Zoogeschichten II – Teil 85

Abendliche Tätigkeiten

Phillip

„Gute Nacht, Papa.“

Flo krabbelte auf meinen Schoss, drückte sich kräftig an mich und gab mir einen Kuss.

„Schlaf gut mein Kleiner.“

„Und morgen erzählst du mir noch mal, wie du das Lama eingefangen hast!“

Heide lächelte mich an.

„Aber nur, wenn du jetzt ganz schnell einschläfst.“

Ich rollte ins Wohnzimmer und wuchtete mich mit Anstrengung auf das Sofa.

„Ich muss nicht sagen, dass das Ganze ziemlich leichtsinnig war…“, kam es von Heide, die mir ins Wohnzimmer gefolgt war.

„Aber es hat unheimlich Spass gemacht!“

„Glaube ich dir gerne. Ich merke schon, dir tut der Zoo auch gut. Auch wenn er dich leichtsinnig werden lässt.“

Ich nahm Heide in den Arm und küsste sie.

„Du weißt doch, das Kind im Manne.“

„Das habe ich schon lange gemerkt, dass ich zwei Kinder habe.“

„Böse?“

„Ach was. Phillip, ich habe dich heute das erste Mal wieder richtig lachen gehört.“

Ich runzelte die Stirn.

„Phillip du musst einfach mehr raus… unter Leute, verstehst du? Du kannst dich nicht ewig in der Wohnung verkriechen.“

Meine Schulter sank herab. Ich wusste ja, dass Heide Recht hatte, aber auf diese mitleidigen Blicke von Freunden, Bekannten oder der Nachbarschaft, war ich nicht versessen.

„Ich weiß, du magst dieses Thema nicht. Aber ich finde, du sollest dir im Zoo irgendwie einen Job besorgen… einen den du auch mit Rollstuhl bewältigen kannst. Es muss ja nichts Großes sein. Mit deinen Artikeln und meiner Stelle verdienen wir genug!“

„Heide…“

„Ich habe mal mit Herr Kolping gesprochen. Er meinte, es gäbe sicherlich einige Sachen, die du auch im Rollstuhl machen kannst.“

„Du hast was?“

„Jetzt sei nicht gleich sauer. Schau dir Flo an! Wie stolz er heute auf seinen Papa ist. Wäre das nicht ein tolles Gefühl, wenn dass immer so wäre?“

Heide stand auf und ließ mich alleine sitzen.

Lucca

Als ich das Haus betrat, war alles Dunkel. Nun machte ich mir doch etwas Sorgen. Es war nicht Papas Art einfach nicht da zu sein… ohne Nachricht. Auch in der Küche fand ich keinen Zettel.

Ich lief hinauf in sein Atelier, aber auch da war er nicht. Einzig alleine, stand mitten im Raum das Bild, an dem er heute Morgen noch gemalt hatte. Die vielen Rottöne gefielen mir, wobei mir die vielen Herzen, jetzt doch etwas zu kitschig waren.

Mein Vater hatte sich echt verliebt. Mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht ging ich wieder nach unten, in die Küche. Ich holte mir einen Saft aus dem Kühlschrank zum Trinken und setzte mich an die Frühstückstheke.

Ich konnte mir zwar beim besten Willen nicht vorstellen, wie sich zwei Männer küssten… gar Sex miteinander hatten, aber der Gedanke, Dad hatte vielleicht jemanden gefunden, war irgendwie beruhigend.

Volker war in Ordnung, ich mochte ihn. Schon alleine, dass er mir wegen der Flamingosache, nicht gleich den Kopf abgerissen hatte. Und zum ersten Mal hatte ich eine Aufgabe, die mir richtig Spass machte.

Ich machte meinen Rucksack auf und zog die Tüte heraus. Wie, als sollte niemand sehen, was sich darin befand, lugte ich durch die Öffnung. Auf dem Weg von der Schule zum Zoo war ich am Kaufhaus vorbei gekommen.

Ich war kurzerhand hineingegangen und hatte mich umgeschaut. Das Ergebnis war, ich hatte neue Klamotten gekauft und noch ein paar Dinge. Langsam zog ich ein Teil nach dem anderen aus der Tüte.

Zwei Tshirts in ungewohnten Farben. Eins in orange und dass andere in Grün. Ich wollte von dem Schwarz weg. Die Tshirt sollten den Anfang machen, passten ja auch auf schwarze Jeanshosen.

Das Schwarz meiner Haare war ja fast herausgewachsen. Was mich auf den nächsten Plan brachte, als ich die neue Haarfarbe herauszog. Wenn schon ein Wechsel, dann auch krass. Die Haare sollten ab… Kurzhaarschnitt und blond!

Was Papa dazu wohl sagen würde? Wie aufs Kommando hörte ich ein Schließgeräusch an der Wohnungstür. Ich konnte Gelächter hören, also war Papa nicht alleine. Papa war mit Volker nach Hause gekommen.

„Hi Junior, schon zu Hause?“

„Ja, bin mit Sebastian und Dennis Straßenbahn gefahren.“

Volker gab mir grinsend einen kleinen Wink. Dads Blicke fielen auf den Tisch, wo ich meine Eroberungen ausgebreitet hatte.

„Was hast du den vor?“, fragte er.

In seiner Frage lag nichts Vorwurfsvolles.

„Ich möchte andere Haare.“

„Und wie?“

Diese Frage kam von Volker. Mein Dad legte seine Jacke ab und nahm auch gleich Volkers in Empfang.

„Kurz und blond.“

„Und wie willst du das fertig bekommen? Deine Haare sind recht lang.“

„Ich dachte… du hilfst mir dabei… aber du hast ja… Besuch.“

Mein Dad schaute zu Volker, der grinste aber nur.

„Also ich habe David schon öfter die Haare geschnitten… Hast du ein Kurzhaarschneider da?“, fragte Volker plötzlich.

Oh Gott, was hatte ich da angezettelt?

„Du willst ihm die Haare schneiden?“, fragte Dad.

„Warum nicht, oder willst du selber?“

Dad fing herzhaft anzulachen.

„Ich mag zwar eine ruhige Hand beim Malen haben, aber an meinem Sohn herumschneiden… nein!“

„Okay, dann wäre das ja geklärt. Aber erst sollte sich Lucca die Haare färben.“

„Ähm…, was?“, fragte ich.

„Vor dem Schneiden werden die Haare gefärbt“, meinte Volker.

„Woher weißt du das?“

„Du vergisst, ich war verheiratet und ich habe auch eine Tochter.“

Volker hatte eine Tochter? Interessant!

„Aber… muss es gleich so… blond sein?“, meinte Dad.

„He, lass doch den Jungen. Wenn er schon das schwarze Fummelzeugs aufgibt, dann richtig!“

Volker wurde mir immer symphatischer.

Robert

Ich fasste es nicht. Niklas hatte es fertig gebracht, innerhalb einer halben Stunde alle zusammen zutrommeln. Ich lief zu Mum und Adrian in die Küche.

„Und ich kann euch wirklich nicht helfen?“, fragte ich und sah zu, wie Adrian Kartoffel schälte.

„Nein Schatz. Mum hat gesagt, wenn ich mich nicht um dich kümmere und du dich schonst, reist sie mir den Kopf ab!“

„Kluge Entscheidung deiner Mutter“, kam es nun von meiner Mutter.

Adrian knuffte meine Mutter an, die zu lachen begann. Wow, die beiden verstanden sich ja richtig gut.

„Abmarsch aufs Sofa, du hast nachher noch genug Aufregung!“, kam es von meinem Schatz.

Mir gefiel es, wenn er das Autoritäre raushängen ließ.

„Ja, Papa“, antwortete ich und bekam eine heraus gestreckte Zunge als Antwort.

Grinsend lief ich wieder auf die Terrasse, wo Vater mit Niklas dabei waren, den großen Grill anzuwerfen. Ich weiß nicht welche Metzgerei sie überfallen hatten, aber auf dem Tisch stand ein Berg von Fleisch und Würstchen.

„Du, ich fahr dann schnell noch zu Reinhards und hol die Getränke“, meinte Niklas zu meinem Dad.

Da er nicht mitbekommen hatte, dass ich auch auf der Terrasse war, zuckte Niklas kurz zusammen, als er mich inter sich bemerkte.

„Man Robert, musst du dich so anschleichen? Fast wie früher, da hast mich auch ein paar Mal fast zu Tode erschreckt.“

„Ich tu mein Bestes!“

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie mein Dad lächelte.

„Ich bin gleich wieder da“, meinte Niklas und war schon am Gehen.

„Fragst du, ob du noch ein paar Biergläser haben könntest, ich glaube unsere reichen nicht“, rief ihm Dad hinterher.

„Kein Problem, wir können aber auch direkt aus den Flaschen trinken“, meinte Niklas und war verschwunden.

Nun waren ich und Dad auf der Terrasse alleine. Lange schauten wir uns einfach nur an, bevor das Knistern der Kohle Dad daran erinnerte, sich um den Grill zu kümmern.

„Danke!“, meinte er plötzlich, ohne mich anzuschauen.

„Für was?“, fragte ich.

Nun drehte er sich um und ich sah, dass er Tränen in den Augen hatte.

„Das du mir noch einmal eine Chance gibst… von vorne zu beginnen.“

Sebastian

Nach dem ich mit Dennis Eltern zu Abend gegessen hatte, war ich auf mein Zimmer gegangen und lag nun völlig erschöpft auf meinem Bett. Mittlerweile hatten wir alles aus meiner kleinen Wohnung, was noch zu gebrauchen war, hierher geschafft.

Der Rest war auf dem Müll gelandet. Irgendwie tat es nicht weh, meine erste eigene Wohnung aufzugeben. Ich fühlte mich hier wohl. Ich hörte unten den Türgong und die Musik tat ihr Übriges.

Ich wäre fast eingeschlafen, wenn es nicht plötzlich an meiner Tür geklopft hätte.

„Ja?“, fragte ich und die Tür ging auf.

Das Gesicht von Brit erschien.

„Stör ich?“, fragte ich und trat ein.

„Wie kommst du da drauf… hallo!“

Sie beugte sich zu mir herunter und begrüßte mich mit einem Kuss. Dass ich nur in Shorts auf meinem Bett lag, daran dachte ich nicht mehr. Ich war einfach viel zu müde, was sich in einem herzhaften Gähnen zeigte.

„Na, dein Arbeitstag, scheint wohl anstrengend gewesen zu sein“, meinte sie und setzte sich zu mir aufs Bett.

„Ich bin das viele Schwimmen nicht gewöhnt“, meinte ich und gähnte wieder.

„Ich seh schon, lange machst du es nicht mehr.“

„Sorry…, tut mir leid.“

„Nicht schlimm! Warum ich eigentlich gekommen bin, ist wegen Dennis. Er wird Samstag achtzehn. Weißt du jetzt, was er vorhat?“

„Es war eine Feier im Botanischen Garten geplant, soweit ich von Heike weiß. Aber nach dem Streit mit Michael, weiß ich nicht mal ob er feiern will.“

„Haben sie sich immer noch nicht vertragen?“

„Ich weiß nicht. Dennis ist gerade bei Michael.“

„Okay, rufst du mich an, wenn du mehr weißt?“

„Klar!“

„Okay, dann schlaf mal gut, gute Nacht!“, verabschiedete sich Brit.

Sie gab mir noch einen Kuss und verschwand. Wenig später war ich weggedöst.

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