Chris
Ich bin mich gerade am fertig machen für ins Bett zu gehen, Robin schläft schon fest und zufrieden, als eine SMS eintrudelt. Freudig denke ich gleich an Matz und als ich drauf schaue, ist es auch von ihm. „Gute Nacht Chris, bis morgen. Ich mag dich. Matz“ steht da auf
dem Display und es freut mich sehr, dass er das jetzt geschrieben hat.
„Ich mag dich auch sehr und freue mich. Wenn du um halb zehn in der Cafeteria vorbei kommst, gibt es Frühstück mit Chris“, schreib ich zurück und sende es. Eine Antwort kommt aber nicht mehr und mit dem Gedanken, mal bei Matz und mal in New York schlafe ich ein.
Der Wecker steht auf sechs Uhr, Robin ist auch in den Ferien immer um acht wach und Mama ist ja zu Hause. Nur noch diese Woche, dann ist das Jahr Zivildienst vorbei, auch für Matz und wir können öfter was zusammen machen, mit Robin und auch mit den neuen Freunden, die ja zum Teil dann hier sind und auch Ferien haben.
Noah und Rolf werden wohl morgen entlassen, müssen aber jeden Tag in die Klinik kommen, Reha ambulant, das ist anstrengend und schlaucht ganz schön. Wenn man wieder fit werden will, muss das aber schon sein und beide sind ja Sportler, da wird es schon bald wieder gehen, denk ich.
Als der Wecker um viertel vor Fünf geht, fühle ich mich, als wäre ich erst vor zehn Minuten eingeschlafen und ich dusche ziemlich kühl, um richtig wach zu werden. Ein Blick in Robins Zimmer, das mach ich jeden Morgen, zeigt mir, dass er noch friedlich schlummert und er sieht zufrieden und sehr süß aus dabei, mein heiß geliebter kleiner Bruder, der jetzt hoffentlich bald gesund gemacht wird.
Heute muss Mama zu Alex Brunner, den Haftungsausschluss machen mit ihm, er kann es ihr am besten erklären und es dann auch rüber faxen in die Staaten.
Als ich in die Küche komme, ist Mama schon auf und hat Kaffee gemacht und den Tisch gedeckt. Das tut sie jeden Morgen, seit ich zur Schule gegangen bin und selten fing ein Tag ohne sie an. Robin und ich, wir haben Mama ganz doll lieb, mit ihr reden wir über alles und auch mein Comini out bei ihr war super.
Zusammen frühstücken wir und ich sag ihr, dass sie Alex anrufen und hinfahren muss, heute noch, wenn es geht. Wenn das erledigt ist, sind von unserer Seite alle Bedingungen erfüllt.
Ich erzähle Mama, dass Jeromes Vater schon das Geld an die Klinik über die Firma in New York angewiesen hat. So richtig realisiert hat Mama es noch nicht, das Robin jetzt doch noch eine reelle Chance auf ein normales Leben bekommt und ich vermute, dass unterschwellig auch ein bisschen Angst im Spiel ist, das etwas schief geht bei den OPs und Robin sterben könnte.
Risiko ist immer, hat Alex gesagt und der Kleine sagt oft; „Wer nicht wagt…..“, aber ich kann Mama schon verstehen, das sie Angst hat, der Kleine könnte sterben bei der Sache. Wenn er als Säugling damals gestorben wäre, das hätte sie bestimmt besser verkraftet als wenn ihm jetzt was passieren würde. Sie liebt ihn sehr, abgöttisch fast und der lange Kampf um ihn und um sein Leben hat sie noch enger zusammengeschweißt.
Wir müssen jetzt einfach positiv denken, so wie Robin es tut, nach vorn schauen und die Chance nutzen.
Wir haben vier Asse auf der Hand, warum sollte der Sensenmann ausgerechnet bei Robin einen Royal Flash haben?
Ich hoffe sehr, dass es klappt und mit dieser Hoffnung steige ich auf meinen Roller und fahr nach Bremen in die Klinik, wo ich etwa fünf vor sechs an komme. Sechs Uhr beginnt die Frühschicht und geht bis Zwei, auch für Matz, allerdings auf der Urologie, mal sehen, ob er um halb zehn zum Frühstück in die Cafeteria kommt.
Matz
Gleich, nach dem der Handywecker mich wach gemacht hat, sehe ich auf dem Display, dass das Brummen des Handys gestern Abend in der Schublade kein Traum war. Chris hat gestern Abend noch geantwortet.
Er schreibt, dass er mich auch sehr mag und dass er sich freut, wenn ich zur Pause um halb zehn in der Cafeteria mit ihm frühstücke, was ich natürlich machen werde.
Freudig, mit der am Morgen üblichen Latte steige ich in die Dusche und heute Morgen ignoriere ich mein hartes Teil nicht, sondern mit Chris Bild vor Augen mache ich mir ein lustvolles Entspannungsgeschenk und stell mir vor, das er mich reibt. Nach dem für meine Erfahrungen sehr heftigen Ende sehe ich dem Tag und dem Treffen mit Chris sehr freudig entgegen und zehn Minuten später sitze ich fertig unten beim Frühstück, mit Onkel, der mich wie immer, morgens mit in die Klinik holt, wenn ich Frühdienst habe. Eigentlich müsste er erst später hin, aber er macht das für mich und fängt halt dann auch früher an.
Pünktlich um sechs Uhr bin ich auf der Station und die Stationsschwester stellt uns einen neu zugewiesenen Pfleger vor, der mit Namen Janus Westermeier heißt. Er ist etwa vierzig, groß und ein bisschen korpulent, der Mann und war vorher auf einer anderen Station eingesetzt.
Dann beginnt der Dienst und ich gehe mit einem Schüler, der Tobias heißt und im dritten Ausbildungsjahr ist, zum Betten machen.
Nur wenige Patienten können das Bett verlassen und so machen wir die meisten Betten, wenn die Leute noch drin liegen. Viele sind operiert und haben Schläuche und Katheder und man muss ziemlich aufpassen. Später müssen viele auch noch gewaschen werden und ich hoffe, dass wir um halb zehn auch durch sind damit. Diese Station ist für das Personal sehr arbeitsintensiv und die Frühschicht ist die, die am meisten leisten muss. Darum sind auch immer zwei Leute mehr auf der Frühschicht, als auf der Mittagsschicht. Wir rödeln ganz schön jeden Morgen hier rum und wenn Feierabend ist um vierzehn Uhr, weiß man schon, was man geleistet hat.
Robin
Um Acht, wie fast immer in den Ferien, bin ich munter und gehe vorsichtig ins Bad, pullern und waschen, duschen tu ich immer meist abends, wenn Chris da ist und gestern war ich ja noch bei Jerome und in der Sprudelwanne auch. So ein affengeiles Teil will ich später auch mal haben, wenn ich genug Kohle verdiene.
Später…jetzt kann ich nochmal mit Hoffnung an ein „Später“ denken, wo es in die USA geht zum operieren. Mein Gefühl sagt mir, dass es ein „Später“ geben wird für mich, wenn nichts unvorhergesehenes passiert.
Ich will und werde das schaffen und danach soll ja alles besser werden für mich und dadurch auch für Mama und Chris.
Mama kann dann auch wieder Frühschicht machen und nicht immer Mittag, kann dann auch abends mal ausgehen, vielleicht ja mal jemanden kennen lernen oder so und Chris kann Medizin studieren, mit Matz, hoffe ich. Sie haben auf so viel verzichtet wegen meiner Krankheit, waren in ständiger Sorge um mich und haben alles für mich getan in all den Jahren.
Einen Papa durfte ich nie haben, der ist bereits vor meiner Geburt gestorben und ich kenne ihn nur von Bildern. Auf dem Hochzeitsbild mit Mama sehen beide einfach wunderschön aus und Chris sieht dem Papa schon ein bisschen ähnlich.
Chris ist auch ein hübscher Kerl und der Matz hat schon Geschmack, das er auf Chris abfährt. Es wird Zeit, dass Chris mal einen festen Freund bekommt, das hat er einfach verdient, mein Bruder. Der Matz würde schon gut zu ihm passen und mir wäre der auch willkommen so als Schwager oder wie das heißt.
Nach dem ich aus dem Bad komme, hole ich mir was zum Anziehen und ziehe mich auf dem Bett an. Das geht alles ein bisschen gemächlicher als bei Chris oder anderen und so bin ich dann nach etwa zehn Minuten Tageslicht tauglich und setze mich in meinen Rolli, um in die Küche zu Mama zu fahren. Nach Waschen und anziehen ist mir das Laufen am Handlauf entlang bis in die Küche zu viel, also fahre ich.
Die Türe ist offen an der Küche, also fahre ich durch bis an den Tisch, der wie immer gedeckt ist. Kaffee gibt es für mich nicht, wegen Coffein und so, aber Fruchtsaft, Schorle oder auch Kakao geht.
Mama kommt aus ihrem Schlafzimmer, knuddelt mich kurz, küsst mich auf den Mund und wünscht mir einen guten Morgen, bevor sie fragt, ob ich Kakao möchte.
Als ich ja sage, macht sie gleich welchen und will dabei wissen, ob ich auch gut geschlafen habe. Meine Antwort wartet sie gar nicht ab, sondern sagt gleich: „Ich muss nach her zu Alex Brunner nach Bremen, um halb elf soll ich da sein.“ „Ich will mit, Mama, mit zu Alex und will nicht allein bleiben“, sag ich. „Ich habe dich noch nie allein gelassen, das weißt du doch, mein Schatz“, sagt sie und streicht mir über den Kopf.
Allein war ich eigentlich noch nie, selbst jetzt steht noch ein Babyphon in meinem Zimmer und das Gegenstück an Mamas Bett. Wenn es Probleme gab und ich nicht in die Klinik musste, hat Chris bei mir geschlafen und war immer da, wenn ein Anfall kam und ich inhalieren musste. Allein, das kenne ich so gut wie gar nicht.
Um zehn vor Zehn, ich war noch im Internet, fahren wir mit unserem schon etwas älteren Opel nach Bremen zu Alex, der bereits in seinem Büro auf uns wartet. Nachdem er Mama begrüßt hat, nimmt er mich unter den Armen und hebt mich wie immer auf seinen Schreibtisch und hilft mir, die Joggingjacke aus zu ziehen und auch mein Spongebob Unterhemd.
Jetzt werde ich akribisch abgehorcht und auch abgeklopft, bevor ich mich wieder, dieses Mal mit Mamas Hilfe, wieder anziehe. „Wir haben das doch erst gestern gemacht, Alex“, sage ich. „Ich weiß, Robin“, sagt er, „aber du weißt auch, das vor den Bonbons immer erst ab gehorcht wird. Lieber einmal mehr, als zu wenig. Jetzt darfst du uns einen Schokoriesen holen oder ein Werthers, wie du willst.“
Ich schau Mama an und ihr Mund formt lautlos das Wort Schoko und so hole ich ein Werthers für mich und zwei Schoko für die Beiden und gebe sie ihnen, bevor ich den ausgepackten Werthers in meinem Mund versenke. Ich setze mich auf einen der freien Stühle und lutsche an meinem Bonbon……Sau lecker sind die.
Alex gibt Mama ein bedrucktes Blatt und erklärt ihr, dass das der Haftungsausschluss ist, ohne den ich wohl kaum eine Chance auf eine Operation habe.
Er sagt, das in Amerika in Fällen, wo nicht alles glatt geht bei Operationen die Kliniken von den Leuten auf hohe Millionensummen Schadenersatz verklagt werden und das dann die Geschworenen am Gericht, die ja alles Laien sind, sehr oft den Klägern recht geben und die Klinik nicht selten daran kaputt geht. Durch den Haftungsausschluss verpflichten sich die Patienten, auf solche Millionenklagen zu verzichten, was aber nicht heißt, das man im Falle einer fehlerhaften Behandlung kein Recht auf Schadenersatz hat, allerdings entscheidet darüber dann ein Schiedsgericht mit Fachleuten und auch die Entschädigungen fallen deutlich moderater aus.
Mama und Alex unterschreiben das Papier und dann hält Alex mir den Stift hin und sagt: „Du bist der Betroffene und als solcher sollst du, wenn du damit einverstanden bist, das auch mit unterschreiben“, sagt er zu mir. Ich gehe auf seine Seite vom Schreibtisch, stelle mich neben ihn und lese den Text, der da in Deutsch und in Englisch steht, dann unterschreibe ich an der Stelle, an der mein Name steht und es ist die erste offizielle Unterschrift unter ein Dokument, wieder mal eine Premiere, die häufen sich in den letzten Tagen.
Nun faxt Alex das Blatt über den großen Teich und meint, dass wenn dort drüben nach her die Arbeit beginnt, liegt es vor und wir haben alle Auflagen erfüllt, die gefordert waren.
Jetzt lädt er uns auf einen Kaffee oder Kakao in die Cafeteria ein und wir gehen zusammen dort hin. Als wir bestellt haben, ich bekomme einen Schokodonut und Kakao, sagt Alex, dass er schon heute früh bei seinem Chef war und dass er mit kommt in die Staaten. Ich stoße einen Jubelschrei aus und geh zu ihm und umarme ihn. „Danke, Alex, das ist so toll“, sag ich, „ich freue mich so!“ Auch Mama gefällt das sehr und auch sie sagt: „Danke, Dr. Brunner, das gibt mir jetzt ein gutes Gefühl.“ „Ich habe Anspruch auf drei Monate Zeitausgleich und auch noch einiges an Urlaub“, sagt er, „und mein Chef wird dort anfragen, ob ich diese Zeit zu einer Art Fortbildung nutzen kann dort an der Klinik. Ich denke, das sie mich schon teilnehmen lassen am Dienst und ich kann dort bestimmt noch einiges lernen.“ Die Ankündigung, mit zu fliegen, gibt mir ein tolles Gefühl, mit Alex kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen.
Sein Piepser geht und er muss weg, sagt „Tschüss“ und geht zum Aufzug. Mama bezahlt und dann gehe ich an ihrer Hand langsam zum Auto. Zuhause will sie noch schnell was kochen und später muss sie ja auch zur Arbeit aber dann kommt ja Chris auch schon bald nach Hause. Wenn wirklich mal was wäre, wenn ich allein bin, so habe ich einen Hausnotruf, der immer aktiviert wird, wenn Mama los fährt und den Chris, wenn er kommt, wieder ausschaltet. Das habe ich jetzt erst zweimal gebraucht, das ist aber schon länger her.
In der Zeit, wo Mama kocht, schreibe ich an Winston und schildere ihm die Lage. Er wird sich freuen, dass wir kommen und am meisten wohl aufs Pizza essen mit mir. Ich freue mich auch, ihn endlich in echt zu sehen und mit ihm was zu unternehmen.
Matz
Es ist schon zwei nach halb Zehn, als ich von Station weg komme und zur Cafeteria hetze. Chris sitzt schon dort und ich hole mir an der Theke einen Cappuccino und ein Brötchen, bevor ich mich zu ihm setze.
„Hi, du scheinst im Stress zu sein“, sagt er und schaut mich an. „Ja, bei uns geht’s echt rund heute Morgen.
Wir springen seit dem Wecken total im Dreieck und erst jetzt ist es etwas ruhiger geworden“, sag ich zu ihm.
„Wie viel Leute seid ihr denn auf der Frühschicht?“, will Chris jetzt wissen. „Drei Examinierte, ein Schüler im dritten Jahr und ich als Zivi“, sag ich, „und heute Morgen noch ein Neuer, der war vorher auf einer anderen Station.“ Chris guckt mich an, schluckt den Mund leer und fragt dann: „Einen Neuen? Woher und wie heißt er?“
„Der hat so einen komischen Namen“, sag ich, „wenn man den ersten Buchstaben streicht, erhält man das lateinische Wort für Arsch.“ Ich grinse über meinen Witz, Chris nicht. „Janus“, sagt er, „Janus Westermeier.“
„Genau, woher kennst du ihn?“, will ich wissen.
Zum Pausenende weiß ich alles über diesen Menschen, alles, was Chris über ihn weiß und mit gemischten Gefühlen gehe ich, nachdem wir uns für den Dienstschluss am Haupteingang verabredet haben, zurück auf die Station. Er gefällt mir immer besser, der Chris und ich glaube, er mag mich auch.
Mein Onkel wird staunen, wenn er hört, dass dieser homophobe Knochen jetzt hier ist bei uns auf der Urologie. Ich überlege gerade, ob ich ihm das überhaupt sagen soll, ich habe ja nur noch diese Woche hier und dann bin ich weg. Von mir weiß hier niemand, dass ich auf Jungs stehe, was kann der mir schon wollen, denk ich.
Ich werde mal abwarten, Angst habe ich keine weil der Chefarzt hier und mein Onkel sich gut kennen und wenn wirklich was wäre, kann ich ja zur Not die letzten Tage auch noch wechseln.
In einer ruhigen Minute, die Patienten haben alle ihr Mittagessen, sagt der Neue zu mir: „Du hast heute Morgen in der Cafeteria mit jemand am Tisch gesessen, kennst du den näher?“ „Der ist auch Zivi hier, aber auf einer anderen Station“, sag ich ausweichend. „Kennst du den näher?“ will er wissen. „Wir sehen uns ab und zu hier“, sag ich und damit wiederum nichts Konkretes „Warum interessiert dich das?“
„Nur so, ich dachte, du kennst ihn näher oder bist sogar mit ihm befreundet“, sagt er.
„Was wäre daran schlimm, wenn ich mit ihm befreundet wäre“, sag ich, „und was wäre daran für dich von Bedeutung, was hat er mit dir zu tun, das du so etwas fragst?“
„Das ist so eine Schwuchtel, verstehst du, eine schwule Sau und die haben hier eigentlich nichts verloren“, sagt er jetzt bissig, „wegen ihm musste ich die Station wechseln, wegen ihm und einigen schwulen Patienten und Besuchern. Der da hat noch was gut bei mir.“
Ich schaue wohl gerade nicht so cool aus der Wäsche nach dieser Ansage, hole tief Luft und sage dann: „Ich habe nichts gegen schwule Menschen, das sucht sich ja keiner aus und mir hat auch noch nie einer was getan. Ich kann mir auch nicht vorstellen, das dir schon mal einer an die Wäsche wollte.“ Sein Gesicht ist zum Schießen, er begreift wohl gerade, das er einfach Scheiße aussieht und wohl kaum einer je etwas von ihm wollen würde.
Bevor er antworten kann, ruft mich der Stationsarzt und gibt mir einen Auftrag. Ich muss runter ins Labor und lasse Mister Universum Anus einfach stehen. Ich bin mal gespannt, was da noch kommt von dem. Die hellste Kerze auf der Torte ist er auf jeden Fall nicht, aber ich werde Chris bitten, vorsichtig zu sein, wer weiß, was der noch macht. Seit ich am Samstag von Franks Exfreund gehört habe, was der alles angestellt hat, da macht man sich bei so versteckten Drohungen wie vorhin von Anus schon ein paar Gedanken.
Das nächste Mal sehe ich ihn erst wieder zum Schichtwechsel und ich gehe mich schnell umziehen, um dann Chris zu treffen.
Ich bin heute mit dem Auto hier, einem Daccia Duster, den mir der Onkel nach Bestehen des Führerscheins geschenkt hat. Der hat eine Anhängerkupplung und darauf einen Fahrradträger. Mit dem Wagen fahre ich oft zum Training zu bestimmten Strecken, aber auch zu den Wettkämpfen. Der hat Allrad und ist sehr zuverlässig. Chris kommt wohl meist mit dem Roller und der steht ebenfalls auf dem Personalparkplatz.
Als Chris zum Haupteingang kommt, laufen wir zusammen auf den Parkplatz und gehen zu seinem Roller. Ich erzähle ihm von dem Gespräch zwischen Anus und mir und bitte ihn, schon vorsichtig zu sein.
„Vielleicht sollten wir uns hier in der Klinik nicht mehr treffen“, sagt er, „ich will nicht, dass du auch noch Stress mit dem Anus bekommst.“
„Wegen dem werde ich auf Treffen mit dir nicht verzichten“, sag ich, „ich habe keine Angst vor dem und wenn ich dich sehen will, geht ihn das einen Dreck an.“
Die Antwort freut ihn deutlich und er sagt:“OK, dann ist das ja geklärt. Fährst du jetzt mit zu uns oder willst du heim fahren?“
„Eigentlich müsste ich noch trainieren heute“, sag ich, „aber ich fahre lieber mit zu Euch, wir können mit Robin ja was unternehmen, wenn der Lust hat.“
„Wir könnten mit Robin in den Zoo fahren oder im Bürgerpark Tretboot fahren“, sagt Chris, „oder aber auch ins Schifffahrtsmuseum, was in der Nähe des Zoos liegt.“
„Fahr du los mit dem Roller“, sag ich, „ich komme sofort nach. Ich sag nur der Tante noch, das ich mit zu Euch fahre.“
Chris setzt seinen Helm auf und legt einen Nierengurt an, dann fährt er los. Nach dem ich zu Hause an gerufen habe, fahre ich auch Richtung Bremerhaven. Es ist viertel nach zwei und ich brauche fünf und dreißig Minuten, bis ich vor dem Haus ankomme. Der Kleine öffnet mir die Türe, strahlt mich an und freut sich. „Schön, dass du auch kommst“, sagt er und rollt in sein Zimmer. Nach dem ich die Schuhe ausgezogen habe, folge ich ihm. Chris ist wohl noch in der Küche, er isst ja immer zuerst, wenn er heim kommt, hat er mir erzählt.
Jerome
Ausschlafen mit Sergej, frei heute und außer dem Bankbesuch in Bremen liegt nichts Besonderes an, für den Haftungsausschluss werde ich ja nicht gebraucht, das muss Chris und Robins Mama mit Alex Brunner machen. Also wird bis halb zehn Uhr gepennt und dann, nachdem ich von meinem Schatz wach geküsst worden bin, gehen wir zusammen ins Bad, wo wir bei den gegenseitigen Waschungen an diversen, zur Steifheit neigenden Körperteilen viel Spaß haben und Energie tanken für den Tag. Was jetzt noch an Müdigkeit in den Knochen steckt, wird beim anschließenden Frühstück mit reichlich Kaffee einfach weg gespült.
Nun, um halb elf, vorerst gesättigt und munter, tut sich die Frage auf, was wir mit dem angebrochenen Tag machen sollen.
Sergej könnte ja mit mir zur Bank fahren, vorher zu Papa, die Daten holen, dann das Geld anweisen und dann zur Baustelle, wo er mir dann erzählen kann, was sie gestern dort noch alles vereinbart haben, als sie mit Mama und der Innenarchitektin dort waren. Ole fährt doch mit Frank bestimmt auch noch dorthin, ich ruf den gleich mal an, wir könnten uns ja dort treffen.
Ole und Frank kommen auch zur Baustelle, so gegen halb zwölf und warten auf jeden Fall dort auf uns aber ich denke, dass es bei der Bank nicht solange dauert.
Sergej und ich fahren los, mit dem Kombi und zuerst zu Papa, dem ich gesimst habe, dass er mir die Bankdaten der Firma drüben raus schreibt.
Die hole ich dann schnell bei ihm ab und ab geht es zur Bank. Dort werde ich zügig und zuvorkommend bedient und das Geschäft ist flott abgewickelt. Der Bankmensch hat schon ein bisschen erstaunt geguckt, als ich die „schlappen“ Sechshundert Tausend Dollar überwiesen habe. Nun, viel mehr wie die Portokasse war das eigentlich nicht, aber ich kann ja nichts dafür und eigentlich bin ich ja auch sehr froh, dass wir Robin jetzt damit helfen können, meine Schwester und ich.
In der WG, das kann man jetzt schon so sagen, ist alles toll geworden und bald wird es ganz fertig sein, unser neues zu Hause für die Dauer des Studiums. Marvin schafft oben, baut den Beamer an mit einem Kollegen, die Leinwand hängt schon an der Decke, die kann man dann elektrisch per Fernbedienung rauf und runter fahren.
Der Aufwand hat sich gelohnt, finde ich und Sergej und ich freuen uns darauf, hier mit unseren Freunden ein zu ziehen und zu wohnen. Für sie wird es schon einen gewissen Luxus haben, hier zu wohnen, für mich und hoffentlich auch meinen Schatz sind die Wohnbedingungen ähnlich wie zu Hause, nur mit dem Unterschied, hier mit den Freunden und nicht mit der Familie zu wohnen und zu leben. Wir sind schon ein bisschen gespannt, wie das dann so funktioniert mit uns allen unter einem Dach, das ist ja doch neu für alle und bestimmt manch mal sehr lustig.
Bis wir alles ausgiebig besichtigt und beredet haben, ist es halb zwei geworden und wir überlegen, ob und wo wir was zu Mittag essen sollen. Den ersten Gedanke, Scarlotti, verwerfe ich gleich, den könnte ich heute nicht ertragen und so kommt von Frank der Mac Donalds Vorschlag und da wir das ja ab und zu auch mal ganz gern essen, beschließen wir, nach Bremerhaven in das dortige Mac Donalds in der „Nansen Straße“ zu fahren. Da wir noch tanken müssen, sind wir so um kurz vor drei in Mc Donalds, wo mäßiger Betrieb herrscht.
Robin
Mama ist weg zur Arbeit und jetzt dauert es noch etwa eine Stunde, bis Chris vom Dienst kommt, das heißt, das ich jetzt allein zu Hause bin. Das klappt schon und das ist ja auch nur in den Ferien und erst, seit Chris Zivildienst macht. Als er noch aufs Gymnasium ging, hatten wir immer gleiche Ferienzeiten aber ab nächste Woche ist das Zivi-Leben ja auch Geschichte bei meinem Bruder und bei Matz ja auch.
Mama hat heute nichts gekocht, weil wir so spät von Alex zurück waren und danach auch noch zum Einkaufen waren. Einkaufen geh ich immer gern mit Mama. Da darf ich im Einkaufswagen sitzen und was zum Naschen bekomme ich auch immer.
Mama hat gesagt, wir könnten ja zu Mac Donalds gehen und hat mir fünfzehn Euro dafür da gelassen. Wenn Chris kommt, können wir ja dort hingehen, das ist nicht so weit zu Fuß, etwa zwei ein halb Kilometer, da sind wir schon öfter hin gegangen.
Als ich den Roller höre, fahre ich zur Haustür, durch die mein Bruder jetzt das Haus betritt. Er nimmt mich, wie immer, kurz in den Arm und auch der Satz: „Und, Kleiner, alles paletti?“ ist immer der Gleiche. „Woll, woll“, antworte ich, was so viel wie. „Ja klar“ heißt.
„Mama hat nix gekocht“, sag ich, „wir sollen zu Mc Donalds gehen, sie hat mir Geld gegeben.“ „Matz kommt“, sagt er, „mit dem Auto, der fährt uns bestimmt hin.“ Er lässt mich los und sagt: „Ich zieh kurz was anderes an, wenn es klingelt, mach auf, das kann nur Matz sein.“ Er geht hoch in sein Zimmer und ich in meins. Kurz drauf klingelt Matz und ich lass ihn rein. Er folgt mir in mein Zimmer, dort sage ich, dass Chris sich etwas anderes anzieht und dass wir, weil Mama nichts gekocht hat, zu Mac Donald wollen.
„Dann können wir ja mit meinem Auto dorthin fahren“, sagt er, „ich könnte auch was zum Essen vertragen.“
Als Chris kommt, hat er die Sitzerhöhung dabei und wir gehen zum Auto, den Rolli holen wir mit, Chris sagt, das wir noch was zusammen unternehmen. „Juhu!“ mach ich, „Das ist toll. Was denn?“
„Wir können in den Wasserzoo gehen, der ist ja nicht so weit von Mc Donalds weg“, sagt Matz und Chris nickt dazu. „Oh ja, toll!“, ruf ich, „da waren wir schon ewig nicht mehr.“ Als ich angeschnallt bin, geht es los und kurz drauf sind wir bei Mc Donalds auf dem Parkplatz.
„Guck mal“, sagt Chris zu Matz, „da steht der gleiche Kombi, wie Jerome einen hat.“ „Guck mal das Nummernschild“, sagt Matz, „BHV JS 18, das ist Jerome. Vielleicht sitzen er und Sergej ja auch da drin.“
Sergej
Beim McDonalds parken wir seitlich am Gebäude, da kann man auch draußen sitzen aber da ist alles besetzt, bei dem schönen Wetter auch kein Wunder. Dafür ist drinnen reichlich Platz und wir setzen uns nach dem Kauf der Nahrung so, dass wir das Lokal ziemlich überblicken können. Jeromes Handy geht und er hört, nachdem er das Gespräch angenommen hat, zu. Ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht und er sagt: „Ich freue mich, Kleiner“, und er legt auf.
Auf meinen fragenden Blick, Ole und Frank schauen auch zu ihm, sagt er nur: „Türe, Eingang.“ Ich drehe den Kopf und sehe Robin, im Rolli und Matz und Chris im Gefolge und alle strahlen zu uns rüber. Jerome steht auf, geht zu Robin und knuddelt ihn und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. „Schön, dich zu sehen“, sagt er und den Kopf hebend zu den anderen: „Euch natürlich auch.“
Die Drei kommen zu uns an den Tisch und wir begrüßen uns alle per Handschlag. Robin schiebt sich mit dem Rolli neben Jerome an die Kopfseite des Tisches, Matz und Chris gehen was zum Essen holen, nach dem Robin Chris drei Fünf Euroscheine gegeben hat. Zu Chris sagt er dabei: „Bitte wie immer, mit sechs Nuggets.“ Gemeint ist wohl das Happy Mal, was mich an Vanessa denken lässt, die das ja auch immer isst.
„Das ist jetzt mal ein schöner Zufall, dass wir uns hier treffen“, sag ich zu Robin, „was außer Hunger treibt euch denn noch hier her?“.
„Mama hatte keine Zeit mehr, zu kochen heute, wir waren lang bei Alex und dann noch einkaufen“, erzählt der Kleine jetzt, „Chris kam und als ich ihm sagte, das wir zu Mc Donalds gehen sollen, hat er gesagt, das Matz auch noch kommt. Das kam natürlich gut, da brauchten wir nicht her zu laufen, sondern wir sind mit Matzes Auto gekommen. Der hat eine coole Karre, wie ein SUV, aber nicht so riesig, wie Eurer.“
Chris und Matz kommen mit dem Essen für die drei und setzen sich in Verlängerung an den Nachbartisch, der ja fast unmittelbar an unseren grenzt. Das Happy Meal für Robin reiche ich durch zu dem Kleinen, der dann auch gleich auspackt und anfängt, zu speisen.
Jerome und Ole berichten den dreien von der Baustelle und was da so abgeht. Chris erzählt dann, das dieser Janus, er sagt immer Anus, jetzt bei Matz auf der Station gelandet ist. Matz erzählt auch, dass der Chris und ihnen in der Cafeteria gesehen hat und das er wissen wollte, ob sie befreundet wären. Dann muss er wohl gesagt haben: „Das ist eine Schwuchtel, eine schwule Sau.“ Aus den Augenwinkeln sehe ich meinen Schatz rot werden, vor Wut und ich greife nach seiner Hand und streichele beruhigend darüber.
„Boah, der hat wohl noch nicht genug Ärger, der Vollpfosten“, sagt er bissig, „der soll nur aufpassen, ich kann mir vorstellen, das er fliegt, wenn noch mal was vor kommt.“
Jeromes Handy geht wieder, eine SMS geht ein, das wird ihn erst mal von diesem Anus ablenken. Er liest und ein leichtes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht.
„Alex Brunner hat gesimst“, sagt er, „ein Doktor Jason Bridge hat ihm geschrieben, das alles, auch das Geld eingegangen ist und das Übermorgen der Plan für August gemacht wird. Die Chancen für einen Termin in der ersten Monatshälfte stehen gut, hat Mister Bridge geschrieben. Sollte zum letzten Julidrittel noch jemand ausfallen, wäre auch kurzfristig ein früherer Termin möglich.“
„Das sind ja tolle Nachrichten“, freut sich Chris, während Robin plötzlich ganz still ist und ernst über den Tisch guckt. Jerome legt zwei Finger unter sein Kinn, hebt es an und fragt: „Alles in Ordnung, Robin?“
„Jetzt, in diesem Moment, glaube ich es endlich, glaube ich, dass wir fliegen. Jetzt ist es angekommen bei mir und jetzt weiß ich auch, dass wir mit Winston Pizza essen werden“, sagt er ganz überzeugt. Dann macht sich ein fantastisches Lächeln auf seinem Gesicht breit, während zwei Freudentränen den Weg über seine Wangen nach unten nehmen. Jerome, der sein Handy noch in der Hand hält, macht ein Bild von Robin, ein Bild, auf dem man diesen Augenblick der Erkenntnis auch noch Jahre später bewundern kann, einfach toll.
Chris
Unser Kleiner sieht glücklich aus, so habe ich ihn noch nie strahlen sehen und auch der Blitz von Jeromes Handy verändert den Ausdruck der vollkommenen Zufriedenheit nicht. Die Chicken Nuggets und etwa die Hälfte der kleinen Pommes sind verdrückt von Robin, die restlichen Pommes isst wie immer…..na wer schon, ich.
„Was habt ihr denn noch so vor?“, fragt Ole jetzt und Matz sagt, das wir mit Robin in den Wasserzoo wollen.
Eigentlich heißt der ja „Zoo am Meer“ und ist nicht so groß wie andere Zoos aber es gibt viele interessante Tiere zu bestaunen und in zwei bis drei Stunden hat man alles ausführlich gesehen. Geöffnet ist bis neunzehn Uhr, also Zeit genug, es ist nämlich halb vier durch.
Jerome schaut Ole an und fragt:“Was habt ihr denn noch vor?“ „Nichts Konkretes mehr heute“, sagt Ole, „sollen wir mit gehen, was meint ihr?“ „Ich war da noch nie“, sagt Sergej, „ich hätte schon Lust.“
„Jaaa, bitte, geht mit uns“, ruft jetzt Robin und schaut bittend zu Jerome. Den Blick kenne ich und den, der daraufhin Nein sagt, der ist wohl noch nicht geboren. „OK“, sagt Jerome, „dann gehen wir mit, ich war da auch schon ein paar Jahre nicht mehr.“
Wir räumen unsere Reste weg und gehen zu den Autos. Ole und Frank sind mit einem, schon etwas älteren Golf da, so das jetzt drei Autos zum Zoo am Meer fahren, der etwa fünfhundert Meter Luftlinie von hier entfernt an der Weser liegt.
Gerade mal zehn Minuten später sind wir angekommen und gehen zur Kasse. Jerome bezahlt den Eintritt, es kostet für uns alle zusammen ein und Vierzig Euro, je sechs für Schüler und Studenten und fünf für Robin.
Jetzt geht es hinein ins Vergnügen und Robin freut sich wie ein Schneekönig, auch darüber, dass wir jetzt so viele geworden sind. Jerome schiebt ihn vor sich her und von einer Behinderung ist bei ihm nichts zu sehen.
Jerome
Ich mag ihn einfach sehr, den kleinen mit der großen Lebensfreude und ich habe mir fest vorgenommen, die Hand über ihn zu halten, auch und besonders, wenn er aus den USA zurück ist und Chris und Matz in Hamburg oder wo auch immer zusammen Medizin studieren.
Er gehört seit dem Wochenende fest zu uns und alle mögen ihn sehr. Wir werden ihn begleiten ins hoffentlich normale Teenieleben, durch die dann zu erwartende Pubertät und auch seinen beruflichen Werdegang werde ich zur Chefsache machen, salopp ausgedrückt. Er wird nie mehr allein da stehen und sich immer auf seine Freunde verlassen können.
Wenn ich nicht mit dem Studium beginnen würde, wäre ich wohl auch mit Sergej rüber in die USA geflogen, um Robin bei zu stehen aber mit Chris und Matz hat er Beistand genug, Alex Brunner nicht zu vergessen. Wenn ich sehe, wie Matz den Jungen anschaut, dann hat Robin jetzt noch einen Bruder mehr zur Seite und die zwei, Chris und Matz, werden sich spätestens da drüben bestimmt auch sehr, sehr nahe kommen, davon bin ich überzeugt.
Zwischen durch nehmen Sergej und ich den Robin in die Mitte, das er ein bisschen laufen kann und nicht immer im Rolli sitzen muss. So ein Lauftraining zwischen durch kann ja nicht verkehrt sein. Wenn er müde wird, kann er sich ja wieder setzen. Chris wird sich schon melden, wenn es zu viel wird für den Kleinen.
Der hat seine helle Freude mit den Tieren, die fast alle mit der Region oder mit Wasser und Meer zu tun haben. Es gibt auch Ausnahmen, Tiere aus anderen Regionen, Pumas und Schimpansen, das ist aber die Minderzahl. Bei den Seelöwen, diese hier kennt man auch unter dem Namen Mähnenrobbe, bleiben wir länger stehen. Robin ist fasziniert, wie die durch das klare Wasser sausen und das sie so beweglich sind.
Ole sagt, dass es eine Zoo Schule gibt hier, wo Schulklassen und Kindergartengruppen was über Tiere und Zoo lernen können. Mit der Grundschule war er vor ein paar Jahren auch mal hier.
„Wenn Vanessa mal nach Bremerhaven kommt“ sagt mein Schatz, „dann müssen wir mit ihr unbedingt hier her gehen.“ Das sehe ich genau so, wenn ich an Dresden denke, wie sie sich da gefreut hat im Zoo.
Zum Ende unseres Rundgangs, es ist jetzt achtzehn Uhr, Robin sitzt wieder im Rolli, sag ich den Anderen, sie sollen mal kurz warten. Ich gehe in den Zoo Shop, wo es natürlich themenbezogen eine Menge Kuscheltiere gibt, auch welche der Marke mit dem Knopf im Ohr, die sich durch hervorragende Qualität aber auch durch stolze Preise auszeichnen.
Für Robin kaufe ich eine Seekuh, ein etwa fünfzig Zentimeter langes, seidenweiches und sehr süßes Kuscheltier, das in die USA begleiten soll, als Maskottchen so zu sagen. Für Vanessa, die wir ja bald sehen werden, erstehe ich einen Babypinguin, der etwa zwanzig Zentimeter hoch und auch sehr süß ist. Mit dem Pinguin in einer Tüte und der Seekuh in der Hand gehe ich nach draußen zu den Jungs.
Sergej reich ich die Tüte und sage: „Das ist für Vanessa, trag das bitte.“ Er wirft einen Blick hinein und ist genau so begeistert, wie ich es war, als ich den Pinguin drinnen entdeckt habe.
Mit der Seekuh trete ich vor den Rolli und sage zu Robin: „Diese hier ist für dich, sie soll dich begleiten in die Staaten, dir Glück bringen und dir sagen, das wir immer an dich denken und alle Daumen drücken für dich.“ Ich lege sie auf seinen Schoss und vorsichtig, fast als wäre sie zerbrechlich, nimmt er sie in beide Hände. „Sie ist wunderschön und so weich“, sagt er mit großen Augen und hält sie an die Wange, „Danke, ich werde sie immer bei mir haben drüben, sie ist so toll. Du bist so lieb zu mir, Danke.“ Ich wuschel ein wenig durch sein blondes Engelhaar und sage: „Ist schon OK, Kleiner, wir schaffen das bestimmt und wenn es dann zum Pizza essen kommt, dann müsst ihr das so planen, am besten Samstags Abends, dann kommen wir mit dem Flieger rüber und gehen alle mit.“ Jetzt sind seine Augen noch größer und er ist regelrecht sprachlos. Ich muss grinsen, hoffentlich spielt Papa da auch mit bei unserem Ausflug.
Chris, der wohl den Knopf im Ohr entdeckt hat, sieht mich vorwurfsvoll an und schüttelt leicht den Kopf.
Sergej, der das mit bekommen hat, geht zu ihm, nimmt seinen Arm und zieht ihn Richtung Ausgang und redet mit ihm. Wir folgen mit ein wenig Abstand und Matz schiebt jetzt den Rolli mit dem sehr zufriedenen und mit einer Seekuh schmusenden Teenie Robin.
Sergej
Als Chris so vorwurfsvoll guckt, weiß ich genau, was in ihm vorgeht und ich nehme ihn beim Arm und ziehe ihn Richtung Ausgang, weil wir ja jetzt so wie so gehen wollten. „Über solche, ich sage jetzt mal, Kleinigkeiten, darfst du dich in Jeromes Umfeld nicht wundern, geschweige denn aufregen“, sage ich zu Chris, „egal, was diese Seekuh jetzt gekostet hat, der Ausdruck in Robins Gesicht war es Jerome mehr als wert und außerdem, er hat heute Morgen sechs Hundert Tausend Dollar nach New York überwiesen, da macht er sich über ein oder zwei Hunderter für zwei Kuscheltiere von Steiff keine Gedanken oder meinst du doch?“
„Es ist halt der Moment und das sieht man mir dann an“, sagt Chris, „im Nachhinein gebe ich dir ja recht, es ist aber gewöhnungsbedürftig und das klappt halt nicht von heute auf morgen.“
Ich erzähle von Dresden, vom Kauf der heißen Höschen und dann plötzlich noch ein Anzug für über tausend Euro und wie ich dann weg gelaufen bin.
„Heute kann ich damit umgehen“, sag ich, „besser jedenfalls wie damals. Der Bezug zu Geld ist in dieser Familie etwas anders, weil halt Kohle im Überfluss da ist. Sie lassen aber nicht den Dicken raus hängen, fühlen sich nicht als was besseres, sondern sind bei allem Geld gute Menschen geblieben und deshalb mag ich sie und Jerome ganz besonders. Er ist mein Leben mittlerweile und ich liebe ihn über alles.“
„WOW, das ist ja mal eine Aussage“, sagt Chris, „das freut mich für euch und ich wünsche Euch, dass es immer so bleibt.“ „Danke, wir hoffen das auch und wollen alles dafür tun“, sag ich. Jetzt sind wir bei den Autos und die anderen kommen nun auch.
„Was machen wir denn jetzt mit dem angebrochenen Abend“, fragt Frank und schaut in die Runde. Jerome beugt sich runter zu Robin und fragt: „Was würde denn unser Robin noch gerne machen?“ Er guckt nach oben und fragt dann leise: „Geht Sprudelwanne?“, und dann grinst er bittend. Ein Blick Jeromes in die Runde, allgemeines Nicken, und dann zu Robin gewandt: „OK, Sprudelwanne und Schwimmen nochmal, willst du?“ „Jaaaaa klaaaaar, super“, juchzt der Kleine. „Dann los, ab zu uns“, sagt Jerome und Matz verfrachtet Robin in sein Auto.
Im Auto greift Jerome zum Handy und sagt Lis Bescheid, dass wir noch mit den Jungs vorbei kommen. Martin ruft er auch an und fragt, ob sie auch kommen wollen und ob er die Sauna schnell anmachen kann. Mike und Dirk ruft er auch an und sagt, dass wir noch runter gehen, Schwimmen und Sauna machen.
Ole ruft er jetzt an und sagt, er soll bitte mit Frank Mike und Dirk bei Mike zu Hause abholen. Fünf und zwanzig Minuten später, wir haben nach einem weiteren Anruf auch noch Tom und Micha abgeholt, sind wir vorm Haus, wo die anderen, auch Kevin und Wolfi, bereits warten. „Warum geht ihr nicht rein und schon runter?“ fragt Jerome und sperrt auf. Wir gehen alle bis auf Jerome gleich runter und er geht noch kurz ins Wohnzimmer zu Lis, nehme ich an.
Jerome
Als ich ins Wohnzimmer komme, ist Mama am telefonieren, sitzt etwas gedrückt in der Couchecke und zwei Tränen laufen die Wangen runter. Sofort setze ich mich neben sie und schau sie an, leg meinen Arm um sie.
Sie beendet das Gespräch mit den Worten. „Wenn alles feststeht, ruf bitte noch mal an, ich werde auf jeden Fall kommen, Tschüss, und Danke, das du angerufen hast.“ Sie legt auf und ich frage:“Was ist passiert, Mama, warum Tränen?“
„Das war eine frühere Freundin aus Berlin“, sagt sie, „sie hat angerufen, weil meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind und sie wohl geahnt hat, das meine Geschwister mich nicht darüber informieren würden, womit sie ja auch wohl recht hatte.“ „Oh“, sag ich, schon ein wenig erschrocken, „und jetzt?“ „Auch wenn ihr sie nicht gekannt habt, Papa und ihr beiden, werden wir doch an der Beisetzung teilnehmen, was anderes würde ich mir wahrscheinlich immer vorwerfen.
Der Tod beendet jede Streitigkeit, die einmal war und trotz allem was war, sind es meine Eltern, denen wir die letzte Ehre nicht vor enthalten werden. Ich rufe jetzt mal Papa an und auch der Oma muss ich das gleich sagen.“
„Was musst du der Oma sagen“, kommt es von der Türe und sie Beiden, Oma und Frieda kommen rein.
„Jerome, geh du runter zu den Jungs, frag Martin oder Kai, ob einer nachher was beim Chinesen oder Pizza holen kann für uns alle und sag da unten mal noch nichts, das mache ich später selber“, sagt Mama und frage: „Wo ist denn Natascha?“ „Die ist mit Paolo, Boris und Marianne oben, Enrico bleibt heute bei Noah und Paul ist bei Rolf und wird auch dort bleiben, denk ich.“
Ich bin gerade im Flur, als es klingelt, Armin und Denise sind auch gekommen und ich schicke die beiden runter, bevor ich zu Natascha hoch gehe. Auf mein Klopfen kommt ziemlich schnell ein herein und ich betrete das Zimmer. Zu viert liegen sie bäuchlings auf der großen Couch und haben Nataschas Tablett vor sich. „Wir reden gerade mit Sigrid“, sagt sie, „was gibt es denn Dringendes, das du zu uns hoch kommst?“
„Sag Sigrid, wenn sie Lust hat, soll sie mit Torsten kommen, runter ins Schwimmbad, später gibt’s noch Chinesisch oder Pizza oder so was.“
Natascha tippt was ein und nach kurzer Wartezeit kommt die Antwort, das sie gleich losfahren und da sie bei Sigrid zu Hause sind, wird es auch nicht so lange dauern, bis sie da sind.
Ich sage zu Paolo, Boris und Marianne, das sie bitte schon runter gehen sollen, wir kämen gleich nach. Als sie das Zimmer verlassen habe, sage ich Natascha, was wohl geschehen ist und das eine frühere Freundin Mama in Kenntnis gesetzt hat. Ich sage ihr auch, dass wir unten nichts erzählen sollen, Mama will dass nach dem Essen selber tun.
Jetzt folgen wir Paolo und Sergejs Geschwistern nach unten, die heute mit Natascha unterwegs waren. Natascha will noch kurz zur Mama und Papa ist wohl auch gerade gebracht worden. Ich gehe derweil runter, wo die meisten schon im Becken schwimmen, nackt, versteht sich und Robin sitzt mit Wolfi und Kevin in der großen Sprudelwanne.
Ich gehe zu Kai und Martin und sage ihnen, was Mama vom Essen gesagt hat und auch, dass der, der fährt, beim Chinesen ja für die Personenzahl verschiedene Sachen holen kann. Jetzt jeden zu fragen, was er möchte das dauert ja ewig.
Man kann ja auch verschiedene Familienpizzen holen, wenn die Mehrzahl lieber Pizza möchte. Martin und Kai wollen dann zusammen fahren, nach dem zweiten Saunagang und ich, ich rufe jetzt alle mal kurz raus an den Whirlpool, zwecks Festlegung, Pizza oder China, Thai geht auch noch, sagt Martin.
Die Mehrheit ist eindeutig für Pizza und Pasta und so werden die beiden früh genug bestellen und das Ganze dann abholen in Bremerhaven.
Insgesamt sind wir dreiundzwanzig Leute, da kommt schon was zusammen und wir müssen noch einen langen Tisch von der Terrasse im Esszimmer an den voll ausgezogenen Tisch anstellen nach her, das dürfte aber ruck zuck erledigt sein bei so vielen Leuten.
Wie beim letzten Mal wird Sauna in zwei Gruppen gemacht und Kai und Martin gehen in die erste Gruppe, Matz und Chris sitzen wieder bei Robin, der sich da in der großen Wanne Sau wohl fühlt. Sergej hat dieses Mal gleich am Anfang mit Robin und zwei Nudeln ein bisschen im großen Becken geschwommen, dann brauchte er sich nicht so abzukühlen, als wenn er vorher im Whirlpool war.
Für den Kleinen war es ein sehr schöner, bestimmt aber auch anstrengender Tag mit Alex Brunner und Einkaufen am Vormittag.
Dann Mac Donalds und Wasserzoo am Nachmittag und Whirlpool, schwimmen und Pizza am Abend, mit vielen Freunden und einem neuen Kuscheltier.
Als Martin und Kai losfahren, um das bestellte Essen zu holen, machen wir so langsam Schluss, ziehen uns an und gehen dann nach oben. Robin sieht ein bisschen müde aus, was Mama direkt ins Auge fällt. „Willst du ein bisschen ruhen auf der Couch bis das Essen kommt?“ fragt sie ihn und als er nickt und sich dann dort hinlegt, deckt sie eine der Decken über ihn und verspricht, ihn zu wecken, wenn es Futter gibt, seine Robbe hat er fest im Arm.
Ole und Sergej haben einen Tisch von der Terrasse geholt und die anderen haben Stühle gebracht, so dass jetzt alle einen Platz haben im Esszimmer. Oma hat wohl vorhin die Geneverflasche geholt und sie und Mama und Papa haben auf die Nachricht aus Berlin einen, wenn nicht sogar zwei hinter die Binde geschüttet, na ja, warum auch nicht, wenn´s hilft.
Sergej und ich gehen mit Natascha und Paolo Getränke holen, Bier, Radler und auch alkoholfreies, für jeden etwas. Als alle um den Tisch versammelt sind, nur Robin liegt noch auf der Couch, bittet Mama um Gehör. Als es ruhig wird, erzählt sie kurz von ihrer Jugend und wie sie, als sie mit Papa zusammen kam, gegen den Willen ihrer Eltern hier her kam und geheiratet hat und das darauf hin die Familie jeden Kontakt mit ihr ab gebrochen hat. Dann erzählt sie von dem Anruf einer früheren Freundin heute, dass ihre Eltern bei einem Unfall umgekommen sind und niemand aus der Familie sie unterrichtet hat darüber.
Es ist ganz still geworden, als sie sagt, dass der Tod halt immer das Ende eines jeden Streites ist und dass die Familie wohl zur Beisetzung nach Berlin fahren oder fliegen wird. Ob und in wie weit die Urlaubspläne, die Schiffsreise betreffend in Mitleidenschaft gezogen sind, kann sie aber erst sagen, wenn ihr der Termin für die Beisetzung bekannt ist. Zum Schluss erwähnt sie noch, das weder Carl August, noch jemand anders hier aus ihrer Familie die Verstorbenen gekannt habe, weil diese jeden Kontakt abgebrochen hätten, als sie Carl August und nicht den von ihren Eltern aus erkorenen Bräutigam geheiratet hat.
„Also, ganz ehrlich“, meldet sich Torsten, „ich würde einen Kranz dorthin schicken, aber hinfahren, nee, wer nichts mit mir zu tun haben will, dem brauch ich auch nicht hinterm Sarg her zu laufen, Sorry aber das musste ich jetzt mal einfach so sagen.“
Martin und Kai kommen, beladen mit Pizza und Pasta, deren Duft sich schnell aus breitet und ich geh zur Couch, um den Kleinen zu wecken.
Ich streiche durch sein weiches Haar und sage an sein Ohr: „Aufwachen, es gibt lecker Futter, Robin.“ Langsam öffnen sich seine Augen und er braucht einen kurzen Moment, bis er weiß, wo er ist. Dann zieht ein Lächeln auf sein Gesicht und er richtet sich auf. „Hmm, es riecht schon fein“, sagt er und ich schiebe den Rolli an die Couch. Sobald er drinnen sitzt, fahre ich ihn an das Kopfende des angestellten Tisches.
Mama setzt Martin und Kai noch kurz in Kenntnis der Dinge, bevor sie mit Sergej, Paolo und Natascha Teller und Besteck holen und nun werden die Sachen verteilt. Robin möchte zuerst von der Pasta und Chris macht ihm was drauf von der Combinazzione.
Nun beginnt das große Mahl und auch dem mit gebrachten Rotwein wird zu gesprochen. Es schmeckt allen gut, Martin bestellt immer beim gleichen Italiener und es war immer topp. Zuletzt hatten wir ja an der Wohnungseinweihung der Zwillinge dort bestellt.
Während des Essens ist es ruhiger als sonst am Tisch, die Gedanken der meisten sind wohl noch bei Mamas Ausführungen über ihre Familie und die Ereignisse in Berlin.
Robin, der ja nichts mitbekommen hat davon, plappert und erzählt, was er heute alles erleben durfte und lockert so, unbewusst, aber goldrichtig, die Stimmung wieder auf und selbst Mama freut sich mit ihm und lächelt wieder.
Lis
Die Jugend um mich rum, vor allem der kleine Robin, lenken meine Gedanken ab, weg von Berlin und auch weg von dem Ärger darüber, dass meine Geschwister es nicht für notwendig hielten, mich über die Ereignisse, über den Tod unserer Eltern zu unterrichten. Vielleicht sollte ich auf Torsten hören, nicht dort hinfahren, so tun, als wüsste ich von nichts.
Wir werden einen Familienrat machen mit Oma und Frieda, Carl August und ich und die Kinder mit ihren Partnern, die ja dann auch mit betroffen sind, wenn wir dorthin fahren sollten. Da ich die einzige bin, die die Verstorbenen persönlich kennt, sind alle anderen quasi in derselben Situation, nämlich Menschen zu ihrem Grab zu geleiten, zu denen sie keinerlei Bezug haben. Ich habe noch nicht einmal Bilder mit genommen, als ich vor einundzwanzig Jahren vor ihnen geflohen bin.
Ich muss gestehen, dass Torstens Vorschlag mir immer sympathischer wird, je länger ich über ihn nachdenke.
Einen eventuellen Erbanspruch werde ich so wie so ausschlagen. Da ich ihre Liebe nicht hatte, will ich auch ihr Geld nicht. Sollen sich die anderen drum streiten, mir ist es egal.
Robin hat seine Nudeln gegessen und möchte jetzt ein Stück von der Pizza, mit Salami möchte er und Jerome legt ihm ein Stück auf den Teller. Jerome mag den Robin sehr, das spüre ich und sehe es auch an seinem Verhalten. Der Kleine ist aber auch einfach liebenswert und er versprüht immer gute Laune und Optimismus. Hoffentlich geht das alles gut da drüben, ich darf gar nicht dran denken, was wäre, wenn er bei den OPs sterben würde. Das würde uns alle, besonders aber Jerome und auch Natascha treffen, mehr wohl noch, als mich der Tod meiner Eltern betroffen macht.
Wir alle hoffen wohl auf einen guten Ausgang und Robin selber weiß wohl genau, was er will, hat mir Jerome erzählt. Nun müssen wir wohl später noch reden im Familienkreis, Paolo bleibt ja über Nacht, weil Enrico bei Noah ist und dann sind ja alle da, die es treffen könnte. Mal hören, was Carl August meint über die ganze Geschichte.
Robin
So Tage wie heute und auch wie Samstag und Sonntag hat es nicht viele gegeben in meinem Leben. Heute war einfach toll, schon heute Morgen bei Alex, ich durfte sogar unterschreiben auf dem Zettel für Amerika. Dann der Einkauf, das ist immer ein Highlight, wenn ich in dem Wagen sitze und mit Mama oder Chris durch die Regalreihen fahre.
Ab und zu, wenn sich die Gelegenheit bietet, lege ich dann Sachen in fremde Einkaufswagen, die meist halb im Weg geparkt und unbeaufsichtigt da rum stehen. Das ist immer sehr lustig. Das beste war, als ich einem alten Ehepaar ein Päckchen Billy Boys rein gelegt habe, die zwei hatten ein bisschen Stress, weil jeder den anderen im Verdacht hatte, den „Originalton Schweinekram“ da rein gelegt zu haben. Das war Sau lustig und ich habe viel gelacht. Wenn Chris dabei ist, geht das besser, Mama hat immer Schiss, ich könnte auffallen bei so was. Chris ist eher bereit, mit zu machen und dann auch zu gucken, wenn die Leute die Fremdkörper in ihrem Einkaufswagen sehen.
Schön ist auch, wenn sie auf Grund der fremden Teile meinen, das wäre nicht ihr Einkaufswagen und dann anfangen zu suchen, bis sie letztendlich dann doch dahinter kommen, dass es ihrer ist. Dann beschuldigen sie sich gegenseitig, diese Dinge dort reingelegt zu haben. Ein bisschen Spaß muss sein, sag ich immer und habe auch kein schlechtes Gewissen dabei, weil ja nichts Schlimmes passiert und auch keiner zu Schaden kommt.
Heute Mittag dann Mac Donalds mit Matz zuerst und dann noch mit den anderen, dann der Zoo mit dem Kuscheltier für mich, dann Sprudelwanne und Nudel schwimmen und jetzt noch Pizza und Pasta, einfach ein super geiler Tag für mich und ich denke, für Chris auch.
Ich glaube, heute Nacht werde ich gut schlafen, aber erst, wenn Mama zu Hause ist, ich muss ihr unbedingt noch alles erzählen, was heute alles war nach dem Einkaufen.
Martin
Die Chefin ist ein bisschen angeschlagen und wohl auch im Zweifel, was sie denn nun tun soll. Offiziell wurde sie ja bisher wohl nicht benachrichtigt von ihren Geschwistern über den Unfalltod ihrer Eltern, zu denen ja seit über zwanzig Jahren keinerlei Kontakt war.
Ich weiß noch gut, wie ich damals mit Carl August in der Nacht nach Berlin gefahren bin, mit einem drei hunderter Benz, zu der Tante Frieda, die mit ihrem Mann dort lebte und zu der sich die junge Freifrau von Salmuth geflüchtet hatte, um der Verkuppelung durch ihre Eltern mit einem anderen Adligen zu entgehen.
Das war ein Ding nach meinem Herzen, eine Entführung im positiven Sinne und sie war mir vom ersten Augenblick an so sympathisch und ist es bis zum heutigen Tag geblieben. Es ist alles noch besser geworden im Laufe der Jahre und heute würde ich für sie durchs Feuer gehen.
Sie ist die gute Seele in diesem Haus, das Sahnehäubchen auf einer an sich schon exzellenten Torte, das Tüpfelchen auf dem I und die wohl einzige Frau der Welt, der ich bedingungslos vertraue.
Sie hat mich und später auch Kai immer sehr gut behandelt und war immer fair zu uns und auch zu den anderen Mitarbeitern, an böse Worte von ihr kann ich mich nicht erinnern. Hier für sie und ihre Familie zu arbeiten, war nie eine Last und sie hat uns auch immer spüren lassen, dass wir ihr nicht gleichgültig sind.
Ich hoffe, dass sie sich nicht zu sehr unter Druck setzt für eine Familie, die sie nie hatte und vor deren Willkür sie hier her geflohen ist, um mit Carl August glücklich zu werden.
Es ist nicht viel übrig geblieben, als die jungen Leute beginnen, ab zu räumen und die Reste sowie das Geschirr in die Küche zu bringen. Es ist fast Neun und die ersten fahren jetzt nach Hause. Armin und Denise nehmen Mike und Dirk mit, Torsten fährt mit dem Roller mit zu Sigrid und Matz bringt Chris, Robin und auch noch Tom und Micha heim, die ja auch dort in der Ecke wohnen. Ole und Frank werden auch nach Hause fahren jetzt. Kevin hat Frühschicht und wird wohl mit Wolfi auch bald schlafen gehen. Wolfi bringt ihn morgen mit dem neuen Auto auf die Arbeit. Auch Kai und ich werden jetzt runter gehen und die Familie allein lassen, damit sie sich beraten können, wie sie jetzt mit allem umgehen werden.
Jerome
Die Versammlung hat sich relativ schnell aufgelöst und ich war noch mit Robin raus ans Auto. Er hat mich zum Abschied gedrückt und sich nochmals für Robbi, wie er das Kuscheltier jetzt nennt, bedankt. „Robin und Robbi“, hat er gesagt, „ kommt gut, oder?“ „Sau cool“, hab ich gesagt und er hat gestrahlt. Müde wird er sein, denk ich, aber er kann ja ausschlafen, sind ja Ferien.
Er hat sich mit seiner liebenswerten Art schon ein Stück weit in mein Herz geschlichen, teilt sich den Platz dort mit Ole, den Platz, der für Brüder reserviert war und der nun besetzt ist. Auch alle anderen, Mama besonders, mögen ihn und machen sich natürlich viel Gedanken um die doch zum Teil ungewisse Zukunft des Kleinen.
Robin selber sieht es wie Alex Brunner als die Chance an, ein normales Leben haben zu können, wenn alles gelingt und dafür ist er bereit, das Risiko, das diese Operationen für ihn sein können, zu akzeptieren. Er ist auch, und das wird gut sein für ihn, fest von einem Erfolg überzeugt und will mit jeder Faser seines Körpers gesund werden.
Jetzt sitzen wir um den Esstisch, Mama und Papa, Oma und Frieda und Natascha und ich mit unseren Schätzchen. Zunächst sagt mal keiner was, bis dann Papa wohl den Anfang macht. „Liebe Lis, der Tod deiner Eltern macht uns alle betroffen und obwohl sie ja nichts mit uns zu tun haben wollten, ist ihr plötzlicher Tod bestimmt sehr belastend für dich. Die Tatsache, dass wir von den Menschen, die einmal deine Familie waren bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht informiert worden sind, ist traurig und erweckt in mir die Erkenntnis, dass wir bei der Beisetzung wohl nicht gerne gesehen sind. Da es aber deine Eltern sind, bitte ich dich, wenn du eine Nacht darüber geschlafen hast, zu entscheiden, ob wir dorthin fahren sollen oder nicht. Wir werden dann entscheiden wie und auch wer uns beide dort hin begleiten soll, so er denn will.“
Mit diesen Worten hat Papa eine Entscheidung zunächst mal auf morgen verschoben.
Das ist ein von Papa immer wieder gepredigter und auch meist praktizierter Grundsatz, jede weit reichende Entscheidung, wenn es denn die Zeit zu lässt, zunächst zu überschlafen. Das sieht dann am nächsten Tag oft anders aus, wenn die Emotionen abgeklungen sind und der Verstand wieder klar ist.
Damit, das sehe ich an Mamas Nicken, ist die Versammlung für heute beendet und wir gehen nach oben. Sergej und ich beschließen, noch einen Film zu gucken und die anderen, auch Sergejs Geschwister, die in Nataschas Wohnbereich gewartet haben, holen wir dazu und Marianne als die Jüngste darf den Film aussuchen. Es ist ein Vampirfilm, nicht unbedingt mein bevorzugtes Genre, aber was Solls, schmuse ich halt mit Sergej etwas mehr. Als der Film aus ist, verzieht sich alles in die Betten, mal sehen, wie sich Mama morgen entscheidet, mir und auch Sergej wäre Torstens Vorschlag auch der Liebste, aber wenn Mama will, das wir mit ihr dort hinfahren, werden wir es selbstverständlich tun.
Chris
Nach diesem sehr schönen Nachmittag bringt uns Matz nach Hause. Tom und Micha steigen auch bei uns aus, gehen zu Fuß die letzten hundert fünfzig Meter bis nach Hause und ich frage Matz, ob er noch mit rein kommt zu uns. Es freut mich, als er ja sagt und ich hole den Rolli hinten aus dem Wagen. Robin, seinen Robbi fest im Arm, geht an Matzes Hand zur Türe und nach dem ich aufgeschlossen habe, gehen wir alle in Robins Zimmer.
Den Rolli und die Sitzerhöhung deponiere ich an ihren Plätzen, während Matz Robin aufs Bett gesetzt hat. Der Kleine ist geschafft und legt sich lang und ich werde im jetzt seine Schlafkleider anziehen. Ohne Protest lässt er sich von mir fertig machen fürs Bett und dann lege ich ihn auch gleich richtig hin und decke in mit der leichten Sommerdecke zu. Nur mit Mühe kann er die Augen aufhalten und nur der Wille, auf Mama zu warten, hält ihn noch wach.
Da es aber noch eine dreiviertel Stunde dauert, sage ich: „Schlaf ruhig ein bisschen, ich verspreche dir, dich zu wecken, wenn Mama kommt, Ehrenwort.“
„OK“, sagt er, schließt die Augen und pennt direkt weg. Matz und ich schauen uns grinsend an und dann sagt er leise: „Danke, danke, das ich heute bei euch sein durfte, es war sehr schön mit Euch. Ich mag dich jeden Tag mehr Chris und es würde mich glücklich machen, wenn du auch etwas für mich empfinden würdest.“
Er steht jetzt dicht vor mir, ich kann ihn riechen und meine, seine Wärme zu spüren.
Wie von selbst nehme ich ihn an den Seiten, ziehe ihn näher zu mir und dann, zaghaft erst, treffen unsere Lippen auf einander. Es ist……Wahnsinn, nie gefühltes ergreift Besitz von mir, ein Kribbeln geht von seinen Lippen aus, überflutet mich, lässt mich zittern und dann legt er beide Arme um mich und drückt mich fest an sich.
Meine Zunge stößt sacht an seine Lippen, die sich nach kurzem Zögern öffnen und dann berühre ich mit meiner seine Zunge, die erschreckt zurück weicht, um dann, bewusst gewollt, wieder auf Tuchfühlung geht und nun spielen wir gegenseitig mit der Zunge des anderen. Wir sind mittlerweile hart, beide und wir spüren das gegenseitig an Bein und Bauch des Anderen. Er stöhnt leise in den Kuss und auch ich zeige ihm auf die gleiche Weise, was ich gerade empfinde.
„Also doch, ich hatte recht!“ kommt es vom Bett und dann: „Ich freue mich so!“ Der kleine Racker hat uns beobachtet, an statt fest zu schlafen. Wir brechen den Kuss ab und schauen uns an und wir lesen in den Augen des Gegenübers, das etwas begonnen hat, das eine gute Zukunft hat. Ich habe mich getraut, ihn in mein Herz zu lassen, in seinem war ich wohl schon seit Samstag und nun werden wir sehen, wie es weitergeht mit uns.
Die Haustüre geht und Mama kommt, kommt dann auch gleich in Robins Zimmer. Wir stehen noch sehr dicht bei einander, in den Shorts ist der Normalzustand eingetreten und Mamas Gruß erwidern wir alle drei fast synchron.
Der Kleine hält den Robbi hoch und ruft: „Schau, was ich habe!“ Mama kommt näher, schaut uns dabei an, wissend, würde ich sagen und geht dann zum Bett. „Der ist aber süß, ganz toll. Oh Gott, der ist ja von Steiff, wer hat dir den denn gekauft?“
„Jerome, wir waren im Wasserzoo, haben die anderen bei Mac Donalds getroffen, Jerome, Sergej und Ole und Frank, sie waren alle mit im Zoo und dann waren wir wieder zu Remmers, unten im Schwimmbad und dann gab es noch Nudeln und Pizza. Es war so toll und dann haben sich Chris und Matz geküsst, das war das Tollste von allem. Ich freue mich so.“
Nun, jetzt weiß Mama ja dann auch gleich umfassend Bescheid.
Mama dreht sich um zu uns, lächelt und sagt: „Schöne Neuigkeiten, ich freue mich und wünsche euch viel, viel Glück. Lasst euch Zeit, lernt euch richtig kennen und handelt verantwortungsvoll. Matthias, ich bin froh und ich sehe dich sehr gern hier bei uns. Herzlich willkommen.“
„Danke, Frau Wegmann“, sagt er, „auch ich freue mich, dass Chris und ich es jetzt miteinander probieren wollen. Ich mag ihn sehr und hoffe, dass wir eine gute Zukunft haben.“
Zu mir sagt er dann, als Mama in die Küche geht: „Ich muss jetzt heim, muss es ihnen erzählen, das mein größter Wunsch Wirklichkeit wird, ich habe ihnen schon erzählt, das ich dich sehr mag. Sie werden sich sehr freuen für mich, für uns und sie werden sich noch mehr freuen, wenn sie dich erst in ihrem Haus begrüßen können. Komm, bring mich noch zum Auto bitte.“
Am Auto, bevor er einsteigt, küssen wir uns wieder, lange, mit Zunge und einfach wunderschön. Dann, nach zehn Minuten, steigt er ein, sagt: „Gute Nacht Chris. Ich freue mich auf morgen, schlafe gut und träume von uns.“ Dann fährt er los und ich geh rein, mit einem Herzen, das von Gefühlen überschwemmt ist, von Matz überschwemmt ist und es tut gut, soooo guut.
Mama steht im Flur, nimmt mich in den Arm und hält mich, dann gehen wir noch mal in Robins Zimmer. Der liegt jetzt, fest schlafend mit dem Steiff Robbi im Arm und sein Gesicht strahlt eine große Zufriedenheit aus.
Wir machen das Licht aus und setzen uns in die Küche und ich erzähle Mama von unserem Tag. Viertel nach Elf liege ich dann glückstrunken im Bett und denke an Matz und unsere Küsse bevor ich einschlafe.
1 Kommentar
Na da ist ja von allem etwas drin, schöne wie traurige Momente, super.
LG Andi