Robin
Während ich einen Schokodonuts esse, fällt mir heiß ein, dass wir meinen Rolli vergessen haben. Einen ganzen Nachmittag ohne Rolli, das packe ich nicht. Als ich zu den Beiden sage, dass wir die Karre vergessen haben, sagt Jerome, das er einen
zu Hause hat, einen aus Leichtmetall, den leiht er mir. Als wir bei Remmers an kommen, Matthias ist tatsächlich schon vor uns da, macht Jeromes Mama auf und Jerome gibt ihr das Kuchentablett, Chris hat zwei Tüten mit Teilchen. Jerome trägt mich rein und setzt mich im Wohnzimmer ab, Matthias folgt uns. Ich gehe zu einem Sessel und setze mich, Matthias, der ein bisschen nach Schweiß riecht pflanzt sich zu mir auf die seitliche Erhöhung des Sessels.
Sie haben den Kuchen in die Küche getragen und kommen jetzt zu uns, Jerome kommt mit dem Rollstuhl, einem tollen Teil und setzt sich auch hin. Frau Remmers möchte natürlich wissen, was der Dr. Alex gesagt hat und Jerome und Chris erzählen abwechselnd alles. Ich begutachte zwischenzeitlich den Rolli. Das ist wohl kein Kassenmodell, denk ich, Alu. Leicht und doch stabil, pink metallic lackiert, vielleicht etwas zu groß für mich, aber es wird schon gehen.
Ich setze mich hinein und checke, ob es geht und siehe da, passt zwar nicht optimal, lässt sich aber fahren. Jeromes Mama schaut ein bisschen amüsiert, als sie mir ein Kissen zum Unterlegen bringt und schon geht es viel einfacher mit dem Fahren. Jetzt, nach dem alles erzählt ist, gehen wir, ich fahre, runter zum Zeltplatz und staunen nicht schlecht, dass das meiste schon ab gebaut ist. Hier sind Martin und Kevin, Sergej, Ole und Frank und ein anderer älterer Herr dabei, Strohballen und Bretter, auf denen wir alle gesessen haben, auf einen Anhänger zu laden, vor den ein Traktor, so einer zum Rasen mähen aber einer von der größeren Sorte, gespannt ist.
Die Dixie Häuschen sind auch schon fort, nur die Zelte stehen noch alle. Die Jungs fangen an, die Zelte ab zu bauen. Nach und nach kommen noch mehr Leute dazu, nur die, die arbeiten müssen, Tom und Micha, die fehlen, werden aber später bestimmt auch noch kommen.
Um halb fünf ist alles wieder so, wie es vor der Party war und alles ist weg geräumt. Jerome meint dann, dass wir zum Ferienende noch mal so eine Party hier im Freien machen könnten, so über drei Tage. Die meisten sind spontan dafür und so wird es wohl dann auch mit ein geplant. Ich freue mich schon auf die große Sprudelwanne in der ich später wieder sitzen werde, wenn wir runter in das tolle Bad gehen.
Ole
Auf der Baustelle sieht es jetzt täglich besser aus und wir haben heute fast alles zu Ende geplant, was noch offen ist. Es geht jetzt in den Endspurt und wenn wir mit dem Schiff zurück kommen, wird es wohl fast fertig sein. Alles was noch fehlt, ist bestellt oder wird von der Firma Stiefel besorgt und alles soll zum einunddreißigsten Juli fertig sein, innen und außen, mal sehen, ob es klappt.
Donnerstag, der fünfte August ist Schul- und Studienbeginn in Bremen, bleiben uns also nur wenige Tage zum Einziehen in die WG.
Da alles dann fertig möbliert ist, braucht jeder ja nur seine Kleider und persönlichen Sachen dorthin mit zu nehmen. Marvin hat mir gesagt, dass in jedem Zimmer ein Appel-Rechner vom Feinsten mit einem großen Bildschirm installiert wird und alle miteinander vernetzt sind. Notebooks mit W-LAN haben wir ja fast alle, die werden dann beim Netzwerk angemeldet, so dass jeder immer innerhalb der WG Internet hat. Das ist schon toll und Jerome hat das mit Rufus Weiden ganz allein ausgeheckt. Was das kostet, darüber wollte Marvin verständlicher Weise nicht reden. „Darf ich nicht, hat der Chef gesagt“, sagte er und diese Rechnung bezahlt wohl Jerome direkt und nicht ich vom Baukonto.
Marvin habe ich, weil er ja auch oben schafft im Moment, natürlich in die Trinkgeldregelung mit ein bezogen, was den natürlich sehr gefreut hat. Diese Regelung mit dem Trinkgeld war nicht billig, aber dafür hat es so gut wie keinen Murks gegeben am Bau, unterm Strich also OK, sag ich mal. Na ja, wenn Carl August so was sagt, dann sind da schon Erfahrungen dahinter, der hat schon was drauf. Ihn als echten Freund zu haben ist schon eine sichere Bank, denn wenn wir jungen Leute, aus welchem Grund auch immer, an Grenzen stoßen, ist er da mit Rat und Tat und alles, was er bisher in die Hand genommen hat, ist zu einem guten Ende gekommen. Ich glaube, dass Jerome später Mal ähnlich sein wird und auf ein Leben in diesem Dunstkreis der Remmers freue ich mich irgendwie. Langweilig wird es wohl nicht werden, dessen bin ich mir sicher.
Als wir von Bremen zurück kamen, haben wir mit Martin sofort mit dem Aufräumen des Zeltlagers begonnen. Heinz, der Gärtner kam mit dem Traktor und dem Hänger und als Jerome mit Robin, Chris und auch Matthias kommen, ist bis auf den Abbau der Zelte alles schon fast fertig. Nun werden die Zelte abgebaut, ausgeschüttelt und eingepackt. Heinz fährt die Fuhre mit Sergej und Martin weg und will dann noch mal kommen, die Zelte alle zur Garage fahren. Die, die Jerome gekauft hat, kommen auf den Dachboden der Garage bis zum nächsten Mal. Das Stromagregat kommt auch wieder dorthin. Nun, nach dem wir fertig sind, es ist halb fünf, gehen wir zum Haus und trinken Kaffee. Jerome hat Teilchen und Donuts mit gebracht, dazu gibt es Kaffee oder Kakao.
Als wir damit fertig sind, strömt alles runter in den Badebereich und das große Umziehen beginnt, die Jungs wieder in den Fitnessraum, die Mädels in die Kabinen. Marvin fehlt, Tom und Micha sind vorhin gekommen und die zwei aus der Klinik und ihre Partner, sind halt auch nicht da. Nach jetzigem Kenntnisstand werden sie morgen nach dem Mittagessen entlassen und dürfen nach Hause. Es ging ja doch noch mal alles gut aus und jetzt müssen sie wohl täglich dort hin zu diversen Rehamaßnahmen.
Die Sauna ist eingeschaltet und warm und der erste Schwung geht dann auch gleich nach dem Duschen hinein. Mehr wie zwölf Leute haben keinen Platz, das heißt, das es zwei Gruppen gibt, die sich abwechseln.
In der ersten Gruppe sind Jerome, Sergej, ich und Frank, Mike und Dirk, Kevin, sein Wolfi und Tom und Micha. Robin sitzt von Chris und Matthias betreut, im Whirlpool, Kevin und Wolfi werden dann bei ihm sitzen, wenn Chris und Matthias in die Sauna gehen. Jerome hat am Anfang den Vorschlag gemacht, dass alle einfach nackt baden und Sauna machen sollten, wenn keiner was dagegen hat.
Da keiner als prüde gelten wollte, sind jetzt alle nackig und nach den ersten zehn Minuten ist das dann auch normal und man schaut sich beim Reden wieder ins Gesicht. Chris sagt zu Dirk: „Also unterm Bauchnabel könntest du Noahs Zwillingsbruder sein.“ Was in der Runde im Fitnessraum für Erheiterung sorgt. Dirk trägt solche Bemerkungen über seinen Schwanz mittlerweile mit Fassung und grinst nur. Natürlich gucken auch die Mädels, aber Neid sieht man nicht in ihren Augen, Verwunderung schon.
Robin trägt den Anblick weiblicher und männlicher Schönheit mit Fassung, er genießt das sprudeln und blubbern ganz ohne textile Hemmnisse noch intensiver als am Sonntag und unterhält sich angeregt mit Matthias und Chris.
Jerome hat den Kleinen gefragt, ob er mit ins Schwimmbecken möchte, auf Sergejs Arm und er hat gesagt, dass er es mal versuchen will. Chris hat gemeint, wenn er aus der Wärme des Whirlpools in das um einige Grad kühlere Schwimmbecken will, das man ihn erst etwas runter kühlen muss, damit er keinen Schock bekommt.
Sergej
Nach der ersten Sauna und dem Abkühlen hole ich Robin, nach dem ich meinen Schatz ins Becken getragen habe, aus dem Whirlpool und geh mit ihm zum Beckenrand. Ich setze ihn so an den Rand, dass er seine Unterschenkel ins Wasser hängen kann und ich selber gehe ins Wasser und bleibe dort bei ihm am Rand.
„Puh, das ist kalt“, sagt er und lässt die Unterschenkel vorsichtig ins Wasser. So sitzt er jetzt und das Beckenwasser kühlt in wieder nach unten, so dass er gleich, wenn ich ihn auf den Arm hole, keinen Schock bekommt. Die Anderen spielen bereits mit dem Ball.
Nach fünf Minuten nehme ich Robin auf den Arm und er ist jetzt bis zum Bauchnabel im Wasser. „Alles in Ordnung, Robin?“, frag ich. „Ja, cool ist das, ich war noch nie in so einem großen Becken“, sagt er. Ich rufe Ole und bitte ihn, mal kurz her zu schwimmen. Als er bei uns ist, sage ich: „Im Schrank im Geräteraum sind ein paar Schaumstoffnudeln, hole uns bitte mal zwei Stück.“ Ole macht das und Robin fragt: „Was hast du vor?“ „Vertraust du mir?“, frag ich und er nickt. Ole bringt die Nudeln und wir legen sie um Robins Brust und unter den Armen durch, dann lassen wir ihn ganz ins Wasser. Eine Hand habe ich unter seinem Bauch und dann merkt er, dass er sich so mit Leichtigkeit über Wasser halten kann. „Geil, ich kann schwimmen“, ruft er freudig aus. Alle gucken her und kommen dann auf uns zu. „Bewege langsam deine Beine auf und ab, dann schwimmst du vorwärts“, sagt Ole und Robin tut es. „Nicht zu schnell“, sagt Ole, „es soll und darf dich nicht anstrengen. Langsam kommst du auch voran.“
„Man, das ist geil, ich schwimme“, freut sich der Kleine. Von ihm unbemerkt habe ich meine Hand unter ihm raus genommen und gehe neben ihm her. Er strahlt und ist ganz konzentriert und jetzt schon in der Beckenmitte angekommen. Es ist toll, zu sehen, wie er sich freut, etwas zu tun, das er vorher noch nie durfte und früher bestimmt auch nicht konnte. Die anderen kommen aus der Sauna und Chris sieht natürlich wie alle anderen, das hier im Becken gerade was Besonderes passiert. Robin hat jetzt den Rand erreicht und Chris kniet bei ihm und redet leise mit ihm. Dann hebt er ihn aus dem Wasser, der Kleine dreht sich zu uns rum, reckt einen Arm hoch und ruft: „Yippie“. Chris trägt ihn wieder zurück in den Whirlpool, wo der Kleine stolz von seinem Ausflug ins große Becken erzählt.
Robin
Wohl behütet nach meiner ersten Schwimmtour in einem großen Becken sitze ich jetzt wieder in der Kitzel und Sprudelwanne und wärme mich auf. Untertemperatur ist nicht so gut für mich, da muss das Herz mehr Arbeit leisten und bei meiner maroden Pumpe kann es da schon zu Komplikationen kommen, allerdings war das ja jetzt nur kurz und das große Becken hat ja auch dreißig Grad, so dass sich alles normal anfühlt.
Dieses Mal sind alle, auch ich, textil frei und das kitzelt noch mehr an meinem Pullermann. Das macht schon komische Gefühle und gewachsen ist er auch, aber unter Wasser sieht das ja keiner. Ich weiß nicht, ob mir das peinlich wäre, vor den Mädchen ganz bestimmt.
Für meine Fünfzehn Jahre hinke ich der Realität doch um einiges hinterher, aber das liegt halt daran, dass mein ganzer Körper viel kleiner und zarter ist, wie sonst bei Jungs in dem Alter. Ein sogenanntes Sexualleben hat bei mir noch nicht stattgefunden, wenn man von morgendlichen Versteifungen mal absieht, aber das ist ja normal, auch bei jüngeren Buben.
Ob und wie sich das nach der Herzkorrektur entwickelt, bleibt ab zu warten und gleichermaßen ansprechend sind die nackten Jungs und Mädchen hier schon auf mich. Vielleicht bin ich ja später auch bisexuell oder so, mal sehen. Ich muss jetzt mal an was anderes denken, sonst kann ich den Whirlpool heute nicht mehr verlassen…kicher. Einige der Jungs und die Mädchen alle haben wohl die Haare, die untenrum wachsen, entfernt oder gestutzt, einige haben aber noch alle Haare und auch auf der Brust wachsen welche bei Frank und Matthias. Bei mir sind so gut wie keine, außer auf dem Kopf und eigentlich braucht man ja woanders auch nicht unbedingt welche.
Die erste Gruppe geht jetzt zum zweiten Mal in die Sauna und Chris und Matz, wie ich Matthias gern nennen möchte, kommen wieder zu mir in die Wanne. „Ich würde gerne Matz zu dir sagen an Stelle von Matthias. Darf ich?“, frage ich ihn. Er schaut mich an, belustigt lächelnd und sagt: „Wenn du so sagst, sagen alle so, das ist dir doch klar, oder?“ „Ja, schon“, sag ich, „aber das ist doch nicht schlimm, oder?“
„Na ja, wenn du möchtest, dann darfst du auch Matz zu mir sagen“, sagt er lächelnd, „meine Oma, die leider schon tot ist, hat früher immer Matz zu mir gesagt. Meiner Mutter hat das nicht gefallen und es gab auch schon Streit deswegen, mir war das aber eigentlich egal, denn Oma war zu mir immer besonders nett, weil ich der erste Enkel für sie war.“
„Du musst nicht alles tun, was er von dir möchte, Matthias“, sagt Chris jetzt, „er wickelt gern alle um den Finger, unser Robin.“ Ich strecke ihm die Zunge raus und er lacht.
Ich freue mich, dass Matthias es erlaubt hat, Matz geht einem einfach besser über die Lippen wie Matthias.
Die zwei gehen jetzt mit der zweiten Gruppe wieder in die Sauna und zu mir kommen Kevin und Wolfi, aber auch Ole und Frank, während der Rest wieder ins große Becken zum schwimmen geht.
Das sind echt alles nette Mädels und Jungs und für Chris und noch mehr für mich ist die Erfahrung, Freunde zu haben, fast neu und es ist toll, in einer solchen Gemeinschaft mit machen zu dürfen. In der Schule, in die ich immer gehe, ist das anders, da ist mehr Konkurrenzdenken und Egoismus angesagt, jeder will was besseres sein, wie die anderen und obwohl alle mehr oder weniger behindert sind, gibt es wenig Zusammenhalt.
Gut, das ich da in einer Klasse bin, in der nur Leute sind, die gut mit kommen und in der es echt was zu lernen gibt. Was Computer angeht, weiß ich halt mehr, als die Lehrer und darf immer selbständig arbeiten in den Stunden. Wenn das mit den OPs hinhaut, werde ich mal so was in der Richtung machen, beruflich, mein ich. Chris will ja mal Arzt werden so wie Alex und ich denke, er schafft das auch. Er ist bei Leibe kein Dummer, mein Bruder und wenn er etwas erreichen will, kann er sehr hartnäckig sein und ehrgeizig.
Kevin und ich reden über Möglichkeiten, zusammen das Singen noch zu verbessern, neuere und modernere Lieder ein zu üben. Kevin meint aber auch, dass wir zunächst, bevor wir was Neues lernen wollen, die USA Reise abwarten sollten. Da muss ich ihm recht geben, jetzt wird es sich nicht lohnen, anzufangen.
Dr. Brunner
Nach dem Robin und Chris mit dem Remmers im Aufzug verschwunden sind, geh ich in mein Arztzimmer zurück. Mit dem Bonbongeschmack im Mund ziehen die letzten Jahre an mir vorüber. Mein letzter, mein fünfundvierzigster Geburtstag ist drei Monate vorbei, gefeiert habe ich nicht, sondern war hier in der Klinik, bei meinen vielen, meist jungen und sehr jungen Patienten. Im Moment lebe ich eigentlich nur für meine Arbeit, Privatleben gibt es seit fast zwei Jahren so gut wie keins mehr und in meine Wohnung gehe ich fast nur zum Schlafen.
Robin ist eigentlich mein Lieblingspatient, er ist trotz seiner Krankheit immer fröhlich und gut gelaunt und heitert mich immer wieder auf. Oft haben wir gezittert und gebangt, wenn es ihm schlecht ging aber gegen alle Regeln und Erfahrungen hat uns sein Durchhaltevermögen gerade zu fasziniert. Er ist mehr als einmal dem Tod von der Schippe gehüpft und momentan ist sein Zustand so gut wie selten vorher einmal. Sie werden ihn ganz bestimmt operieren, denk ich und er hat auch eine gute Chance auf Erfolg, wenn alles glatt läuft.
Herz OPs sind nie Routine, vor allem nicht bei Kindern und Jugendlichen und Komplikationen sind nicht selten, aber ich habe ein gutes Gefühl, was Robin angeht.
Mein Zeitkonto ist in den letzten zwei Jahren enorm angewachsen, habe ich doch fast jedes Wochenende gearbeitet, um mich abzulenken vom Unfalltod meines langjährigen Lebensgefährten, den ich sehr geliebt habe. Seit neun Jahren waren wir ein Paar, er war der Grund für meinen Wechsel von einer Klinik in Augsburg hier her nach Bremen. In Augsburg hatte man mir nahe gelegt, zu gehen, da ich als schwuler in einer Partnerschaft mit einem Mann für ein katholisches Krankenhaus nicht tragbar wäre. Mein Partner war freier Journalist und so gingen wir hier nach Bremen, ich ans Klinikum Links der Weser und er bekam einen Job bei Radio Bremen und ist bei der Ausübung des Jobs durch einen Verkehrsunfall schuldlos ums Leben gekommen.
Es war eine sehr, sehr schwere Zeit für mich und manches Mal war ich kurz davor, zu verzweifeln und wäre auch gern tot gewesen. Meine kleinen Patienten, die Tag für Tag hier um ihr Leben kämpften, haben mich von einem Suizid abgehalten. Sie im Stich zu lassen, dazu war ich nicht in der Lage.
Es ist immer noch schlimm, aber es ist jetzt nicht mehr so erdrückend.
Ich werde jetzt versuchen, Jason Bridge in New York zu erreichen, ihm erzählen, das diese Remmers, die Robins OP sponsern, eine größere Firma in New York haben, die auch medizinische Geräte produzieren und vertreiben. Vielleicht kennt er die Firma ja und auch den ein oder anderen Manager dort, das wäre ja vielleicht ganz brauchbar.
Ich werde ihm auch sagen, dass ich eventuell mit Robin mitkomme, wenn es bis Anfang August klappen könnte mit dem Termin zur Untersuchung. Mal sehen, ob das die Sache beschleunigt. Ich werde ihm auch sagen, dass ein Haftungsausschluss erteilt wird, das wird bestimmt sehr förderlich sein, was die Terminfindung angeht.
Ich melde ein Gespräch an nach New York, dort ist es jetzt sieben Uhr morgens und Jason wird schon vor Ort sein denke ich. Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis ich ihn endlich an der Strippe habe und nach ein bisschen Small Talk komme ich dann sehr schnell zur Sache und informiere ihn über die Ausgangslage hier in Bremen. Mit der Anweisung, alle Details und den Haftungsausschluss zu mailen, beenden wir das Gespräch nach fünf und zwanzig Minuten, nicht ohne das ich ihn darauf hingewiesen habe, das mir Robin fast so viel bedeutet, wie ein Sohn.
Auch eine Bankverbindung hat er mir gegeben, mit der Bitte, doch mal fünf hundert tausend Euro im Voraus überweisen zu lassen, auch das würde zur Beschleunigung des Verfahrens bei tragen. Diese Information werde ich dem jungen Remmers, Jerome heißt der, wenn ich das richtig verstanden habe, nach her gleich mal mailen. Mal sehen, ob das dann auch läuft aber vielleicht tue ich ihm gerade Unrecht mit meinen Zweifeln. Er hat einen guten und vor allem ehrlichen Eindruck auf mich gemacht und die Sache scheint ihm sehr ernst zu sein. Robin und Chris scheinen ihm ja voll zu vertrauen und bei Chris will das schon was heißen, der ist eher immer übervorsichtig.
Ich mache die E-Mail fertig, nach dem ich die Adresse aus der Visitenkarte heraus gelesen habe und schicke sie weg. Jetzt ist erst mal alles gemacht, jetzt müssen wir abwarten. Morgen kommt der Chef zurück, dann werde ich ihm sagen, dass ich Robin begleiten möchte. Urlaub habe ich satt und den werde ich dafür nehmen. Dann müssen sie einmal eine Zeitlang ohne mich auskommen, ich denke er wird es verstehen. Wir sind gut besetzt und ich habe viele Dienste für die anderen gemacht in den letzten zwei Jahren, sie werden nicht sauer sein, wenn ich für ein paar Wochen mit Robin fliege, den die meisten hier ja auch gut kennen.
Carl August
Bevor ich mit Kai an der Klinik los gefahren bin, habe ich Jerome gebeten, alle erforderlichen Daten der drei Jungs zu besorgen und auch den Dr. Brunner zu bitten, seine Daten mit zu teilen, damit in der Firma alles, was notwendig ist, für die Einreise, erledigt werden kann. Ich will sie alle als Firmenbesucher angeben, das erleichtert vieles und beschleunigt alles schon dort drüben.
Für den Hinflug will ich auf alle Fälle den Firmenjet einsetzen, weil auch das einiges an Kontrollen und so weiter einspart, hier und auch drüben.
Ich glaube schon, dass Dr. Brunner mit fliegt und zumindest am Anfang bei Robin bleibt, um zu sehen ob und wie es weitergeht da drüben. Da er ja einen der Ärzte dort kennt, kann es ja sein, das sie ihn bei den Untersuchungen mit einbeziehen und später, bei der ersten OP vielleicht auch. Da der Junge so viel Vertrauen in den Doktor hat, wird es für ihn auch leichter, sich dort auf alles einzulassen und es besser ertragen und verkraften mit Brunner an seiner Seite.
In der Firma zurück, gebe ich erste Anweisungen, diktiere eine Mail an die Firma drüben und eine an die Hausmeisterfamilie, damit alle früh genug Bescheid wissen, was auf sie zukommt. Jeromes und Nataschas Aktion, dem kleinen Robin zu helfen, findet meine volle Unterstützung und ist eine sehr gute Sache. Der Kleine wird hoffentlich, wenn alles gelaufen ist, ein halbwegs normales Leben führen können und nicht mehr dauernd auf Hilfe angewiesen zu sein. Das eröffnet dann für seinen Bruder die Möglichkeit, doch noch Medizin studieren zu können.
Ich halte es für sehr wichtig, das junge Menschen den Beruf ergreifen können, den sie sich wünschen, wenn sie die geforderten Bildungsvoraussetzungen haben. Das ist natürlich nicht immer und überall möglich, aber wenn man einen Beruf gerne ausübt, dann ist das schon ein erhebliches Stück Lebensqualität. Ich hatte, wohl ebenso, wie es Jerome haben wird, keine große Wahlmöglichkeit, da die Nachfolge des Vaters nie zur Debatte stand und wie ich meinen Sohn kenne, auch bei ihm nicht zur Debatte steht.
Er wird mich einmal ablösen und mit Sergej an seiner Seite und Ole und noch ein paar guten Freunden die Aufgabe, den Konzern zu leiten, mit Sicherheit gut bewältigen. Er wird die Remmersche Tradition fortführen und die schlechten Sitten, die heute in so vielen Konzernen Einzug gehalten haben, nicht zu lassen. Die unternehmerische Verpflichtung für die Beschäftigten wird nicht auf dem Altar des Kapitalismus geopfert, nicht bei uns.
Onkel Jo
Morgen sind wir zwei Wochen weg von Bremerhaven und wenn man die Mails und die Skype Sitzungen betrachtet, haben Ole und die Jungs und Mädels keine Langeweile gehabt. Es ist immer was los bei denen und es sind wohl auch noch wieder Leutchen dazu gekommen, hat Ole geschrieben.
Wir haben uns gut eingelebt hier und die Zeit ohne Passagiere ist für uns wie Flitterwochen. Joachim hat ein paar Wehwechen behandelt und ist gerade in den Sanitätsbereich gerufen worden, um einen der asiatischen Matrosen zu untersuchen, der über starkes Bauchweh klagt. Ich werde nachher mal rüber gehen und schauen, was da läuft.
Fast siebentausend Kilometer liegen seit dem Ablegen nun schon hinter uns und es war bisher alles ohne Beanstandung und Probleme. Die neue Maschine arbeitet bisher fehlerlos und wir liegen gut im Zeitplan.
Bisher sind uns auch nur wenige Schiffe begegnet, so dass man weit und breit in der Regel nur Wasser sieht.
Ich gehe jetzt rüber in den Sanitätsbereich, in dem etwas Hektik herrscht. Der Patient hat wohl Gallensteine und der Abfluss der Gallenflüssigkeit ist verstopft. Das macht eine OP erforderlich und das wird gerade vorbereitet. Sogar der Kapitän ist erschienen, nach dem Joachim ihm mit geteilt hat, dass eine Operation unumgänglich ist.
„Schafft ihr Freund das, kriegt er das hin?“, fragt mich der Kapitän ein wenig besorgt. „Er ist ein guter Chirurg“, sage ich, „wenn die Narkose OK ist, dann wird das schon.“ Ein Narkosearzt ist logischerweise nicht an Bord aber ein erfahrener Pfleger und wenn in der Vergangenheit was war mit Narkose, dann war das immer erfolgreich, warum nicht auch jetzt.
Nach einer drei viertel Stunde wird der Patient in eines der Krankenzimmer gerollt, zwei Infusionsflasche hängen über dem Bett an dem Gestell. Es ist alles gut gelaufen und Joachim ist jetzt wohl endgültig als neuer und guter Schiffsarzt akzeptiert, der auch größere Herausforderungen meistert.
Das freut mich ganz besonders für ihn und es lenkt die Gedanken einiger Leute an Bord, das er ja schwul ist, ab und lässt diese ihn jetzt wohl deutlich mehr über seine fachliche Qualifikation sehen, als über seine sexuelle Veranlagung. Dieser Prozess hat für mich, allerdings schon vor einigen Jahren, auch stattgefunden.
Offensichtlich müssen sich schwule Menschen oft über ihre fachliche Kompetenz den für andere selbstverständlichen Respekt erwerben.
Jerome
Nach dem Schwimmen sind wir alle hoch zu mir. Von Alex Brunner ist eine Mail gekommen und ich gehe in meinen Schlafbereich, nachdem ich sie gelesen habe, um Papa anzurufen, der unten ihm Arbeitszimmer sitzt. Papa sagt, ich soll runter kommen und ihm die Mail zeigen. Bevor ich runter gehe, will der Matz, wie er jetzt genannt wird, mit dem Rad nach Bremen fahren. Ich rufe Martin an und frage ihn, ob er den Matz und sein Rad mit dem Kombi schnell nach Bremen fahren kann und als der Ja sagt, mache ich Matz das Angebot. Nach dem auch Chris ihn bittet, lieber mit dem Auto zu fahren, stimmt er zu und Chris begleitet ihn nach unten. Ich gehe ebenfalls runter, aber zu Papa ins Arbeitszimmer und zeige ihm die Mail, in der auch die Bank der Klinik ist und die Summe, die wir vorab überweisen sollen.
Papa sagt, das er jetzt drüben in der Firma anruft, dort wird ja Aufgrund der Zeitverschiebung noch gearbeitet und das die Sechshundert Tausend Dollar auf das Klinikkonto überweisen sollen, heute noch.
Ich muss dann morgen auf meine Bank, um das Geld an die Firma zurück zu überweisen, was ich natürlich machen werde, wenn wir, Chris Mutter und er und ich zu Alex Brunner fahren und den Haftungsausschluss fertig machen und rüber faxen. Ich lass Papa mein Handy mit der Mail und gehe wieder nach oben. Chris kommt von draußen rein und geht vor mir die Treppe hoch. Ich sage ihm, dass das Geld überwiesen ist und dass wir morgen früh die Sache mit der Haftung noch erledigen müssen, dann wäre alles gemacht. Oben dreht er sich um und umarmt mich. Mit Tränen in den Augen bedankt er sich noch mal bei mir, das wir Robin helfen. Nach dem er sich beruhigt hat, gehen wir wieder zu den anderen.
Chris
Nach dem Schwimmen und der Sauna so gegen Sieben, sind wir dann alle hoch in Jeromes Wohnbereich. Dort haben er und Sergej Knabbersachen, Gummitiere und diverse Getränke geholt und Jerome hat den großen Fernseher angemacht und nun läuft MTV. Robin sitzt in Jeromes Rolli vor der großen Glotze und wippt im Takt der Musik mit dem Oberkörper hin und her. Das sieht lustig aus und alle gucken amüsiert zu. Um acht Uhr muss er seine Tablette holen, die und auch einen Inhalator, falls das Herz Probleme macht, habe ich immer dabei, wenn wir unterwegs sind.
Matthias, jetzt nur noch Matz genannt, will jetzt los, er hat ja das Rad dabei und muss noch nach Bremen. Jerome sagt zu ihm: “Warte mal, ich frage Martin, der kann dich und dein Rad bestimmt nach Bremen fahren. Es ist spät und unterwegs wird es bestimmt dunkel. Du fährst besser mit dem Auto.”
Ich halte das auch für sicherer und bitte Matz, Jeromes Angebot anzunehmen.
Meine Sorge um ihn freut ihn sichtlich und er stimmt zu.
Als Martin kommt, gibt ihm Sergej die Schlüssel von dem Kombi und Martin geht mit Matz, nach dem der sich verabschiedet hat, nach unten. Ich gehe mit ihm runter, helfe beim Einladen des Rades und drücke ihn zum Abschied kurz an mich. “Ruf mich an, wenn du zu Hause bist und morgen Früh auch, vielleicht können wir ja was mit Robin unternehmen”, sag ich, bevor er einsteigt. Er strahlt mich an und sagt:” Ich freu mich drauf, bis nach her.” Die Türe fällt zu und Martin fährt los. Nachdenklich gehe ich wieder nach oben, Jerome kommt unten aus der Wohnung und geht mit mir hoch.
“Es ist jetzt alles gemacht bis auf den Haftungsausschluss, den müssen deine Mutter, Du und Brunner morgen schreiben, unterschreiben und rüber faxen. Das Geld ist morgen auf dem Konto der Klinik”, sagt er auf der Treppe hinter mir. Oben drehe ich mich zu ihm rum und umarme ihn, bedanke mich, mit Tränen in den Augen dafür, dass sie Robin helfen. Er hält mich fest, bis ich mich wieder im Griff habe, erst dann gehen wir zu den anderen.
Um halb Zehn wird Sergej uns nach Hause fahren, wenn Martin zurück ist mit dem Kombi, dann sind wir daheim, wenn Mama kommt. Sie wird wissen wollen, was bei Brunner besprochen wurde und wie es jetzt weiter gehen soll mit allem. Das alles Mal so kommt, habe ich nicht zu hoffen gewagt und eigentlich muss ich mich ja auch bei Noah bedanken, der mit seiner Neugier und dem Bedürfnis, mich aus zu fragen und dann seinem Gespräch mit Jerome danach, alles ins Rollen gebracht hat. Das Schicksal geht manchmal schon seltsame Wege und wenn ich nicht schwul wäre und auf Noah reagiert hätte, wer weiß, ob sein Interesse an mir dann auch so groß gewesen wäre.
Matz spuckt mir im Kopf herum, viel mehr eigentlich, als es mir im Moment lieb ist, aber ich kann mich nicht dagegen wehren. Wenn er mich anschaut, wird mir warm und oft ist er einfach in meinem Kopf, verdrängt sogar den Robin ein wenig, wenn ich allein bin. Ich mag ihn wohl doch mehr, als ich es selber vor mir zugeben will. Ich lasse jetzt mal alles auf mich zu kommen, mal sehen, wie es weiter geht mit allem, was jetzt angefangen hat.
Zunächst endet mal meine Zivizeit am Freitag, dann ist erstmals Urlaub. Im Urlaub will ich viel mit Robin unternehmen, raus aus der Bude und gucken, was los ist in und um Bremerhaven. Schade, das Jerome und seine Leute mit einem Schiff fort fahren und zehn Tage weg sind. Das ist wohl schon länger geplant, es bleiben aber auch Leute hier, Noah und Rolf zum Beispiel, Enrico und Paul und auch Marvin und Marie werden wohl hier bleiben. Armin und Denise fahren mit Armins Eltern fort und Torsten und Sigrid werden auch nicht mit fahren, wenn ich das recht verstanden habe.
Tom und Micha haben erst Anfang August Urlaub oder ab der letzten Juliwoche und Matz bleibt ja auch hier. Also Leute genug, mit denen wir vielleicht das ein oder andere unternehmen können.
Martin ist wieder zurück und Sergej fährt Robin und mich jetzt nach Hause. Es waren drei wunderbare Tage hier bei Remmers und ich bin sehr froh, dass wir so viele neue Freunde gewonnen haben, etwas das wir bisher so nicht kannten. Wir verabschieden uns von allen und Robin wird von Jerome noch ein bisschen zärtlich geknuddelt. Der Kleine gibt Jerome dann noch einen Kuss auf den Mund, bevor wir dann nach unten fahren mit ihm. Der Rolli bleibt unten im Eingangsbereich zurück und als der Kleine angeschnallt auf seiner Sitzerhöhung thront, fährt Sergej los. Fünfzehn Minuten später sind wir bei uns vorm Haus und wir sagen Sergej “Tschüss”, nach dem wir aus gestiegen sind.
Sergej fährt los und wir gehen rein und bald drauf kommt auch Mama heim und drückt und küsst uns zur Begrüßung.
In Robins Zimmer erzählen wir dann von unserem Tag, von Alex und dem Gespräch, von der Untersuchung und das alles ganz gut ist mit Robin. Besonders freut Mama sich, dass Alex wahrscheinlich mit fliegt in die USA, das wäre für sie sehr beruhigend, Alex bei Robin zu wissen. Robin, der in seinem Rolli sitzt, dem fallen die Augen zu und ich nehme ihn, lege ihn auf sein Bett und ziehe ihn aus. Nachdem ich ihm seine Schlafsachen, eine Spongebob Boxer und ein Shirt, an gezogen habe, lege ich ihn richtig hin und decke ihn zu. Mama küsst ihn und wünscht ihm eine gute Nacht und als ich ihn küsse, schlingt er beide Arme um mich, drückt mich und sagt in mein Ohr: “Danke für alles, du bist der beste Bruder, den man haben kann. Ich habe dich ganz doll lieb. Gute Nacht, Chris.” Jetzt dreht er sich um und schläft auch gleich ein.
Ich geh zu Mama in die Küche, erzähle ihr noch einiges von den letzten drei Tagen und sie freut sich, dass wir so einen tollen Anschluss gefunden haben.
Es ist fast elf Uhr, als ich in mein Zimmer gehe und mich Bett fertig mache. Im Bett zieht alles noch mal gedanklich an mir vorüber und der letzte Gedanke, den ich bewusst wahrnehme, gilt Matz, dann bin ich weg gepennt.
Matz
Der Martin ist sehr nett und wir haben uns unterhalten unterwegs nach Bremen. Die letzten Tage bieten ja genügend Gesprächsstoff, es ging aber fast ausschließlich um Robin und unseren Tripp in die Vereinigten Staaten. Martin erzählte, dass auch er mit Remmers schon öfter drüben in dem Haus war und er dort alles gut kennt. Er sagte mir auch, das wir dort nie allein in der Stadt rum laufen sollten, sondern immer in Begleitung der von der Firma gestellten, ortskundigen Security, die dafür sorgt, das wir nirgendwo hin gehen, wo es für uns gefährlich ist und die uns beschützt, vor was auch immer.
Das hat natürlich den Nachteil, dass wir außerhalb des Hauses so gut wie nie allein sein werden, aber man kann nicht alles haben und im Haus sind wir ja dann unter uns.
Wir sind in dreißig Minuten bei uns am Haus und Martin hilft mir, das Rad auszuladen. Nach dem ich mich bedankt und verabschiedet habe, bringe ich das Rad in die Garage, die ich mit einer kleinen Fernbedienung geöffnet habe. Im Wohnzimmer brennt Licht, also gehe ich hinein und sage Bescheid, dass ich zurück bin.
“Ich war mit dem Rad in Bremerhaven, bei Chris und dann bei Remmers”, sag ich, “der Martin hat mich jetzt mit dem Auto her gebracht, sie haben gemeint, es wäre schon zu spät, um mit dem Rad nach Bremen zu fahren. Die sind alle sehr nett und ich bin froh, dass ich mit euch am Samstag dorthin gefahren bin und so viele nette Leute kennen gelernt habe.”
Meine Tante freut sich und meint: “Es ist gut, das du dabei warst, gesehen hast, das es auch so etwas wie Normalität gibt trotz Schwul sein und dort war ja jetzt echt alles OK, oder meinst du nicht?”
“Ja, es war toll, wie selbstverständlich dort alle miteinander umgehen”, sag ich, “das ist völlig neu für mich und hat mich schon beeindruckt. Auch, das sie Leuten in Not helfen, nicht nur dem Robin jetzt, nein, auch dem Paul, dem Kevin und auch den Zwillingen haben sie geholfen und tun es noch. Es ist schon eine tolle Familie und auch ein toller Freundeskreis und ich freu mich, dass ich jetzt auch dabei sein darf.”
“Was war denn mit den anderen Jungs, das sie denen auch geholfen haben?”, will mein Onkel wissen.
Ich erzähle von Kevin, von dem Missbrauch in Dresden, von Enrico und dessen Vater und auch von Pauls Erfahrungen, was Gewalt durch Eltern angeht und auch, was die Familie Remmers für die Jungs getan hat. Sergej hat mir das alles erzählt, am Samstagabend und es hat mich schon sehr beeindruckt, was da alles gelaufen ist.
Auch meine Wahleltern, das kann man wohl so nennen, sind beeindruckt und freuen sich mit mir. das ich jetzt wohl endlich Anschluss gefunden habe an andere schwule Jungs, wobei hier ja auch klassische Pärchen, also Heteros dazu gehören.
“Ich hatte den Eindruck, dass dir der Bruder von dem kleinen Robin nicht ganz gleichgültig ist”, sagt die Tante jetzt und macht mich damit ein bisschen verlegen. “Du meinst den Chris”, sag ich, “ja, der gefällt mir gut und ich werde mit den Beiden in die USA fliegen, wenn der Kleine dort operiert wird. Das haben wir so vereinbart und wenn alles klappt, werden wir vielleicht auch nächstes Jahr zusammen Medizin studieren, wenn Chris das auch will. Ich hoffe, dass wir in New York zusammen kommen, denn ich mag ihn sehr und er mich ja auch schon ein bisschen, hat er gesagt.”
“Das würde uns sehr freuen, wenn du ihn als Freund hättest”, sagt Tantchen und lächelt dabei, “du kannst ihn jederzeit zu uns einladen, den Kleinen auch, ganz wie du willst. Auch die anderen aus diesem Kreis sind uns willkommen, ich möchte, dass du das weißt.”
“Danke, das freut mich sehr”, sag ich, “ich bin froh und euch sehr dankbar, das ihr mich wie einen Sohn hier auf genommen habt, als ich zuhause nicht mehr bleiben konnte. Ich fühle mich längst hier zuhause, hier bei euch, die ihr für mich quasi wie Eltern seid, ich bin so gern bei euch und werde euch ewig dankbar sein. Ihr habt mich gerettet, sowie die Remmers die Jungs gerettet haben, aus einem extrem feindlichen Umfeld hinein in Frieden und Geborgenheit. Danke dafür.”
“Wir haben das sehr gern gemacht”, sagt der Onkel jetzt, “du bist ein toller Junge und alles, was sie mit dir machen wollten, deine Eltern, mein ich, hätte dich zerstört. Wir, die wir leider keine eigenen Kinder haben, waren von Anfang an froh mit dir und mit deinem Verhalten hast du uns schon hundertfach gedankt, das wir dich auf genommen haben. Es war wohl die beste Entscheidung seit unserer Hochzeit und wir lieben dich wie ein eigenes Kind. Egal, was passiert, hier bist du immer zuhause.”
Ich bin zu tiefst gerührt über das, was die Beiden gesagt haben und ich nehme erst sie und danach ihn in die Arme, drücke sie und sage noch mal Danke für alles.
“Ich bin müde”, sag ich, “ich werde jetzt schlafen gehen. Gute Nacht, ihr beiden, ich habe euch lieb.” Das Lächeln auf ihren Gesichtern begleitet mich nach oben und zehn Minuten später liege ich im Bett. Ich fühle mich gerade sehr gut, nehme mein Handy und schicke eine SMS an Chris: “Gute Nacht, Chris, bis morgen. Ich mag dich. Matz.” Dann drücke ich auf senden und lege das Handy in die Schublade. Im Einschlafen brummt es in der Lade und morgen früh lese ich dann die Antwort.
1 Kommentar
Huhu, und auch die 71ste Folge ist super geworden und so wie ich das seh, wird früher oder später ein weiteres Paar zusammenfinden. Bin gespannt auf die Fortsetzung.
VlG Andi