tacho!“ Ich nippte an meinem Bier. „Allein um das nächste Set richtig auszuleuchten, bräuchte ich über eine halbe Stunde. Ich könnte euch dann zwar alle im gleichen Bett ablichten, aber was würde das bringen? Wenn überhaupt vielleicht ein oder zwei Aufnahmen, aber der Rest? Außerdem … ich weiß nicht, wann ihr heute Morgen aufgestanden seit, aber ich bin jetzt seit fast 20 Stunden auf den Beinen, da kannst du nicht mehr viel Kreativität von mir erwarten. Von daher … ist für heute Schluss.“
„Dann haben wir jetzt also frei?“ Ich blickte in erstaunte Augen; hatte ich das gerade nicht gesagt?
„Wenn du so willst, dann ist für heute Feierabend! Aber …“ Ein hämisches Grinsen umspielte meine Lippen. „… dafür fangen wir dann halt morgen eine Stunde früher an, wir müssen die verlorene Zeit ja wieder einholen.“
„Und ich dachte schon, du wärst ein gnädiger Chef und kein Menschenschinder wie der alte Reichert, der uns ab Montag wieder schikanieren wird.“ Seine dunklen Augen blitzen auf, zwar freundlich, aber eine gewisse Schärfe war dennoch nicht zu verkennen.
Ich grübelte kurz. „Mal was ganz anderes, hast du eigentlich einen Ausbilderschein?“
„Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Verwunderung war in seinen Augen zu erkennen.
Ravanan, Herr über meine Immobilien, hatte, nach Besichtigung der ersten Werkswohnungen von Wanning, die wir für die insolvente Firma jetzt verwalteten, die Idee geäußert, man könne doch auch noch einen Regiebetrieb zur Instandhaltung gründen: Arbeit an den Wohnungen gäbe es genug, der bauliche Zustand sei teilweise mehr als katastrophal und wieso sollte man andere Firmen daran verdienen lassen, wenn man das Geld selber einstreichen könnte? Ob er bei seinem Einfall an unsere beiden türkischen Freunde gedacht hatte, weiß ich nicht, aber die Idee des Tamilen stieß bei mir auf sehr offene Ohren.
„Aber dein Kleiner …“ Ich deutete auf den Kurden, der sich schon eine ganze Weile an einem Glas Rotwein festhielt. „… ist ja noch in der Ausbildung. Ein eigener Bautrupp ginge also nur, wenn er fertig wäre oder weiter ausgebildet werden könnte, daher meine Frage.“
„Tja, den Schein habe ich nicht, den hat nur der alte Reichert, denn für Fortbildung hat der Choleriker nicht viel übrig.“ Der Altgeselle trank einen Schluck der braunen Flüssigkeit. „Aber, ehrlich gesagt, es lohnt sich jetzt auch nicht mehr: Servet macht Anfang Mai seine schriftliche und vier Wochen später die praktische Prüfung, die Leidenszeit ist also eh bald zu Ende.“
„Wenn das so ist, gebe ich dir recht.“ Ich nickte zustimmend, denn es machte wirklich keinen großen Sinn, kurz vor Abschluss der Ausbildung noch den Lehrherren zu wechseln. „Und danach?“
„Ich weiß nicht, ob mein cholerischer Chef meinen Engel übernehmen wird, wahrscheinlich nicht, aber …“ Gürkan wirkte irgendwie verlegen.
„Aber was?“ Nun wurde ich neugierig.
Er grinste mich verlegen an. „Stefan, was soll ich sagen? Zugegeben: Es hätte wirklich was, Reichert zu verlassen und bei dir anzuheuern, allein das Arbeitsklima dürfte erheblich besser sein, aber … aber was passiert, wenn du die Wohnungen in ein paar Monaten wieder abgeben musst? Was hätten wir dann zu tun? Wir müssen an unsere Zukunft denken!“
Darauf wusste ich auch keine Antwort, ich konnte nur mit den Schultern zucken.
Gegen kurz vor Elf gab es so eine Art nicht-akkustisches Aufbruchsignal; die illustre Runde löste sich langsam auf. Igor und ich gingen, als letzte Mitglieder der deutschen Delegation, in Richtung Bett. Ich konnte nicht mehr, mir fielen fast die Augen zu. Meinem Engel schien es ähnlich zu gehen: Es gab – auf meinen Rückzugsvorschlag – kein Murren seinerseits, eher erntete ich ein dankbares Lächeln. Mein Gatte, der nach mir die Wasserspiele aufgesucht hatte, riss mich jedoch wieder aus dem beginnenden Schlummer, als er mir seine eiskalten Füße zum Wärmen anbot.
„Sag mal, haben wir eigentlich einen Keller übrig?“ Er strich mir sanft über die Brust.
Was sollte jetzt diese Frage? Ich drehte mich zu ihm um. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“
„Naja, mir die dieser SM-Keller irgendwie nicht aus dem Kopf.“ Er schenkte mir ein Lächeln. „Wäre das nicht auch was für uns? Du wolltest doch schon immer ein Spielzimmer haben.“
„Wollte ich, aber … ein Sling würde vollkommen ausreichen.“ Ich sah ihn zweifelnd an.
Der angehende Lehrer ließ nicht locker. „Aber so ein Andreaskreuz hätte doch was, oder? Auch mit dem Pranger könnte man einiges veranstalten, was Spaß machen dürfte.“
„Was denn? Willst du etwa Marcy bei uns einquartieren?“ Ich gluckste. „Mit seiner devoten Ader würde er sich darin sicherlich wohlfühlen, aber ob das auch bei dir der Fall ist?“
Mein Schatz nickte heftig. „Wieso nicht? Ich, mit verbundenen Augen, stehe – mehr oder minder – bewegungslos da, weiß nicht, wer rein kommt und was derjenige mit mir machen wird: Er könnte mich nehmen, mich melken oder … was weiß ich! Ich stelle mir das unheimlich geil vor!“
Meine Hand wanderte an seinem Körper nach unten; die verruchte Fantasie meines Liebsten zeigte deutlich eine körperliche Auswirkung. „Geil mag das ja sein, aber es dürfte nicht viel bringen!“
„Wieso meinst du das?“ Er spielte jetzt an sich selber.
Meiner Hand erlaubte ich, seinen Beutel etwas härter zu walken. „Na, wer da rein kommt, ist doch klar: ich nämlich und … eventuell ein dritter Spielpartner, also große Überraschungen dürfte es nicht geben. Und außerdem, mein Engel, seit wann stehst du auf Fesselspiele?“
„Man kann es ja mal versuchen!“ Er stöhnte wollüstig. „Bist du denn nicht experimentierfreudig?“
Ich grinste. „Eigentlich schon, aber in unserer Spielkiste sind ja auch Handschellen und Stricke! Haben wir die Teile bis jetzt schon mal gebraucht?“
„Nö, aber was nicht ist, kann ja noch werden!“ Sein Stöhnen wurde lauter.
Meine Finger ließ sich an seinem Eingang spielen, er war staubtrocken. Ich schwang mich auf seine Hüften, beraubte so die polierende Hand ihrer Bewegungsfähigkeit. Meine Hände ließ ich über seine Brust fahren, sanft zwirbelte ich die dunkelbraunen Warzen; Igor schnurrte wie ein Kätzchen. „Schatz, wir haben jetzt drei Möglichkeiten!“
„Welche?“ Er grinste mich an.
„Wir gehen noch einmal nach unten und fragen Nicky, ob der Folterkeller jetzt frei ist. Wenn ja, dann machst du dich schrittfrisch und ich binde dich an den Pranger.“ Ich erntete ein Kopfschütteln. „Oder im Bad hängt doch dieser Bademantel. Ich hol den Gürtel und fessel dich ans Bett …“ Auch diese Idee löste keine Begeisterungsstürme aus. „Oder …“ Ich hob das Becken, robbte ein Stück näher an seine Brust, mein Anhängsel kam auf seinem Hals zu liegen. „… du bläst mir jetzt freiwillig einen!“
„Dann machen wir das!“ Seine freie Hand spielte mit meinen Bällen. „Aber dann dreh dich mal um, 69 haben wir lange schon nicht mehr gemacht.“
Ich tat, was er von mir verlangte, es war ja nichts Verwerfliches daran. Allerdings dauerte es etwas, bis wir die richtige Position gefunden hatten; der Matratze, auf der wir lagen, fehlte es, im Vergleich mit der heimischen Schlafstätte, an zwanzig Zentimeter in der Länge und mindestens einem halben Meter an Breite.
Aber, wie heißt es doch, Platz ist auch im schmalsten Bett. Genüsslich leckte ich die russische Lanze: Schaft, Spitze, Vorder- und Rückseite und das immer und immer wieder, auch der Beutel wurde zärtlich liebkost.
Mein Kopf schwebte über der Speerspitze, ich ließ mir Zeit, ehe ich sie langsam in meinem Mund einsog, um die Zunge dann noch stärker als bisher einzusetzen. Igor jedoch war eher von der schnellen Truppe:
Reingesaugt und sofort den Turbogang an. Allerdings drückte er, nach anderthalb, vielleicht zwei Minuten, meine Hüften nach oben, er brauchte wohl mehr Platz für sein Werk. Eigentlich schade, beraubte er mich doch so des heißen Atmens, der sich in meiner Schambehaarung fing; wirklich ein geiles Gefühl.
Ich bezog Igors Pforte in mein Spiel mit ein, nachdem ich mit etwas Spucke den Öffnungswiderstand überwunden hatte, er stöhnte wollüstig. Allerdings spürte ich, so nach knapp zwei Zentimetern in meinem Liebsten, erneut einen Widerstand, allerdings keinen, der von irgendwelchen Muskeln hervorgerufen wird.
Wie gern hätte ich tiefer gebohrt, aber das unterließ ich dann doch. Auch meine Atmung ging schneller, denn sein Zungenspiel an und um mein bestes Stück war nicht von schlechten Eltern, besonders geil waren seine Versuche, mit der Zungenspitze in meine dortige Öffnung einzudringen, einfach unbeschreiblich.
Meinem Hintern ließ er Streicheleinheiten zukommen, zwar wurde auch meine Spalte von seinen Fingerspitzen besucht, aber mehr war nicht möglich. Meine Knie scheuerten an seinen Schultern, der Bewegungsradius seiner Hände war leider etwas eingeschränkt. Gut, ein Stellungswechsel wäre möglich gewesen, aber die Spielwiese war zu klein und die Spielsituation zu geil, um Gedanken daran zu verschwenden.
Igors Beine begannen zu krampfen, versteiften sich. Ich frohlockte, war das doch ein untrügliches Zeichen, dass gleich nahrhafte Sahne fließen würde. Aber auch der Turbogang seiner mündlichen Waschmaschine hatte mich schon ziemlich nah an den Punkt gebracht, an dem keine Umkehr mehr möglich ist; meine Lenden begannen ebenfalls, stoßweise zu zucken. Keine Minute später war es soweit: Als sein Saft meine Geschmacksknospen erreichte, gab auch ich den Befehl zur Öffnung der Schleusen. Eine Geilheitswelle nach der anderen überrollte mich, wir saugten uns regelrecht aus.
Meine Kammern waren längst geleert, der Turbo aber blieb eingeschaltet. Eine erneute Welle schüttelte mich, ich verlor das Gleichgewicht und kam, etwas unsanft, auf dem Fußboden zu liegen. Igor schien zu grinsen. „Na, so heftig bin ich ja auch nicht gekommen.“
„Das nicht, aber … ich sage nur: Reizüberflutung.“ Ich zitterte immer noch, als ich mich wieder neben ihn legte und meine Hand über seine Brust legte; auch sein Herz hatte noch lange nicht wieder den normalen Rhythmus. Eng umschlungen drifteten wir in Morpheus Arme.
Ein Blick an die Wand verriet mir die Uhrzeit, es war kurz nach Sieben. Mein Gatte atmete ruhig und gleichmäßig, ich hätte mich ja gerne noch an ihn herangekuschelt, aber meine Blase verlangte nach Entleerung.
Mein Fuß tastete nach dem Boden, suchte Halt. Ich erschrak richtig, als ich die Kälte der Fliesen spürte, die in dem Zimmer verlegt waren; wie gut, dass wir in unserem Schlafzimmer Teppich haben, da ist der morgendliche Schock nicht ganz so groß. Das angrenzende Badezimmer war zwar klein, aber dennoch praktisch eingerichtet.
Gut, richtige Intimsphäre konnte man aufgrund des Fadenvorhanges, der beide Räume voneinander trennte, nicht herstellen, aber normalerweise wird das Zimmer ja auch nur von einer Person bewohnt.
Die Spülung hat dann wohl auch den angehenden Sportlehrer ins Reich der Lebenden befördert, sie war wirklich extrem laut. Im Türrahmen stehend blickte ich auf meine liegende Schönheit und sah, wie sie sich reckte, ihre Augen rieb und in meine Richtung blickte. „Guten Morgen, mein Engel!“
Anstatt einer Antwort beeilte ich mich, wieder zurück zu meinem Liebsten zu kommen, ich litt wohl unter einem plötzlich auftretenden Mangel an morgendlichen Knuddeleinheiten. Ich mache es mir auf seiner Brust bequem, ließ meine Zunge erst von der rechten, dann von der linken Brustwarze aus in Richtung Hals fahren, ich war irgendwie geil auf dem Mann, der nicht nur in der letzten Nacht das Bett mit mir geteilt hatte.
All seine Versuche, mit mir verbal in Verbindung zu treten, unterband ich durch Eroberungsversuche seines Mundraums, meine Hände orientierten sich derweil am Körper des Trainers nach unten hin. Mein Engel wand sich unter mir, fast wie ein Aal, die man gerade aus dem Wasser gezogen hatte. Plötzlich lagen seine Hände auf meinen Schultern, er spannte seinen Körper an und drückte mich nach oben hin weg.
„Schatz! Wir liegen auf keinem Gummiüberzug. Wenn du nicht nass werden willst, dann lässt du mich jetzt dahin, wo du gerade eben noch warst!“ Sein Grinsen war unbeschreiblich. Ich rollte mich unverrichteter Dinge von ihm weg, wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, aber da war er auch schon im Nebenraum verschwunden. Das Plätschern war deutlich zu hören. Als er wieder im Türrahmen stand, die ehemals hochweißen Fäden lasziv um seine Schulter drapiert, lachte er mich an. „Mal ne Frage: Wo wird eigentlich das Frühstück serviert?“
Ich grinste. „Ich würde sagen: Treppe runter und dann immer dem Kaffeeduft hinterher.“
„Dann lass uns mal, ich habe Hunger!“ Er grinste.
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Hast du denn gestern nicht genug …“
„Doch! Aber heute Nacht hat mich ein Vampir ausgesaugt, ich muss schnell für Nachschub sorgen!“ Er drehte sich um, verschwand in den Wasserspielen. „Kommst du unter die Dusche?“
Igor und ich waren nicht die Ersten am Tisch: Servet und Gürkan bekämpften die morgendliche Magenleere in ihren Mägen schon mit einer Portion Rührei, auf den Bacon hatten sie verzichtet. Allerdings nicht aus religiösen Gründen, wie mir der Altgeselle später mitteilte, der Speck wäre einfach zu fettig gewesen. Auch wenn einige Dinge auf der Tischplatte mir unbekannt waren, aber das Frühstück war mehr als genießbar, es gab – Gott sei Dank – keine englischen Würstchen, die sonst vor Fett nur so triefen.
Igor hielt die Kaffeetasse in der Hand, blickte mich an. „Was hättest du eigentlich gemacht, wenn ich mich für die erste oder zweite Alternative entschieden hätte?“
„Was meinst du?“ Ich stutzte.
„Na, heute Nacht hast du drei Möglichkeiten genannt: Die ersten beiden waren, mich entweder in den Folterkeller zu bringen oder mit dem Bademantelgürtel zu fesseln.“ Er kam langsam auf mich zu. „Wir haben uns dann aber auf die freiwillige Aktion geeinigt, die mir übrigens sehr gut gefallen hat.“
„Nicht nur dir!“ Ich lächelte ihn an. „Du willst es also wirklich wissen?“
Das Grinsen um die russischen Lippen wurde stärker. „Yepp! Was wäre geschehen?“
Ich blickte ihn ganz unschuldig an. „Ich hätte dich an den Pranger gebunden und wäre dann erst einmal ins Bett gegangen oder ich hätte dich gefesselt und dann links liegen gelassen.“
„Du hättest was?“ Er schüttelte entsetzt den Kopf. „Ich fass es nicht!“
„Schatz, ich war echt fertig, wollte nur noch pennen.“ Ich warf ihm einen Luftkuss zu. „Aber, keine Angst, ich hätte dich eh nicht allein im Keller gelassen.“
„Wenigstens etwas!“ Erleichterung sieht allerdings anders aus.
„Erstens hätte ich nicht gewusst, wer da alles reinkommt, ich will dich ja nicht mit jedem x-beliebigen Typen teilen, und zweitens, hättest du dann nicht geschlafen; geht ja schlecht im Stehen, oder? Wer hätte deinen Part beim Shooting übernehmen sollen?“ Ich blickte in funkelnde Augen. „Und, wenn ich dich ‚nur‘ ans Bett gefesselt hätte, hättest du zwar vielleicht etwas pennen können, wärst aber heute … etwas gereizt, außerdem … hättest du mich durch Quengeln wachhalten können, also auch nicht gerade arbeitsförderlich für mich.“
„Puh! Männer!“ War da ein Grinsen zu erkennen?
Ich streichelte über seine Wange. „Schatz, ich lieb dich über alles, aber auch ich bin nur ein Mensch.“
„Ich verzeih dir noch einmal.“ Er schenkte mir ein Lächeln. „Gestern war es wirklich etwas stressig.“
„Stimmt! Ich war nur groggy und mir fehlte Schlaf; die vorletzte Nacht war ja auch relativ kurz. Wann sind wir aufgestanden? Drei? Normalerweise fasse ich am Anreisetag auch keine Kamera an, ich will einfach nur ankommen, mich vom Flug erholen. Aber leider …“ Ich rieb mir die Nase. „… ist dieses Shooting nicht ganz normal, sowohl von seiner zeitlichen Ausdehnung her als auch von den abzulichtenden Darstellern; selbst mit Profis wären anderthalb Tage etwas knapp kalkuliert.“
„Warum hast du es dann trotzdem angenommen?“ Die Frage war ernst gemeint.
„Gute Frage! Vielleicht weil ich mir selbst beweisen will, dass ich es noch drauf habe, vielleicht um einem verzauberten Jungdesigner die erste Kollektion zu retten? Ich weiß es nicht, aber Schatz?“ Ich blickte ihn liebevoll an. „Holst du mir noch etwas von dem Rührei?“
„Wieso sollte ich?“ Igor blickte mich fragend an. „Du hast zwei gesunde Füße, kannst also selber …“
„Können könnte ich zwar, aber nach der Vampirattacke von heute Nacht? Auch ich bin zur Ader gelassen worden!“ Ich grinste ihn lieb an, auch ich kann den Dackelblick aufsetzen. „Und da du schon die zweite Portion intus hast, deine Batterien also aufgeladener sind, dachte ich, du …“
„Puh! Männer!“ Aber er erhob sich dann doch!
Während die anderen sich noch für den Tag stärkten, richtete ich schon das Licht ein, die ersten Aufnahmen in den Gästezimmern sollten noch am frühen Vormittag in den Kasten. Allerdings reichte die Zeit bis zum geplanten Aufbruch in die Altstadt nur für zwei gut ausgeleuchtete Räume, bei den anderen Kammern musste ich auf meine Blitzlichtkünste vertrauen, etwas, das ich bei bezahlten Aufnahmen wie diesem, nur ungern mache; wie schon gesagt, dieses Shooting war anders.
Tja, lieber Leser, das war die Ankunft und der erste Tag des Shootings auf Malta. Es ist zwar einiges passiert, aber eigentlich auch wieder nichts, was die Welt aus den Angeln hätte heben können, oder? Gut, der Auftrag und die Umsetzung war nicht ganz normal, aber was ist im Leben von mir und meinen Liebsten auch schon normal in der letzten Zeit?
Da ich ja nicht annehme, dass es von großem Interesse ist, wie der zweite Tag der Aufnahmen verlief und ob Igor den Pranger im Folterkeller tatsächlich ausprobiert hat oder ob Tom in die Bestrafung von Paul geplatzt ist, werde ich hier und jetzt enden und mich wieder einmal der Buchhaltung widmen; einer Tätigkeit, die ich liebe wie einen Besuch beim Zahnarzt. Falls das jedoch anders sein sollte, dann bitte ich um entsprechende Rückmeldung *fg