Aschenbrödels Bruder – Teil 13

Ich ließ Lucas verlegen los, so wie er mich ebenso.

„Komm lass uns hinein gehen“, meinte ich.

Mum wusste es, Sabine wusste, also egal. Ich griff nach Lucas Hand und zog ihn ins Haus.

„Leg einfach ab“, meinte ich und begann selbst mich zu entblättern.

Um ein paar Kilo leichter gingen wir ins Wohnzimmer, wo ich den Rest meiner Familie vermutete. Ich hatte Recht, beide waren gerade dabei, den Kamin zu schmücken.

„Mum, Lucas ist zu Besuch gekommen.“

„Das habe ich schon gesehen“, grinste sie mir entgegen.

Lucas ging einen Schritt vor.

„Hallo Frau Debruggen, ich wollte mich noch mal bei ihnen bedanken, dass sie sich so für mich und meine Mutter eingesetzt haben.“

„Nichts zu danken und ich heiße Hilde…, ich gehe doch Recht in der Annahme, dass du jetzt öfter hier sein wirst, als Freund meines Sohnes.“

„Mum! Du machst ihn verlegen.“

„Wieso denn, ist es nicht normal, dass man dem Freund seines Sohnes das Du anbietet?“

Sabine kicherte leise. Als ich zu ihr sah, wandte sie sich wieder zu ihrer Dekoration und machte ganz geschäftig.

„Wie weit seid ihr gekommen?“, fragte ich aus meiner Verlegenheit heraus.

„Sind fast fertig“, kam es von Sabine, „ihr könnt ruhig hinauf gehen.“

Ich nickte und zupfte an Lucas Shirt. Irgendwie war das jetzt alles, ich wusste kein Wort dafür… unreal? Ich stand mit meinem Freund…, ja ich hatte einen Freund, keine Freundin und redete mit meiner Mutter und Schwester, als wäre es etwas ganz Normales.
Es war eigentlich etwas Normales oder sollte normal sein.

„Was ist?“, hörte ich Lucas fragen, der neben mir die Treppe herauflief und mich aus den Gedanken riss.

„Es ist alles… ein bisschen verrückt gerade, als würde ich träumen.“

„Ich bin dein Traum?“, sagte Lucas leise.

Ich musste unweigerlich lächeln und blieb stehen.

„Irgendwie… schon“, erwiderte ich und lief weiter.

Im Zimmer angekommen, schloss ich dieses Mal die Tür, die eigentlich seit Tagen offen stand. Wir standen uns nun gegenüber und schauten uns nur an. Sollte ich die Initiative ergreifen?
Aber Lucas nahm mir die Entscheidung ab, hob seine Hand, legte sie sanft hinter meinen Nacken, zog mich zu sich und während ich noch die Augen schloss, spürte ich schon seine warmen und weichen Lippen auf meinen.
Ich weiß nicht was geschah, aber mein Körper durchfuhr plötzlich ein Kribbeln, meine Knie wurden weich und in meinem Kopf zerfloss alles zu einer Masse. Viel zu schnell war der Kuss wieder vorbei.

„Du kannst die Augen wieder aufmachen“, hörte ich Lucas sanften Bariton.

Diese Stimme ließ mich erneut erzittern. Ich öffnete die Augen und sah in ein strahlendes Gesicht vor mir.

„Ist dir kalt… du zitterst.“

Verlegen lächelte ich.

„Nein, das ist alles so neu für mich, ich erlebe das alles zum ersten Mal.“

„Du hast noch nie einen Jungen geküsst?“

„Nein!“

Lucas grinste breit und er gab mir erneut einen Kuss.

„Nicht schlimm, du bist auch mein erster!“

Erstaunt schaute ich in an.

„Wirklich? Dafür küsst du aber verdammt gut!“

„Öhm, woran merkt man, dass einer gut küsst. Also ich mag dich sehr… ähm bin verliebt in dich“, jetzt wurde er auch noch rot, wie süß, „und ich küss dich einfach.“

„Einfach ist gut…, in deinen Armen und deinen Lippen auf den meinen, vergesse ich alles um mich herum, nur noch du und ich, dass ist ein fantastisches Gefühl.“

Immer noch standen wir in mitten meines Zimmer, eng umarmt.

„Zitterst du deswegen?“

Ich nickte.

„Kann man da etwas gegen machen?“

„Ich weiß nicht?“

Seine Hand streichelte mir über den Rücken, was mir erneut eine Gänsehaut bescherteund mein Körper zitterte noch mehr.

„Das war wohl das Falsche“, meinte Lucas und grinste noch mehr.

Er drückte mich wieder fest an sich. Es gibt Augenblicke, da möchte man die Welt anhalten, so wie dieser, so wohl hatte ich mich noch nie gefühlt. Doch ein Klopfen an der Tür, unterbrach diesen schönen Moment.
Lucas ließ mich los und machte einen Schritt zurück. Warum eigentlich, war dies eine verfängliche Situation? Jeder im Haus wusste doch, dass Lucas und ich ein Paar machen. Ich schaute zu Lucas.

„Ähm, willst du nicht herein sagen?“, flüsterte Lucas.

„… äh… ach so…herein!“

Die Tür ging auf und Sabine schaute herein.

„Mum fragt, ob Lucas nachher mit uns Essen will?“

Ich schaute wieder zu Lucas.

„Wenn es keine Umstände macht“, antwortete er verlegen.

„Okay, bin dann wieder weg.“

Ich nahm das alles nur leicht verschwommen wahr.

„Ist irgendwas, du schaust so komisch“, hörte ich Lucas sagen, aber es kam nicht richtig bei mir an.

„…hm?“

„Erde an Benjamin, ist alles in Ordnung?“

Mit großen Augen schaute ich ihn an. Er war einen halben Kopf größer als ich, seine Augen, so glaube ich änderten stetig das Blau, aber egal was für ein blau, ich begann es zu lieben.

„…Lucas…“

„Ja?“

„Sind wir jetzt… ähm… echt zusammen? … Also ich meine so richtig, Freund und Freund…“

Sein Lächeln wurde breiter.

„Klar, oder küsst du immer irgendwelche Typen, die dir gefallen?“

„Also so etwas mach ich nicht, ich hab doch gesagt du bist…“, zu spät merkte ich, dass mich Lucas verschaukeln wollte.

Ich griff nach seiner Hand, für mit dem Daumen über seinen Handrücken.

„Es ist nur…“, ich schaute auf, „es ist alles so neu, als würde ich alles träumen, so perfekt… so einfach…“

„Muss denn immer alles schwer und kompliziert sein.“

„Ich weiß nicht.“

Seine freie Hand strich über meine Wange. Ich spürte, wie meine Augen nass wurden, alles begann zu verschwimmen.

„Was ist denn los Benjamin“, fragte Lucas plötzlich besorgt, „du weinst ja.“

„… ach ich weiß auch nicht, ich komm grad nicht mit dem allem klar.“

„Du willst nicht mein Freund sein?“

Ich hörte die bittere Enttäuschung in seiner Stimme.

„Nein, das meine ich nicht, es geht irgendwie alles so schnell, ich habe gar nicht richtig Zeit alles zu verarbeiten. Noch vor einer Woche war alles normal…, nein normal nicht, trist und langweilig…“

„Und was hat sich alles geändert?“

„Alles“, antwortete ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, „…einfach alles und irgendwie überkommt mich die Angst, dass ich das nicht schaffe.“

Nun griff Lucas nach meiner Hand, zog mich wieder in seine Arme, streichelte mir durchs Haar.

„He, du bist jetzt nicht mehr alleine.“

Ich schaute auf und ihm in die Augen. Sie strahlten hellblau, als hätte sich hinter seinen Augen die Sonne versteckt.

„Lässt du mir Zeit… hilfst du mir?“

„Du hast alle Zeit der Welt Benjamin, ich laufe dir schon nicht weg. Ich weiß ja selbst, es geht irgendwie alles so schnell, ich kenne dich grad mal seit Freitag, aber habe das Gefühl, dich schon ewig zu kennen.“

In meinem Kopf würde es ruhig. Seine Stimme bereitete sich irgendwie in mir aus.

„Ich fühl mich wohl bei dir und habe zum ersten Mal das Gefühl richtig erst genommen zu werden.“

„Dich… dich hat es ja ganz schön erwischt!“

„Wundert dich das? Schau mal in den Spiegel…, nein lassen wir das, dass du verdammt gut aussiehst… Benjamin, deine Art dich zu geben, hat mich von Anfang an fasziniert. Deine Bewegungen haben irgendetwas stilvolles, wie auch dein Handeln.“

Meinte er jetzt wirklich mich, ich war doch ganz normal.

„Ich sehe, du verstehst nicht, was ich meine…, oder?“

Ich schüttelte leicht den Kopf.

„Komm setz dich, ich versuche es einfach irgendwie zu erklären.“

Beide ließen wir uns auf mein Bettende nieder. Immer noch hielt er meine Hand fest in seiner.

„Wenn du dich bewegst, dann gehst du nicht wie die anderen, blumb daher, als wäre deine Sprungfeder ausgeleiert, Breitbeinig, den Macho heraus hängend lassen. Du machst kleine Schritte, fast wie ein Model, deine ganze Körperhaltung wirkt graziös.“

„Das hört sich jetzt bisschen Klischeehaft an, oder?“

„Was ist daran Klischeehaft?“

„So ala, ich bin schwul und lauf auch so herum?“

„Nein, so meine ich das nicht. Gut ich denke, dass es viel damit zu tun hat, dass du Ballett tanzt, da bewegt man sich schon ganz anders, merke ich ab mir selbst ja auch, aber du tust es auf eine besondere Art, die ich grad nicht näher beschreiben kann.

„Besondere Art?“

Er nickte.

„Und was meinst du mit meinem Handeln, was hat das mit meiner Ausstrahlung zu tun?“

„Eben, deine Ausstrahlung ist etwas Besonderes… oh man, wie soll ich das erklären? Ich weiß nur eins, ich habe mich in dich in kürzester Zeit verliebt und will mehr von dir.“

Verlegen lächelte ich.

„Wir lassen das aber langsam angehen?“

„Versprochen!“, antwortete er und legte seine Hand auf sein Herz, „es muss niemand erfahren, wenn du nicht willst.“

„Ähm, das meinte ich nicht, das ist mir eigentlich egal… Ich will nur nichts überstürzen, langsam Schritt für Schritt alles tun.“

Wieder dieses Lächeln, was mich plötzlich gedanklich veranlasste, das eben gesagte über Bord zu kippen und über ihn her zu fallen. Aber da war eben etwas an oder in mir, dass mir sagte, mach langsam!

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3 Kommentare

    • Gerd auf 13. Dezember 2015 bei 00:27
    • Antworten

    Wow
    Mehr fällt mir jetzt nicht dazu ein

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    • Andy auf 13. Dezember 2015 bei 08:54
    • Antworten

    Süß die Beiden.

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    • joachim auf 24. Dezember 2015 bei 12:46
    • Antworten

    Wenn die beiden da nicht zusammen kommen, fall ich vom Glauben ab.
    Super und sehr ergreifend geschrieben.

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